Patientenwille mit Gewalt durchgesetzt

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Patientenverfügung: Prozess um Todesfall

Beitrag von Presse » 21.01.2010, 17:08

Patientenverfügung: Prozess um Todesfall in Kölner Klinik
VON JüRGEN STOCK - zuletzt aktualisiert: 21.01.2010

Köln Am Landgericht Köln beginnt heute im Saal 26 ein Prozess, der in die Rechtsgeschichte eingehen dürfte. Vor Gericht steht der 44 Jahre alte Maurer Peter B.. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchte Tötung auf Verlangen vor. Er soll auf der Intensivstation des Kölner St.-Franziskus-Hospitals Geräte abgeschaltet haben, mit denen seine 82 Jahre alte Schwiegermutter am Leben erhalten wurde. Er berief sich dabei auf eine Patientenverfügung, die die Frau unterschrieben hatte.
.... (mehr)
http://nachrichten.rp-online.de/article ... inik/65212

Siehe auch unter
http://www.open-report.de/artikel/Proze ... 34949.html

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Geräte auf Intensivstation abgeschaltet

Beitrag von Presse » 22.01.2010, 13:57

Geräte auf Intensivstation abgeschaltet

Von Daniel Taab

Ein 44-jähriger Maurer steht vor dem Kölner Landgericht, weil er die medizinischen Geräten zum Lebenserhalt seiner Schwiegermutter abschaltete. Der Angeklagte ist davon überzeugt, das Richtige getan zu haben. .... (mehr)
http://www.rundschau-online.de/html/art ... 1123.shtml

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Patientenselbstbestimmungsrecht geachtet ?

Beitrag von Sabrina Merck » 22.01.2010, 14:58

Hallo,
Polizei und Staatsanwaltschaft wollen die Einhaltung von Rechtsvorschriften prüfen. Hoffentlich vergessen sie auch nicht darüber nachzudenken, ob denn Ärzte in geeigneter Weise den Patientenwillen geachtet haben. Die bisherigen Berichte deuten darauf hin, dass lediglich die möglichen Fehlleistungen des Schwiegersohns im Fadenkreuz der Ermittler bzw. des Gerichts stehen.
MfG Sabrina
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk!
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

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Angeklagter sieht sich menschlich voll im Recht

Beitrag von Service » 22.01.2010, 16:16

Kölner Sterbehilfeprozess 1. Tag - Text der PV im Focus

Mit dem Urteil wird Anfang Februar gerechnet. Am Landgericht Köln begann Donnerstag (21.1.) ein Prozess, der in die Rechtsgeschichte eingehen könnte. Vor Gericht steht Peter B.. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchte Tötung auf Verlangen seiner Schwiegermutter vor.

Der 44-Jährige wollte deren Patientenverfügung durchsetzen und schaltete bei der Schwerstkranken medizinische Infusionsgeräte auf der Intensivstation ab. (wir berichteten). In der Anklage der Kölner Staatsanwaltschaft heißt es: Ob sich aus dem neuen Patientenverfügungsgesetz eine neue strafrechtliche Bewertung ergibt, sei bislang "völlig unklar". Jedenfalls spielte am ersten Verhandlungstag der genaue Text der zugrunde liegenden PV eine wichtige Rolle. Die Ärzte sahen eine Behandlungsindikation wegen bestehender - wenngleich sehr geringer - Besserungsaussicht als noch gegeben an. Dass die schwer lungenkranke Seniorin 3 Stunden später an den Geräten angeschlossen verstarb, sei so nicht voraussehbar gewesen.

Angeklagter sieht sich menschlich voll im Recht
"Köln - Der 44-jährige Angeklagte ging sofort in die Offensive: `Ich habe kein medizinisches Urteil gefällt, sondern ein menschliches Urteil.´ Auch auf der Anklagebank betonte der Maurer gestern vor dem Kölner Landgericht, dass er davon überzeugt sei, das Richtige getan zu haben. ... Doch bei allem Bemühen des Beschuldigten, seine Sicht der Dinge der Kammer zu vermitteln - er bekam gehörig Gegenwind. `Wir leben in einem Rechtsstaat. Man kann Recht nicht selbst in die Hand nehmen´, sagte der Vorsitzende Richter.

