"Islam in Deutschland"
In der heutigen Plenardebatte im Deutschen Bundestag zum "Islam in
Deutschland" erklärte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Fritz Rudolf Körper:
"Der Islam ist eine der großen Weltreligionen. Fast drei Millionen
Menschen in Deutschland gehören ihr an. Dennoch erscheint der Islam der
christlich geprägten Mehrheitsgesellschaft oft fremd oder gar bedrohlich. Die
Bundesregierung hat daher die Große Anfrage begrüßt und für eine möglichst
umfassende Bestandsaufnahme genutzt. Denn viele Ängste und Besorgnisse
erwachsen mangelnder Kenntnis des Islam. Information und Aufklärung sind daher
geboten, um Verständnis für die in Deutschland lebenden Muslime zu fördern.
Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass es unter ihnen auch
Anhänger islamistischer Strömungen gibt, die Anlass zu Sorge geben.
Deutschland darf kein Tummelplatz radikaler islamistischer Strömungen werden.
Die Bundesregierung wird nicht zulassen, dass religiöser Eifer und religiöses
Eiferertum staatliches Handeln beeinflusst.
Der Islam zeigt auch in Deutschland vielfältige Ausprägungen und
Erscheinungsformen. Dies macht Differenzierungen in der Betrachtungsweise
erforderlich.
Den muslimischen Spitzenorganisationen ist stark daran gelegen, den
rechtlichen Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erhalten.
Sie möchten auf diese Weise eine Gleichstellung mit den christlichen Kirchen
und der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland erreichen. Die dazu
erforderlichen Voraussetzungen sind allerdings nicht einfach zu erfüllen,
gerade weil sich der Islam in Deutschland keine entsprechende Organisationsform
gibt. Auch gibt es bisher leider auf Bundesebene keinen inländisch
organisierten Gesprächspartner mit der nötigen Autorität nach innen.
Auch im Bereich der inneren Sicherheit muss sich die Bundesregierung
eingehend mit bestimmten Erscheinungsformen des Islam befassen. Die Antwort auf
die Große Anfrage listet daher eine Reihe islamistischer Organisationen auf,
die der Verfassungsschutz beobachtet. Es ist aber hervorzuheben, dass der Islam
als Religion in seinen vielen Facetten und unterschiedlichen kulturellen
Traditionen keineswegs gleichgesetzt werden darf mit seiner
ideologisch-extremistischen Instrumentalisierung durch einige islamistische
Strömungen und Organisationen. Die Zahl der Mitglieder islamistischer
Organisationen in Deutschland beläuft sich auf rund 31 300 Muslime. Es handelt
sich also nur um eine kleine Minderheit in einer Gemeinschaft von drei Millionen
Muslimen. Die Gefahren, die von dieser Minderheit ausgehen können, nimmt die
Bundesregierung sehr ernst. Sie darf aber nicht dazu benutzt werden, Feindbilder
aufzubauen. Allerdings sollte den muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern
bewusst sein, dass ihr Beitritt oder ihre Unterstützung solcher Organisationen
einem friedlichen Zusammenleben in dieser Gesellschaft nicht förderlich ist.
Selbst die scheinbar harmlose Inanspruchnahme der verlockenden sozialen
Aktivitäten solcher islamistischer Gruppen erschwert letztlich die gewünschte
Integration.
Die Frage des islamischen Religionsunterrichtes ist für die islamischen
Spitzenorganisationen besonders wichtig. Die Länder, in deren Zuständigkeit
Angelegenheiten die Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften
fallen, haben hierzu verschiedene Modelle entwickelt. In Übereinstimmung mit
den christlichen Kirchen besteht parteiübergreifend Konsens, dass die
Einführung eines regulären islamischen Religionsunterrichtes durch den Staat
an staatlichen Schulen wünschenswert wäre. Auch hier liegt die
Hauptschwierigkeit darin, dass man keine muslimische religiöse Gemeinschaft
vorfindet, die auch mit der notwendigen Autorität nach innen über die
Gestaltung des Religionsunterrichtes verhandeln kann.
Die Bundesregeierung erwartet von den hier lebenden Muslimen und ihren
Gemeinschaften, dass sie die Trennung von staatlichen und religiösen fragen
beachten, da dies für ein friedliches Miteinander entscheidend ist.
Die harmonische Eingliederung der Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen
Glaubens ist für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft unerlässlich. dabei
müssen beide Seiten aufeinander zugehen. Die Muslime wie alle Zuwanderer
müssen die Sprache des Landes lernen, die Grundelemente der Verfassung annehmen
und organisatorische Strukturen entwickeln, die es ermöglichen, gemeinsame
berührende Fragen auf allen Ebenen im Dialog zu klären. Es gilt, kulturelle
Vielfalt nicht als Bedrohung sondern als Bereicherung zu erfahren. Wir laden die
Muslime, die in Deutschland leben und hier ihren islamischen Glauben im Rahmen
unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung ausüben wollen, dazu ein, diesen
Dialog mit uns offen und konstruktiv zu führen."
Quelle: Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 17.5.2001
Werner Schell (19.05.2001)
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