Am 04.10.2010 im Bundestag:
Fachtagung „Pflege zwischen Alltagshilfe, medizinischem Know How und Organisationsgeschick – wo ist politisches Handeln gefragt?
Vertreter der CDU/CSU Fraktion hatten für den 04.10.2010 zu dieser Fachtagung öffentlich in den Reichstag eingeladen. Es waren Vertreter von
unterschiedlichen Ministerien vertreten.
Die Grundaussage in dieser Veranstaltung war, dass jeder Mensch ein Recht auf eine würdevolle Pflege- und Betreuungsversorgung
hat.
Derzeit sind 1,1 Millionen Menschen in der Bundesrepublik im Bereich Pflege und Betreuung beschäftigt. Im Jahr 2050 ist mit einem Anstieg von
1,2 Millionen Beschäftigen im Vollzeitbereich und 2,1 Millionen Beschäftigten im Teilzeitbereich durch die demografische Entwicklung zu rechnen.
Pflege – wird immer wieder politisch unterschiedlich definiert und es ist auch nicht klar formuliert worden, wie zusätzliches Personal mit welchen
Qualifikationen, in welcher Form akquiriert werden soll. Das Thema Lohn ist durch die Mindestlohnvereinbarung der unterschiedlichen vorhandenen Qualifikationen nicht klar strukturiert.
Tenor der Fachtagung war die Finanzierung!
Frau Dr. Schröder (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) stellte noch einmal den Entwurf der Familien- Pflegezeit vor. Das Modell
der Familienpflegezeit sieht vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit über maximal zwei Jahre auf bis zu 50 Prozent reduzieren können, dabei aber 75 Prozent
ihres Gehalts beziehen. Zum Ausgleich müssen sie später wieder voll arbeiten, bekommen aber weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts - so lange, bis das Zeitkonto wieder ausgeglichen ist.
Um diese geplante Familien Pflegezeit finanziell abzusichern, wurde ein neues Modell vorgestellt. Jeder Arbeitnehmer, der beabsichtigt, dieses
Modell zu wählen, soll eine zusätzliche private Versicherung abschließen, um die Lohndifferenz die dabei entsteht, eigenständig zu finanzieren. Es würde auf den Arbeitnehmer dann
eine zusätzliche Belastung von ca. 50,00 Euro pro Monat zukommen, die er eigenständig finanzieren muss.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat für das nächste Jahr eine Reform der Pflegeversicherung angekündigt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssten
sich auf höhere Beiträge einstellen, sagte er vor der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Fraktion. Das bestehende Finanzierungsmodell sei überholt.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Anette Widmann-Mauz (CDU), sagte, mehrere Ministerien hätten schon mit
Vorarbeiten für die Reform begonnen.
Die „Angebotspalette“ der Pflegeversicherung soll ausgeweitet werden.
Frau Widmann-Mauz stellte anschließend ein Programm mit 10 Handlungsfeldern vor:
- Recht auf würdevolle Pflege und Betreuung
- Sicherung des Bedarfs an Pflege- und Betreuungskräften
- Auf- und Ausbau wohnortnaher Versorgungsstrukturen
- Flexibilität bei Angeboten und Auswahl der Pflegeleistungen
- Stärkung von Qualität und Transparenz
- Abbau überflüssiger Bürokratie
- Stärkung zivilgesellschaftlicher Hilfe- und Unterstützungsstrukturen
- Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs
- Gerechte Lastenverteilung
- Aufbau einer ergänzenden Kapitaldeckung
Diese Handlungsfelder sind inhaltlich nicht Bestand der Pflegeversicherung.
Zu dem Punkt 1: „Recht auf würdevolle Pflege und Betreuung“, ist die Zielsetzung. „… die Pflegeversicherung soll auch in Zukunft den pflegebedürftigen
Menschen helfen, möglichst selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Sie soll es ihnen ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben soweit es eben geht, teilzuhaben“.
Zu Punkt 2: „Sicherung des Bedarfs an Pflege- und Betreuungskräften“. – „… die Bundesregierung hat durch die Änderung der BeschäftigungsVO dafür gesorgt,
dass ausländische Haushaltshilfen notwendige pflegerische Tätigkeiten und Betreuung legal durchführen zu können. Gute Arbeitsbedingungen und der Mindestlohn in der Pflege ist ein
wichtiger Baustein ….“
Unklar bleibt der anwesenden Pflegefachwelt, wie die Vergütungen der ausländischen Haushaltshilfen inhaltlich strukturiert sind. Auch die Arbeitsbedingungen sind nicht näher definiert
worden.