... Im Prozess stellte sich jetzt heraus, dass Peter B. die Verfügung nicht vollständig gelesen hatte - zumindest, was den entscheidenden Passus betrifft. `Wenn ich mich im unmittelbaren Sterbeprozess befinde ...´ ... In der Patientenverfügung gab es aber auch noch weitere, entscheidende Äußerungen, die der Angeklagte offensichtlich überlesen hatte: `Aktive Sterbehilfe lehne ich ab...´...."
Quelle mit weiteren Details: http://www.ksta.de/html/artikel/1263996137890.shtml

Worin bestehen die Unklarheiten bei dieser PV?
„Es ist nahezu typisch, dass der Sohn meinte: Patientenverfügung heißt sofort`keine Lebensverlängerung mehr´ - unter welchen genau zu bestimmenden Umständen auch immer“ kommentiert Gita Neumann vom Humanistischen Verband den Fall. Auch die meisten Verfügenden selbst würden diesbezüglich ungeprüft Vordrucke unterschreiben. „Wenn es heißt, Maßnahmen sind zu unterlassen, die `nur noch ein unnötiges Leiden im unmittelbaren Sterbeprozess verlängern´, dann besteht natürlich die Gefahr, dass die Reichweite zu eng interpretiert wird.“ Der Lebensschutz-Zusatz in dieser PV, der `aktive Sterbehilfe´ auschließt, sei zudem gezielt irreführend. „Denn was soll gemeint sein – strafrechtlich eh eindeutig Verbotenes doch wohl nicht?“ fragt Neumann.

Trotz der neuen Rechtslage existierten „nach wie vor viele Unsicherheiten“, macht Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung deutlich. So sei etwa die Christliche Patientenverfügung, „wie sie auch im jetzt vor dem Kölner Landgericht verhandelten Fall vorlag, nicht auf dem neusten Stand und würde demnächst von einem gemeinsamen Arbeitskreis der katholischen und der evangelischen Kirche neu herausgegeben", erklärte Brysch. „Vordrucke sollten nur ein Anhaltspunkt für das Verfassen einer Patientenverfügung sein. Das neue Gesetz verlangt eine detaillierte Abstimmung auf den Einzelfall. ... “ Quelle: Rheinische Post vom 21.1.
http://nachrichten.rp-online.de/article ... inik/65212

Antwort der AOK auf Anfrage
Nichtsdestotrotz weist die Allgemeine Ortskrankenkasse AOK (bundesweit) als Formularempfehlung weiterhin ausschließlich auf diese untaugliche christliche PV hin. Daraufhin von der Zeitschrift diesseits angefragt, rechtfertigte dies eine AOK-Sprecherin damit, dass doch „2/3 der Bevölkerung in einer christlichen Kirche“ seien. Dies ist alles andere als ein Qualitätskriterium für eine Krankenkasse, die ihren Mitgliedern damit einen Vordruck empfielt, der inzwischen nicht nur allgemein als als kritisch eingeschätzt wird – sondern inzwischen auch von ihren Urhebern, den Kirchen, selbst.

Gesundheitsmagazin quivive klärte sehr gut auf
Video und Text der Sendung vom 20.1.2010 zu:
Wachkoma, ähnliche Zustände mit minimalem Bewusstsein, Besserungsaussichten (mit PV-Empfehlungen)
http://www.rbb-online.de/quivive/archiv ... egung.html

Programmvorschau:
"Gott und die Welt" begleitet einen Monat lang die Ärzte im St. Marienhospital in Köln: Was im neuen Gesetzestext einfach klingt, wird im Krankenhausalltag oft zu einem Dilemma...
"Dazu kommt, dass etwa die Hälfte der Patientenverfügungen ungültig sind", erzählt Geriatriearzt Johannes-Josef Raczinski. ...
http://programm.ard.de/programmvorschau ... d-die-Welt

