Neue Datenbank im Internet: Modelle zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung
Seit April 2000 gibt es ein neues Internetangebot des
Bundesarbeitsministeriums: die Datenbank "Arbeitszeitflexibilisierung". Alle
Nutzer haben direkten Zugriff darauf über www.bma.bund.de/arbeitszeitmodelle.
Die Datenbank stellt in der Praxis erprobte, flexible Arbeitszeitmodelle in deutschen
Betrieben unterschiedlicher Branchen und Betriebsgrößen dar - das sind zur Zeit 46
Beispiele von Unternehmen aus 23 Branchen. Dabei werden deren Entstehungsgeschichte, die
Besonderheiten des jeweiligen Modells sowie die Umsetzungserfahrungen ausführlich
dokumentiert.
Aufgabe und Ziel der Datenbank ist es, Unternehmen, die im Prozess der
Arbeitszeitflexibilisierung stehen, erfahrungsgestützte Informationen über
Gestaltungsalternativen, Möglichkeiten des Vorgehens sowie bewährte Problemlösungen -
sowohl in Bezug auf die Regelung selbst als auch auf deren praktische Umsetzung - zur
Verfügung zu stellen. Dabei liegt die Stärke der Datenbank im hohen Detaillierungsgrad
der erhobenen und in die Fallstudien eingearbeiteten Informationen.
Die zusammengetragenen Fallstudien machen deutlich, dass es in der Praxis eine Vielzahl
von Wegen zur Entwicklung und Umsetzung neuer Arbeitszeitmodelle gibt. Hierbei bestätigt
sich die Erfahrung, dass es nicht das Ideal-Vorgehen oder -Modell gibt. Allerdings werden
oft ähnliche Vorgehensweisen gewählt und vergleichbare Gestaltungsprinzipien angewandt.
Differenziert wird in erster Linie gemäß den unternehmensspezifischen Gegebenheiten.
Auch zeigt sich in den Fallstudien, dass Arbeitszeitflexibilisierung ein permanenter
Entwicklungsprozess ist.
Moderne, flexible Arbeitszeitgestaltung hat aus Sicht des Unternehmens die Aufgabe, eine
bestmögliche Anpassung der Arbeitszeit an - auch kurzfristige - Schwankungen des
Arbeitsanfalls zu erzielen. Dabei gewinnt in unserer wachsenden internationalen
Dienstleistungsgesellschaft die Kombination von Kundenbedürfnissen und
Arbeitszeitgestaltung zunehmend an Bedeutung.
Schon darin unterscheiden sich zeitgemäße von herkömmlichen Arbeitszeitmodellen: In
letzteren gibt es keine systematische Verbindung zwischen Arbeitszeitsteuerung und
Kundenanforderungen. Stattdessen setzen herkömmliche Schichtmodelle auf persönliche
Anwesenheitspflicht zu festgelegten Zeiten, und auch konventionelle Gleitzeitsysteme haben
in erster Linie die Begrenzung individueller Abweichungen von einem einheitlichen
Arbeitszeitmuster zum Ziel. Dies führt häufig zu Konflikten mit differenzierten
Kundenanforderungen und unterschiedlichen betrieblichen Arbeitszeiten.
Solche alten Arbeitszeitmodelle schränken die persönlichen Gestaltungsspielräume der
Mitarbeiter erheblich ein. Flexibilität gibt es unter diesem Vorzeichen in der Regel
ausschließlich nach "oben" - das heißt: in Gestalt zusätzlichen
Arbeitszeitverbrauchs; oft in Form teurer, weil zuschlagspflichtiger Mehrarbeit. Eine
systematische Planung und Steuerung von Abwesenheitszeiten zur Anpassung an
"Täler" des Arbeitsanfalls unterbleibt dagegen in aller Regel;
Abwesenheitszeiten werden vielmehr als Störfälle betrachtet, deren Eintreten auf das
unumgängliche Mindestmaß zu begrenzen sei.
Für den einzelnen Arbeitnehmer bedeuten starre Arbeitsregelungen gleichzeitig unflexible
Familienzeiten, eingeschränkte außerbetriebliche Weiterbildungsmöglichkeiten, geringere
Lebensqualität. Negative Auswirkungen auf die individuellen Arbeitsleistungen und eine
höhere Unzufriedenheit im Beruf sind die direkten Folgen.
Die vorliegende Datenbank enthält Beschreibungen von Modellen und Verfahrensweisen der
Arbeitszeitflexibilisierung, die sich an Kunden- und Aufgabenerfordernissen wie auch am
Ziel orientieren, den Mitarbeitern größere Gestaltungsfreiheit - nicht nur in zeitlicher
Hinsicht - einzuräumen. Dass es hier zahlreiche Möglichkeiten und damit viele Wege zum
Ziel gibt, zeigen die einzelnen Beispiele deutlich.
Rechtzeitige und ausführliche Information und Kommunikation gegenüber allen Beteiligten
hat sich für die erfolgreiche Umsetzung der neuen Arbeitszeitmodelle als unabdingbar
erwiesen. In flexiblen Arbeitszeitsystemen ändern sich die Rollen aller betrieblichen
Akteure, wobei jedoch in den befragten Unternehmen nahezu übereinstimmend auf die
Unterstützung der Führungskräfte in diesem Prozess besonders großer Wert gelegt wird.
Darüber hinaus erwies sich für die meisten Unternehmen die Entscheidung für den
Einstieg in die "neue Arbeitszeitwelt" via Pilotphase/-bereich als richtig. Ein
weiteres wichtiges Thema war die Schaffung der notwendigen organisatorischen
Voraussetzungen erfolgreicher Arbeitszeitflexibilisierung bzw. die Erfahrung, dass sich
aus der Arbeitszeitneugestaltung Synergieeffekte derart ergeben, dass
Arbeitszeitflexibilisierung Veränderungen auch in anderen Bereichen auslösen bzw.
erleichtern kann.
Und schließlich zeigen die Fallstudien, dass Arbeitszeitflexibilisierung kein einmaliger
Vorgang ist, sondern die dargestellten Modelle fortlaufend an sich verändernde
unternehmensinterne und -externe Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Dieser
Sachverhalt wird auch durch die ständige Aktualisierung und Erweiterung der Datenbank
berücksichtigt.
Werner Schell (19.4.2000)
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