Offener Brief an die LÄK! Unterstützen Sie uns bitte!

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Lutz Barth
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Offener Brief an die LÄK! Unterstützen Sie uns bitte!

Beitrag von Lutz Barth » 09.06.2011, 08:04

Verehrte Damen und Herren Präsidenten.

Angesichts des zurückliegenden Deutschen Ärztetages und der dort getroffenen Beschlüsse insbesondere zu ärztlichen Sterbebegleitung bitte ich Sie eindringlich, nichts zu überstürzen.

Nehmen Sie Ihren neu gewählten Präsidenten der Bundesärztekammer beim Wort:

„Ein solcher höchster Schiedsspruch wäre das einzige Votum, das Frank Ulrich Montgomery akzeptieren würde. »Wenn uns dann ein staatliches Obergericht klar sagt, dass es anders zu sein hat, dann werden wir uns dem unterwerfen – das ist schließlich unsere Pflicht als Staatsbürger.«

(Quelle: ZEIT online v. 30.05.11, Seite 2 >>>http://www.zeit.de/2011/22/Sterbehilfe/seite-2 <<< html)

Nun – ob es gleich eines Richterspruchs bedarf, gebe ich ausdrücklich zu bedenken, denn neben der Pflicht als Staatsbürger dürfte es unbestritten sein, dass auch die Landesärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts in einer besonderen Weise den Grundrechten verpflichtet sind (Art. 1 Abs. 3 GG).

Ich hielte es daher angesichts des Status der Landesärztekammern für sinnvoll, wenn nicht gar unumgänglich, sich nochmals der Bedeutung der Grundrechte auch Ihrer verfassten Mitglieder bewusst zu werden, bevor Sie das ärztliche Berufsrecht zu ändern gedenken.

Jenseits der widerstreitenden ethischen Grundsatzpositionen sollten Sie in Erwägung ziehen, eine externe professionelle Expertise einzuholen, die speziell unter verfassungsrechtlichen Aspekten betrachtet das Verbot der ärztlichen Suizidassistenz einer Prüfung unterzieht und ggf. den Auftrag erhält, geeignete, der Verfassung im Übrigen entsprechenden Alternativen aufzuzeigen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es Ihnen die Basis der Ärzteschaft danken wird, wenn gerade unter dem Aspekt der individuellen Gewissensfreiheit das Verbot einer umfassenden Prüfung unterzogen wird.

Nehmen Sie sich bitte die entsprechende Zeit, denn nach Jahren endloser Debatten kommt es auf die wenigen Monate nicht an, um ggf. renommierte Verfassungsrechtler zur Thematik zu befragen und dann über die Verbotsnorm im ärztlichen Berufsrecht zu entscheiden.

In diesem Sinne könnte es sinnvoll sein, wenn die Landesärztekammern untereinander sich verständigen und ggf. zwei unabhängige Gutachter mit der Fragestellung beauftragen, bei denen aufgrund ihrer bisherigen Verlautbarungen absehbar ist, dass diese nicht zwingend einer Meinung sind.
Die Vorteile eines solchen Vorgehens sind unübersehbar: Es streiten zunächst unterschiedliche Argumente miteinander und sofern dann der Gutachtenauftrag daran gekoppelt wird, dass das Verbot der ärztlichen Suizidassistenz insbesondere im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG zu überprüfen ist, lässt sich möglicherweise ein gemeinsamer Konsens ablesen, der Ihnen als Richtschur für Ihre Entscheidung, ggf. die Verbotsnorm im Landesberufsrecht aufzunehmen, dienen könnte.

Insofern werbe ich um eine außergerichtliche Lösung, bietet dieser Weg doch den Ärztekammern die Möglichkeit, mit Bedacht einen innerärztlichen Konflikt gelöst zu haben, der gerade auch mit Blick auf die drittbezogenen Patienteninteressen als angemessen und aus meiner Sicht auch notwendig erscheint.

Ich glaube, dass es keinen Sinn (mehr) macht, dass die Fronten weiter verhärten und demzufolge hoffe ich, dass Sie meinen Vorschlag wohlwollend in Erwägung ziehen.

