Frauen: Talentiert und doch weniger Chancen
Frauen sind geschickter als Männer und haben zudem eine
höhere soziale Kompetenz - Karriere machen sie trotzdem seltener. Was viele
Frauen subjektiv schon immer so empfunden haben, ist jetzt auch wissenschaftlich
belegt. Das Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin des
Klinikums der Universität München (Direktor: Prof. Dr. Dennis Nowak) hat sich
mit den gesundheitlichen und sozialen Beeinträchtigungen von Frauen am
Arbeitsplatz beschäftigt. Anbei eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse.
GRUNDLAGEN
Frauen haben eine geringere Muskelmasse
als Männer (36 versus 42 % des Körpergewichts), die Muskelkraft entspricht im
Mittel etwa 70 % der des Mannes. Frauen haben eine höhere Geschicklichkeit als
Männer: Die Handgeschicklichkeit ist etwa 10 % höher als beim Mann, die
Fingerfertigkeit ist etwa 6 % höher, wobei die Rechts-Links-Differenz ebenfalls
bei etwa 6 % liegt. "Die Frau erledigt buchstäblich mit links, was der
Mann mit rechts schafft", sagt Prof. Dr. Dennis Nowak. Frauen haben auf
physiologischer Grundlage eine höhere soziale Kompetenz als Männer. Frauen
können Kinder bekommen, Männer nicht. Diese vier physiologischen Determinanten
und weitere äußere Einflüsse wie tradierte Sozialisierungsmuster und
gesellschaftliche Rollenerwartungen haben dazu geführt, dass es
"Frauenberufe" und "Männerberufe" gibt. Dabei verteilen
sich 2/3 aller erwerbstätigen Frauen auf nur 11 Berufsgruppen (im Wesentlichen
Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe, kaufmännische Berufe,
Gesundheitsbranche).
Spezifische gesundheitsrelevante Beeinträchtigungen von
Frauen am Arbeitsplatz ergeben sich in vier Bereichen:
1. "Klassische" äußere Einflüsse /
Schadstoffe am Arbeitsplatz
In Deutschland ist die Prävention arbeitsbedingter
Gesundheitsstörungen und von Berufskrankheiten gesetzlich gut geregelt, aber
vielfach mangelt es an der Umsetzung: So wird beispielsweise in der
Routine-Krankenversorgung in Krankenhäusern das Arbeitszeitgesetz vielfach
nicht eingehalten.
- Viele neue Hautkrankheiten treten infolge mangelnder Prävention auf (etwa
20.000 Berufskrankheiten-Anzeigen, etwa 2.000 Anerkennungen pro Jahr,
größenteils Frauen im Friseurbereich, im Gesundheitswesen und in anderen
Dienstleistungsberufen).
- Im Bereich der ambulanten Altenpflege (fast ausschließlich Frauenarbeit) sind
die Arbeitsbedingungen oft sehr problematisch (Nacht- und Schichtarbeit, Tragen
und Heben unter unergonomischen Bedingungen, Infektionsgefährdung etc.)
- Hinzu kommt die immer noch fehlende arbeitsmedizinische Betreuung von etwa 50
% der Beschäftigten.
2. Neue Arbeitsformen
Zu den Formen neuer Erwerbsarbeit gehören vermehrt befristete
Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung,
Leiharbeit, Tätigkeit für mehrere Arbeitgeber, Wechsel zwischen
Arbeitslosigkeit und Erwerbsarbeit, Arbeit in Call Centern und Teleheimarbeit.
Auf letztere zwei Formen sei kurz eingegangen: Call Centers (wo zu 80 % Frauen
tätig sind) haben sich zu regelrechten Motoren der Beschäftigung entwickelt.
Die Arbeitsbedingungen sind hingegen oftmals problematisch (Schichtarbeit,
mangelhafte Einarbeitung, Zeitdruck, geringer Handlungsspielraum, hoher
Personal-Turnover). Hieraus resultieren in Studien hohe Raten an
psychosomatischen Beschwerden, vornehmlich bei Frauen und Personen mit höherer
Schulbildung. Teleheimarbeit kann eine Möglichkeit sein, berufliche und
familiäre Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Dem stehen aber auch Nachteile
gegenüber: Tele-Heimarbeiter, meist am Bildschirmarbeitsplatz, steigen aus dem
Sozialverbund des Betriebes aus. Es kommt zu einer fragwürdigen Vermischung von
Privatem und Beruflichem.
3. Mehrfachbelastung durch Beruf, Haushalt und Kinder
In Deutschland ist der weibliche Anteil der Berufstätigen fast so hoch wie
der männliche. Zwischen 60 und 70 % der weiblichen Berufstätigen sind Mütter.
Gleichwohl sind die klassischen männlichen Erwartungshaltungen an die
Kombination von Partnerschaft und Haushalt praktisch konstant geblieben (nur 5 %
der Männer, aber 25 % der Frauen stehen derzeit in Teilzeitbeschäftigung). Es
existiert jedoch eine Vielzahl von persönlichen wie auch von staatlich zu
regelnden Möglichkeiten, die "Kette des Verzichtens" für Frauen zu
unterbrechen (organisierte Mittagsbetreuung, verlängerte Öffnungszeiten von
Kindergärten und Horten, Job-sharing, Teilung der Hausarbeit etc.). Darüber
hinaus ist es wichtig, latente Schuldgefühle bei berufstätigen Müttern
abzubauen. Auch eine berufstätige Frau ist eine gute Mutter.
4. Verminderter Zugang zu Führungspositionen
Der früher bestehende Unterschied zwischen Männern und Frauen hinsichtlich
der Qualifikation von Ausbildungsabschlüssen gleicht sich zunehmend aus.
"Dennoch liegt der Anteil von Frauen in betrieblichen Führungspositionen
nach wie vor unter einem Prozent", moniert Professor Nowak. Diese für
Frauen oftmals fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten gehören zu den wichtigsten
sozialen Stressoren, die es abzubauen gilt.
Quelle: Pressemitteilung des Klinikums der Universität
München, 30.07.2002
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