Neue Strahlenschutzverordnung vom 20.7.2001
Zusammenfassung
Am 14.3.2001 hat das Bundeskabinett die nachfolgende Novelle der
Strahlenschutzverordnung beschlossen. Der Bundesrat hat dem Verordnungsentwurf
am 1. Juni 2001 im Grundsatz zugestimmt.
Mit der Novellierung der Strahlenschutzverordnung wird der Schutz von Mensch
und Umwelt vor radioaktiver Strahlung auf eine neue Grundlage gestellt. Im Zuge
des umfangreichen Novellierungsvorhabens werden in ersten Linie europäische
Vorgaben der Richtlinien 96/29/EURATOM ("EURATOM-Grundnormen") und
97/43/EURATOM ("Patientenschutz-Richtlinie") in deutsches Recht
umgesetzt.
Die Strahlenschutzverordnung wird gleichzeitig neu gefasst; Inhalt und
Struktur werden dabei übersichtlicher gestaltet. Auf der Basis des erreichten
Standards wird der Strahlenschutz fortentwickelt; zugleich werden neuere
europäische Vorgaben umgesetzt.
Wichtiger Eckpunkt der Neuregelung ist die Absenkung der Dosisgrenzwerte
für die Bevölkerung und die Arbeitskräfte. Zum Schutz der Bevölkerung vor
Strahlenexpositionen aus zielgerichteter Nutzung radioaktiver Stoffe und
ionisierender Strahlung wird der Grenzwert von 1,5 auf 1 Millisievert im
Kalenderjahr abgesenkt; der Grenzwert für beruflich strahlenexponierte Personen
wird von 50 auf 20 mSv gesenkt.
Ausgedehnt wird der Strahlenschutz auf Strahlenexpositionen durch natürliche
Strahlungsquellen. Es werden Strahlenschutzanforderungen bei Expositionen
aus natürlichen Strahlungsquellen für Arbeitskräfte festgelegt, Vorsorge-,
Schutz- und Überwachungsmaßnahmen sowie ein Grenzwert von 20 Millisievert für
die effektive Dosis im Kalenderjahr vorgeschrieben.
Einbezogen wird dabei auch ausdrücklich Flugpersonal hinsichtlich kosmischer
Strahlung. Die Betreiber von Flugzeugen werden zur Ermittlung der
Strahlenexposition ihres fliegenden Personals verpflichtet, sobald die effektive
Dosis im Kalenderjahr 1 Millisievert überschreiten kann. Der Grenzwert für
fliegendes Personal für die effektive Dosis durch kosmische Strahlung beträgt
20 Millisievert pro Kalenderjahr.
Verstärkt wird u.a. auch der Strahlenschutz im medizinischen
Anwendungsbereich, der den ganz überwiegenden Anteil der Strahlenexposition
der Bevölkerung bewirkt, und in der Forschung in der Medizin. Für mit der
Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus befasste Beschäftigte
werden künftig die Schutzbestimmungen der Strahlenschutzverordnung gelten;
insoweit wird noch fortgeltendes DDR-Strahlenschutzrecht abgelöst. Neue
Meldepflichten sehen vor, dass die Behörden künftig umfassend und zeitnah von
Überschreitungen von Grenzwerten an Behältern, die zur Beförderung
bestrahlter Kernbrennstoffe bestimmt sind, unterrichtet werden.
Erstmals wird auch die "Freigabe" für Stoffe aus
genehmigungsbedürftigem Umgang mit radioaktiven Stoffen oder dem Betrieb von
Anlagen bundesweit und umfassend geregelt. Beim Betrieb und der Stilllegung von
Atomkraftwerken und von Anlagen des Brennstoffkreislaufes (Brennelemente-Herstellung,
Urananreicherung) fallen radioaktive Stoffe an, ebenso in der Nuklearmedizin und
in der Forschung. Die Entscheidung, wie mit den unterschiedlich kontaminierten
Materialien sach- und umweltgerecht zu verfahren ist, ist Gegenstand des
Freigabeverfahrens.
Die neue Strahlenschutzverordnung legt fest, auf welchem Weg solche Stoffe je
nach ihrer Kontamination sachgerecht zu behandeln und verantwortungsvoll und
umweltbewusst zu entsorgen. Durch die Festschreibung eines transparenten
Verfahrens zur Entlassung der Stoffe aus der strahlenschutzrechtlichen
Überwachung kann der Weg der Stoffe nachvollzogen und Missbrauch vermieden
werden.
Mit der neuen Strahlenschutzverordnung wird ein wichtiger Schritt zur
umfassenden Durchsetzung eines anspruchsvollen Strahlenschutzes in Deutschland
vollzogen.
