Kommentar zu Einbecker Empfehlungen der DGMR zu aktuellen Rechtsfragen der Palliativversorgung
• „Die Defizite des Umsetzungsstandes der Palliativversorgung sind so groß, dass eine Entscheidung des Bundestages für eine flächendeckende Versorgung mit guter Palliativmedizin und Hospizplätzen vorrangig nötig ist“ (Deutsche PalliativStiftung, Newsletter zur Aktuellen Entwicklung des Diskurses „Menschenwürdig Sterben“ 2014).
• „Sterbende und Sterbewillige brauchen ein vernünftiges, flächendeckendes und am Selbstbestimmungsrecht orientiertes System von Hilfe. Es braucht deshalb eine grundlegende Reform der Gesundheits- und Pflegepolitik, auch damit endlich bedarfsgerecht palliativmedizinische Behandlung und Hospizplätze zur Verfügung stehen. Selbstbestimmung setzt ein breites Angebot an Unterstützung und Gesprächen voraus. So können reflektierte und selbstbestimmte Entscheidungen ermöglicht und Verzweiflungssuizide vermieden werden.“*
• „Massiven Handlungsbedarf gibt es bei palliativmedizinischer Versorgung bedürftiger Menschen und bei der Anzahl zur Verfügung stehender Hospizplätze. Hier besteht große Not. Es geht um Freiheit und Selbstbestimmung am Ende des Lebens, um den ganz persönlichen Begriff der Würde.“*
• „Unabhängig von der Debatte um den ärztlich assistierten Suizid ist es dringend notwendig, die Palliativmedizin auszudehnen und mehr Hospize ein einzurichten. Hierdurch werden Defizite in der Behandlung schmerzhafter und schwerster Erkrankungen, die zeitnah zum Ende des Lebens führen, behoben. Eine Gesundheits- und Pflegereform, die hier die massiven Defizite behebt, ist schon lange überfällig. Die allermeisten Menschen, die einer solchen Behandlung und Pflege bedürfen, werden heute allein gelassen. Fast jeder von uns kennt solche tragischen Fälle in seiner Umgebung. Wir müssen uns endlich mehr einsetzen für die Rechte pflegebedürftiger, alter und sterbender Menschen. Deren Situation ist oftmals weit von Würde entfernt.“*
Mit einer Übernahme des eingangs genannten ersten Zitates aus dem Newsletter der Deutschen PalliativStiftung beginnt auch das gemeinsame Papier von Mitgliedern des Deutschen Bundestages – Renate Künast, Dr. Petra Sitte, Kai Gehring und vielen anderen mehr vom November 2014 (aus dem ebenfalls die mit *-markierten obigen Zitate stammen):
„Die Defizite sind so groß, so dass eine Entscheidung des Bundestages für eine flächendeckende Versorgung mit guter Palliativmedizin und Hospizplätzen vorrangig nötig ist.“
Diese Fragen und Forderungen kommen nicht von ungefähr. Die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht (DGMR) e.V. hat sich in ihrem 16. Einbecker Workshop vom 17. bis 19. Oktober 2014 mit den rechtlichen Aspekten der Palliativversorgung befasst, um die wesentlichen Defizite angesichts der oben genannten Forderungen der Politik zu benennen. Zwar gibt es eine Verankerung der Palliativversorgung im System der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), die aber weder rechtlich noch finanziell auch nur annähernd den tatsächlichen Bedarf widerspiegelt.
Ehe also nach Änderungen des Strafrechts im Sinne einer Befreiung von Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid und nach Verbesserungen der Palliativversorgung und Hospizverfügbarkeit gerufen wird, wollte die DGMR erst einmal die derzeit offenen Rechtsfragen der Palliativversorgung herausarbeiten.
Dies ist mit den Einbecker Empfehlungen, an denen namhafte Mediziner (u.a. Thomas Sitte vom Vorstand der Deutschen PalliativStiftung), Juristen, Pflegekräfte und Ethiker mitgearbeitet haben, gelungen, so dass diese Erkenntnisse auch den oben dargestellten Eingang in die Forderungen der Politik gefunden haben.
Es bleibt zu hoffen, dass die entsprechende Klärung der zahlreichen offenen Fragen in gesetzlichen Regelungen zur flächendeckenden Palliativversorgung erfolgt.
Prof. Dr. med. Toni Graf-Baumann (für das Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht, DGMR e.V.)
- Quelle: Hessisches Ärzteblatt, 2/2015
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Siehe auch:
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP):
Initiative des Bundesgesundheitsministers bietet besondere Chance zur Etablierung eines Rechtsanspruchs auf Palliativversorgung
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