Pflege - Patientenrecht & Gesundheitswesen
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Patientenrechte in Deutschland heute
Beschluss der 72. Gesundheitsministerkonferenz am 9./10. Juni 1999 in Trier
I. PRÄAMBEL
II. PATIENTENRECHTE AUF SORGFÄLTIGE INFORMATION
Recht auf Information
Einwilligung
Umfang der Aufklärung
Information über Versuchsbehandlungen
Zeitpunkt der Aufklärung
Wer klärt den Patienten auf ?
Wer ist außer dem Patienten zu informieren ?
Verzicht auf Aufklärung
Dokumentation der Aufklärung
Information und Beratung durch Krankenkassen und andere Stellen
III. PATIENTENRECHTE IN DER BEHANDLUNG
Recht auf qualifizierte Behandlung
Recht auf qualifizierte Pflege und Versorgung
Wahlrechte des Patienten
Mitwirkung des Patienten an der Behandlung
Dokumentation der Behandlung
Einsichtsrecht
Vertraulichkeit der Patientendaten und Datenschutz
Übernahme der Behandlungskosten in der Gesetzlichen Krankenversicherung
Aufklärung über die Kostenübernahme
IV. RECHT AUF SELBSTBESTIMMTES STERBEN
V. RECHTE IM SCHADENSFALL
Bei wem kann man sich beschweren und sich beraten lassen ?
Wo kann man Schadensersatzansprüche klären lassen ?
Kosten
Gerichtsverfahren
Unterstützung durch die Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung
I. Präambel
Niemand darf bei der medizinischen Versorgung wegen Geschlecht, Abstammung, Rasse,
Sprache, Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen, politischen und
sonstigen Anschauungen, seines Alters, seiner Lebensumstände oder seiner Behinderung
diskriminiert werden.
Behandlung und Pflege haben die Würde und Integrität des Patienten zu achten, sein
Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf Privatheit zu respektieren und das Gebot der
Humanität zu beachten.
Respekt, Vertrauen und die einverständliche Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegepersonal
und Patienten sind unabdingbare Voraussetzungen für den gewünschten Erfolg einer
Behandlung.
Das vorliegende Dokument informiert Patienten und Versicherte über ihre wichtigsten
Rechte und Pflichten. Es soll gleichzeitig Ärzten, Zahnärzten, Pflegekräften und
Psychotherapeuten sowie Mitarbeitern aus Gesundheitsfachberufen bei der täglichen Arbeit
als Orientierungshilfe dienen. Wenn Arzt und Patient ausreichend informiert sind, kann
eine vertrauensvolle Beziehung entstehen. Patienten und Ärzte haben das übereinstimmende
Ziel, Gesundheit zu erhalten, Krankheiten vorzubeugen, zu erkennen, zu lindern und zu
heilen. Dieses Ziel erfordert eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten im
Gesundheitssystem, auch der Krankenversicherung und Gesundheitsverwaltungen.
Nur wer seine Rechte und Pflichten kennt, kann diese Aufgabe bewußt und erfolgreich
wahrnehmen. Wer als Patient über seine Rechte informiert ist, kann sich aktiv am
Behandlungsprozeß beteiligen. Wer als Arzt, Krankenhaus oder Versicherer seine Pflichten
kennt, kann Patienten besser unterstützen.
Dieses Dokument soll zur Stärkung der Position des Patienten im Gesundheitswesen
beitragen. Es will das Arzt-Patienten-Gespräch anregen und durch Informationen die
Entscheidung des Patienten erleichtern. Das Dokument schafft dabei kein neues Recht,
sondern gibt einen Überblick über wesentliche bestehende Rechte. Es ersetzt keine
Beratung im Einzelfall.
Das Dokument ist eine Momentaufnahme und wird entsprechend der rechtlichen Entwicklung
fortzuschreiben sein. Insbesondere gilt es, die Beteiligung von Patienten im
Gesundheitswesen auszubauen.
