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Berlin-Institut für Bevölkerung
und Entwicklung
(Hrsg. – Autorin: Ylva Köhncke
Alt und behindert
Wie sich
der demografische Wandel auf das Leben von Menschen mit Behinderung
auswirkt
Berlin-Institut |

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Die Lebenserwartung steigt, die Gesellschaft
altert. Damit sind immer mehr Menschen von altersbegleitenden Erkrankungen
betroffen. Vor diesem Hintergrund steigt auch die Zahl der älteren Menschen,
die bereits ihr Leben lang auf Unterstützung angewiesen sind.
Bislang hatten in Deutschland wenige von ihnen Chancen auf ein langes Leben.
Durch die Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten fehlen in den
Altersklassen der über 60-jährigen Menschen mit angeborenen Behinderungen
weitgehend. Außerdem zogen viele Behinderungen früher stark erhöhte
Sterberisiken nach sich. Doch unter verbesserten Lebensbedingungen ist die
Lebenserwartung von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung in den
vergangenen Jahrzehnten rasch angestiegen.
Diese Entwicklung hat Folgen für die Einrichtungen und Dienste der
Behindertenhilfe. Sie müssen sich auf mehr ältere Menschen einstellen.
Erstens, weil ihre Klienten und Nutzer altern. Zweitens, weil erwachsene
Menschen mit Behinderungen, die in ihren Elternhäusern leben, vermehrt auf
professionelle Hilfe angewiesen sein werden, wenn die Eltern nicht mehr für sie
da sein können. Mehr ältere Nutzer bedeuten für die Fachleute der
Behindertenhilfe, auf neue Bedarfslagen eingehen zu müssen: Die Senioren
arbeiten nicht mehr in der Werkstatt für behinderte Menschen, sondern wollen
ihre Freizeit genießen. Die Einrichtungen müssen sich außerdem auf einen
steigenden Pflegebedarf ihrer alternden Belegschaft vorbereiten. Die
Behindertenhilfe steht vor weiteren Herausforderungen, weil immer mehr Menschen
mit psychischen Erkrankungen und Lernbehinderungen ihren Anspruch auf Hilfen
geltend machen.
Wie viele Menschen in Deutschland wegen einer Behinderung Unterstützung bedürfen,
wird in keiner Statistik erhoben. Auch die Inanspruchnahme von Hilfen wird nicht
detailliert und im Zeitverlauf erfasst. Deshalb lässt sich die Entwicklung des
künftigen Bedarfs nur grob skizzieren. In verschiedenen Szenarien projiziert
das Berlin-Institut in der Studie die denkbare zahlenmäßige Entwicklung sowohl
von Personen mit Schwerbehindertenausweis als auch von
Eingliederungshilfeberechtigten in Einrichtungen der Behindertenhilfe.
Dieser Wandel verschärft einen ohnehin steigenden Kostendruck auf die
Sozialsysteme. Ein von Fachleuten geforderter und in der Gesetzgebung
eingeleiteter Paradigmenwechsel weg von der Fürsorge hin zur Teilhabe kommt
noch nicht im Alltag von Menschen mit Handicap an. Viele von ihnen haben keine
andere Wahl, als ihr Leben in Sondereinrichtungen zu verbringen.
Um Menschen mit Behinderungen ein selbst bestimmtes Leben und Teilhabe zu ermöglichen,
müssen die Beteiligten die sozialpolitischen Teilhabeziele konsequent befolgen
und scheinbare Sachzwänge infrage stellen. Dazu gehört der Ausbau von
gemeinsamem Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung, von ambulant
betreuten Wohnmöglichkeiten, von individuellen Hilfen, zum Beispiel über das
Persönliche Budget. Es reicht aber nicht aus, die Auflösung von
Sondereinrichtungen zu fordern – die Gesellschaft muss sich auch für die
Teilhabe behinderter Menschen öffnen und räumliche sowie kommunikative
Barrieren abbauen. Zivilgesellschaftliche Initiativen wie Mehrgenerationenhäuser
Quartiersmanagement-Projekte liefern Beispiele gelungener Inklusion.
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