Arbeitspapiere - ein Zankapfel?
2001 wurden allein 2.878 Zeugnisprozesse geführt, die
außergerichtliche Streitquote liegt wesentlich höher. Bei Lichte betrachtet,
eignen sich die Arbeitspapiere kaum zum Zankapfel, es sollte selbstverständlich
sein, dass jeder ausscheidende Arbeitnehmer (AN) so schnell wie möglich alle
Arbeitspapiere in Händen hat, weil der Gesetzgeber durch § 37b
Sozialgesetzbuch III (SGB III) deutlich gemacht hat, dass jeder AN verpflichtet
ist, sich so schnell wie möglich um einen neuen Arbeitsplatz zu kümmern.
Der nachfolgende Beitrag wurde von Ulrich Fischer,
Fachanwalt für Arbeitsrecht in Frankfurt am Main und Autor zahlreicher
Veröffentlichungen für den Newsletter Nr. 15/2005 von http://www.arbeitsrecht.de
verfasst. Vielen Dank!
Anspruch auf Herausgabe der Arbeitspapiere
Die Arbeitspapiere werden für den AN dann relevant, wenn die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses bevorsteht oder eingetreten ist. Dann hat der Arbeitgeber
(AG) auf Grund seiner vertraglichen Nebenpflichten die Arbeitspapiere
sorgfältig und richtig zu erstellen sowie an den AN herauszugeben. Ein Anspruch
auf Herausgabe der Arbeitspapiere während des laufenden Arbeitsverhältnisses
besteht nur dann, wenn der AN hierfür besondere Gründe nennen kann. Ohne eine
besondere Begründung hat der AN aber stets einen Anspruch auf eine
Verdienstbescheinigung. Einer Begründungspflicht bedarf es dann nicht mehr,
wenn ein Beendigungstatbestand gegeben ist, also wenn beispielsweise Kündigung,
Befristungsende oder Aufhebungsvereinbarung vorliegen.
Schon vor der tatsächlichen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses hat der AN Anspruch auf ein Zwischenzeugnis, mit dem der
AG auch schon vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses die Leistungen und das
Verhalten des ANs bis zum Ausstellungsdatum beurteilt, um so dem AN die
Möglichkeit zu geben, sich bei einem neuen AG vorzustellen. Das Zwischenzeugnis
ist zwar eine wichtige Station zu einem Endzeugnis, steht aber unter dem
Vorbehalt, dass nicht zwischen Ausstellung und tatsächlicher Beendigung des
Arbeitsverhältnisses noch wesentliche, das Zeugnis negativ beeinflussende,
Umstände auftreten. Im Regelfall wird man aber sagen können, dass der AG
gehalten ist, sich an den Beurteilungen und Feststellungen im Zwischenzeugnis
festhalten zu lassen.
Zeitpunkt für Aushändigung der Arbeitspapiere
Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind alle anderen Arbeitspapiere
fällig. D.h., der AN kann am Ende des letzten Arbeitstages die Bereitstellung
der Arbeitspapiere zur Mitnahme verlangen. Eine Ausnahme ist nur für die
Papiere anzuerkennen, die der AG erst nachträglich berechnen kann. Auch
Ansprüche auf Herausgabe der Arbeitspapiere unterliegen Treu und Glauben, d.h.
dem AG muss die Erstellung der Papiere nach der Verkehrssitte, den betrieblichen
Umständen und dem zeitlichen Ablauf, also der Dauer der Kündigungsfrist,
redlicherweise möglich sein.
Schwierigkeiten treten bei fristlosen Kündigungen auf. Denn
hier fällt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem
Beendigungstatbestand ohne zeitlichen Vorlauf zusammen. Der AN hat einen
Anspruch darauf, dass der AG die Arbeitspapiere mit der zumutbaren
Geschwindigkeit erstellt, üblicherweise wird hier als Maßstab die nächste
erreichbare Gehaltsabrechnung angenommen. Maßgeblich für die Fälligkeit ist
die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Achtung: Der Anspruch auf die Arbeitspapiere entsteht auch
dann, wenn über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Streit herrscht, z.B.
wenn der AN gegen eine Kündigung klagt.