Patienten haben ein Recht auf detaillierte Information und Beratung, sichere, sorgfältige
und qualifizierte Behandlung und angemessene Beteiligung. Dabei sind die ärztliche
Schweigepflicht und der Datenschutz zu beachten.
Ein Behandlungserfolg kann jedoch trotz bester Therapie nicht garantiert werden.
Gleichzeitig fördert die Mitwirkung und Einhaltung der Pflichten durch den Patienten sehr
wesentlich den Behandlungserfolg.
II. Patientenrechte auf sorgfältige Information
Eine sorgfältige Patientenaufklärung und ärztliche Beratung und das vertrauensvolle
Gespräch mit dem Arzt sind die besten Voraussetzungen für eine angemessene Vorsorge,
Diagnose, Therapie und Nachsorge.
Recht auf Information
Patienten haben ein Recht in einem persönlichen Gespräch von ihrem Arzt vor der
Behandlung verständlich, sachkundig und angemessen aufgeklärt und beraten zu werden.
Dies umfaßt je nach Erkrankung:
- die geeignete Vorbeugung,
- die Diagnose,
- Nutzen und Risiken diagnostischer Maßnahmen,
- Nutzen und Risiken der Behandlung sowie der zur Anwendung kommenden Arzneimittel und
Medizinprodukte
- Chancen der Behandlung im Vergleich zum Krankheitsverlauf ohne Behandlung,
- die Behandlung der Erkrankung und ihre Alternativen, soweit sie mit unterschiedlichen
Risiken verbunden sind,
- Nutzen und Risiken der Behandlung sowie
- eine eventuell erforderliche Nachbehandlung.
Dies gilt entsprechend auch für Schwangerschaften und Geburten.
Aufklärung und Beratung müssen auch für Patienten, die sich mit dem Arzt sprachlich
nicht verständigen können, verstehbar sein. Der Arzt muß sich davon überzeugen, daß
der Patient die Information versteht und verstanden hat. Der Arzt ist allerdings nicht
für die Hinzuziehung eines Dolmetschers verantwortlich und kann eine Behandlung ablehnen,
soweit es sich nicht um einen Notfall handelt.
Einwilligung
Vor jeder Behandlung muß der Patient seine Einwilligung geben. (Ausnahme:
Notfallbehandlung nach mutmaßlicher Einwilligung). Die Einwilligungserklärung sollte
ausdrücklich erfolgen, kann sich aber auch aus eindeutigen Umständen ergeben (z. B. der
Patient erscheint zur angesetzten Behandlung).
Die wirksame Einwilligung des Patienten ist zwingende Voraussetzung der ärztlichen
Behandlung. Eine Einwilligung kann nur wirksam sein, wenn der Patient vorher aufgeklärt
wurde oder eindeutig darauf verzichtet hat.
Wirksam einwilligen kann nur, wer einwilligungsfähig ist. Einwilligungsfähig sind auch
Betreute und Minderjährige, wenn sie die nötige Einsichtsfähigkeit besitzen. Gerichte
fordern teilweise auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit die Zustimmung des
gesetzlichen Vertreters in die Behandlung (z. B. Schwangerschaftsabbruch). Wird diese
verweigert, kann sie unter bestimmten Bedingungen durch gerichtliche Entscheidung ersetzt
werden. Bei fehlender Einwilligungsfähigkeit ist die Zustimmung des gesetzlichen
Vertreters oder des vom Vormundschaftsgericht bestellten Betreuers erforderlich. Die
Bestellung eines Betreuers ist entbehrlich, wenn der Patient rechtzeitig eine Person
seines Vertrauens für die Zustimmung in Gesundheitsangelegenheiten bevollmächtigt hat.
(Vorsorgevollmacht).
Wenn der Patient nicht ansprechbar ist, reicht bei lebens- und gesundheitserhaltenden
Notfallbehandlungen seine mutmaßliche Einwilligung aus. Diese sollte durch Auskünfte
naher Angehöriger (auch Lebenspartnerin/Lebenspartner, Freunde) gestützt werden.