Erläuterungen
>Mit der umfassenden Novellierung der Strahlenschutzverordnung, die durch neue
europäische Vorgaben in den Richtlinien 96/29/EURATOM
("EURATOM-Strahlenschutzgrundnormen") und 97/43/EURATOM
("Patientenschutzrichtlinie") erforderlich wurde, wird der Schutz von
Mensch- und Umwelt vor radioaktiver Strahlung auf eine neue Grundlage gestellt.
Ferner werden die Rechtsgrundlagen zur Vorbereitung von Notfallmaßnahmen und
der Information der Bevölkerung verstärkt. Damit wird auch Vorstellungen der
EU-Kommission zur effektiven Umsetzung der Richtlinie 89/618/EURATOM über die
Unterrichtung der Bevölkerung in radiologischen Notstandssituationen Rechnung
getragen.
Der besseren Vollziehbarkeit und Übersichtlichkeit halber wird die
Strahlenschutzverordnung grundlegend neu gegliedert. Die Grundsätze des
Strahlenschutzes
- Rechtfertigung für den Einsatz von radioaktiven Stoffen,
- Einhaltung der Grenzwerte,
- Pflicht zur Dosisbegrenzung und
- reduzierung
werden an zentraler Stelle in der Verordnung verankert.
Folgende zentrale Neuregelungen sind hervorzuheben:
Der Dosisgrenzwert für die Bevölkerung wird von 1,5 auf 1
Millisievert abgesenkt, für Arbeitskräfte von 50 auf 20 Millisievert.
Ausschlaggebend für die Absenkung der Dosisgrenzwerte ist die Neubewertung
des Strahlenrisikos durch die Internationale Strahlenschutzkommission, wie sie
auch ihren Niederschlag in den neuen EURATOM-Grundnormen gefunden hat und deren
Fortgeltung im Mai 2000 von dem wissenschaftlichen Komitee der Vereinten
Nationen zur Wirkung ionisierender Strahlung (UNSCEAR) bestätigt worden ist.
Die Neutronendosis wird dabei - wie von den EURATOM-Strahlenschutzgrundnormen
vorgegeben - bis zu zweifach höher bewertet als bisher, d.h. bis zu zwanzigfach
höher als Gammastrahlung.
Abgesenkt wird auch der Störfallplanungswert für die Auslegung bei
Atomkraftwerken (Leistungsreaktoren), und zwar ebenfalls von 50 auf 20
Millisievert. Der Entwurf der Novelle sieht diese Regelung auch für
standortnahe Zwischenlager - an den Standorten der Atomkraftwerke - vor.
Endlager sollen dem gleichen Maßstab genügen.
Die Störfallmaßnahmen bei sonstigen Anlagen (z.B. Forschungsreaktoren) und
beim Umgang mit radioaktiven Stoffen hoher Aktivität werden erstmalig in
allgemeinen Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates -
differenziert vor allem nach der jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit und dem
Gefährdungspotential - konkretisiert.
Erstmals umfassend geregelt wird die sogenannte "Freigabe",
d.h. die Entlassung von Stoffen aus der strahlenschutzrechtlichen Überwachung.
Beim Betrieb und der Stilllegung von Atomkraftwerken und von Anlagen des
Brennstoffkreislaufes (Brennelemente-Herstellung, Urananreicherung) fallen
radioaktive Stoffe an, ebenso in der Nuklearmedizin und in der Forschung. Die
Entscheidung, wie mit den unterschiedlich kontaminierten Materialien sach- und
umweltgerecht zu verfahren ist, ist Gegenstand des Freigabeverfahrens.
Die Frage, wann Stoffe, die der Strahlenschutzüberwachung unterliegen, in
dem Sinne "unbedenklich" sind, dass ihr Eintritt oder Wiedereintritt
in den Wirtschaftskreislauf verantwortbar ist, ist in den letzten Jahren sowohl
national als auch in europäischen und internationalen Wissenschaftler- und
Expertengremien intensiv diskutiert worden. Sie bewegt sich in dem
Spannungsfeld, dass einerseits bereits geringe Strahlendosen schädliche Folgen
haben können, andererseits aber auch in der Natur Radioaktivität vorkommt, die
zu nicht vermeidbaren Dosen führt. Es galt also, einen Wert für diese
"Unbedenklichkeit" zu ermitteln, der dem wissenschaftlichen
Kenntnisstand über die Wirkung der Radioaktivität umfassend Rechnung trägt,
ohne zu grundlegenden Wertungswidersprüchen insbesondere mit der natürlichen
Radioaktivität zu kommen.