Ort für Aushändigung der Arbeitspapiere
Erfüllungsort für die Aushändigung der Arbeitspapiere ist der Ort, an dem der
AN seine Verpflichtung erfüllt hat. Insofern handelt es sich um den typischen
Fall einer "Holschuld", d.h. der AG muss die Papiere bereithalten, der
AN muss sie am Arbeitsort abholen.
Allerdings gilt das nicht, wenn dem AN aus individuellen
Gründen, wie Krankheit oder weit entferntem Wohnsitz, nicht zuzumuten ist, die
Arbeitspapiere persönlich oder durch einen vertrauenswürdigen Boten abzuholen.
Eine Versendungspflicht besteht auch dann, wenn der AG ein Hausverbot erteilt.
Nur in diesen Ausnahmefällen wandelt sich die Holschuld in eine Schickschuld
um, deren Kosten der AG trägt. In der Praxis werden aber vielfach auch
Vereinbarungen dergestalt getroffen, dass die Papiere, sobald sie
ordnungsgemäß erstellt sind, dem AN auf Kosten des AGs zugeschickt werden.
Achtung: Die Arbeitspapiere können nicht Gegenstand eines
Zurückbehaltungsrechts des AGs sein (§ 273 Abs. 1 BGB).
Fristen
Die Arbeitspapiere stehen nicht zur Disposition des AGs, sie dienen allein der
Möglichkeit des ANs, seinen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Die
Arbeitspapiere unterfallen den allgemeinen Regeln über Verjährung, Verwirkung
und von Ausschlussfristen.
Jeder AN ist also gut beraten, mit der Geltendmachung seiner
Ansprüche nicht allzu lange zu warten. Auch sollte vermieden werden, aus
Verärgerung Äußerungen abzugeben, die als Verzicht auf die Arbeitspapiere
gewertet werden könnten oder als Indiz dafür, dass der AN kein Interesse an
den Papieren habe. Letzteres könnte eine Verwirkung nach sich ziehen, wenn
nämlich der AG nicht mehr damit rechnen muss, dass der AN noch Ansprüche auf
Arbeitspapiere geltend macht.
Achtung: Kommt es im Zusammenhang mit der Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses zu einem Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag, sollte
darauf geachtet werden, dass in einer etwaigen Abgeltungsklausel die
Arbeitspapiere ausdrücklich ausgenommen werden.
Arbeitszeugnis
Das für den AN wichtigste und am häufigsten streitige Arbeitspapier ist das
Arbeitszeugnis nach § 109 GewO (für Azubis gilt weiterhin § 8 BBiG). Das
Gesetz unterscheidet zwischen einem sog. einfachen Zeugnis, das nur Angaben zur
Art und Dauer der Tätigkeit enthält und einem qualifizierten Zeugnis, welches
auch Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis bewertet. Letzteres muss vom
AN ausdrücklich verlangt werden, da der AG ansonsten lediglich verpflichtet
ist, ein einfaches Zeugnis auszustellen.
Das Zeugnis muss schriftlich, d.h. mit Unterschrift "des
AGs", erfolgen, dieser kann sich jedoch durch dazu befugte
betriebsangehörige Personen vertreten lassen, die im Verhältnis zu einem
ausscheidenden AN auf einer deutlich höheren Hierarchieebene angesiedelt sind.
Befindet sich der AG in der Insolvenz, bleibt der AG grundsätzlich Schuldner
des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses, wenn das Arbeitsverhältnis
vor Insolvenzeröffnung beendet wird. Nach Insolvenzeröffnung ist der
Insolvenzverwalter auch dann Schuldner des Zeugnisanspruchs, wenn er über die
Arbeitsleistung des ANs keine Aussage machen kann. Er ist dann verpflichtet,
sich beim insolventen AG sachkundig zu machen.