Umfang der Aufklärung
Der Umfang der Aufklärung richtet sich insbesondere nach der Schwere und der
Dringlichkeit des Eingriffs. Je dringlicher der Eingriff ist, desto weniger Zeit bleibt
für die Information; trotzdem muß eine Aufklärung erfolgen. Kann man die Behandlung
vorausplanen, gilt eine solche Einschränkung nicht.
Im allgemeinen genügt eine Aufklärung "im großen und ganzen". Der Patient
muß also nicht über medizinische Details informiert werden, sondern es reicht aus, wenn
die für die Lebensführung des Patienten wichtigen Informationen gegeben werden. Dies
sind insbesondere der Nutzen der Behandlung, ihre Risiken, die Auswirkungen und
Verhaltensanweisungen für die weitere Lebensführung. Über in der Bevölkerung allgemein
bekannte Risiken einer Behandlung (z. B. Risiko von Wundinfektionen) muß nicht
aufgeklärt werden.
Auch über Nutzen und Risiken der Anwendung von Arzneimitteln und Medizinprodukten muß
der Arzt aufklären.
Patienten haben über die allgemeine Informationspflicht des Arztes hinaus das Recht zu
fragen. Der Arzt ist verpflichtet, auf diese Fragen wahrheitsgemäß, vollständig und
verständlich zu antworten.
Information über Versuchsbehandlungen
Es gibt Behandlungen, deren Wirksamkeit und Sicherheit wissenschaftlich noch nicht
abgesichert sind, die aber unter Umständen die einzige Chance auf eine Verbesserung des
Krankheitszustandes darstellen. Dies können z. B. individuelle Heilversuche oder
klinische Prüfungen sein. Insbesondere klinische Prüfungen werden von Ethikkommissionen
begutachtet und unterliegen einer gesonderten Versicherungspflicht.
Der Patient hat auch hier das Recht, diese Behandlungen ohne Angabe von Gründen
abzulehnen, ohne daß ihm dadurch ein Nachteil erwächst. Nimmt der Patient an einem
Heilversuch oder einer klinischen Prüfung teil, kann er wie auch sonst die einmal
erteilte Einwilligung jederzeit zurücknehmen.
Über eine mögliche Teilnahme an Versuchsbehandlungen muß umfassend und vollständig
informiert werden. Hier reicht eine Information "im großen und ganzen" nicht
aus. Statt dessen muß bei Versuchsbehandlungen über Durchführungsbedingungen, Nutzen
und Risiken sowie über Behandlungsalternativen vollständig aufgeklärt werden. Dazu
gehört im Falle einer klinischen Prüfung auch die Information darüber, welche Chancen
der Patient hat, tatsächlich die neue Behandlung zu erhalten.
Zeitpunkt der Aufklärung
Der Patient muß rechtzeitig vor der Behandlung aufgeklärt werden. Der richtige Zeitpunkt
hängt von der Art der Behandlung und ihrer Dringlichkeit ab. Wird ein Eingriff geplant,
dann muß die Aufklärung spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Vornahme
des Eingriffs erfolgen. Auch bei kleineren Eingriffen, die stationär vorgenommen werden,
muß eine Aufklärung rechtzeitig am Tag davor stattfinden.
Bei ambulanten Eingriffen kann dagegen eine Aufklärung erst am Tage des Eingriffs noch
rechtzeitig sein.
Wer klärt den Patienten auf ?
Zur Aufklärung verpflichtet ist in der Regel der behandelnde Arzt. Im Krankenhaus kann
das auch ein anderer Arzt sein, der mit der Behandlung vertraut ist. Bei Eingriffen unter
Narkose ist der Narkosearzt zusätzlich für die Narkoseaufklärung zuständig.
Nichtärztliches Personal darf keine ärztlichen Aufklärungsaufgaben übernehmen.
Wer ist außer dem Patienten zu informieren ?