Quelle: Mitteilung vom 22.01.2010
http://www.patientenverfuegung.de

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Medizinische Geräte abgestellt

Beitrag von Presse » 03.02.2010, 18:18

Köln - Prozess
Medizinische Geräte abgestellt

Von Hariett Drack, 03.02.10, 14:36h

Eine deutlich höhere Strafe als zunächst vorgesehen droht dem Mann, der Geräte zur medizinischen Versorgung seiner schwer kranken Schwiegermutter abgeschaltet hatte. Er könnte nun wegen versuchten Totschlags verurteilt werden.
.... (mehr)
http://www.ksta.de/html/artikel/1264185804915.shtml

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... dem Angeklagten droht nun eine höhere Strafe ...

Beitrag von Service » 04.02.2010, 09:28

Wann kann von Sterbeprozess bei todesnaher 82Jähriger die Rede sein?

„ KÖLN - Im Rechtsstreit um die Durchsetzung einer Patientenverfügung am Kölner St. Franziskus-Hospital droht dem Angeklagten nun eine höhere Strafe. Am zweiten Verhandlungstag machte der Vorsitzende Richter Theo Schumacher deutlich, dass der 44-Jährige möglicherweise auch wegen versuchten Totschlags verurteilt werden könne. Bisher war die Anklage von versuchter Tötung auf Verlangen ausgegangen. ...

Rückblick: Am 29. Juni 2009 war die Seniorin auf die Intensivstation gekommen, wurde dort künstlich beatmet und erhielt Infusionen. Der Angeklagte soll seine Schwiegermutter eigenmächtig von den Infusionen getrennt und Geräte abgeschaltet haben. Zuvor hatte er die Mediziner dazu aufgefordert, die Patientenverfügung umzusetzen und die Geräte abzuschalten. Dies lehnten die Ärzte ab. ....

Der 44-Jährige nahm die Aussagen des Richters gelassen und ohne Regung hin. ... Richter Schumacher deutete, genau wie beim ersten Verhandlungstag an, dass der Angeklagte sich über den Willen seiner Schwiegermutter (82) hinweggesetzt habe. „Sie hätte nie und nimmer in ihre Tötung eingewilligt“, so der Richter. In der Verfügung der Schwiegermutter habe gestanden, dass nur während des bereits eingesetzten Sterbeprozesses keine lebensverlängernden Maßnahmen durchgeführt werden sollten. Doch von einem Sterbeprozess könne keine Rede sein.

Der zuständige Oberarzt beschrieb die Patientin als schwer krank. Die 82-Jährige sei dem Tod näher gewesen, als dem Leben. Allerdings habe es noch eine Resthoffnung gegeben. ...“

Quelle: http://www.rundschau-online.de

Wir berichteten über die Problematik der vorgelegten Christlichen Patientenverfügung (die im Focus des 1. Verhandlungstages stand).
http://www.patientenverfuegung.de/newsl ... v-im-focus

Mit dem Urteil wird jetzt Anfang nächster Woche gerechnet.

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Meldung:
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler schloss früher (2005) Suizidbeihilfe nicht aus, wenn die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt.

Jetzt wehrt er sich dagegen, auf der Internetseite von Roger Kusch instrumentalisiert zu werden.
http://www.patientenverfuegung.de/info- ... ntalisiert

Quelle: Mitteilung vom 4.02.2010
http://www.patientenverfuegung.de

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Patientenverfügung falsch ausgelegt

Beitrag von Presse » 04.02.2010, 09:51

Patientenverfügung falsch ausgelegt
Von Harriett Drack, 03.02.10

Dem Mann, der die Geräte zur medizinischen Versorgung am Bett seiner Schwiegermutter ausschaltete, droht jetzt eine höhere Strafe. Der 44-jährige hatte entscheidende Passagen des Sterbe-Testaments außer Acht gelassen. .... (mehr)
http://www.ksta.de/html/artikel/1264185805005.shtml

Gerhard Schenker
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Re: ... dem Angeklagten droht nun eine höhere Strafe ...

