Im Streit über die Wirksamkeit
einer auf Haushaltsgründe gestützten Befristung hat der öffentliche
Arbeitgeber substantiiert darzulegen, daß der befristet eingestellte
Arbeitnehmer in eine der vom Haushaltsgesetzgeber nur vorübergehend
freigegebenen Stellen eingewiesen wurde
Landesarbeitsgericht (LAG)
Thüringen
Urteil vom 06.02.2001 - 7 Sa 338/2000 -
Entscheidungstenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom
21.02.1997 - 3 Ca 438/96 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der im Vertrag
vom 27.09.1994 vereinbarten Befristung zum 31.07.1996 beendet worden ist.
Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen
als Horterzieherin an einer Grundschule im Schulamtsbezirk S. bis zur
rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites
weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin war nach dem Arbeitsvertrag vom 27.09.1994 befristet vom
07.09.1994 bis 31.07.1996 als Erzieherin (Halbtagskraft) am Hort der Grundschule
S./Schulamtsbezirk S. gegen eine Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BAT-O
beschäftigt. Der Haushaltsplan des Beklagten für das Jahr 1993 weist im
Einzelplan 04 Kapitel 05 für die allgemeinbildenden Schulen insgesamt 30 008
Angestelltenstellen aus, darunter 2 149 V c-Stellen und 1 906 VI b-Stellen. Ohne
Aufteilung auf Schularten und Vergütungsgruppen sind 2 550 Stellen mit einem
unbefristeten kw-Vermerk versehen. Dieser kw-Vermerk ist im Haushaltsplan für
den Hortbereich dahingehend erläutert, dass jede freiwerdende Stelle bis zur
Höchstzahl von 250 Vollzeitstellen mit Teilzeit- bzw. Honorarkräften befristet
für höchstens drei Jahre zur Abdeckung des Spitzenbedarfs in Horten und
Einrichtungen zur Hortbetreuung neu besetzt werden darf. Der Haushaltsplan für
das Jahr 1994 weist 1 074, für das Jahr 1995 1 031 und für das Jahr 1996 982
VI b-Stellen aus. Davon sind jeweils 250 Stellen als 1996 wegfallend bezeichnet.
Die Parteien streiten darüber, ob die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses
aus Haushaltsgründen gerechtfertigt ist. Es geht darum, ob die Klägerin in
eine der vom Haushaltsgesetzgeber nur vorübergehend zur Verfügung gestellten
250 VI b-Stellen eingewiesen wurde.
Das Arbeitsgericht hat die am 21.08.1996 erhobene Entfristungsklage mit Urteil
vom 21.02.1997 abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin
mit Urteil vom 09.06.1998 zurückgewiesen (7 Sa 355/97), das
Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 03.11.1999, 7 AZR 579/98) das Berufungsurteil
auf die zugelassene Revision wegen unzureichender Tatsachenfeststellung
aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten der Revision - zurückverwiesen.
Nach der vom Bundesarbeitsgericht verlangten Sachverhaltsaufklärung ist
unstreitig geworden, dass die Bewirtschaftung der 250 kw-Stellen nach
Vergütungsgruppe VI b dem Landesverwaltungsamt mit der Maßgabe übertragen
wurde, dass sie nach Zuweisung an die einzelnen Schulämter für die befristete
Einstellung von Teilzeitbeschäftigten und Honorarkräften in Grundschulhorten
verwendet werden. Auf das Schreiben des Thüringer Kultusministeriums vom
22.09.1993 wird Bezug genommen (Bl. 224/225 d. A.). Ende 1993 fand im
Landesverwaltungsamt eine Konferenz statt, an der sämtliche Schulamtsleiter
teilnahmen. Dort wurde mündlich mitgeteilt, dass 250 kw-Stellen der
Vergütungsgruppe VI b verteilt werden für Horterzieher. Der Abschluss der
Fristverträge mit den Horterziehern wurde den Schulämtern übertragen. Das
stellenbewirtschaftende Landesverwaltungsamt erstellte keine Stellenübersicht.