Der Patient entscheidet, wen der Arzt außer ihm oder statt seiner informieren darf oder
soll. Eine solche Entscheidung des Patienten kann ausdrücklich erfolgen oder sich aus den
Umständen ergeben. Der Arzt ist daran gebunden und darf nur die Vertrauensperson
informieren. Diesen Personen steht dann ein Recht auf Auskunft über den
Gesundheitszustand des Patienten zu.
Ist der Patient zu einer solchen Entscheidung nicht in der Lage, ist sein mutmaßlicher
Wille zu ermitteln.>
Verzicht auf Aufklärung
Patienten haben das Recht, auf die ärztliche Aufklärung zu verzichten. Dies sollten
Patienten eindeutig äußern. Der Arzt hat nicht das Recht, von der Aufklärung nach
eigenem Ermessen abzusehen, ausgenommen, wenn Leben oder Gesundheit des betreffenden
Patienten durch die Aufklärung erheblich und konkret gefährdet würde.
Dokumentation der Aufklärung
Ebenso wie die Behandlung ist die Patientenaufklärung zu dokumentieren. In Arztpraxen und
Krankenhäusern können zur Erleichterung der Dokumentation der Aufklärung Formulare oder
Aufklärungsbögen verwendet werden, die unter anderem den Nutzen und die Risiken der
Behandlung beschreiben und Besonderheiten des individuellen Aufklärungsgesprächs
festhalten. Diese Dokumente werden zu den Krankenakten des Patienten genommen, nachdem sie
von ihm unterschrieben sind. Formulare und Aufklärungsbögen ersetzen in keinem Fall das
Aufklärungsgespräch. Bezüglich der Einsichtnahme und der Erstellung von Abschriften
oder Kopien wird auf das dritte Kapitel verwiesen.
Information und Beratung durch Krankenkassen und andere Stellen
Die Krankenkasse muß den Patienten individuell über die Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung beraten. Versicherte haben auf Antrag einen Anspruch an ihre
Krankenkasse auf Information über die in einem Geschäftsjahr in Anspruch genommenen
Leistungen.
Die Sozialleistungsträger haben die Pflicht, der Bevölkerung eine allgemeine Aufklärung
über die sozialrechtlichen Rechte und Pflichten zu geben.
Der öffentliche Gesundheitsdienst erfüllt durch die kommunalen Gesundheitsämter viele
Aufgaben der Beratung, Förderung und Hilfe in gesundheitlichen Belangen, bei Krankheit
und Behinderung. Es besteht ein Anspruch auf Gewährung der gesetzlich vorgesehenen
Leistungen. Die Sozialhilfebehörden beraten, informieren und unterstützen bei
Behinderung.
Ärzte- und Zahnärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen, Pflegeorganisationen,
Patienten- und Selbsthilfeorganisationen, Verbraucherschutzverbände und unabhängige
Patientenberatungsstellen beraten und informieren über gesundheitliche Belange. Darüber
hinaus bieten neben den Rechtsanwälten auch Patienten- und Selbsthilfeorganisationen,
Verbraucherschutzverbände und unabhängige Patientenberatungsstellen Unterstützung bei
der Durchsetzung von Patientenrechten.
III. Patientenrechte in der Behandlung
Recht auf qualifizierte Behandlung
Der Patient hat ein Recht auf eine sichere, sorgfältige und qualifizierte Behandlung.
Dies setzt voraus, daß die Behandlung wissenschaftlich gesichert und/oder aufgrund
praktischer ärztlicher Erfahrung in der Ärzteschaft akzeptiert ist. Die Wirksamkeit der
Patientenbehandlung ist zu optimieren und ihre Risiken sind zu minimieren. Über die
Wirkung der Behandlung ist der Patient zu informieren.
Eine Behandlung, die diesen Erfordernissen nicht entspricht, aber dennoch ärztlich
vertretbar ist, darf nur durchgeführt werden, wenn der Patient über die Unsicherheit der
Behandlung und über ihre Nutzen und Risiken aufgeklärt wurde und daraufhin eingewilligt
hat.
