Bundesarbeitsgericht befaßte sich in seinem Urteil vom 18.10.2000 - 2
AZR 380/99 mit der Thematik: Offensichtliche Schwerbehinderung und Anfechtung des Arbeitsvertrages
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte über die Wirksamkeit der
Anfechtung eines Arbeitsvertrages wegen unrichtiger Beantwortung der Frage nach einer
Schwerbehinderung zu entscheiden.
Der Kläger war bei der Beklagten seit November 1997 als Mitarbeiter im technischen
Support (telefonische Beratung für Soft- und Hardware) beschäftigt. Vor Abschluß des
Arbeitsvertrages hatte er die in einem Personalfragebogen gestellte Frage nach einer
Schwerbehinderung verneint. Tatsächlich hat das Versorgungsamt bereits mit Bescheid vom
17. Februar 1989 bei dem Kläger "wegen der Funktionseinschränkung der Gliedmaßen
und des Rumpfes bei angeborenem Minderwuchs" einen Grad der Behinderung von 100
festgestellt.
Am 3. August 1998 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Daraufhin berief
sich der Kläger am 7. August 1998 auf seine Schwerbehinderung. Dies nahm die Beklagte zum
Anlaß, den Arbeitsvertrag mit Schreiben vom 17. August 1998 wegen arglistiger Täuschung
anzufechten. Nachdem die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits die fristlose Kündigung mit
Zustimmung des Klägers zurückgenommen hat, hat der Kläger die Feststellung begehrt,
daß das Arbeitsverhältnis über den 19. August 1998 hinaus fortbesteht. Er hat unter
anderem geltend gemacht, seine Schwerbehinderung sei für die Beklagte erkennbar gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr
stattgegeben.
Die Revision der Beklagten blieb erfolglos. Die unrichtige Beantwortung der Frage nach
einer Schwerbehinderung kann zwar die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger
Täuschung rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, daß der Getäuschte sich auf Grund
der Täuschung in einem Irrtum befand. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen
des Landesarbeitsgerichts hatte sich die Beklagte aber über die Schwerbehinderung des
Klägers nicht geirrt, weil diese offensichtlich war. Damit lagen die Voraussetzungen für
eine Anfechtung des Arbeitsvertrages nicht vor.
BAG, Urteil vom 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 -
Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 10. Juni 1999 - 5 Sa 12/99 -
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 72/00 vom 18.10.2000
Werner Schell (20.10.2000)
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