Beitrag von Gerhard Schenker » 04.02.2010, 19:44

Service hat geschrieben: ... Richter Schumacher deutete, genau wie beim ersten Verhandlungstag an, dass der Angeklagte sich über den Willen seiner Schwiegermutter (82) hinweggesetzt habe. „Sie hätte nie und nimmer in ihre Tötung eingewilligt“, so der Richter. In der Verfügung der Schwiegermutter habe gestanden, dass nur während des bereits eingesetzten Sterbeprozesses keine lebensverlängernden Maßnahmen durchgeführt werden sollten. Doch von einem Sterbeprozess könne keine Rede sein. ...
Wenn der Sachverhalt sich so gestaltet, können die Handlungen des Angeklagten aus Rechtsgründen nicht gebilligt werden. Es wird dann wohl folgerichtig zu einer entsprechenden Bestrafung kommen. Es bleibt aber zunächst abzuwarten, wie sich die Verteidigung im Prozess äußert. Insoweit fehlen die entsprechenden Aussagen noch.

G.Sch.
Das Pflegesystem bedarf einer umfassenden Reform - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung zukunftsfest machen!

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Selbstjustiz ist keine Lösung ....

Beitrag von Presse » 09.02.2010, 16:38

Zum heute am Kölner Landgericht zu Ende gegangenen Prozess gegen einen Mann, der seine Schwiegermutter nach einem Streit um ihre Patientenverfügung von Infusionen getrennt hatte, erklärt der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch:

"Selbstjustiz ist keine Lösung und darf nie zum Beispiel werden. Das heute in Köln gesprochene Urteil ist daher zu begrüßen. Der in einer Vorausverfügung festgelegte Wille eines Patienten ist der Maßstab, an dem Ärzte ihr Handeln ausrichten müssen. Das neue Patientenverfügungsgesetz und die dort beschriebenen besonderen Anforderungen an eine Patientenverfügung, die auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen müssen, sind in der Praxis umzusetzen. Präzise Formulierungen dürfen hinterher nicht uminterpretiert werden. Verfasser von Patientenverfügungen sollten die Lehren ziehen und ihre Dokumente noch einmal auf Konkretheit überprüfen.

Darüber hinaus hat die Verhandlung in Köln gezeigt: Der Umgang mit Patientenverfügungen kann sowohl Angehörige als auch Ärzte in eine tiefe Krise stürzen. Aus unserer Praxis der ,Schiedsstelle Patientenverfügung' wissen wir, dass manche Ärzte bei der Behandlung Schwerstkranker das eigentliche Therapieziel aus den Augen verlieren oder vergessen, es den Angehörigen zu vermitteln. Demgegenüber stehen Angehörige, die oft mit dem Leid eines Patienten überfordert sind. Zu wenige Informationen führen hier zu falschen Einschätzungen. Die Erwartung, dass eine Patientenverfügung ein sofortiges Vollstreckungsinstrument ist, wird schnell enttäuscht. Die Träger der Krankenhäuser sind aufgefordert, Ärzte auf solche Situationen vorzubereiten und entsprechend zu schulen.

Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung bietet im Ernstfall ihre Hilfe an. Bei ihrer Schiedsstelle Patientenverfügung können sich sowohl Ärzte als auch Angehörige im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzung beraten und strittige Dokumente prüfen lassen."

Hintergrund
Die gemeinnützige und unabhängige Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung ist die Sprecherin der Schwerstkranken und Sterbenden. Sie finanziert sich ausschließlich aus Spenden und Beiträgen von über 55.000 Mitgliedern und Förderern und unterhält das bundesweit einzigartige Patientenschutztelefon sowie die Schiedsstelle Patientenverfügung.