Im Zuge dieser wissenschaftlichen Diskussionen und Prüfungen hat sich
mittlerweile ein internationaler Maßstab durchgesetzt, wonach eine Entlassung
aus der strahlenschutzrechtlichen Überwachung dann verantwortet werden kann,
wenn sie zu Strahlenexpositionen führt, die allenfalls im Bereich von 10
Mikrosievert im Kalenderjahr für Einzelpersonen der Bevölkerung liegen.
Diese Dosis von 10 Mikrosievert pro Jahr liegt weit unterhalb der Dosen durch
natürliche radioaktive Strahlung und unterhalb der Strahlungspegel, die
zeitweise im Alltag auftreten. So liegt die natürliche Strahlenbelastung in
Deutschland durchschnittlich bei 2.400 Mikrosievert pro Jahr, typische Werte
einer Röntgenaufnahme betragen ca. 100 Mikrosievert bis 1000 Mikrosievert, und
bei einem Nordatlantikflug ergeben sich ca. 100 Mikrosievert.
Auf der Grundlage dieses 10-Mikrosievert-Konzeptes sind die in der Novelle
festgeschriebenen Freigabewerte für die Verwertung und Beseitigung der für
Deutschland prognostizierten großen Materialmassen ermittelt worden.
Die Novelle der Strahlenschutzverordnung zeigt nunmehr einen Weg auf,
geringfügig radioaktive Stoffe je nach ihrer Kontamination sachgerecht zu
behandeln und verantwortungsvoll und umweltbewusst zu entsorgen. Durch die
Festschreibung eines transparenten Verfahrens kann der Weg der Stoffe
nachvollzogen und Missbrauch vermieden werden. Die bundeseinheitlichen Vorgaben
der Novelle lösen das bisherige uneinheitliche, einzelfallbezogene Vorgehen der
Länder ab.
Der Schutz des werdenden Lebens bei beruflich strahlenexponierten
Arbeitnehmerinnen wird durch besondere Grenzwerte und verstärkte
Schutzanforderungen verbessert.
Für ein ungeborenes Kind, das aufgrund der Tätigkeit der Mutter einer
Strahlenexposition ausgesetzt ist, wird ein Grenzwert für die effektive Dosis
vom Zeitpunkt der Mitteilung der Schwangerschaft bis zu deren Ende von 1
Millisievert festgelegt. Dies entspricht Art. 10 Abs. 1 der EU-Grundnormen.
Die Novelle verbessert weiter den Schutz des ungeborenen Lebens bei
beruflicher Strahlenexposition gebärfähiger Frauen . Zum Schutz des
ungeborenen Lebens bei noch nicht erkannter Schwangerschaft beträgt der
Grenzwert für die berufliche Strahlenexposition gebärfähiger Frauen künftig
2 Millisievert für die über im Monat kumulierte Dosis an der Gebärmutter
(bisher 5 Millisievert).
Hohen strahlenschutzrechtlichen Anforderungen wird künftig auch der medizinische
Bereich unterworfen, indem beispielsweise Pflichten zum verstärkten Einsatz
von Medizinphysik-Experten im diagnostischen und therapeutischen Bereich
festgelegt sowie Qualitätskontrollen durch Ärztliche Stellen eingeführt
werden.
In das Verfahren zur Genehmigung einer Anwendung radioaktiver Stoffe oder
ionisierender Strahlung in der medizinischen Forschung, für das das Bundesamt
für Strahlenschutz zuständig sein wird, wird künftig eine unabhängige
Ethikkommission einbezogen, die die Berücksichtigung ethischer, ärztlicher und
rechtlicher Gesichtspunkte sicherstellt.
Ein Schwerpunkt der Verordnung ist die neue Regelung zum Schutz vor natürlich
in der Umwelt vorkommenden radioaktiven Stoffen und natürlich vorkommender
Strahlung. Es werden Strahlenschutzanforderungen bei Expositionen aus
natürlichen Strahlungsquellen für Arbeitskräfte festgelegt. Vorsorge-,
Schutz- und Überwachungsmaßnahmen sowie ein Grenzwert von 20 Millisievert für
die effektive Dosis im Kalenderjahr vorgeschrieben.
Einbezogen wird dabei auch ausdrücklich Flugpersonal hinsichtlich kosmischer
Strahlung. Die Betreiber von Flugzeugen werden zur Ermittlung der
Strahlenexposition ihres fliegenden Personals verpflichtet, sobald die effektive
Dosis im Kalenderjahr 1 Millisievert überschreiten kann. Der Grenzwert für
fliegendes Personal für die effektive Dosis durch kosmische Strahlung beträgt
20 Millisievert pro Kalenderjahr.
Abgelöst wird das bislang fortgeltende DDR-Strahlenschutzrecht hinsichtlich
des Schutzes von Arbeitskräften bei der Sanierung der Hinterlassenschaften des
Uranbergbaus.
Quelle: Bundesumweltministerium http://www.bmu.de
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