Es ist erforderlich, dass das Arbeitszeugnis alle, für einen
neuen AG relevanten, arbeitsbezogenen Daten beinhaltet. Es muss klar und
unmissverständlich formuliert sein und darf keine Merkmale oder Formulierungen
enthalten, die den Zweck haben, eine andere, als aus der äußeren Form oder aus
dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den AN zu treffen. Der AN hat Anspruch
auf ein formal ordentliches, d.h. von Rechtschreibfehlern freies, auf
üblicherweise verwandtem Briefpapier geschriebenes, sauberes, nicht markiertes
Zeugnis. Damit nicht zu vereinbaren ist es, wenn das Bundesarbeitsgericht (BAG,
Az.: 9 AZR 893/98) erlaubt, dass der AG ein Zeugnis gefaltet und geknickt
übersendet.
Achtung: Gerade bei streitigen Auseinandersetzungen über das
Ende des Arbeitsverhältnisses ist die Versuchung des AGs groß, das Zeugnis nur
aus dem Blickwinkel der Beendigung zu konzipieren, nicht unter Berücksichtigung
der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses. Je länger dieses gedauert hat, um so
weniger gewichtig werden die Beendigungsgründe.
Im Zeugnis sind alle für das Arbeitsverhältnis und für den
neuen AG bedeutsamen Tätigkeiten, Fähigkeiten sowie Kenntnisse aufzunehmen.
Nicht in ein Zeugnis gehören jedoch Aussagen über Freistellungen, Krankheiten,
Betriebsratstätigkeit, Elternzeit und Ähnliches. Ein Anspruch auf die
Bekundung subjektiver Gefühle des ANs, also Bedauern des Ausscheidens und
Wünsche für die Zukunft, besteht nicht.
Anspruch auf gute Bewertung
"Knackpunkt" der Zeugniserteilung ist in aller Regel die Bewertung.
Sie muss nach der Rechtsprechung des BAG wahrheitsgemäß, aber auch wohlwollend
sein, d.h., der AN darf nicht in seinem beruflichen Fortkommen gehindert werden.
Die Schwierigkeit liegt aber in dem Beurteilungsspielraum des AGs. In der Praxis
und der Erwartungshaltung der AN hat sich eine "Zensurenskala" nach
Art von Schulnoten herausgebildet, siehe hier
Nach einer neueren Entscheidung des BAG (Az.: 9 AZR 12/03)
stellt eine befriedigende Bewertung sozusagen den "Normalzustand" dar.
Daraus leitet das BAG ab, dass der AG eine schlechtere Beurteilung, die AN eine
bessere Beurteilung beweisen müssen, wenn es zum Streit kommt. Ein
unmittelbarer Anspruch auf eine bestimmte Formulierung im Rahmen der o.g. Skala
besteht nur dann, wenn im Betrieb eine bestimmte Üblichkeit besteht und der AG
stets gleiche oder gleich strukturierte Formeln verwendet. Es steht dem AG frei,
die inhaltliche Aussage einer "Note" auch durch eine andere, synonyme
Wortwahl zum Ausdruck zu bringen. Diese Wortwahl darf allerdings nicht so weit
von der Üblichkeit abweichen, dass eine allgemeine Verständlichkeit und
Orientierungsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr besteht.
Arbeitsbescheinigung und Lohnsteuerkarte
Der AN, der Arbeitslosengeld beanspruchen will, benötigt eine
Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III. Der AG ist zur Ausstellung
verpflichtet. Sollte der AG der Meinung sein, das Arbeitsverhältnis habe auf
Grund eines Fehlverhaltens des ANs im Leistungsbereich geendet, ist der AG
verpflichtet und berechtigt, dieses entsprechend einzutragen. Ob ein solches
Fehlverhalten vorliegt oder nicht, ist demgegenüber eine völlig andere Frage
und muss von der Bundesanstalt für Arbeit unter sozialrechtlichen
Gesichtspunkten geprüft werden. Bei dieser Prüfung ist der AG zur Mitwirkung
verpflichtet.