Quelle: Pressemitteilung vom 9.2.2010
Bei Rückfragen und Interview-Wünschen:
Matthias Hartmann: Tel.: 02 31 / 7 38 07 30
hartmann@patientenschutzorganisation.de http://www.patientenschutzorganisation.de

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2 Jahre auf Bewaehrung für versuchte Tötung

Beitrag von Presse » 09.02.2010, 16:43

Kölner Urteil: 2 Jahre auf Bewaehrung für versuchte Tötung

Urteil des LG Köln
„Köln - Ein 44-jähriger Mann ist in Köln zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden, weil er auf in einem Krankenhaus die Infusionsgeräte seiner Schwiegermutter teilweise abgeschaltet hatte. Das Landgericht verurteilte ihn am Dienstag wegen versuchter Tötung in einem minder schweren Fall und entsprach damit der Forderung der Staatsanwaltschaft.
Eine hinzukommende Ärztin hatte die Geräte unverzüglich wieder eingeschaltet. Die 82-Jährige starb kurz darauf, aber mit dem Abschalten hatte das nichts zu tun. Der Mann rechtfertigte sein Vorgehen damit, dass seine Schwiegermutter lebenserhaltende Maßnahmen abgelehnt habe. (dpa)“
Quelle: http://www.radiokoeln.de/koeln/rk/437859/news/koeln

Kommentar und Hintergrund

Der 44-Jährige Fliesenleger muss außerdem eine Geldbuße von 2000 Euro zahlen. Das Urteil lautet auf versuchten Totschlag. Weil das kurzfristige Ausschalten gar keine Folgen hatte, beließ es das Gericht bei einer Bewährungsstrafe. Die 82-Jährige war ca. 3 Stunden nach dem kurzzeitige Aussetzen einer Infusion (nicht: des Beatmungsgeräts!) gestorben. Sie war ins künstliche Koma versetzt, im Sterben soll die Schwerstlungenkranke nicht gelegen haben.

Das Gericht ist dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt. Diese hatte vor allem die „fehlende Reue des Angeklagten“ bemängelt. Der Angeklagte hatte nachdrücklich vorgetragen, seiner Schwiegermutter nicht etwa nach dem Leben getrachtet, sondern ihren Willen durchgesetzt zu haben. Es muss mehr als irritieren, dass Richter Schumacher sich anmaßte, diesen vermeintlich besser zu kennen als die gesamte Familie – und zwar anders als diese nur aufgrund einer offenbar unzulänglichen Patientenverfügung. Er meinte, umgekehrt, dass der Angeklagte sich über den Willen seiner Schwiegermutter (82) hinweggesetzt habe. „Sie hätte nie und nimmer in ihre Tötung eingewilligt“, so der Richter.

In der Patientenverfügung der Schwiegermutter habe gestanden, dass nur während des bereits eingesetzten Sterbeprozesses keine lebensverlängernden Maßnahmen durchgeführt werden sollten. Doch davon hätte jedoch keine Rede sein können.

Wenn hier über die medizinische Indikation kein Einvernehmen bestanden hat, bleibt zu hoffen, dass im angekündigten Revisionsverfahren die Verteidigung die Frage des mutmaßlichen Willens der Schwerstkranken endlich ins Zentrum rückt. Sie verstarb am „Tattag“ - weiter an Beatmungs- und sonstigen Geräte angeschlossen.

Nun kann und muss dem Angeklagten wohl vorgeworfen werden, dass es ihm „gar nicht schnell genug gegangen ist“. Also mangelnden Geduld in der Auseinandersetzung mit den Ärzten. Doch noch etwas anderes irritiert: Wer sich in Sterbehilfefällen deutlich im Recht sieht (sich also „uneinsichtig“ zeigt), hat als Angeklagter von vornherein ganz schlechte Karten. Denn das mögen die Richter einfach nicht.

Diese Praxiserfahrung wurde in einer Fortbildungsveranstaltung im November 2009 von dem Strafverteidiger Jörg Rehmsmeier zum Erstaunen der Teilnehmer glaubhaft vorgetragen. Sie scheint sich in diesem Fall zu bewahrheiten.