Arzneimittel oder Medizinprodukte, die zur Behandlung eingesetzt werden, müssen die
gesetzlich vorgeschriebenen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen erfüllen. Dafür
tragen der Hersteller, teilweise auch Arzt oder Krankenhaus, die Verantwortung.
Sind in einer Praxis oder im Krankenhaus die erforderlichen organisatorischen, personellen
(z. B. Ausbildung des Personals, Spezialisierung) oder sachlichen (z. B. medizinische
Geräte, Hygienestandards) Voraussetzungen einer Behandlung nicht oder nicht mehr gegeben,
so ist der Patient unverzüglich an einen geeigneten Arzt oder ein geeignetes Krankenhaus
zu überweisen. Zumindest ist der Patient über die Situation zu informieren. Eine
Überweisung an einen anderen Arzt oder ein anderes Krankenhaus ist dann notwendig, wenn
der erforderliche Standard nicht gewährleistet ist.
Recht auf qualifizierte Pflege und Versorgung
Der Patient hat während der Behandlung auch ein Recht auf qualifizierte Pflege und
Betreuung und auf den Schutz seiner Privatsphäre. Bei stationären Behandlungen hat der
Patient außerdem ein Recht auf eine angemessene und sichere Unterbringung und Versorgung
sowie die Möglichkeit, Besuche zu empfangen oder abzulehnen.
Der Patient ist zu informieren, wer für seine Behandlung und Pflege zuständig ist.
Andere Personen als das Behandlungs- und Pflegepersonal dürfen bei therapeutischen
Gesprächen (auch Visiten) und der Behandlung nur nach vorheriger Zustimmung des Patienten
anwesend sein. Der Arzt kann den Wunsch des Patienten, weitere Personen hinzuzuziehen, nur
in begründeten Fällen ablehnen und muß sich um eine Einigung mit dem Patienten
bemühen.
Wahlrechte des Patienten
Der Patient hat ein Recht auf freie Arzt- und Krankenhauswahl. Dies schließt im
ambulanten Bereich das Recht ein, den Arzt zu wechseln.
Im Notfall hat der Patient ein Recht auf sofortige Behandlung.
Der Patient hat ein Recht auf die Wahl zwischen Behandlung und Nichtbehandlung. Wenn
mehrere gleichwertige medizinische Behandlungen oder Behandlungsmethoden bestehen, hat er
die Möglichkeit zu wählen. Ist zwischen Arzt und Patient darüber kein Einverständnis
herzustellen, kann der Arzt die Behandlung ablehnen.
Der gesetzlich Krankenversicherte kann unter den zugelassenen Behandlern auswählen. Das
Behandlungsrecht umfaßt die in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannten
Behandlungsmethoden. In der ambulanten Behandlung kann der Versicherte neue
Behandlungsmethoden beanspruchen, wenn sie ein Anerkennungsverfahren durchlaufen haben.
Dies gilt auch für alternative Behandlungsverfahren. Behandlungsmethoden der sogenannten
besonderen Therapierichtungen und Außenseitermethoden sind nur sehr eingeschränkt in der
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung enthalten.
Niemand kann zur Behandlung gezwungen werden und niemand darf eine Behandlung erzwingen.
In seltenen Ausnahmefällen kann der Staat Anordnungen treffen, die die Gesundheit und
Selbstbestimmung des Patienten berühren (z. B. die Einweisungsmöglichkeit nach dem
Unterbringungsrecht oder die Pflicht, Untersuchungen nach dem Bundesseuchengesetz zu
dulden).
Jeder Patient sollte die Entscheidung über eine Behandlung nach eingehender Beratung
durch den Arzt seines Vertrauens treffen.
Der Patient kann eine ärztliche Zweitmeinung einholen. Er sollte sich vorher aber über
Kostenfolgen informieren.
Mitwirkung des Patienten an der Behandlung
Jede Behandlung erfordert die Mitwirkung des Patienten. Die Verständigung zwischen Arzt
und Patient ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg einer Behandlung.