Pflege ist nach wie vor ein Frauenberuf und wenn sich die Rahmenbedingungen im Bereich der Kinderbetreuung diesem Berufsbild nicht anpassen, können viele weibliche Pflegerinnen auch
nicht mehr berufstätig sein. Älteren Mitarbeitern ab 50 Jahren in der Pflege sollte kein Drei-Schichtdienst mehr zugemutet werden. Das sind Aspekte die in der Diskussion nicht politisch
erhört worden sind.
Zu Punkt 3: „Auf- und Ausbau wohnortnaher Versorgungsstrukturen“. Es wird bundesweit daran gearbeitet die Pflegestützpunkte und generationsübergreifende
Wohnprojekte zu fördern. Die erste Auswertung für die Implementierung der Pflegestützpunkte wird erwartet.
Zu Punkt 4: „Flexibilität bei Angeboten und Auswahl der Pflegeleistungen“ ist mit den bestehenden Begutachtungsrichtlinien und der Gesetzgebung des
SGB XI und den aktuellen Angeboten nur bedingt vereinbar.
Zu Punkt 5: „Stärkung von Qualität und Transparenz“. Es wird politisch dargestellt, dass der Wille des Gesetzgebers nach mehr Transparenz durch die
Beteiligten konterkariert wird. Transparenz ist somit bisher nicht geschaffen worden. Dass wesentliche Gerichtsurteile vorliegen, wurde nicht erwähnt. Es wird politisch auch angedacht,
ein weiteres Prüfelement zu installieren. Die politische Aussage dazu war, „neben dem TÜV gibt es auch die DEKRA“.
Zu Punkt 6: Der „Abbau überflüssiger Bürokratie“ steht ebenfalls auf der Agenda. Entsprechende Empfehlungen werden in einem Projekt mit dem Nationalen
Normenkontrollrats (NKR) erarbeitet um entsprechende Empfehlungen auszusprechen.
Zu Punkt 7: In der „Stärkung zivilgesellschaftlicher Hilfe- und Unterstützungsstrukturen“ wird dem zivilgesellschaftlichen Engagement eine hohe Bedeutung
zugesprochen. Es gilt politisch, diesen Bereich weiterhin auszubauen und zu stärken.
Zu Punkt 8: Die „Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ ist Bestandteil des Pflegeweiterentwicklungsgesetztes von 2008. Dieser
Entwicklungsprozess soll weiter ausgebaut werden, so dass im Jahr 2011 dann die neue Definition vorliegen soll. Es wurde aber vermehrt auch auf die damit verbundenen finanziellen
Kosten, die entstehen, um diesen dann zu implementieren, hingewiesen.
Zu Punkt 9: Die „Gerechte Lastenverteilung“ kann politisch nicht geleistet werden. Die Pflegeversicherung bleibt ein Teilsicherungssystem. Die
pflegerische Verantwortung in der Familie und im häuslichen Umfeld bleibt bestehen und ist vom Einzelnen zu tragen.
Zu Punkt 10: Der „Aufbau einer ergänzenden Kapitaldeckung“ bedeutet für alle Menschen in diesem Land, dass die Prozentpunkte für die Pflegeversicherung
angehoben werden, da es sonst entsprechend der demografischen Entwicklung zu keiner Kostendeckelung der Pflegeversicherung mehr kommen kann.
Pflege darf nicht nur jammern, sondern muss Handlungsfelder kompetent bearbeiten!
Es zeigte sich auch in dieser Veranstaltung, dass die Argumentation der anwesenden Praktiker, Heimleiter, Ausbildungsleiter und die politische
Ebene nicht immer kompatibel waren. Was meinst Du damit?
Pflege wurde vorgeworfen, beständig eine Jammerposition einzunehmen, statt Handlungsfelder kompetent zu bearbeiten. Der pflegefachliche Ruf nach einer
Pflegekammer wurde in dieser Fachtagung überhört!
© Christine Schmidt Pflegesachverständige – 09.10.2010, Mitglied im Fachverband für Sachverständige
P R E M I O
Pflege-Ressourcen- Management- Information
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www.premioberlin.de
Siehe im Forum Werner Schell unter:
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