Die Fortbildung bzw. Weiterbildung der Arbeitnehmer kann auch eine
qualitätssichernde Maßnahme des Arbeitgebers sein
Die Frage, ob nach einer auf Kosten des Arbeitgebers durchgeführten Fort-
bzw. Weiterbildung jederzeit und ohne Entschädigungsfolge ein Stellenwechsel
durchgeführt werden kann, wird von den Arbeitsvertragsparteien anhaltend unterschiedlich
eingeschätzt: Während die Arbeitgeber bei einem Stellenwechsel des auf ihre Veranlassung
fort- oder weitergebildeten Arbeitnehmers überwiegend von einer umfassenden
Rückzahlungsverpflichtung der entstandenen Kosten ausgehen, meinen Arbeitnehmer, sie
seien mit Rücksicht auf das Grundrecht der freien Wahl des Arbeitsplatzes
uneingeschränkt und ohne irgendwelche Zahlungsverpflichtungen zu einem Arbeitgeberwechsel
berechtigt. Mehrfach mussten bereits wegen der unterschiedlichen Einschätzungen die
Arbeitsgerichte bemüht werden. Die Verunsicherung insbesondere der Arbeitnehmer ist
groß. Insofern ist Veranlassung gegeben, zum Thema einige klärende Hinweise zu geben, so
dass Streitigkeiten von vornherein vermieden werden können. Dabei muss unterschieden
werden nach der Rechtslage vor und nach dem 1. Januar 1998!
Das Bundesarbeitsgericht stellte in mehreren Urteilen fest, wie die
Rückzahlungsverpflichtung auf der Grundlage der bis 31.12.1997 geltenden Nr. 7 SR 2a
Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) ausgelegt werden musste
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in drei wegweisenden Urteilen (vom 6.9.95 - 5
AZR 174/94 -, vom 6.11.96 - 5 AZR 498/95 -, vom 23.4.97 - 5 AZR 29/96 -) die
tarifliche Rückzahlungsregelung der Nr. 2 SR 2a BAT grundsätzlich für wirksam erklärt,
dabei aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bestimmte Kriterien für die
Rückzahlungsverpflichtung erfüllt sein müssen. Dabei stützte sich das BAG auf Nr. 7
SR 2a BAT in der Fassung, wie sie bis zum 31.12.1997 gültig war. Die so vom BAG
herausgearbeiteten Kriterien lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen:
- Ein Anspruch auf Rückzahlung der Weiterbildungskosten
komme nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung und im Rahmen des
Personalbedarfs des Arbeitgebers weitergebildet worden sei. Dies sei dann der Fall,
wenn beim Arbeitgeber in einem 3-jährigen Bindungszeitraum wahrscheinlich Stellen
zu besetzen seien, für die eine durch die Weiterbildung zu erwerbende Qualifikation
Voraussetzung ist. Dabei sei es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, mehr Arbeitnehmern die
Weiterbildung zu finanzieren, als Stellen frei werden. Dies sei schon deshalb geboten,
weil auch mit dem Ausscheiden weitergebildeten Personals zu rechnen sei. Der Arbeitgeber
müsse außerdem die Möglichkeit haben, unter mehreren weitergebildeten Arbeitskräften
auszuwählen. Der Arbeitgeber habe aber darzulegen, dass im Bindungszeitraum Stellen zu
besetzen sein werden, für die die jeweilige Fort- und Weiterbildung vorausgesetzt
werde. Zumindest müsse er vortragen, dass und aus welchen Gründen er innerhalb des
Bindungszeitraumes wahrscheinlich Arbeitnehmer mit der zu erwerbenden Qualifikation
benötigt. Eine Weiterbildung erfolge auch dann "im Rahmen des Personalbedarfs"
des Arbeitgebers, wenn dem Arbeitnehmer die höherwertigere Stelle im Hinblick darauf
übertragen werde, dass er anschließend die Weiterbildung durchführe.
- Außerdem lösten nur vergütungsrelevante
Bildungsmaßnahmen eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers aus. Dies bedeute, dass
die Fort- oder Weiterbildung unmittelbar bzw. mittelbar zu einer höheren Vergütung
führen müsste. Bildungsmaßnahmen, die keine Bedeutung für die Vergütung hätten,
seien demnach nicht als Fort- und Weiterbildungen im Sinne der Tarifverträge anzusehen
und lösten somit keine Rückzahlungspflicht aus. Der Arbeitgeber habe darzulegen, dass
innerhalb des 3-jährigen Bindungszeitraums wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, die
mit einer Höhergruppierung verbunden seien und für die eine durch die Weiterbildung
erlangte Qualifikation vorausgesetzt werde. Es reiche nicht aus, dass der Arbeitgeber
lediglich eine allgemeine Qualifizierung seines Fachpersonals erreichen wolle.