Nachweise zur Stellenüberwachung und -besetzung wurden nicht geführt. Welche
der 250 kw-Stellen nach Vergütungsgruppe VI b dem Schulamt S. bzw. der
Grundschule in S. zugewiesen und wer in diese Stellen eingewiesen wurde, ist
nicht dokumentiert. Vorhanden ist ein Schreiben des Landesverwaltungsamtes an
die Staatlichen Schulämter vom 22.10.1993 mit der Bitte um alsbaldige
telefonische Rückmeldung der neu eingestellten Erzieher (Bl. 226 d. A.) und
eine Mitteilung des Staatlichen Schulamtes S. an das Landesverwaltungsamt vom
09.05.1996, wonach die Klägerin als Erzieher (50 %) mit befristetem
Arbeitsvertrag an der Grundschule S. beschäftigt wird (Bl. 227/229 d. A.).
Die Berufung meint, die gegen Haushaltsrecht verstoßende Stellenbewirtschaftung
spreche für sich. Der Beklagte könne nicht darlegen, dass die Klägerin bei
Abschluss des Arbeitsvertrages vom 27.09.1994 gerade in eine der VI b-Stellen
mit kw-Vermerk eingewiesen worden sei. Davon abgesehen sei eine Vergütung nach
Vergütungsgruppe V c vereinbart worden, was der Tariflage entsprochen habe (VergGr.
V c Fallgr. 6 BAT-O/Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst). Der vom
Beklagten behauptete Bewährungsaufstieg gehöre in den Bereich der
Legendenbildung.
Die Berufung beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 21.02.1996
abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der im Vertrag vom 27.09.1994 vereinbarten Befristung zum 31.07.1996 beendet worden ist;
2. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin ab Verkündung des Urteils zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Horterzieherin an einer Grundschule im
Schulamtsbezirk S. bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte behauptet, alle nach der Konferenz der Schulamtsleiter Ende 1993
von den Schulämtern befristet eingestellten Horterzieher seien vom
stellenbewirtschaftetenden Landesverwaltungsamt auf einer der ausgebrachten 250
kw-Stellen geführt worden. Er meint, trotz fehlender Dokumentation sei deshalb
aus dem Gesamtzusammenhang ersichtlich, dass es auch bei der Klägerin so war.
Dies könne über das Einstellungsdatum kontrolliert werden. Sie sei am
27.09.1994 eingestellt worden und zwar befristet und als Erzieherin. Demgemäß
werde sie auf einer kw-Stelle nach Vergütungsgruppe VI b geführt. Die im
Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung nach Vergütungsgruppe V c habe der
Schulamtsleiter nicht vereinbaren dürfen. Hierzu sei er nicht ermächtigt
gewesen. Wenn sie dennoch vereinbart worden sei, könne das nur auf dem
Bewährungsaufstieg beruhen (Beweis: Zeugnis des Regierungsdirektors M., damals
zuständiger Abteilungsleiter). Andernfalls habe sich der Schulamtsleiter
möglicherweise schadensersatzpflichtig gemacht.
Wegen des sonstigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf
ihre zur Akte gereichten Schriftsätze und die Protokollerklärungen in der
Berufungsverhandlung vom 06.02.2001 Bezug genommen (Bl. 238 bis 240 d. A.).
E n t s c h e i d u n g s g r ü
n d e
Die Berufung hat Erfolg. Die Befristung zum 31.07.1996 ist nicht aus
Haushaltsgründen sachlich gerechtfertigt und damit unwirksam. Auch wenn die im
maßgeblichen Haushaltsplan 1994 als im Jahre 1996 wegfallend bezeichneten VI
b-Stellen mit den im Haushaltsplan 1993 vorübergehend freigegebenen 250 Stellen
identisch sind, konnte der Beklagte nicht darlegen, dass die Klägerin gerade in
eine dieser Stellen eingewiesen wurde. Sie ist damit bis zum Abschluss des
Entfristungsprozesses weiterzubeschäftigen.
Nicht richtig ist allerdings die Auffassung der Berufung, die Klägerin sei
aufgrund ihrer Tätigkeit am Grundschulhort ohnehin in Vergütungsgruppe V c
Fallgruppe 6 BAT-O/Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst eingruppiert, so
dass die haushaltsrechtliche Argumentation des Beklagten ins Leere laufe.
