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Haftpflichtansprüchen von Patienten können Sie vorbeugen - Die
zehn Gebote für die Praxis
von Klaus Schmidt
Haftpflicht-Versicherer von Ärzten wollen nicht
immer nur warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, und dann den
Geldbeutel zücken. Besser ist es aus ihrer Sicht, Haftpflichtansprüchen durch
das Befolgen einiger grundlegender Regeln vorzubeugen.
Die Allianz Versicherungs AG habe
deshalb die Medizinschäden der vergangenen Jahre erfasst und auf
Vorbeugemöglichkeiten hin analysiert, berichtete Allianz-Arzt Dr. med. Claus
Maier auf dem „Deutschen Arzt-Recht-Tag" in Frankfurt/Main. Daraus sind
„Zehn Gebote" als Ratgeber für die Ärzte entstanden.
Erstes Gebot: Du sollst Patienten-Beschwerden (in des Wortes doppelter
Bedeutung) ernst nehmen! Das Arzt/Patienten-Verhältnis habe sich gewandelt,
sagte Maier. Aus dem Arzt ist ein Medizin-Dienstleister geworden, aus dem
Patienten ein selbstbewusster Kunde. Durch ein eingehendes Gespräch mit dem
Patienten ließen sich nach seinen Erfahrungen zehn bis 20 Prozent der
Behandlungsfehlervorwürfe vermeiden.
Er warnte auch davor, Diagnosen zwischen Tür und Angel oder am Telefon ohne
eingehende Abklärung zu stellen. 2001 seien unter 31 allgemeinmedizinischen
Haftungsfällen elf verspätet erkannte Akuterkrankungen gewesen.
Zweites Gebot: Du sollst Dich an gesicherte Indikationen halten und
Patienten-Erwartungen in realistische Bahnen lenken! Oftmals kommen Patienten
heute in die Praxis, nachdem sie sich im Internet gut über
Behandlungsmöglichkeiten informiert haben, und äußern den Wunsch nach einer
Hightech-Therapie, die mit übertriebenen Erwartungen verknüpft ist. Diese
Patienten sollte man rasch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen: „Aus
einem 50-jährigen Arthrotiker kann man keinen 20-jährigen Olympioniken
machen!"
Drittes Gebot: Du sollst zeitgerecht, umfassend und beweisbar aufklären!
Gut bewährt haben sich laut Maier juristisch untermauerte fertige
Aufklärungsbögen (Weissauer unter anderen) zu bestimmten Indikationen.
Viertes Gebot: Du sollst keine Kollegen und ihre Arbeit gegenüber
Patienten abwerten! Man möge sich vor Sprüchen wie „Wer macht denn so
etwas?!" et cetera hüten, mahnte Maier. Meist steckten hinter solchen
Anwürfen Schulen-Streit oder Konkurrenzdenken, weniger wirkliche
Behandlungsfehler.
Fünftes Gebot: Du sollst die Grenzen deines Fachgebiets einhalten! Auf
Grund wachsender Konkurrenz auf dem Medizin-Markt versuchen Ärzte immer öfter,
ihr Tätigkeitsfeld auszuweiten. Die Ärzte sollten eine Behandlung in einem
Nachbarfach nur vornehmen, wenn die Sorgfaltspflichten der origi-nären
Disziplin eingehalten werden könnten, mahnte Maier.
Sechstes Gebot: Du sollst den Facharzt-Standard beachten! Laut Maier sind
zum Beispiel im vergangenen Jahr bei 101 orthopädisch-traumatologischen Fällen
13 Akutverletzungen und zehn Komplikationen übersehen worden. Er empfahl das
Vier-Augen-Prinzip zur Vorbeugung: Vor allem junge Kollegen sollten ihre „Fälle"
einem erfahrenen Facharzt vorlegen.
Siebtes Gebot: Du musst Gesetze und Richtlinien beachten, Leitlinien
sollst du beachten! Gesetze und Richtlinien sind verbindlich, Leitlinien jedoch
nicht. Von Letzteren kann man auch – begründet – abweichen. Doch würden
Leitlinien, bedauerte Maier, von den Gerichten zunehmend für Entscheidungen
über Haftungsfragen herangezogen. Bei der Bearbeitung allgemeinmedizinischer
Haftpflichtschäden habe er selten gesehen, dass der Leitlinien-Algorithmus
eingehalten wird. Allerdings ist auch denkbar, dass Ärzte, die an älteren
Leitlinien festhalten, ihre Sorgfaltspflicht verletzen, weil die Leitlinien
veraltet sind.
Für Ärzte sei es nicht immer leicht zu realisieren, woran sie sich halten
sollen, räumte Maier ein. Zum Beispiel bei der Knochendichtemessung: Die
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Osteologie erkläre sie für
notwendig, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe
Kostenübernahmen erst nach einer Fraktur zugelassen. Damit stehen Ärzte vor
dem Dilemma: Prozess oder Regress?
Achtes Gebot: Du sollst sorgfältig dokumentieren! Die Behandlung müsse
für einen Fachmann nachvollziehbar sein, erklärte Maier. Für eindeutige
Befunde, klassische Verläufe und Routinemaßnahmen genügen stichwortartige
Aufzeichnungen. Aber bei Komplikationen, Abweichungen vom Normalen oder in
Fällen mangelnder Mitarbeit des Patienten ist ausführliches Dokumentieren
angezeigt.
Neuntes Gebot: Du sollst für eine klare horizontale und vertikale
Aufgabenverteilung sorgen! Durch stabile innere Strukturen – „eine Art
innerer Leitlinie" – lassen sich nach Maiers Worten viele Fehler
vermeiden, etwa Seitenverwechslungen bei Kniespiegelungen, wie er sie im
vergangenen Jahr mehrfach registrieren musste.
Zehntes Gebot: Du sollst Beinahe-Schäden und ungünstige Verläufe auf
Vermeidungsmöglichkeiten analysieren! Maier nannte beispielhaft die
Verwechslung der Tabletten für zwei Patienten, von denen der eine Meier und der
andere Meyer hieß. Genauere Kontrollen und das Vier-Augen-Prinzip können hier
hilfreich sein.
ÄP-HINTERGRUND
Behandlungsfehler am häufigsten festgestellt
In der Hauptverwaltung der Allianz Versicherungs AG in München sitzen sieben
Fachärzte, denen die Sachbearbeiter der einzelnen Zweigniederlassungen
ausgewählte Arzthaftpflicht-Schäden zur internen medizinischen Beratung
vorlegen.
Im Jahre 2000 wurde damit begonnen, diese Schäden – zirka 300 bis 400
Neuvorlagen jährlich – prospektiv zu erfassen. Die operativen Disziplinen
sind dreimal so oft Behandlungsfehler-Vorwürfen ausgesetzt wie die
nichtoperativen Fächer. Ganz vorn rangieren Unfallchirurgen/Orthopäden (24
Prozent) und Gynäkologen/Geburtshelfer (19 Prozent). Allerdings sind die
Vorwürfe nur in einem Viertel bis zu einem Drittel der Fälle berechtigt.
Am häufigsten wurden laut Allianz-Arzt Dr. med. Claus Maier Behandlungsfehler
im engeren Sinne (37 Prozent), Diagnosefehler (20 Prozent) und
Aufklärungsmängel (11 Prozent) vorgeworfen beziehungsweise festgestellt.
Quelle: Ärztliche Praxis
http://www.aerztlichepraxis.de
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