Eine erfolgreiche Behandlung hängt wesentlich von der Bereitschaft des Patienten ab, die
ärztlichen Empfehlungen zu beachten (z. B. Arzneimitteleinnahme, Regeln der
Lebensführung, Information des Arztes über unerwünschte Wirkungen einer Behandlung).
Der Arzt muß den Patienten in Kenntnis setzen, welches Verhalten wünschenswert ist, um
den Behandlungserfolg zu sichern und Gefahren der Behandlung abzuwenden. Beispielsweise
muß der Arzt über die Dosierung, den Zeitpunkt der Einnahme und das richtige Verhalten
beim Auftreten unerwünschter Wirkungen eines Arzneimittels informieren. Nur so kann der
Patient an der erfolgreichen Durchführung der Behandlung mitwirken. Diese Information
muß verständlich erfolgen.
Von den Verhaltensregeln sollte nur nach einem persönlichen Gespräch mit dem Arzt
abgewichen werden. Bei anhaltend fehlender Bereitschaft des Patienten zur Mitwirkung, die
zu einer dauerhaften Störung des Vertrauensverhältnisses führt, kann der Arzt die
weitere Behandlung ablehnen. Über etwaige gesundheitliche Folgen des Behandlungsabbruchs
muß der Arzt den Patienten aufklären.
Dokumentation der Behandlung
Jede Behandlung muß, soweit medizinisch erforderlich, dokumentiert werden, um Ärzten und
Patienten die Information über die Behandlung zu ermöglichen. Zu dokumentieren sind die
wichtigsten präventiven, diagnostischen, therapeutischen und nachsorgenden Maßnahmen und
Verlaufsdaten. Die Dokumentation ist vor unbefugtem Zugriff und vor nachträglichen
Veränderungen zu schützen.
Einsichtsrecht
Jeder Patient hat ein Recht auf Einsicht in diese Dokumentation, ohne daß er ein
besonderes Interesse erklären muß. Das Einsichtsrecht erstreckt sich nach der
Rechtsprechung und dem ärztlichen Berufsrecht nicht auf den Teil der Dokumentation, der
subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen des Arztes enthält. Aus datenschutzrechtlicher
Sicht wird die Auffassung vertreten, daß nach dem Bundesdatenschutzgesetz auch dieser
Teil der ärztlichen Aufzeichnungen zu offenbaren ist.
Um sein Einsichtsrecht wahrzunehmen, kann der Patient einen Arzt oder eine sonstige Person
seines Vertrauens mit der Einsicht beauftragen. Patienten können Kopien der Dokumentation
von dem behandelnden Arzt oder Krankenhaus anfordern, die in angemessener Zeit erstellt
werden müssen. In der Regel hat der Patient die Kopierkosten zu tragen.
Das Einsichtsrecht bezieht sich auch auf Befunde und Röntgenbilder. Der Patient kann sich
Röntgenbilder ausleihen, muß sie aber zurückgeben. Bei einem Arztwechsel lassen sich
dadurch Doppeluntersuchungen und damit verbundene Belastungen und Kosten vermeiden.
Das Einsichtsrecht kann in Ausnahmefällen eingeschränkt sein, unter anderem, wenn Rechte
anderer in die Behandlung einbezogener Personen (z.B. Angehörige, Freunde) berührt
werden. Diese Einschränkung ist vom Arzt zu begründen.
Nach einer Behandlung im Krankenhaus wird in der Regel ein "Arztbrief" an den
weiterbehandelnden (Vertrags-)Arzt ausgestellt. Patienten haben das Recht, auch diesen
Arztbrief einzusehen und zu bestimmen, wer ihn erhält.
Vertraulichkeit der Patientendaten und Datenschutz
Der Patient hat einen Anspruch darauf, daß Arzt und Krankenhaus seine Unterlagen
vertraulich behandeln. Diese ärztliche Schweigepflicht besteht auch gegenüber anderen
Ärzten, die nicht in die Behandlung einbezogen sind. Für Zwecke der Leistungsabrechnung,
der Sicherheit und Kontrolle sehen Gesetze einzelne Ausnahmen von der Schweigepflicht vor.
