Deutsche Sprache Voraussetzung für Integration
Landesregierung verabschiedet "Handlungsprogramm Integration in Niedersachsen"
Hannover. Die Niedersächsische Landesregierung hat am
26.08.2003 das von Innenminister Schünemann vorgelegte "Handlungsprogramm
Integration in Niedersachsen" verabschiedet. Innenminister Uwe Schünemann
erläuterte anschließend das Handlungsprogramm:
"In Deutschland leben 7,3 Mio. Ausländer. Seit 1990 sind 2,4 Mio.
Spätaussiedler aus Osteuropa zu uns gekommen. Es gibt alarmierende Hinweise,
dass die Eingliederung dieser Menschen in unsere Gesellschaft zu scheitern
droht. Hierzu einige Fakten:
- Seit Erlass des Anwerbestopps hat sich die Zahl der Ausländer von 4 auf 7,3
Mio. erhöht. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der
sozialversicherungspflichtigen beschäftigten Ausländer von 2,6 auf 2,2 Mio.
zurückgegangen.
- Die Arbeitslosenquote beträgt bei Ausländern ca. 20 % (bei Türken ca. 25 %)
und ist damit doppelt so hoch wie bei Deutschen.
- Der Anteil der Ausländer an den Sozialhilfeempfängern (BSHG und AsylBLG)
beträgt ca. 30 % bei einem Anteil von 8,9 % an der Gesamtbevölkerung.
- Nur 9 % der türkischen Jugendlichen besuchen im Alter von 14/15 Jahren das
Gymnasium gegenüber von 44 % bei der Vergleichsgruppe der einheimischen
Deutschen
- 51 % aller hier lebenden türkischen Männer heiraten Frauen aus der Türkei,
die so gut wie kein Deutsch können. Da die Frauen nach dem traditionellen
türkischen Rollenverständnis für die Kindererziehung zuständig sind, setzen
sich die Probleme der nächsten Generation verstärkt fort, anstatt sich zu
reduzieren.
- Ausländer sind an Gewalttaten wie Raub, Körperverletzung, Tötungsdelikten
oder Gewalt an Schulen weit überproportional (bis zu 32 %) beteiligt.
- Männliche Jugendliche und Heranwachsende aus Spätaussiedlerfamilien werden
häufiger straffällig als einheimische Jugendliche.
- Die Zahl der Jugendlichen aus Spätaussiedlerfamilien in der Jugendanstalt
Hameln hat sich von 1998 bis 2001 von 60 auf 115 beinahe verdoppelt.
Diese Beispiele ließen sich in Bezug auf Sprachkenntnisse bei
der Einschulung, Schulabschlüsse, berufliche Bildung, Universitätsabschlüsse
u.s.w. beliebig erweitern. Bei der Integration von Ausländern und
Spätaussiedlern in die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen
unseres Landes besteht also ein enormer Handlungsdruck. Die Landesregierung
stellt sich dieser Herausforderung. Das Aufgabenfeld der Integration und
Prävention ist ein politischer Schwerpunkt ihrer Arbeit.
2. Maßnahmen der Landesregierung
Das Land Niedersachsen hat in den Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Förderung
der Integration von Zuwanderern eingebracht (wird am 11.09. im BR-Innenausschuss
beraten). Inhalt des Gesetzentwurfs sind die vom Bund durchzuführenden Deutsch-
und Orientierungskurse und die verpflichtende Teilnahme von Ausländern an
diesen Kursen. Familienangehörige von Spätaussiedlern, die bisher
größtenteils ohne Deutschkenntnisse eingereist sind, müssen künftig vor der
Einreise Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen.
Diese Gesetzesinitiative wird nunmehr ergänzt durch das von der Landesregierung
heute beschlossene "Handlungsprogramm Integration in Niedersachsen".
Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung aller Bemühungen und
Maßnahmen des Landes zur Integration der Zuwanderer. Das bisher unzureichend
verbundene Nebeneinander unterschiedlicher Integrationsmaßnahmen der
verschiedenen Ressorts wird gebündelt und zu klarstrukturierten Maßnahmen
verknüpft. Vorgesehen sind zielgerichtete Integrationsmaßnahmen im
vorschulischen und schulischen Bereich bei Ausbildung, Qualifizierung und
Beschäftigung, wie z.B.