Erzieher in Schulkindergärten, Vorklassen und Vermittlungsgruppen für
schulpflichtige Kinder fallen nicht unter dieses Tätigkeitsmerkmal
(Clemens/Scheuring, BAT, Vergütungsordnung BL, Teil II Anm. 240 o, Bearbeitung
1999).
Wenn dem Beklagten im Ausgangspunkt auch zu folgen ist, wonach die Tätigkeit in
Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 5 eingruppiert und ein Bewährungsaufstieg
nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 7 eröffnet ist, konnte er nicht darlegen,
dass die Klägerin bei Abschluss des Arbeitsvertrages vom 27.09.1994 gerade in
eine der 250 kw-Stellen nach VI b eingewiesen wurde. Das Aufklärungsprogramm
ist vom BAG (a. a. O.) vorgegeben. Danach muss der Beklagte zunächst das System
darstellen, auf dessen Grundlage jeweils entschieden wurde, ob ein
einzustellender Erzieher in eine auf unbestimmte Zeit oder in eine nur
vorübergehend zur Verfügung stehende Planstelle eingewiesen wurde, und sodann
seine Anwendung im Fall der Klägerin. Die vom Beklagten daraufhin geschilderte
Stellenbewirtschaftung hätte das Berufungsgericht nicht für möglich gehalten.
Eine Stellenübersicht gibt es nicht. Wieviele der 250 kw-Stellen dem Schulamt
S. zur Besetzung zugewiesen wurden, ist nicht dokumentiert. Nachweise zur
Stellenüberwachung und Stellenbesetzung fehlen. Ratlos macht die Einlassung des
Beklagten in der Berufungsverhandlung, es gebe zwar eine Beschäftigtenkartei im
Rechner, dafür müsse aber die Festplatte mitgebracht werden. Vorgelegt werden
konnte allein ein Schreiben des Schulamtes S. vom 26.03.1996, wonach die
Klägerin als Erzieherin mit befristeten Arbeitsvertrag (50 %) an der
Grundschule S. tätig ist. Eingestellt wurde sie am 07.09.1994.
Da es an einer nachvollziehbaren Stellenbewirtschaftung fehlt, behilft sich der
Beklagte mit der Behauptung, im fraglichen Zeitraum 1993 bis 1996 sei jede von
den Schulämtern vorgenommene Einstellung in eine der nur vorübergehend zur
Verfügung stehenden kw-Stellen entsprechend der Erläuterung des
Haushaltsgesetzgebers 1993 eingewiesen worden. Ob das schon durch die
vorausgegangene befristete Einstellung der Klägerin als
Erziehungsurlaubsvertretung für A. B. (01.12.1993 bis 24.081994) widerlegt
wird, kann offenbleiben. Durch nachprüfbare Tatsachen kann der Beklagte diese
Behauptung nämlich nicht konkretisieren. Im Kern wird geltend gemacht, dass es
so gewesen sein muss, weil die Vorgaben so waren. Demgemäß soll der Blick auf
das Einstellungsdatum die streitige Stelleneinweisung belegen. Das ist ein
Zirkelschluss. Ob die Klägerin bei Einstellung in eine kw-Stelle nach VI b
eingewiesen wurde, ist gerade zu überprüfen. Immerhin erhielt sie Vergütung
nach Vergütungsgruppe V c. Daraus will der Beklagte schlussfolgern, dass es
sich um einen Bewährungsaufstieg gehandelt haben müsse. Vergessen wird dabei,
dass die Stellenbewirtschaftung beim Landesverwaltungsamt lag, und hier
interessiert, in welche Stelle die Klägerin tatsächlich eingewiesen wurde,
nicht aber, in welche Stelle sie - rückblickend - hätte eingewiesen werden
sollen. Beweis kann über Tatsachen erhoben werden, nicht über
Schlussfolgerungen. Der als Zeuge benannte Regierungsdirektor M. - damals
zuständiger Abteilungsleiter im Landesverwaltungsamt - war nicht zu hören.
Nach seiner Verwaltungspraxis ist die damalige Stelleneinweisung nicht mehr
rekonstruierbar.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Dazu gehören die Kosten der Revision.
Es besteht kein Grund, die Revision erneut zuzulassen.
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