Bezahlte Freistellung bei Niederkunft der nichtehelichen Lebensgefährtin?
Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte darüber zu entscheiden, ob
einem Angestellten einer Landesversicherungsanstalt aus Anlaß der Niederkunft
seiner nichtehelichen Lebensgefährtin ein tariflicher Anspruch auf bezahlte
Freistellung für einen Arbeitstag zusteht.
Der Kläger hatte für den voraussichtlichen Tag der Niederkunft bei der
Beklagten bezahlte Freistellung beantragt. Die Beklagte gewährte zwar die
Freistellung, lehnte jedoch die Fortzahlung der Vergütung ab. Der Klage auf
Zahlung der Vergütung gab das Arbeitsgericht statt, das Landesarbeitsgericht
wies sie ab. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.
Nach § 616 Abs. 1 BGB iVm. § 52 Abs. 1 Buchst. a des Tarifvertrags zur
Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (BAT-TgRV-O) besteht
Anspruch auf bezahlte Freistellung für einen Arbeitstag aus Anlaß der
Niederkunft der Ehefrau. Diese Bestimmung gilt nach ihrem eindeutigen Wortlaut
nicht bei Niederkunft der nichtehelichen Lebensgefährtin. Der Anspruch ergibt
sich auch nicht aus § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O. Nach dieser Bestimmung
kann der Arbeitgeber auch in sonstigen dringenden Fällen bezahlte
Arbeitsbefreiung bis zu drei Arbeitstagen gewähren. Vorliegend hat der
Arbeitgeber dieses Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.
Die tarifliche Regelung verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 noch gegen Art.
6 GG. Der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung gegenüber verheirateten
Angestellten besteht darin, daß diese gemäß § 1353 BGB zur ehelichen
Lebensgemeinschaft und damit zum Beistand gegenüber der hochschwangeren Ehefrau
verpflichtet sind. Diese gesetzliche Pflicht trifft den unverheirateten
Angestellten nicht. Dem trägt die Tarifregelung Rechnung. Durch sie werden die
Rechte des unverheirateten Angestellten und seines nichtehelichen Kindes aus
Art. 6 GG nicht verletzt. Weder das Umgangsrecht noch ein bestehendes Sorgerecht
des nichtehelichen Vaters noch das Recht des nichtehelichen Kindes auf
größtmögliche Gleichstellung mit dem ehelichen Kind erfordern die Fortzahlung
der Vergütung bei der Freistellung des Angestellten aus Anlaß der Niederkunft.
Der Sechste Senat ist damit der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts zu der entsprechenden Bestimmung des BAT gefolgt (vgl. BAG
25. Februar 1987 - 8 AZR 430/84 - AP BAT § 52 Nr. 3).
BAG, Urteil vom 18. Januar 2001 - 6 AZR 492/99 -
LAG Brandenburg, Urteil vom 31. März 1999 - 6 Sa 794/98 -
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 1/01 vom 18.1.2001
Werner Schell (27.01.2001)
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