- die Sonderlehrgänge für jugendliche Spätaussiedler zum Erwerb der
Hochschulreife (MI),
- die Wiedereingliederung straffällig gewordener jugendlicher Spätaussiedler
(MI),
- Projekte zur Gewaltprävention (MS),
- Sprachförderung in der Schule durch Förderklassen und Förderkurse (MK),
- Sozialarbeit mit ausländischen Gefangenen (MJ).
Ein besonderer Schwerpunkt ist die Sprachförderung bei
Migrantenkindern. Für Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse wird ab dem
Schuljahr 2003/04 flächendeckend eine Sprachförderung ein halbes Jahr vor
Schuleintritt eingeführt. Begleitet werden die Integrationsmaßnahmen durch ein
vom Land finanziertes Beratungsnetzwerk. Landesweit unterstützen in zehn
regionalen Beratungsverbünden mehr als 80 Beraterinnen und Berater den
Integrationsprozess ("Integrationslotsen"). Die Umsetzung und
Weiterentwicklung des Programms wird von einer interministeriellen Arbeitsgruppe
begleitet, in der die Kommunalen Spitzenverbände und der Landespräventionsrat
teilnehmen. In diese Arbeit werden in einem "Forum Integration"
weitere wichtige Akteure - Verbände, Institutionen und Organisationen -
eingebunden.
Nach zwei Jahren erfolgt eine Auswertung der Erfolge des
Programms. Das Finanzvolumen für das Integrationsprogramm des Landes
Niedersachsen liegt bei knapp 55 Mio. Euro; für das Jahr 2003, davon entfallen
fast 50 Mio. Euro; auf vorschulische und schulische Maßnahmen. So fließen z.B.
in das Maßnahmebündel Sprachförderung in Kindertagesstätten 3,4 Mio. Euro;
Barmittel und 4,6 Mio. Euro; Verpflichtungsermächtigungen. Für 2004 wird die
Sprachförderung in Kindergärten nochmals verstärkt, und zwar auf 7,2 Mio.
Euro; Barmittel und 4,6 Mio. Euro; Verpflichtungsermächtigungen.
3. Leitlinien für die Integrationspolitik der Landesregierung
Neue gesetzliche Regelungen und staatliche Förderprogramme werden allein nicht
zum Erfolg führen. Die Aufgabe der Integration kann nur gelingen, wenn auch die
Zuwanderer ihren Beitrag hierzu leisten. Integration kann nicht verordnet
werden, sie muss aus eigenem Bemühen erwachsen. Integration ist ein
gegenseitiger Prozess, der auch den Zuwanderern eine Veränderung ihrer
Einstellungen und Verhaltensweisen abverlangt, insbesondere wenn sie aus einem
für diese Gesellschaft fremden Kulturkreis kommen. Die wichtigste der von der
Landesregierung beschlossenen Leitlinien für die Integrationspolitik in
Niedersachsen ist daher die Prämisse "Fördern und Fordern". Ich will
gerne zugeben, dass es bei der Eingliederung der Zuwanderer Versäumnisse der
Politik gegeben hat. Aber an der Bildungsmisere der Migrantenkinder ist nicht
nur die Politik schuld. Es ist für mich offenkundig, dass auch die Eltern in zu
vielen Fällen ihrer eigenen Verantwortung nicht gerecht werden. Oft sind sie zu
sehr auf ihre alte Heimat fixiert und interessieren sich nicht für das
Schulleben ihrer Kinder in Deutschland. An Elternabenden nehmen sie auch deshalb
nicht teil, weil - wie ich weiß - in ländlichen türkischen Schulen z.B.
solche Treffen nicht üblich sind. Ohne die Mitarbeit der ausländischen Mütter
und Väter jedoch nutzen alle staatlichen Konzepte wenig. Dabei reichen
öffentliche Appelle an die Einsichtsfähigkeit der Eltern allein nicht aus. Wir
legen großen Wert darauf, dass eigene Integrationsbeiträge der Zuwanderer
durch klare rechtliche Verpflichtungen eingefordert werden. Deshalb werden z.B.
in unserer Gesetzesinitiative wirksame Instrumente zur Verfügung gestellt, um
die Pflicht zur Teilnahme an Deutsch- und Orientierungskursen auch durchsetzen
zu können. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Grundgedanke Leitbild auch
bei den vom Land durchgeführten Integrationsmaßnahmen sein sollte, damit die
Eltern von Migrantenkindern ihre Verantwortung für die Zukunftschancen ihrer
Kinder in dieser Gesellschaft stärker als bisher wahrnehmen."
Quelle: http://www.mi.niedersachsen.de
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