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Die Patientenrechte haben ihre Grundlage im Grundgesetz und sind durch die Rechtsprechung präzisiert worden

Eine erste (amtliche) Zusammenstellung der Patientenrechte in Deutschland erfolgte durch den Beschluß der 72. Gesundheitsministerkonferenz am 9./10. Juni 1999 in Trier. Diese Zusammenstellung der Patientenrechte ist mittlerweile der (Fach)Öffentlichkeit vorgestellt worden und hat nahezu uneingeschränkte Anerkennung gefunden. Es war daher folgerichtig, diese Zusammenstellung, ihrer Bedeutung entsprechend, auch als Patienten-Charta zu bezeichnen.

Obwohl die Patienten-Charta kein neues Recht setzt, sondern nur zweifelsfrei bestehende Rechte in einem Zusammenhang vorstellt, haben die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung der Patienten-Charta mit kaum nachvollziehbaren Argumenten ihre Zustimmung versagt. Die Ärzteschaft hat daraufhin am 27.10.1999 in einer Pressekonferenz den Entwurf für eine eigene "Charta der Patientenrechte" vorgestellt und zu einer öffentlichen Diskussion über das Papier aufgerufen.

Dabei wurden seitens der Ärzteschaft wie folgt Positionen beschrieben:

  • Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe sieht einige dieser Grundrechte durch die geplante Gesundheitsreform 2000 gefährdet. Eine auf Dauer angelegte Budgetierung mit der Folge von Rationierungen tangiere das Recht der Patienten auf angemessene medizinische Versorgung. Und auch die geplanten Datensammelstellen bei den Krankenkassen berührten ein elementares Recht der Patienten: das Recht auf Vertraulichkeit. "Es ist schon grotesk, wenn die Regierung einerseits durch rigide Ausgabenbegrenzungen das Niveau der Patientenversorgung heruntergeschraubt, andererseits aber über ein sogenanntes Patientenschutzgesetz nachsinnt", kritisierte Hoppe. Dem Schutz der Patienten dienten vor allem der freie Zugang zur medizinischen Versorgung und der Anspruch auf eine wissenschaftlich gesicherte und anerkannte ärztliche Behandlung.
  • Der Präsident der Ärztekammer Hamburg, Dr. Frank Ulrich Montgomery, wies darauf hin, daß sich die Bundesärztekammer bei der Formulierung der Charta bewußt auf unverrückbare Grundrechte der Patienten beschränkt habe. Gesetzliche Regelungen im Sozialversicherungs- und Leistungsrecht sowie das von Staat und Richtern geprägte Haftungsrecht müßten sich an diesen Patientenrechten orientieren. Von der Gesellschaft gemeinsam definierte und anerkannte Grundrechte von Patienten seien ein elementarer Schutz der Bevölkerung vor schlechter medizinischer Versorgung, menschenunwürdiger Behandlung und Übergriffen in die Intimsphäre der Patienten. "Vor allem aber sind sie ein Schutzschild gegenüber rationierenden Eingriffen des Staates oder der Krankenkassen. Sie sind deshalb gerade im Moment bitter nötig", betonte Montgomery.

Ein unbefangener Beobachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier seitens der Ärzteschaft lediglich eine Initiative im "Kampf um die Meinungsführerschaft" ausgetragen wird, und das auf dem Rücken der Patienten. Diese Sonderaktion der Ärzteschaft ist bedauerlich, weil die Erklärung die in Deutschland anerkannten Patientenrechte nur unvollkommen und sehr verkürzt wiedergibt und nunmehr die gewünschte Klarheit, sich an einem Charta-Text zu orientieren, unterlaufen wird. Dies mußte natürlich die massive Kritik verschiedener Institutionen hervorrufen, so zum Beispiel des Bundesgesundheitsministeriums und der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. bzw. der Verbraucherverbände.

In einer Erklärung der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. und der Verbraucherverbände vom 27.10.1999 liest sich die Kritik an der von der Ärzteschaft vorgestellten Charta wie folgt:

