Verweigerung ärztlicher Behandlung

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

Antworten
Gast

Verweigerung ärztlicher Behandlung

Beitrag von Gast » 13.07.2004, 18:27

Ich habe eine schon erwachsene behinderte Tochter im Rollstuhl.
Wegen eines Umzuges innerhalb unserer Stadt müssen wir uns wegen der Krankentransportrichtlinien einen neuen Arzt suchen. Krankenfahrten werden nur im näheren Wohnumfeld übernommen.
Ich habe mit meiner Tochter einen Arzt aufgesucht; die Auswahl in unserer Nähe, rollstuhlgerecht, ist sehr gering. Der Arzt hat die Behandlung verweigert. Er meinte, er hat genug behinderte Menschen in seiner Praxis und sein Budget reicht nicht für noch weitere aus.
Ich habe das meiner KK, der Barmer Ersatzkasse, mitgeteilt.
Die Barmer sagt mir, jeder Arzt hat das Recht, Patienten abzulehnen oder abzuweisen, die Behandlung zu verweigern. Er muss noch nicht einmal einen Grund dafür angeben.
Außer es besteht eine Lebensgefahr, dann darf er die Behandlung nicht verweigern.
Es tut der Krankenkasse ja sehr leid, aber sie können mir da auch nicht weiterhelfen.
Ich sagte, es ist traurig, wenn noch nicht einmal die KK hinter den eigenen Mitgliedern steht.
Sie bot mir lediglich an, mir eine Liste von Ärzten zu übersenden, ob die dann die Behandlung übernehmen, kann sie mir natürlich nicht zusichern.
Ist das so?
Freundliche Grüße Tanja

Gast

Ärzte müssen Sicherstellungsauftragt beachten

Beitrag von Gast » 13.07.2004, 19:50

Guten Tag Tanja,
die Ärzte, die zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen sind, haben insgesamt einen Sicherstellungsauftrag. D.h., die Kassenärzte müssen gewährleisten, dass die Kassenpatienten angemessen versorgt werden, so, wie es das SGB V vorsieht. Mit Rücksicht auf den Sicherstellungsauftrag darf eigentlich kein Arzt willkürlich die Behandlung verweigern; er muss schon Gründe nennen. Denn sonst kann ein abgewiesener Patient ja nicht einmal seine rechtlichen Möglichkeiten abschätzen.
Kassenärzte dürfen sich nur dann verweigern, wenn sie beispielsweise schon mit Patienten vollständig ausgelastet sind. Dann sollte sich aber der Arzt darum bemühen, dass der hilfesuchende Patient zumindest anderweitig versorgt wird.
Bugetierungserwägungen dürfen für eine Patientenabweisung m.E. nicht in Betracht gezogen werden. Das wäre nach meiner Einschätzung klar eine Pflichtwidrigkeit.
Handelt ein Kassenarzt diesen allgemeinen Grundsätzen zuwider, sollte die Kassenärztliche Vereinigung eingeschaltet werden.
Dabei sollte er von seiner Kasse Unterstützung erfahren.
siehe auch in diesem Forum unter
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1088280234
Herzliche Grüße
Nikolai Bossier

Berti
Full Member
Beiträge: 231
Registriert: 21.12.2003, 16:55

Diskriminierung Behinderter durch Arzt ?

Beitrag von Berti » 14.07.2004, 15:07

Hallo Tanja.
Nikolai hat die Rechtslage grundsätzlich korrekt beschrieben. Ich möchte aber noch hinzufügen, dass hier möglicherweise sogar ein Verfassungsverstoß auf ärztlicher Seite vorliegt. In Art. 3 GG ist nämlich ein Diskriminierungsverbot statuiert, das möglicherweise im Rahmen der Ausführung des Sicherstellungsauftrages ignoriert wurde. Wenn nämlich der Kassenarzt eine Behandlung wegen der hohen Aufwendungen eines zusätzlichen behinderten Patienten ablehnt, muss dies als Diskriminierung eingestuft werden. Dieser Punkt wäre zweckmäßigerweise gegenüber den zuständigen Dienststellen (KV, Krankenkassen usw.) vorzutragen. Vielleicht sollte auch der Bundesbeauftragte für die Behinderten eingeschaltet und um seine Einschätzung gebeten werden.
Gruß Berti

Elfriede_Kehrer
Newbie
Beiträge: 19
Registriert: 22.07.2003, 00:58

Re: Verweigerung ärztlicher Behandlung

Beitrag von Elfriede_Kehrer » 14.07.2004, 23:12

Hallo Tanja,
mit Bestürzung habe ich deinen Beitrag gelesen.
Ich kann dich nur ermutigen, dich diesbezüglich bei der KV zu beschweren und auch - wie von Berti vorgeschlagen - an den Bundesbeauftragten für Behinderte, Karl Hermann Haack,
zu wenden.

Auch wenn es oft den Anschein hat, als bewirke das alles nichts,
es gibt ein afrikanisches Sprichwort:

Wenn viele kleine Menschen
an vielen kleinen Orten
viele kleine Dinge tun, dann können sie
das Gesicht dieser Welt verändern..

Herzliche Grüße Elfriede
Mit freundlichen Grüßen
Elfriede Kehrer

Antworten