Diese beiden wesentlichen Aussagen machen deutlich, in welchen Fällen der Arbeitgeber
bislang einen Rückzahlungsanspruch geltend machen konnte. Je eher der auf Kosten des
Arbeitgebers weitergebildete Arbeitnehmer damit rechnen konnte, bei diesem entsprechend
seiner Weiterbildung beruflich aufzusteigen, desto eher war ihm die Rückzahlung der vom
Arbeitgeber aufgewandten Beträge zuzumuten, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der
Bindungsdauer beendete.
Nr. 7 SR 2a BAT gilt ab 1.1.1998 in einer modifizierten Fassung und lässt die
Entschädigungsregeln bei einem frühen Stellenwechsel in einem anderen Licht erscheinen
Auszug aus dem
BAT (in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung)
zur Fortzahlung der Vergütung bei Durchführung einer Weiterbildung
(Nr. 7 SR 2a)
(1) Wird ein Angestellter im Pflegedienst, der unter Abschnitt A der Anlage 1b fällt,
auf Veranlassung und im Rahmen der Qualitätssicherung oder des Personalbedarfs des
Arbeitgebers fort- oder weitergebildet, werden, sofern keine Ansprüche gegen andere
Kostenträger bestehen, vom Arbeitgeber
a) dem Angestellten, soweit er freigestellt werden muss, für die notwendige Fort- oder
Weiterbildungszeit die bisherige Vergütung (§ 26) fortgezahlt und
b) die Kosten der Fort- oder Weiterbildung getragen.
(2) Der Angestellte ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Aufwendungen für eine Fort-
oder Weiterbildung im Sinne des Absatzes 1 nach Maßgabe des Unterabsatzes 2 zu ersetzen,
wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu
vertretenden Grunde endet. Satz 1 gilt nicht, wenn die Angestellte
a) wegen Schwangerschaft oder
b) wegen Niederkunft in den letzten drei Monaten
gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.
Zurückzuzahlen sind, wenn das Arbeitsverhältnis endet
a) im ersten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung, die vollen Aufwendungen,
b) im zweiten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung, zwei Drittel der
Aufwendungen,
c) im dritten Jahr nach Abschluss der Fort- oder Weiterbildung, ein Drittel der
Aufwendungen.
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Anhand der neugefassten Nr. 7 SR 2a BAT fallen nunmehr auch solche Fort- und
Weiterbildungsmaßnahmen unter die Entschädigungsregelung, die "im Rahmen der
Qualitätssicherung" durchgeführt werden. Die Fort- und Weiterbildung im Rahmen des
Personalbedarf, auf die das BAG bislang seine Rechtsprechung abgesteckt hatte, ist nur
eine von zwei Alternativen. Damit wird den Arbeitgebern die nahezu uneingeschränkte
Möglichkeit eröffnet, die Arbeitnehmer im wesentlichen nur noch zur Qualitätssicherung
zu fördern, um damit personelle Festlegungen und Schadensersatzausschlüsse zu vermeiden.
Diese neue Regelung sollte auf Seiten der Arbeitnehmer mit Aufmerksamkeit wahrgenommen
werden, ist doch zu befürchten, dass nunmehr auch die Gerichte bei einem Streit über die
Kostentragung bei einem Stellenwechsel eine andere Einschätzung werden vornehmen müssen.
Literatur:
Burger, E. "Arbeitsrecht - Auf dem Weg wohin? (2. Kostentragung und Rückzahlung der
Fort- und Weiterbildungskosten)" in Zeitschrift "PEP", 1/99
Deutscher Caritasverband, Referat Arbeitsrecht (Hrsg.) "Richtlinien für
Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR). Lambertus
Verlag, Freiburg 1998
Golombek, G./E. Felme "Voraussetzungen und Grenzen von Rückzahlungsklauseln für
Fort- und Weiterbildungen im Krankenhaus" in Zeitschrift "Die Schwester/Der
Pfleger" 8/97
Krasemann, K. "Taschenbuch für Angestellte im öffentlichen Dienst". ÖTV
Courier-Verlag, Stuttgart 1998
Roßbruch, R. "Weiterbildungskosten - Rückzahlungsverpflichtung aufgrund
Tarifvertrags" in Zeitschrift "PflegeRecht" 2/97 und 1/98
Schell, W. "Arbeits- und Arbeitsschutzrecht für die Pflegeberufe von A bis Z".
Kunz Verlag, Hagen 1998
Werner Schell (10.3.2000)
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