Die von der Bundesärztekammer vorgestellte sogenannte "Charta der Patientenrechte" hat diesen Namen nicht verdient, weil sie wesentliche Gesichtspunkte außer Acht läßt, kritisieren die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) und die Verbraucher-Zentralen. Die unvollständige Auflistung von Patientenrechten ist kontraproduktiv und führt die Öffentlichkeit in die Irre. Es handelt sich offensichtlich um einen standespolitisch motivierten Vorstoß, der den Interessen der Patienten schadet und die bereits vorhandenen Ansätze verwässert und unterläuft, so die Verbraucherschützer. Der Name "Charta der Patientenrechte" war ursprünglich unter Mitwirkung der Ärztekammern und von Patienten- und Verbrauchervertretungen für ein umfassendes Dokument der "Patientenrechte heute" vorgesehen, das inzwischen von der 72. Gesundheitsministerkonferenz der Bundesländer verabschiedet wurde und derzeit als Grundlage zur Entwicklung eines Patientenschutzgesetzes beim Bundesministerium für Gesundheit dient. Der Name dieses Dokumentes wurde damals auf Wunsch der Bundesärztekammer geändert. Das jetzt als angebliche "Patienten-Charta" vorgelegte Ärzte-Papier spiegelt ein überholtes, paternalistisches Arzt-Patienten-Verhältnis wieder und steht damit im Gegensatz zu internationalen und nationalen Dokumenten (z. B. Gutachten des Sachverständigenrats der Konzertierten Aktion von 1992, Europäische Gesundheitsministerkonferenz von 1996 etc.). So bleibt in der Ärzte-Charta das für Patienten wesentliche Recht auf Aushändigung von Kopien der Krankenunterlagen bzw. leihweiser Übergabe der Röntgenbilder unerwähnt. Die Auflistung möglicher Beschwerde- und Begutachtungsmöglichkeiten im Falle von Behandlungsfehlern nennt lediglich die standespolitisch ausgerichteten ärztlichen Gutachter- und Schlichtungsstellen. Unabhängige Beschwerdeinstanzen fehlen. Das Recht auf Aufklärung wird extrem verkürzt. Statt ihrer Alleingänge sollte sich die deutsche Ärzteschaft lieber seriös an der gemeinsamen Fortentwicklung der Patientenrechte beteiligen und massive rechtliche Defizite bei der Beteiligung von Patientenvertretern an den Gremien des Gesundheitswesens, bei der Transparenz von Leistungen sowie bei der Haftung für Behandlungsfehler abbauen helfen, so die Verbraucherschützer.

Ungeachtet der aufgezeigten Disharmonien zwischen den Patienten (Verbrauchern) einerseits und der Ärzteschaft (Leistungsanbieter) andererseits soll, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann, der ärzteeigene Chartaentwurf wie folgt vorgestellt werden:

Entwurf Charta der Patientenrechte (Stand: 30.09.99)

Präambel

Angesichts der besonderen Schutzbedürftigkeit eines Menschen, der als Patient bei einem Arzt Hilfe sucht, ist es sinnvoll, auf der Grundlage der allgemein anerkannten Menschenrechte Patientenrechte zu formulieren. Ärzte und andere, die mit der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung betraut sind, haben eine gemeinsame Verantwortung, diese Rechte anzuerkennen und zu wahren.
Ärzte haben die Verpflichtung, der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung zu dienen. Ihre Aufgabe besteht darin, Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken.
Die moderne Medizin stellt Patient und Arzt mehr denn je vor die Notwendigkeit, zwischen unterschiedlichen Maßnahmen einer möglichen medizinischen Versorgung zu wählen. Diese Wahl wird zunehmend von subjektiven Wertvorstellungen geprägt. Patient und Arzt sollten so weit wie möglich gemeinsam handeln. Würde und Selbstbestimmung des Patienten sind Grundlage des ärztlichen Handelns und der Patientenrechte.
Wenn den Patienten diese Grundrechte verwehrt werden, müssen Ärzte zur Sicherstellung dieser Rechte geeignete Maßnahmen ergreifen.

Das Recht auf medizinische Versorgung

Jeder Mensch - ohne Unterschied - hat das Recht auf angemessene medizinische Versorgung. Insbesondere darf niemand wegen seines Geschlechts, seines Alters, einer Behinderung, seiner Abstammung, seiner Herkunft, seiner Sprache, seiner Hautfarbe, seiner Armut, seines Glaubens, seiner politischen, religiösen oder sonstigen Anschauungen diskriminiert werden.

Das Recht auf Qualität

Der Patient hat ein Recht auf die gewissenhafte Ausführung der gebotenen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst.