(von Gita Neumann, Humanistischer Verband)
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Siehe Videomitschnitt „Patientenwillen beachten und missachten – strafrechtliche Aspekte und medizinischen Fallbesprechungen“ (Veranstaltung des Humanistischen Verbandes Deutschlands vom 19.11.2009 in der Renafan-Akademie, mit RA Rehmsmeier und Dr. de Ridder): http://www.patientenverfuegung.de/fachv ... ntenwillen

Einen Mitschnitt auf DVD erhalten Abonnenten dieses pv-Newsletters zur freien Verfügung zugeschickt – mit einem Spenden-Überweisungsträger.
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Weitere Quelle: http://www.ksta.de/html/artikel/1265053926292.shtml
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Quelle: Pressemitteilung vom 9.2.2010
http://www.patientenverfuegung.de

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Bewährung im Prozess um Patientenverfügung

Beitrag von Presse » 10.02.2010, 14:59

Bewährung im Prozess um Patientenverfügung
10. Februar 2010, 04:00 Uhr
Weil er auf der Intensivstation einer Klinik eigenmächtig lebenserhaltende Geräte für seine Schwiegermutter abgeschaltet hatte, ist ein 44-jähriger Mann in Köln zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht legte ihm gestern versuchten Totschlag zur Last. "Es steht niemandem zu, an der Lebensuhr eines anderen Menschen zu drehen", begründeten die Richter ihr Urteil. .... (mehr)
http://www.welt.de/die-welt/regionales/ ... egung.html

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Re: Bewährung im Prozess um Patientenverfügung

Beitrag von Dieter Radke » 10.02.2010, 17:38

Presse hat geschrieben: ..... Das Landgericht legte ihm gestern versuchten Totschlag zur Last. "Es steht niemandem zu, an der Lebensuhr eines anderen Menschen zu drehen", begründeten die Richter ihr Urteil.
Was soll denn eine solche Anmerkung? Der Patientenwille ist zu achten. Wenn dieser Wille darin besteht, Geräte abzuschalten, ist dies verfassungsrechtlich nicht nur zulässig, sondern zwingend erforderlich. Es entspricht der Menschenwürde.
Im entschiedenen Fall hat aber möglicherweise keine klare Patientenentscheidung vorgelegen. Das wäre dann der "Stolperstein" für den Schwiegersohn gewesen.

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Patientenwille und nicht Fürsorge stehen im Mittelpunkt

Beitrag von Cicero » 11.02.2010, 10:23

Patientenwille und nicht Fürsorge stehen im Mittelpunkt

Es erscheint mir auch bei den jetzt aktuell laufenden Diskussionen wieder so, als müsste das Fürsorgeinteresse im Mittelpunkt stehen. Tatsächlich kommt es aber immer nur entscheidend auf die Patientenentscheidung an. Sie allein ist Maßstab aller Dinge - und sonst nichts!
Zur Durchsetzung des Patientenwillens siehe auch unter
viewtopic.php?t=13646

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Selbstjustiz auf der Intensivstation

Beitrag von Presse » 14.02.2010, 12:03

Patientenverfügung
Selbstjustiz auf der Intensivstation

Von Oliver Tolmein
....
Der in Köln verhandelte Fall unterscheidet sich von anderen Strafverfahren aus der letzten Zeit, in denen Patientenverfügungen eine Rolle spielten, in mehrerlei Hinsicht. Zum einen ging es hier um eine Patientin inmitten einer akuten Behandlung mit dem, zumindest nach Auffassung der Ärzte, aussichtsreichen Ziel der Lebensrettung. Zum anderen hatte sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass der Angeklagte die Patientenverfügung, die er angeblich umsetzen wollte, nicht besonders gut kannte: Dass die Verfügung nur für den Fall des unmittelbaren Sterbeprozesses das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen verlangte, war dem Handwerksmeister nicht bewusst. ...
.... (mehr)
http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF41441 ... googlenews

Dieter Radke
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Selbstjustiz auf der Intensivstation

Beitrag von Dieter Radke » 14.02.2010, 12:06

Presse hat geschrieben: .... Dass die Verfügung nur für den Fall des unmittelbaren Sterbeprozesses das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen verlangte, war dem Handwerksmeister nicht bewusst. ...
Der Schwiegersohn war folglich, juristisch betrachtet, nicht zum "Handeln" befugt. Das Urteil im Grund korrekt.

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