Anderen Personen - auch Angehörigen und Seelsorgern - darf der Gesundheitszustand eines
Patienten nur dann offenbart werden, wenn es seinem Willen entspricht. Dieser Wille kann
ausdrücklich erklärt werden oder den Umständen zu entnehmen sein.
Der Patient hat darüber hinaus weitergehende Datenschutzrechte. Er muß benachrichtigt
werden, wenn seine Angaben erstmals in einer Datei gespeichert werden, ohne daß ihm das
erkennbar ist. Er kann über alle Informationen Auskunft verlangen, die zu seiner Person
in einer Datei gespeichert sind einschließlich der Herkunft, des Speicherungszwecks und
regelmäßiger Übermittlungsempfänger dieser Daten. Haben Arztpraxis oder Krankenhaus
unrichtige Daten gespeichert, hat der Patient einen gesetzlichen Berichtigungsanspruch.
Nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen kann der Patient die Löschung seiner Daten
verlangen. Der Patient hat schließlich einen datenschutzrechtlichen Anspruch darauf, daß
Arzt und Krankenhaus seine gespeicherten Daten technisch und organisatorisch vor
Zerstörung, Änderung und unbefugtem Zugriff schützen.
Übernahme der Behandlungskosten in der Gesetzlichen
Krankenversicherung
Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung haben Anspruch auf Versorgung bei
Krankheit und Schwangerschaft. Die Behandlung muß notwendig, zweckmäßig und
wirtschaftlich sein. Ein familienversicherter Patient kann seine Leistungsansprüche
eigenständig gegenüber der Krankenkasse geltend machen.
Der Anspruch auf einige Leistungen wird speziell geregelt (z.B. Sterilisation,
Empfängnisverhütung, Früherkennung von Krankheiten, zahnärztliche Individual- und
Gruppenprophylaxe). Leistungsausschlüsse bestehen u. a. bei bestimmten nicht
zweckmäßigen oder unwirtschaftlichen Arzneimitteln, Leistungsbegrenzung z. B. bei
Zahnersatz.
Aufklärung über die Kostenübernahme
Bevor der Patient Leistungen in Anspruch nimmt, deren Kostenübernahme durch die
Gesetzliche Krankenversicherung nicht gesichert ist, muß der Arzt oder das Krankenhaus
den Patienten darüber informieren. Der Patient entscheidet dann, ob er diese Behandlung
gleichwohl in Anspruch nehmen und selbst bezahlen will.
IV. Recht auf selbstbestimmtes Sterben
Jeder Patient hat das Recht auf ein menschenwürdiges Leben bis zum Tode. Auch am Ende des
Lebens hat der Patient das Recht auf Selbstbestimmung und eine angemessene Versorgung,
insbesondere auf schmerzlindernde Behandlung.
Jeder Patient, der entscheidungsfähig und über seine Situation aufgeklärt ist, hat das
Recht, den Abbruch oder das Unterlassen weiterer lebensverlängernder Maßnahmen zu
verlangen, unabhängig davon, ob der Sterbeprozeß bereits eingesetzt hat.
Der Patient kann für den Fall, daß er nicht mehr entscheidungsfähig sein sollte, durch
eine Patientenverfügung auf lebenserhaltende und -verlängernde Maßnahmen verzichten.
Der Arzt zieht diese Patientenverfügung für die Erforschung des mutmaßlichen Willens
des Patienten heran. Über die konkrete Formulierung einer solchen Verfügung (Form, Zeit,
Zeugen, Aktualität) sollte sich der Patient ausführlich beraten lassen.
V. Rechte im Schadensfall
Bevor der Patient eine Beschwerde oder einen Schadensersatzanspruch geltend macht, sollte
er das Gespräch mit den Behandlern in der Praxis oder im Krankenhaus suchen und Einsicht
in die Behandlungsdokumentation nehmen bzw. sich Kopien anfertigen lassen.
