Fixierung eines Krankenhauspatienten - Haftung ?

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

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Gast

Fixierung eines Krankenhauspatienten - Haftung ?

Beitrag von Gast » 13.05.2004, 00:01

Fixierung eines Krankenhauspatienten - Haftungsfragen ?

Wenn ein weglauf gefährdeter Patient mehrmals ohne gerichtliche Genehmigung fixiert (mittels Bauchgurt) wird, wer haftet oder macht sich strafbar? Der Arzt der es anordnet hat oder die Pflegekraft die es ausführt und auch dokumentieren muss.
Bitte um Antwort bzw Hinweise wo man mehr Information erhält. Danke

Berti
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Fixierung eines Krankenhauspatienten - Haftung ?

Beitrag von Berti » 13.05.2004, 11:48

Hallo Schwester D,
ob und ggf. im Krankenhaus bestimmte Sicherungsmaßnahmen durchzuführen sind, hängt von den Einzelumständen ab. Eine konkrete Patientengefährdung kann die Grundlage für eine Fixierungsanordnung sein. Zu klären ist aber, wie diese Maßnahme mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten in Einklang gebracht werden kann. Ist der Patient im Vollbesitz der geistigen Kräfte und stimmt zu, ist rechtlich alles in Ordnung. Ist der Patient nicht einwilligungsfähig müssen andere Überlegungen angestellt werden. Dafür sind wieder die Einzelumstände maßgeblich. Besteht eine Rechtliche Betreuung? Dann muss der Betreuer einbezogen werden. Dann stellt sich die Frage, wie lange die Fixierung dauern soll. Ggf. muss das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden (siehe dazu § 1906 Abs. 4 BGB).
Werden seitens des Krankenhauspersonals Pflichtwidrigkeiten begangen, stellt sich die Frage der Haftung. Zivilrechtliche Haftung kommt nur bei einem Schaden in Betracht. Wer handelt haftet, das kann Arzt und /oder Pflegekraft sein, das hängt von den Einzelumständen ab.
Zum Haftungsrecht gibt es ein Buch von Herrn Schell, „Pflegerecht im Spiegel der Rechtsprechung“ (http://www.pflegerechtportal.de). In diesem Buch wird das Haftungsrecht vorgestellt und mit rd. 280 Gerichtsentscheidungen verdeutlicht.
Gruß Berti

WernerSchell
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Fixierung eines Krankenhauspatienten - Haftung ?

Beitrag von WernerSchell » 13.05.2004, 16:00

Zum Thema Fixierung wurde im Forum bereits wiederholt diskutiert. Siehe die nachfolgenden Beiträge:

Fixierungen in Pflegeheimen - Elend der Alten !
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1080282691

Fixierung eines Patienten - Überwachungsintervalle
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1083913872

Keine feiheitsentziehende Maßnahmen
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1081174508

Fixierung eines sedierten & beatmeten Patienten
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1080389831

Fixierung unterblieb - Wer haftet bei Sturz?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... 1076842977

Sturz im Heim – Fixierung / Haftung?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=8#8
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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WernerSchell
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Fixierung eines Krankenhauspatienten - Haftung ?

Beitrag von WernerSchell » 14.05.2004, 11:03

Dieser Tage wurde innerhalb einer Mailingliste für Betreuer die Feststellung getroffen, Fixierungen in Krankenhäusern seien genehmigungsfrei

Dazu habe ich folgende Stellungnahme abgegeben:

Diese Behauptung ist durch nichts belegt. In Krankenhäusern gelten die üblichen Freiheitsgarantien und die insoweit per Gesetz verfügten Einschränkungen (z.B. BGB, PsychKG). Allerdings ist die Meinung (besonders innerhalb der Ärzteschaft), Fixierungen seien unproblematisch und sogar genehmigungsfrei, weit verbreitet. Es gilt, solchen Praktiken entgegen zu treten. Insoweit sind auch die Betreuer gefordert!

Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Gast

Re: Fixierung eines Krankenhauspatienten - Haftung

Beitrag von Gast » 14.05.2004, 12:44

Danke für die Antworten. Es ist in der Tat so, dass Ärzte meinen sie können über eine Fixierung ohne richterliche Genehmigung bestimmen und versuchen dies oft auch mit Druck und Androhung von Konsequenzen. Ich spreche hierbei nicht von einmaligen Taten sondern in einem Zeitraum von ca. über eine Woche und länger!
Nun stellt sich nur noch die Frage, ist die Pflegeperson im Recht wenn sie diese Anordnung verweigert mit der Aussage sie mache sich strafbar?

Berti
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Weigerungsrecht !

Beitrag von Berti » 14.05.2004, 16:13

Hallo Schwester D,
wenn sich die Fixierung als rechtswidrig erweist, weil z.B. gegen die Grundregeln der Selbstbestimmung verstößt, muss sie unterbleiben und niemand kann verpflichtet sein, ggf. an deren Durchführung mitzuwirken. Wer von einer rechtswidrigen Handlung weiß, die zudem noch strafrechtlich relevant ist (siehe z.B. Freiheitsberaubung), kann / muss sich verweigern. Wer an einer Handlung mitwirkt, die unter Strafe gestellt ist, kann Täter oder Mittäter sein.
Nachfolgend einige weitere Hinweise aus dem Forum, die in diesem Zusammenhang vielleicht hilfreich sein können.
Gruß Berti

Fixierungen - altima ratio !
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=3#3

Gefährliche Pflege – Haftung?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=4#4

Schichtleitung und Verantwortung ?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=2#2

Intensivstation - Tätigkeit - Delegation usw.?
http://www.wernerschell.de/cgi-bin/foru ... ;start=1#1

Gisela_Meyerhofen

Fixierung ist ggf. Freiheitsberaubung !

Beitrag von Gisela_Meyerhofen » 16.05.2004, 15:59

Hallo,
es ist im Arbeitsleben so, dass man niemals solche Verrichtungen durchführen muss, mit denen gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen würde. Eine Maßnahme, die in die Freiheit eines Menschen eingreift, berührt Grundrechtspositionen und ist, wenn keine klare Rechtmäßigkeit des Vorgehens besteht, ggf. eine Freiheitsberaubung nach § 239 StGB.
Ich denke, dass man den Ärzten diese Grundsätze einmal verdeutlichen muss!
mfG
Gisela

Gast

Fixierung als besondere Sicherungsmaßnahme

Beitrag von Gast » 10.10.2004, 13:00

Interessante Diskussion - auch an anderen Stellen!

Zu bedenken ist übrigens, dass eine Fixierung ggf. auch auf der Grundlage eines sog. Landesunterbringungsgesetzes erfolgen kann. Gibt es eine solche Grundlage, muss die Rechtmäßigkeit der Maßnahme anhand der maßgeblichen Vorschrift geprüft werden. Siehe z.B. § 20 PsychKG NRW, der sich mit den besonderen Sicherungsmaßnahmen befaßt:

§ 20 PsychKG - Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Bei einer gegenwärtigen erheblichen Selbstgefährdung oder einer gegenwärtigen erheblichen Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer können
- Beschränkung des Aufenthalts im Freien
- Unterbringung in einem besonderen Raum
- Fixierung (Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Hilfsmittel)
angeordnet werden, soweit und solange die Gefahr nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen abgewendet werden kann.
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 sind den Betroffenen vorher anzudrohen und zu begründen. Von der Androhung kann bei einer Fixierung ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist. Sie bedürfen der ärztlichen Anordnung und Überwachung. Sie sind zu befristen und sofort aufzuheben, sobald die Voraussetzungen für ihre Anordnung entfallen. Bei Fixierungen ist eine ständige Beobachtung sicherzustellen. 6Anlass, Anordnung, Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen sind zu dokumentieren und der Verfahrenspflegerin, dem Verfahrenspfleger, den Verfahrensbevollmächtigten und der gesetzlichen Vertretung der Betroffenen unverzüglich mitzuteilen.

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