Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Was kann unternommen werden, wenn man mit einer diagnostischen bzw.
therapeutischen Maßnahme eines Arztes oder anderer Gesundheitsberufe nicht einverstanden ist?
Wie kann vor allem gegen einen (vermuteten) Behandlungs- bzw. Pflegefehler vorgegangen werden?
Es bestehen vielfältige Möglichkeiten, in solchen Fällen eine
Aufklärung zu suchen und ggf. zivilrechtliche Ansprüche (auf finanzielle Entschädigung)
geltend zu machen. Rein verfahrensmäßig kann an Beschwerde (z.B. bei der
zuständigen Ärztekammer bzw. Kassenärztliche Vereinigung) oder Klage (vor dem
zuständigen ordentlichen Gericht) gedacht werden. Die Einleitung strafrechtlicher
Ermittlungen (mit Hilfe von Kriminalpolizei bzw. Staatsanwaltschaft) sollte im
Allgemeinen außer Betracht bleiben; sie erschweren eine vernünftige Regelung
anderweitiger Ansprüche (und sind u.a. mit Rücksicht auf Beweisprobleme und den vom
Zivilrecht abweichenden Sorgfaltsmaßstab weitgehend erfolglos).
Allgemein wird zwischen Beschwerden unterschieden, die sich einzig und
allein auf diagnostische bzw. therapeutische Maßnahmen beziehen und Beschwerden, die
Wartezeiten, unhöfliches Auftreten oder dergleichen betreffen:
-
Handelt es sich um Beschwerden über die mit einem Schaden behaftete Maßnahme von einem
Arzt, einer Krankenschwester, einer Hebamme oder zum Beispiel eines Physiotherapeuten,
können Sie von dem jeweiligen Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung einen
entsprechenden Schadensersatz einfordern.
-
Handelt es sich um Beschwerden über die Wartezeiten oder das Auftreten des Personals
können sie sich entweder bei der zuständigen Ärztekammer oder z.B. dem Krankenhaus-
bzw. Heimträger (bzw. den Führungskräften) beschweren und damit arbeitsrechtliche
bzw. berufsrechtliche (disziplinarrechtliche) Ermittlungen in Gang bringen.
Der Versuch einer außergerichtlichen (gütlichen) Einigung zur
Durchsetzung finanzieller Ansprüche sollte auf jeden Fall unternommen werden: Denn
vor Gericht können zahlreiche Streitverfahren aus unterschiedlichen Gründen (z.B. wegen
mangelnder Beweise) nicht erfolgreich abgeschlossen werden. Bei ärztlichen Fehlern ist
ein Schlichtungsverfahren bei einer Gutachter- und Schlichtungsstelle der jeweiligen
Ärztekammer meist innerhalb eines Jahres abgeschlossen. Zivilrechtliche
Auseinandersetzungen vor den Gerichten können aber Jahre dauern. Ein
Schlichtungsverfahren schließt im Übrigen die anschließende gerichtliche Geltendmachung
von Ansprüchen vor den Gerichten nicht aus (die Verjährung wird unterbrochen!).
Einige allgemeine Hinweise zum konkreten Vorgehen:
-
Notieren Sie rechtzeitig alle Einzelheiten Ihrer Krankheitsgeschichte, inklusive
Namen der Ärzte, Mitpatienten, eventuelle Zeugen (z.B. Mitpatientinnen und Mitpatienten)
und stellen eine eigene Krankendokumentation zusammen (Erinnerungsprotokoll).
Fordern Sie dazu Fotokopien Ihrer Krankenunterlagen an. Auf Grund der
höchstrichterlichen Rechtsprechung kann das Recht des Patienten auf Einsicht in seine
Krankendokumentation und die Herausgabe von Fotokopien aus dieser Dokumentation (objektive
Befunde) nicht mehr bestritten werden. Allerdings dürfen die Kosten für die Erstellung
von Kopien in Rechnung gestellt werden (bis zu 1 DM pro Kopie). Erstellen Sie eine
eigene Dokumentation, weil Sie damit in Ihrer eigenen Angelegenheit sachkundig
werden und für einen Streitfall auch Beweise sichern. Recherchieren Sie ggf.
in Lehrbüchern und medizinischen Leitlinien (sog. Standards).