Bei wem kann man sich beschweren und sich beraten lassen?
Mit Beschwerden und Beratungsanliegen kann sich ein Patient an die Landesärzte- bzw.
Zahnärztekammern und die Patientenberatungs- und -beschwerdestellen wenden, die in
unterschiedlichen Institutionen, z.B. in Krankenhäusern, bei öffentlichen Trägern,
privaten Initiativen oder Verbraucherzentralen, eingerichtet wurden.
Wo kann man Schadensersatzansprüche klären lassen?
Um Schadensersatzansprüchen klären zu lassen, kann sich der Patient an
- die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, die durch die Ärztekammern
eingerichtet wurden,
- Rechtsanwälte (spezialisierte Anwälte, sind zu erfragen bei den Anwaltskammern oder
-vereinen),
- sonstige, zur Rechtsberatung befugte Institutionen, z. B. die Verbraucherzentralen,
wenden.
Kosten
In der Regel ist es kostenlos, sich bei Patientenbeschwerde- und -beratungsstellen zu
informieren und Ansprüche bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen geltend
zu machen.
Bei den ärztlichen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen erhält der Patient eine
kostenlose medizinisch-sachverständige Beurteilung seines Beschwerdefalles und bei den
Schlichtungsstellen häufig auch einen Regulierungsvorschlag, wenn ein ärztlicher Fehler
festgestellt worden ist.
Bei den zahnärztlichen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen entstehen für den
Patienten Kosten.
Gerichtsverfahren
Der Patient kann seinen Anspruch auch direkt bei Gericht geltend machen. Dies ist ohne
vorherige sachverständige medizinische und rechtliche Beratung nicht zu empfehlen.
Wenn der Patient Schadensersatzansprüche, z. B. Schmerzensgeld, vor Gericht geltend
machen will, muß er in der Regel den ärztlichen Fehler darlegen und beweisen. Darüber
hinaus muß er die Ursächlichkeit des Fehlers für die Verletzung der Gesundheit, das
Verschulden des Arztes und den Zusammenhang zwischen Gesundheitsverletzung und
eingetretenem Schaden beweisen. Unter bestimmten Umständen kann die Beweislast für die
Ursächlichkeit und das Verschulden erleichtert werden (z. B. bei der Verletzung von
Dokumentationspflichten und groben Behandlungsfehlern).
Bei einer ärztlichen Verletzung von Informationspflichten hingegen muß der Arzt
beweisen, daß er tatsächlich sorgfältig aufgeklärt hat; der Patient wiederum muß
seinerseits plausibel dartun, daß er bei sachgerechter Aufklärung in einem echten
Entscheidungskonflikt gestanden hätte, ob er die Behandlung durchführen lassen soll. Die
ordnungsgemäße Dokumentation muß ebenfalls durch den Arzt bewiesen werden.
Bei Schäden, die durch Arzneimittel oder durch ein Medizinprodukt (z. B. Röntgengerät)
verursacht werden, können auch Ansprüche gegen den Hersteller bestehen.
Bei möglichen Schadensersatzansprüchen ist es ratsam, diese unverzüglich geltend
gemacht werden, da diese je nach Fall sehr unterschiedlichen Verjährungsfristen
unterliegen. Teilweise können Fristen schon nach sechs Monaten verstreichen. Es wird
empfohlen, sich im Schadensfalle zügig beraten zu lassen, um Ansprüche nicht zu
verlieren.
Unterstützung durch die Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung
Die gesetzliche Krankenversicherung kann den Versicherten unterstützen, wenn dieser bei
der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen Behandlungsfehlern dies beantragt. Die
Krankenkasse kann dem Versicherten durch Auskünfte aus ihren Akten und Daten bei der
Durchsetzung seines Anspruchs unterstützen. Geldleistungen für die Rechtsverfolgung
dürfen nicht gewährt werden. Im Einzelfall kann die Krankenkassen die Unterstützung aus
sachlichen Gründen verweigern.
Werner Schell
(07/99)
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