Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 38/00 vom 17.05.2000 zum
Vergütungsanspruch trotz unterlassener Arbeitslosmeldung (Urteile vom 16. Mai 2000)
Die Klägerin ist schwerbehindert mit einem Grad von 90. Sie war seit
Oktober 1991 in dem von der Beklagten betriebenen Alten- und Pflegeheim als
Pflegedienstleiterin beschäftigt. Seit Mai 1994 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis
mehrfach gekündigt. Keine dieser Kündigungen führte zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte nahm die von der Klägerin angebotene Arbeitsleistung
nicht an.
Die Klägerin nimmt die Beklagte nunmehr auf Zahlung des Entgelts für die Zeiten ihrer
Nichtbeschäftigung in Anspruch. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Ansprüche der
Klägerin seien durch Anrechnung erloschen. Die Klägerin habe böswillig anderweitigen
Erwerb unterlassen, weil sie sich nicht regelmäßig beim Arbeitsamt als arbeitssuchend
gemeldet habe. Die Klägerin hat gemeint, aufgrund ihrer Schwerbehinderung hätte ihr das
Arbeitsamt ohnehin keinen Arbeitsplatz als Pflegedienstleiterin vermitteln können.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage
abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des
Bundesarbeitsgerichts Erfolg.
Ein gekündigter Arbeitnehmer muß sich sog. hypothetischen Verdienst nur dann anrechnen
lassen, wenn er böswillig anderweitigen Erwerb unterläßt. Um böswilliges Unterlassen
eines anderweitigen Verdienstes handelt es sich, wenn der Arbeitnehmer grundlos zumutbare
Arbeit ablehnt oder vorsätzlich verhindert, daß ihm überhaupt zumutbare Arbeit
angeboten wird. Das hat der Arbeitgeber im Rechtsstreit darzulegen und zu beweisen.
Auf eine unterlassene Meldung als Arbeitssuchender kommt es regelmäßig nicht an. Die
Vorschriften über den Annahmeverzug begründen keine allgemeine Obliegenheit des
Arbeitnehmers, den Vermittlungsdienst der Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch zu nehmen.
Bundesarbeitsgericht, Urteile vom 16. Mai 2000 - 9 AZR 202/99 und 203/99 -
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteile vom 28. August 1998 - 5 Sa 1086/97 und 5 (3)
Sa 188/97 -
Werner Schell (19.5.2000)
|