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Notgemeinschaft Medizingeschädigter mit Petition an Bundestag - Patientenrechte aus der Bismarck-Zeit
Von Carsten Sommerfeld
Ein Patientenschutzgesetz muss dringend her - das
meint Gisela Bartz, Vorsitzende der Notgemeinschaft Medizingeschädigter in NRW.
Im neuen Jahr will der Verein mit Sitz in Zons eine Petition erarbeiten und im
ersten Halbjahr an den Bundestag richten. Und auch vom
Bundesgesundheitsministerium wurde er bereits mehrfach in Projekte einbezogen.
Im Regal der Geschäftsstelle im Zonser Bürgerhaus stehen 15 Ordner voll mit
Briefen Betroffener. "Wir erleben Dramen", sagt Vorsitzende Gisela
Bartz. Sie berichtet von schweren Schicksalen - von Menschen, die nach einem
Behandlungsfehler einen oft zermürbenden, jahrelangen Kampf um Schmerzensgeld
durch viele Instanzen vor sich haben. "Das ist für die Betroffenen fast
noch schlimmer als die Schädigung selbst." Die 69-Jährige verbringt viel
Zeit am Telefon, hört zu. Da wurden trotz Untersuchungen Krebsleiden nicht
erkannt oder falsche Gliedmaßen amputiert. Der Schrank im Büro enthält fast
400 Karteikarten von Mitgliedern, denen ähnliches widerfahren ist.
Einige werden nach überstandener Not selbst aktiv - wie die nach einer
Operation blinde Frau, deren Schädigung mittlerweile anerkannt wurde und die
nun am Telefon andere Menschen beraten wird. Medizingeschädigte hätten oft
eine "geschlossene Abwehrfront vor sich", ihnen rät Gisela Bartz,
nicht voreilig den juristischen Weg zu beschreiten. "Da kann man viel
falsch machen". Ihr Tipp: ein Privatgutachten erstellen oder von der
Krankenkasse den Sachverhalt vorklären lassen. 1995 wurde die Notgemeinschaft
Medizingeschädigter gegründet.
"In den ersten Jahren haben wir auch auf der Straße demonstriert, mit
Rollstühlen oder auf Krücken." Die Transparente stehen immer noch
griffbereit im Nebenraum, doch "wir setzen jetzt auf einen anderen Weg, um
die Interessen der Patienten zu vertreten", so Gisela Bartz: Flagge zeigen
auf dem Parkett der Gesundheitspolitik heißt die Devise, im Gespräch mit
Ärztekammern, Krankenkassen und Politikern bleiben. Dazu gehört auch die
Petition, in der mehr Patientenschutz gefordert werden soll. Der Verein
arbeitete an einer Broschüre über Patientenrechte des
Bundesgesundheitsministeriums und in Arbeitsgruppen des Ministeriums mit, wurde
erst kürzlich um seine Einschätzung der Qualifikation von Medizinern gebeten.
Mangelnde Kompetenz ist laut Gisela Bartz eine Ursache für Behandlungsfehler -
"Ich mag das Wort Kunstfehler nicht". Während des Studiums würden
die angehenden Ärzte zu "wenig am Patienten ausgebildet", der Kranke
werde oft zu wenig ernst genommen. Und die berufliche Weiterbildung von Ärzten
sei in Deutschland freiwillig. Deutlich macht die Vorsitzende aber auch, dass
der Verein sich keineswegs als Ärztegegner sieht: "Gerade
Medizingeschädigte, die ihr Vertrauen verloren haben, sind auf sehr gute Ärzte
angewiesen."
Doch es fehlt in Deutschland nach Ansicht von Gisela Bartz auch an einer starken
Interessenvertretung für Patienten: "Es gibt viele Vereinigungen, die aber
oft jeder für sich allein arbeiten." Kein Vergleich etwa zu den
Niederlanden, wo auf Anstoß des Staates rund 30.000 Initiativen entstanden
seien. Die Notgemeinschaft kooperiert mit einem Partnerverein in
Baden-Württemberg, hilft beim Aufbau eines Vereins, der wahrscheinlich im
Februar in Brandenburg gegründet wird. Handlungsbedarf sieht Bartz reichlich:
"Die Patientenrechte stammen noch aus der Zeit der Sozialgesetzgebung unter
Bismarck."
In vielen Staaten von Dänemark über die Niederlande bis Israel gebe es bereits
Gesetze zum Patientenrecht, in Deutschland nicht. Eine weitere zentrale
Forderung: Nicht der Patient solle den Nachweis für einen Behandlungsfehler
führen, sondern die Mediziner, dass keine Schädigung vorliegt. Diese Punkte
sollen in die neue Petition einfließen. Beratung und Informationen gibt es bei
der Notgemeinschaft, Schloss-Straße 37, montags, mittwochs und freitags von 10
bis 15 Uhr (02133/46753).
Quelle: Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 31.12.2001
http://www.ngz-online.de
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