Das Recht auf Selbstbestimmung

Jeder Mensch hat das Recht, über Art und Ausmaß seiner Versorgung - im Rahmen medizinischer Prinzipien - selbst zu bestimmen.
Alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen setzen die Zustimmung des Patienten voraus. Jeder Mensch hat damit grundsätzlich das Recht, eine Behandlung abzulehnen, selbst dann, wenn sie ärztlich geboten erscheint.
Der Patient hat das Recht, die für seine Entscheidung notwendige Information und kompetente Beratung in der dafür benötigten Zeit zu erhalten. Darüber hinaus hat er auch das Recht auf ?Nichtwissen? und kann die Information ablehnen.
Jeder Mensch hat das Recht, die Mitwirkung an der medizinischen Forschung oder Lehre abzulehnen. Ihm dürfen daraus keinerlei Nachteile in der Diagnose oder Behandlung erwachsen.
Ist der Patient bewußtlos oder kann er seinem Willen aus anderen Gründen keinen Ausdruck geben, hat er das Recht, daß die Einwilligung zu einem medizinischen Eingriff von einem gesetzlichen Vertreter oder einer dazu befugten Vertrauensperson - nach deren fachgerechter Information und Aufklärung - eingeholt werden muß. Falls ein gesetzlicher Vertreter oder eine dazu befugte Vertrauensperson nicht erreichbar ist, ein medizinischer Eingriff aber unaufschiebbar erforderlich ist, genügt die mutmaßliche Einwilligung.
Kinder haben das Recht, entsprechend ihrer geistigen Reife über ihre gesundheitliche Versorgung informiert und an den Entscheidungsprozessen beteiligt zu werden. Die Notwendigkeit einer Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bleibt unberührt.

Das Recht auf Vorausverfügung

Jeder Mensch hat das Recht auf vorsorgliche Willensbekundung - z.B. durch eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht - für den Fall, daß er nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen rechtlich verbindlich zu äußern.

Das Recht auf Aufklärung und Beratung

Jeder Mensch hat das Recht, über seinen Gesundheitszustand oder seine Erkrankung, über die möglichen medizinische Eingriffe oder Verfahren in vollem Umfang in verständlicher Weise informiert, aufgeklärt und beraten zu werden. Jeder Mensch hat aber auch das Recht, auf Information, Aufklärung und Beratung zu verzichten, es sei denn, daß diese zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit einer anderen Person unabdingbar erforderlich sind.
In Ausnahmefällen können dem Patienten Informationen vorenthalten werden, wenn es triftige Gründe zu der Annahme gibt, daß diese Information zu einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit des Patienten oder Dritter führen würden.

Das Recht auf Vertraulichkeit

Jeder Mensch hat das Recht, daß seine Informationen und Daten - auch über seinen Tod hinaus - der Schweigepflicht unterliegen und von Ärzten, Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen, den staatlichen Organen und den Organen der Sozialversicherung vertraulich behandelt werden.
Vertrauliche Informationen dürfen grundsätzlich nur mit einer auf freier Willensentscheidung beruhenden Zustimmung des Patienten weitergegeben werden. Der Patient kann den Arzt ermächtigen, Angehörigen oder Seelsorgern oder sonstigen von ihm benannten Personen, wie Rechtsanwälten, Auskunft über seinen Gesundheitszustand und die Prognose zu geben. Die ärztliche Schweigepflicht besteht auch gegenüber anderen Ärzten, die nicht an der Behandlung des Patienten beteiligt sind.
Alle Daten, die den Rückschluß auf die Person des Patienten zulassen, müssen geschützt werden. Die Vertraulichkeit der Patientendaten muß durch geeignete technische und Maßnahmen der Datensicherung und Datenspeicherung gewährleistet sein.

Das Recht auf freie Arztwahl

Jeder Patient hat das Recht, den Arzt, das Krankenhaus oder eine sonstige medizinische Einrichtung frei zu wählen oder zu wechseln.
Jeder Patient hat das Recht, jederzeit die Meinung eines anderen Arztes einzuholen.

Das Recht auf Dokumentation

Jeder Patient hat das Recht darauf, daß der Diagnose- und Behandlungsablauf, unerwünschte Wirkungen medizinischer Eingriffe oder Verfahren sowie alle sonstigen wichtigen Informationen dokumentiert werden. Die Information des Patienten - aber auch der Verzicht auf Informationen durch den Patienten, wie auch gegebenenfalls das Vorenthalten der Information - müssen dokumentiert werden. Die Dokumentation muß im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen aufbewahrt werden.

Das Recht auf Einsichtnahme

Der Patient hat das Recht auf Einsicht aller ihn betreffenden konkreten Informationen, die in seinen Krankenakten festgehalten sind; dieses beinhaltet nicht die subjektiven Aufzeichnungen und Bewertungen des behandelnden Arztes.

Das Recht auf Schadensersatz

Der Patient hat ein Recht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bei verschuldeter fehlerhafter Aufklärung oder Behandlung. Er hat das Recht auf kostenlose Anrufung der ärztlichen Schlichtungsstellen oder Gutachterkommissionen.

Werner Schell