Außerordentliche Kündigung einer kirchlichen Mitarbeiterin wegen Loyalitätspflichtverletzung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied mit Urteil vom 21. Februar 2001 - 2
AZR 139/00 – in einer interessanten Streitsache (Vorinstanz
Landesarbeitsgericht – LAG - Baden-Württemberg, Urteil vom 30. September 1999
- 21 Sa 33/99 -; Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 22.02.2001 Nr. 10/01). Die
grundsätzlichen Ausführungen des BAG dürften für viele in kirchlichen
Diensten beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Interesse sein.
Der Fall: Die 36 Jahre alte Arbeitnehmerin (Klägerin) wurde von der
Beklagten, einer evangelischen Kirchengemeinde, seit Mai 1997 zunächst als
Gruppenleiterin in einer Kindertagesstätte beschäftigt und seit Oktober 1998
zur Leitung eines Kindergartens abgeordnet. Sie ist Mitglied der
Mitarbeitervertretung (MAV) und deshalb ordentlich unkündbar. Das
Arbeitsverhältnis unterliegt den Arbeitsrechtsregelungen der Evangelischen
Landeskirche in Baden, deren § 6 die Mitarbeiter zur Loyalität verpflichtet
und die Mitgliedschaft in Organisationen ausschließt, deren Grundauffassung,
Zielsetzung und praktische Tätigkeit im Widerspruch zum kirchlichen Auftrag
stehen. Gemäß § 9 kann ein Dienstverhältnis aus wichtigem Grund beendet
werden, wenn ein Mitarbeiter in grober, die Glaubwürdigkeit des kirchlichen
Dienstes erheblich beeinträchtigender Weise gegen die Pflichten eines
kirchlichen Mitarbeiters in seiner Lebensführung verstößt. Am 3. Dezember
1998 erfuhr die Beklagte, daß die Klägerin Mitglied der "Universalen
Kirche/Bruderschaft der Menschheit" (im Folgenden: UK) ist und für diese
sog. "primary lessons" durchführt. Als Mitglied der UK unterzeichnete
die Klägerin jährlich an "Das Orakel für die Große Weiße
Bruderschaft" gerichtete Verpflichtungserklärungen. Nach Auffassung der
Evangelischen Kirche sind die Lehren der UK mit wesentlichen christlichen
Glaubensüberzeugungen nicht vereinbar. Nachdem die MAV ihre Zustimmung erteilt
hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer
Auslauffrist zum 31. Dezember 1998. Hiergegen wandte sich die Arbeitnehmerin mit
Kündigungsschutzklage. Mit ihrer Kündigungsschutzklage hat die Klägerin eine
Loyalitätspflichtverletzung bestritten. Die UK sei keine Sekte, sondern eine
unter dem Schutz des Grundgesetzes (GG) stehende Glaubensgemeinschaft.
Auswirkungen auf die Arbeit im Kindergarten habe die Mitgliedschaft nicht
gehabt. Demgegenüber meint die Beklagte, die Klägerin biete nicht mehr die
Gewähr dafür, ihre Loyalitätspflicht zu erfüllen. Sie habe auch bei ihrer
Arbeit im Kindergarten die Lehren der UK angewendet. Das Arbeitsgericht (ArbG)
hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat ihr stattgegeben. Der Zweite Senat des BAG
hat das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt.
Die Entscheidungsgründe im Wesentlichen: Die außerordentliche
Kündigung der Beklagten sei aus wichtigem Grund (§ 626 Abs. 1 Bürgerliches
Gesetzbuch – BGB -) wirksam. Die Verfassungsgarantie des kirchlichen
Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG iVm. Art. 136 ff. Weimarer Reichsverfassung
– WRV -) gewährleistet den Kirchen, verbindlich zu bestimmen, was die
Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündung erfordere, welches die
wesentlichen Grundsätze der Glaubenslehre und Sittenlehre seien und was als -
ggf. schwerer - Verstoß gegen diese anzusehen sei. Nach den Feststellungen
des LAG habe die Klägerin schon auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der UK, deren
Lehren und Zielsetzung sich nicht mit den wesentlichen Glaubenssätzen und dem
Selbstverständnis der evangelischen Kirche vereinbaren lasse, in erheblichem
Maß gegen ihre arbeitsrechtlichen Verpflichtungen verstoßen. Wenn das LAG es
trotzdem als der Beklagten noch zumutbar angesehen habe, die Klägerin bis zum
Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen, lasse dies
wesentlichen unstreitigen Parteivortrag unberücksichtigt, vor allem die
Tatsache, daß die Klägerin für die UK sog. "primary lessons"
durchgeführt habe. Eine Arbeitnehmerin in einem evangelischen Kindergarten,
die in der Öffentlichkeit werbend für eine andere Glaubensgemeinschaft
auftrete und deren von den Glaubenssätzen der evangelischen Kirche erheblich
abweichende Lehren verbreite, biete regelmäßig keine hinreichende Gewähr mehr
dafür, daß sie der arbeitsvertraglich übernommenen Verpflichtung zur
Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche nachkommen werde. Mit dem
ArbG, das hierauf entscheidend abgestellt habe, müsse angenommen werden, eine
Weiterbeschäftigung der Klägerin sei der Beklagten unter den gegebenen
Umständen nicht mehr zumutbar gewesen.
Werner Schell (24.2.2001)
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