-
Suchen Sie unter Umständen zunächst das Gespräch mit derjenigen Person, mit deren
Maßnahmen sie nicht einverstanden sind (z. B. behandelnder Arzt/Ärztin,
Krankenhausträger) und ggf. weiter vorgehen wollen. Möglicherweise kann bei einem
solchen Gespräch eine Aufklärung erreicht werden; die Angelegenheit wäre dann erledigt
oder zeigt sich in einem anderen Licht. Beachten Sie aber, dass diejenigen natürlichen
oder juristischen Personen, die Sie für eine Schadensregulierung in Anspruch nehmen
wollen, unter Umständen mit Rücksicht auf ihre Obliegenheiten gegenüber einer (Berufs)
- Haftpflichtversicherung kein Schuldanerkenntnis abgeben dürfen. Werten Sie
solche Umstände, die oft mit Unverständnis quittiert werden, aus Rechtsgründen eher mit
der gebotenen Sachlichkeit. Ob überhaupt ein Gespräch der hier beschriebenen Art
angestrebt werden soll, muss wohl von Fall zu Fall entschieden werden (ggf. sollte vorweg
eine medizinrechtliche Beratung vorgenommen worden sein).
-
Nutzen Sie die professionelle Hilfe von Selbsthilfegruppen und vergleichbaren
Organisationen (z.B. Patientenberatungsstellen, Verbraucherschutzverbände,
Pflegeorganisationen). Lassen Sie sich vor allem von in ähnlicher Weise betroffenen
Personen informieren: Sie können so ggf. erfahren, wie andere mit einer ähnlichen
Problematik umgegangen sind und möglicherweise erfolgreich waren.
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Klären Sie bei Ihrer Krankenversicherung, ob diese eine unabhängige Vorprüfung
Ihrer Beschwerde veranlassen kann (z.B. durch den MDK oder externen Gutachter). Die
gesetzlichen Krankenkassen können nämlich die Versicherten bei der Durchsetzung von
Ansprüchen nach Behandlungsfehlern in geeigneter Weise unterstützen. § 66 SGB V
bestimmt hierzu: "Die Krankenkassen können die Versicherten bei der Verfolgung von
Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus
Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die
Krankenkassen übergehen, unterstützen."
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Nehmen Sie, wenn Ihnen dieser Weg als richtig erscheint (wohl erst nach kompetenter
Vorprüfung!), schnellstmöglich Kontakt mit der Gutachter- und Schlichtungsstelle der
zuständigen (Zahn)Ärztekammer auf und beantragen in aller Form die Überprüfung des
von Ihnen gerügten (ärztlichen(zahnärztlichen) Verhaltens. Diese Verfahren vor diesen
Gutachter- und Schlichtungsstellen sind in aller Regel kostenfrei (und etwa zu 30%
erfolgreich!). Allerdings müssen Sie die Kosten eines eigenen für das Gutachter- bzw.
Schlichtungsverfahren bestellten Rechtsvertreters selbst einstehen. Daher kann das
Betreiben des Gutachter- und Schlichtungsverfahrens ohne anwaltliche Hilfe aus
Kostengründen sinnvoll sein.
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Sollte die Haftpflichtversicherung des Arztes bzw. des Krankenhaus- oder Heimträgers
Ihre Ansprüche ablehnen oder sollten Sie sich auch bei der Gutachter- und
Schlichtungsstelle ungerecht behandelt fühlen, ist eventuell doch noch ein gerichtliches
Verfahren sinnvoll (Verjährungsfristen beachten und Prozessrisiko richtig
einschätzen!). Dazu brauchen Sie einen im Medizinschadensrecht erfahrenen Rechtsanwalt
(insoweit können unter Umständen Selbsthilfegruppen bzw. ähnliche Institutionen
nützliche Tipps geben). Dies einmal, weil es jetzt um die fundierte medizinische und
rechtliche Aufbereitung des Streitfalles geht und zum anderen angesichts der Höhe
medizinrechtlicher Streitverfahren (meist über 10.000 DM) ohnehin vor dem zuständigen
Landgericht geklagt werden muss und dort Rechtsanwaltszwang besteht.
Zusammenstellung Werner Schell (15.09.2000)
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