Bereitschaftsdienst ist natürlich bezahlbar
Übermüdung von Ärzten ist häufig die Ursache für Kunstfehler
Berlin (AvB). "Die Ursachen für ärztliche Kunstfehler stehen sehr oft im
Zusammenhang mit Arbeitsüberlastungen. Nach 22 Stunden Dienst tritt eben eine
Blockade ein. Das ist ein klares Übermüdungsphänomen", sagte
Rechtsanwalt Roland Wehn, Leiter Ärztliche Fortbildung der DBV-Winterthur, bei
einem Hintergrundgespräch der DBV-Winterthur Versicherungen mit Journalisten in
Berlin. Versicherungen. Übermüdung, Überlastung und personelle Unterbesetzung
würden jedoch nie als offizielle Schadensursache genannt. Im Bereich der
Haftpflichtversicherung für das Heilwesen gingen jährlich rund 4.300
Schadensmeldungen ein. Ein Drittel kämen aus dem klinischen Umfeld. Die
"Sicherheit der ärztlichen Versorgung auf dem Prüfstand" war im
Berliner Gespräch das Thema.
In manchen Kliniken sei die ärztliche Kommunikationsstruktur
durch hierarchische und organisatorische Hindernisse stark eingeschränkt.
"Aus Angst vor Repressalien und schlechten Bewertungen vermeiden Ärzte im
Praktikum, aber auch Assistenzärzte eine zweite Rücksprache zu konkreten
Behandlungsfällen mit den Funktionsärzten", so Wehn.
Damit Kliniken ihre strukturellen Fehler im Risikomanagement
besser erkennen, bietet die DBV-Winterthur gemeinsam mit der E+S
Rückversicherung konkrete Maßnahmen an: Vorträge über ärztliche
Kunstfehler, Kommunikationstrainings, Einzelaudits u.a.
"Die überlangen Arbeitszeiten von Ärzten gefährden die
Sicherheit der Patienten und sind absolut illegal", stellt Lutz
Hammerschlag, stellv. Hauptgeschäftsführer und Leiter Tarifpolitik des
Marburger Bundes, fest. Die Dienstplangestaltungen in vielen Krankenhäusern
seien heute noch so wie im Mittelalter.
Dabei betrage die höchstzulässige Arbeitszeit in Deutschland
zehn Stunden täglich. Bereitschaftsdienste müssten dabei berücksichtigt
werden. Deshalb dürfe vor und nach einem Bereitschaftsdienst unter gar keinen
Umständen gearbeitet werden. Strenge Arbeitszeitauflagen - für Piloten und
LKW-Fahrer eine Selbstverständlichkeit - müssten auch für
Krankenhausärztinnen und -ärzte gelten, betonte Hammerschlag.
Der Marburger Bund habe Bereitschaftsdienst-Modelle
entwickelt, bei denen Ärzte zwischen acht und 21 Uhr arbeiten. "Unsere
Modelle sind zu finanzieren und damit wird auch die stationäre Versorgung
sichergestellt." Die jetzt diskutierte Ärzteknappheit sieht er als Folge
jahrelanger verfehlter Arbeitspolitik.
Hammerschlag meinte: "Die Ärzte haben nun die Nase voll
von den unzumutbaren Arbeitsbedingungen an deutschen Krankenhäusern. Aber
Knappheit ist auch im Tarifgeschäft gut. Wenn die Butter knapp wird, dann wird
sie eben teuer."
Weitere Informationen: www.dbv-winterthur.de
Quelle: Marburger Bund Zeitung, Ausgabe vom 23.8.2002
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