Unverzüglich hat der AG auch die Lohnsteuerkarte und die
Sozialversicherungsnachweise auszufertigen, d.h., sobald es ihm nach
betriebsüblicher Abrechnung der geleisteten Arbeit, bis zum Ende des
Arbeitsverhältnisses, möglich ist.
Überlassene Papiere
Der ausscheidende AN kann von seinem bisherigen AG verlangen, dass ihm die dem
AG auf dessen Wunsch oder Anforderung bei Arbeitsantritt überlassenen Papiere
(z.B. Zeugnisse), die für ein neues Arbeitsverhältnis oder für den AN
persönlich von Interesse sind, herauszugeben.
Auf die unmittelbaren Bewerbungsunterlagen, also
Bewerbungsschreiben und den beigefügten Lebenslauf sowie die Kopien von
Bescheinigungen hat der AN keinen Herausgabeanspruch.
Urlaubsbescheinigung
Relativ geringe praktische Bedeutung hat die Urlaubsbescheinigung nach § 6 Abs.
2 Bundesurlaubsgesetz. Der neue AG hat einen Anspruch darauf, zu erfahren,
wieviel Urlaub der im laufenden Jahr eintretende AN schon bei seinem
vorhergehenden AG erhalten hat.
Betriebsrentenbescheinigung
Besteht für den ausscheidenden AN eine unverfallbare
Betriebsrentenanwartschaft, ist der AG nach § 4 a Betriebliches
Altersvermögensgesetz verpflichtet, dem AN über diese Anwartschaft eine
Bescheinigung auszustellen. Hierin sind inhaltlich die die bisher erworbenen
unverfallbaren Anwartschaften bei Erreichen der in der Versorgungsregelung
vorgesehenen Altersgrenze enthalten.
Durchsetzung des Anspruchs und Schadensersatz
Die Arbeitsgerichte sind dann zuständig, wenn es seitens des ANs um direkte
Ansprüche gegen den AG geht. Die Sozialgerichte sind zuständig, wenn es um die
richtige Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung geht; die Finanzgerichte wiederum,
wenn der AN aus seiner Sicht unrichtige Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte
angreift.
Schadensersatzansprüche kann der AN dann geltend machen, wenn
ihm durch verspätete und/oder falsche Arbeitspapiere ein Vermögensschaden
entsteht. Der AN muss den Schaden allerdings beweisen, was nur schwer möglich
sein dürfte. So verlangt das BAG (Az.: 3 AZR 215/75), dass der AN den
Zusammenhang zwischen dem Verlust einer Einstellungschance und dem fehlenden
Arbeitspapier beweist.
Eine einfachere Möglichkeit stellt § 61 Abs. 2
Arbeitsgerichtsgesetz zur Verfügung: Das Gericht kann nach freiem Ermessen eine
Entschädigung zusprechen, wenn die Arbeitspapiere nicht innerhalb einer vom
Arbeitsgericht festgesetzten Frist ausgehändigt wurden. Der AN muss dann keinen
konkreten Schaden nachweisen, ist dann allerdings auch auf die vom Gericht für
angemessen erklärte Summe begrenzt.
Fazit
Arbeitspapiere und insbesondere das Zeugnis stellen wichtige Voraussetzungen
für eine berufliche Neuorientierung des ANs dar. Streit darüber ist zwar oft
unnötig, weil irrational, lässt sich aber nicht immer vermeiden. Der AN sollte
zügig seine Ansprüche durchsetzen und dabei bedenken, dass nicht der AG von
sich aus tätig wird, sondern dass er sich um die Papiere aktiv kümmern muss.
Über den Autor: Ulrich Fischer ist Fachanwalt für
Arbeitsrecht in Frankfurt am Main und Autor zahlreicher Veröffentlichungen
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Der vorstehende Beitrag wird mit Genehmigung vom Bund Verlag
(vom 27.7.2005) vorgestellt. Danke!
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