
Obwohl die Anzahl von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen deutschlandweit stetig zunimmt, besitzen noch immer nur rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation (51,3 Prozent) eines der beiden Dokumente: Konkret besitzen 38,6 Prozent der Patienten eine Vorsorgevollmacht und 29,4 Prozent eine Patientenverfügung. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer Studie herausgefunden, die sie im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht haben.
Darüber hinaus waren 39,8 Prozent der abgegebenen Vorsorgevollmachten und 44,1 Prozent der abgegebenen Patientenverfügungen aufgrund fehlerhaften Ausfüllens von Vordrucken schwer interpretierbar.
„Noch immer besitzen zu wenige Patientinnen und Patienten eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung. Das persönliche Gespräch zwischen Arzt und Patient beziehungsweise Angehörigem ist daher weiterhin der häufigste Weg, um den Patientenwillen festzustellen. Doch oft können auch engste Angehörige den eigentlichen Patientenwillen nicht oder nur unsicher wiedergeben. Dieses Dilemma kann nur durch das Erstellen einer Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht gelöst werden“, erklärt Prof. Dr. Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin des UKE.
Vor allem ältere und elektiv aufgenommene Patienten verfügen laut der Studie häufiger über eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung. Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Patienten mit vorhandenen Dokumenten hatte diese aus Angst vor Ausgeliefertsein, vor fehlender Selbstbestimmung oder vor medizinischer Übertherapie ausgefüllt. Trotz dieser Ängste suchen aber nur wenige Patienten für die Erstellung Hilfe bei einem Arzt; nur 15,4 Prozent der Patienten mit Dokumenten füllten diese nach einer ärztlichen Beratung aus. Die Hälfte der Patienten ohne Dokumente (50,4 Prozent) hatte zumindest bereits über eine Erstellung nachgedacht.
Insgesamt haben die Wissenschaftler stichprobenhaft 998 Patientinnen und Patienten auf elf Stationen der Klinik für Intensivmedizin des UKE kurz vor ihrer Verlegung auf eine Normalstation befragt und deren Daten ausgewertet. Die UKE-Wissenschaftler haben in ihrer Studie auch erstmals die Charakteristika von Patientenverfügungen evaluiert; bislang wurde in einer deutschen Studie lediglich die Häufigkeit von Patientenverfügungen bei Intensivpatienten untersucht.
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
Mit einer Patientenverfügung können Patienten dem Arzt Anweisungen geben für den Fall, dass der Patient selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist oder sich nicht mehr äußern kann. Die Verfügung muss eine Entscheidung über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in eine bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahme enthalten.
Mit einer Vorsorgevollmacht können Vertrauenspersonen ausgewählt werden, die im Bedarfsfall nach vorher festgelegten Wünschen und Bedürfnissen einzelne oder alle anfallende Rechtsgeschäfte erledigen. Durch das Erstellen einer Vorsorgevollmacht kann eine gesetzliche Betreuung im Notfall vermieden werden.
„Eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht sollte konkret formuliert sein und bei der Aufnahme im Krankenhaus abgegeben werden. Wir empfehlen, sich beim Erstellen einer Patientenverfügung von einem Arzt beraten zu lassen“, sagt Dr. Geraldine de Heer, stellvertretende Direktorin der Klinik für Intensivmedizin des UKE.
Im UKE unterstützt der Patienten-Ombudsmann Interessierte beim Ausfüllen der Dokumente.
Literatur:
Geraldine de Heer, Bernd Saugel, Barbara Sensen, Charotte Rübsteck, Hans O. Pinnschmidt, Stefan Kluge, Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten bei Intensivpatienten, Deutsches Ärzteblatt, Heft 21
Kontakt
Prof. Dr. Stefan Kluge
Klinik für Intensivmedizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistr. 52
20246 Hamburg
Telefon: 040 7410-57010
skluge@uke.de
Quelle: Pressemitteilung vom 26.05.2017
Saskia Lemm Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
https://idw-online.de/de/news675281
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Deutsches Ärzteblatt:
MEDIZIN: Originalarbeit
Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten bei Intensivpatienten
Advance directives and powers of attorney in intensive care patients
Dtsch Arztebl Int 2017; 114(21): 363-70; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0363
de Heer, Geraldine; Saugel, Bernd; Sensen, Barbara; Rübsteck, Charlotte; Pinnschmidt, Hans O.; Kluge, Stefan
Hintergrund: Die Anzahl an Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen steigt, es gibt jedoch nur wenige Daten aus der klinischen Versorgungspraxis.
Methode: In dieser monozentrischen Querschnittstudie erfolgte die Befragung von 1 004 Intensivpatienten eines Universitätsklinikums. Häufigkeit und Charakteristika von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen wurden evaluiert und Einflussfaktoren mittels multivariater logistischer Regressionsanalyse untersucht.
Ergebnisse: Von 998 Patienten lagen auswertbare Daten vor. 51,3 % der Patienten gaben an, mindestens eines der beiden Dokumente verfasst zu haben. Von diesen gaben 39,6 % an, die Dokumente im Krankenhaus abgegeben zu haben, sie lagen allerdings nur bei 23 % in der Krankenakte vor. Zu den Gründen für eine Erstellung von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen lagen Daten von 508 Patienten vor. Häufigster Grund (48 %) war die Angst vor Ausgeliefertsein, fehlender Selbstbestimmung beziehungsweise vor medizinischer Übertherapie. Wichtigste Einflussgrößen für die Angabe des Vorhandenseins eines Dokumentes waren höheres Alter (Patientenverfügung: 1,022 [1,009; 1,036], p = 0,001; Vorsorgevollmacht: 1,027 [1,014; 1,040], p < 0,001) und elektiver Aufnahmemodus (Patientenverfügung: 1,622 [1,138; 2,311], p < 0,007; Vorsorgevollmacht: 1,459 [1,049; 2,030], p = 0,025). 39,8 % der abgegebenen Vorsorgevollmachten und 44,1 % der abgegebenen Patientenverfügungen waren aufgrund fehlerhaften Ausfüllens von Vordrucken schwer interpretierbar. Die Hälfte der Patienten ohne Dokument hatte bereits über eine Erstellung nachgedacht, dies aber noch nicht umgesetzt.
Schlussfolgerung: Auf Intensivstationen ist ein frühzeitiges Gespräch über das Vorhandensein der Dokumente sowie eine Evaluation des konkreten Patientenwillens erforderlich. Zukünftige Studien müssen untersuchen, wie das korrekte Erstellen der Dokumente sowie deren Aushändigung bei Klinikeinweisung gefördert werden kann.
Quelle und weitere Informationen:
https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode ... evollmacht
https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=188935
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Anmerkung:
Werner Schell informiert regelmäßig in Vorträgen, z.B. in der Volkshochschule Neuss bzw. im Bürgerhaus Neuss-Erfttal,
über die korrekte Erstellung von vorsorglichen Verfügungen. Nächster Vortragstermin am 06.11.2017 - siehe
> viewtopic.php?f=7&t=22132