Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Patientenberatung: Fischer fordert "System gegenseitiger
Kontrolle"
Für eine stärkere Beteiligung und Mitwirkung der Patienten in
Einrichtungen des Gesundheitswesens hat sich Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer
ausgesprochen. Patienten hätten einen zu geringen Einfluss in der Gesundheitsversorgung
und fühlten sich oft wie Objekte und weniger als eigenständig handelnde Subjekte, sagte
Frau Fischer bei einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) in
Berlin. Bestehende Strukturen müssten deshalb überprüft und gegebenenfalls
weiterentwickelt werden. Hierzu zählte die Ministerin die Gutachterkommissionen und
Schlichtungsstellen der Ärztekammern, die Ethikkommissionen sowie den Bundesausschuss
Ärzte und Krankenkassen.
Am Beispiel der Gutachterkommissionen machte Frau Fischer deutlich, dass sie den Ansatz
der außergerichtlichen Streitschlichtung zwar für richtig und wichtig erachte, aber an
der Unabhängigkeit dieser Institutionen Zweifel hege: "Schlichtung ist nicht allein
Sache des Stärkeren", so die Ministerin. Deshalb müsse darüber nachgedacht werden,
ob auch Patientenvertreter in diesen Institutionen mitarbeiten sollten. Für die
Bundesärztekammer wies Dr. Frank Ulrich Montgomery bei der Tagung darauf hin, dass 90
Prozent der Streitfälle, mit denen sich die Schlichtungsstellen befassten, ohne weitere
gerichtliche Auseinandersetzung beigelegt würden. Eine ähnlich hohe Akzeptanz bei den
Patienten hätten auch die bereits bestehenden Beratungs- und Informationsstellen der
Ärztekammern, wie die hohe Zahl der Anfragen belege. Die Ärztekammern nähmen hierbei
für sich in Anspruch, unabhängig zu sein, da sie objektive Informationen zu den
Qualifikationen aller Ärzte zur Verfügung stellen könnten.
Auffällig viel Zeit widmete Frau Fischer der Frage nach der Unabhängigkeit von
Patientenberatungsstellen. Bei einer stärkeren Einbindung der Verbraucher- und
Selbsthilfeorganisationen in Gremien der Selbstverwaltung müssten sich die
Patientenvertreter die Frage gefallen lassen, wie es mit ihrer demokratischen Legitimation
bestellt sei. Auch die Verbraucherverbände könnten nicht für sich reklamieren, alle
Patienten zu vertreten. In Anspielung auf die Unterstützung einiger
Selbsthilfeorganisationen durch die Pharma-industrie forderte Fischer eine Art
"Verhaltenskodex", der klar die Grenzen der Einflussnahme durch Dritte aufzeige.
"Da niemand frei von eigenen Interessen und völlig unabhängig ist, brauchen wir ein
System der gegenseitigen Kontrolle", so die Ministerin. Ein "interessantes,
realitätsnahes Experiment" sei in dieser Hinsicht die Unabhängige Patientenberatung
in Bremen, wo Ärztekammer, Krankenkassen, die Senatsverwaltung für Gesundheit und die
Krankenhausgesellschaft gemeinsam als Träger dieser Einrichtung fungierten.
Im Gegensatz zu dieser Einschätzung stand allerdings eine gemeinsame Pressemitteilung des
BMG und der Verbraucherverbände. Darin wird die Ministerin mit folgenden Worten zitiert:
"Es ist der erklärte Wille der Bundesregierung, den Patientenschutz in Deutschland
entscheidend zu verbessern. Ich begrüße es daher, wenn die Verbraucherverbände als
unabhängige Vertreter der Interessen von Versicherten und Patienten ein
Beratungsstellennetz aufbauen wollen".
In der Diskussion mit den Teilnehmern der AgV-Tagung bestand Frau Fischer jedoch darauf,
keine Festlegungen getroffen zu haben, wer im Sinne des Gesetzes zur GKV-Gesundheitsreform
2000 als "neutral und unabhängig" bei der Verbraucher- und Patientenberatung zu
gelten habe (§ 65b SGB V). Für die Vergabe der Fördermittel in Höhe von zehn Millionen
DM seien die Spitzenverbände der Krankenkassen zuständig. Eine weitergehende gesetzliche
Verbesserung des Patientenschutzes werde noch in dieser Legislaturperiode in Angriff
genommen, so die Ministerin.
Die Verbraucherverbände gehen offensichtlich davon aus, dass die in Aussicht gestellten
Fördermittel in jedem Fall ihnen zugute kommen werden und haben ein Konzept für den
Aufbau einer unabhängigen Patientenberatung vorgelegt, das sie gemeinsam mit
Patientenorganisationen in einem "Bündnis für unabhängige
Patientenunterstützung" realisieren wollen. Unterstützung erfuhren die
Verbraucherverbände durch den Vorsitzenden des Sachverständigenrates für die
Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Prof. Dr. F.-W. Schwartz, der für eine
"offene, qualitätsorientierte Informationskultur" im deutschen Gesundheitswesen
plädierte, das den Patienten immer noch zu wenig Transparenz biete. Schwartz schlug in
diesem Zusammenhang vor, den Verbrauchereinrichtungen "über Geldzuwendungen hinaus
Qualitätsdaten des Gesundheitswesens zur Verfügung zu stellen". Auch müsse
angesichts der Zunahme des Wettbewerbs unter den Leistungsanbietern durch die integierte
Versorgung über eine Lockerung des Werbeverbots für Ärzte diskutiert werden, forderte
Schwartz.
Quelle: BÄK-intern Februar 2000
Werner
Schell (24.3.2000)
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