Diejenigen, die diesen offenen Brief lesen und den „Vorschlag zur Güte“ unterstützen möchten, sind herzlich dazu eingeladen, ihn mit zu unterzeichnen.

Der nachfolgende Link führt Sie zu einem „Formular“; die Unterzeichner werden dann in einer gesonderten Liste namentlich ausgewiesen. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht!

>>> Hier geht es zur Unterzeichnung >>> http://iqb-info.de/tinc?key=jNxRhycA

Den vorstehenden offenen Brief habe ich vorab den Landesärztekammern in einer Mail direkt übermittelt und hierbei die BÄK mit einbezogen.

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Barth

Hinweis:
Die ersten Feedbacks sind eingetroffen, auf denen die Mitunterzeichner des Offenen Briefes die Kommentarfunktion u.a. dazu verwendet haben, ihre Berufsbezeichnung anzugeben oder einen kleinen Kommentar abzugeben, der dann auch veröffentlicht werden soll.

Freilich ist es Ihnen anheim gestellt, hierüber frei zu entscheiden.

Da aber ein „Kommentar“ nach dem Formular notwendig ist, damit es abgesendet werden kann, können Sie im Zweifel auch „nur“ ein „x“ oder ein anderes beliebiges Zeichen angeben.

Ich danke einstweilen für die bereits eingegangen Zuschriften und in Kürze werde ich dazu die entsprechende Unterzeichnerliste veröffentlichen. Die Resonanz ist durchweg positiv und ein Kommentar hat es wohl auf den Punkt gebracht:

„Ich unterstütze Ihren Vorschlag, das Thema auf diese Weise aktiv durch die Ärztekammern klären zu lassen.“

Und in der Tat: Wir, d.h. die Mitdiskutanten und allen voran die Ärztekammern, sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen und daher ernsthaft in Erwägung ziehen, eine externe Perspektive einzuholen, die sich dem Neutralitätsgebot verpflichtet weiß.

In diesem Sinne hoffe ich, dass die Aktion eine breite Zustimmung finden wird.
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johannes
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Beitrag von johannes » 14.06.2011, 07:11

Ich frage mich allen Ernstes, aus welchem Grunde mit diesem massiven Einsatz darum gekämpft wird, Dritte für die Vernichtung von Leben zu verpflichten.

Warum kann man sich nicht darauf beschränken daß jeder, der seinem Leben ein Ende setzen will dies tun kann - so er denn in der Lage ist, es auch zu tun. Schließlich hören die Möglichkeiten des Handelns in allen Lebensbereichen dann auf, wenn die Handlungsfähigkeit aufgehoben ist.
Ein Mensch funktioniert nicht - er lebt!

Lutz Barth
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Beitrag von Lutz Barth » 15.06.2011, 18:12

"Das Verschweigen ist eine Katastrophe"

Medizinethiker Franz-Josef Bormann zum Tabuthema Sterben in deutschen Krankenhäusern

Interview Frauke Haß


Quelle: Berliner Zeitung v. 15.06.11 >>> http://www.berlinonline.de/berliner-zei ... index.html <<< (html)


Kurze Anmerkung (L. Barth, 15.06.11):

Klare Worte!

„Denn natürlich tobt im Hintergrund ein Machtkampf zwischen Palliativ- und Intensivmedizinern, die beide um ökonomische Ressourcen kämpfen“, so der Medizinethiker Franz-Josef Bormann (Quelle, s.o.)

Dem ist nichts hinzuzufügen!
Freilich werden die Palliativmediziner und deren ethischen Überzeugungstäter dieses Argument nicht gerne hören, aber es drängt sich der Verdacht auf, dass gelegentlich der schwersterkrankte und sterbende Patient für die Zwecke des Gelingens der eigenen Disziplin instrumentalisiert wird. Da hilft es auch wenig, wenn engagierte Lebensschützer uns von ihren dogmatischen Visionen in Feuilletons großer Tageszeitungen teilhaben lassen, die für sich genommen den Anspruch erheben, besonders "wissenschaftlich" zu sein.
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Lutz Barth
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BÄK verweist auf Medienberichte!

Beitrag von Lutz Barth » 15.06.2011, 18:24

Nun „schlägt es aber wahrlich Dreizehn“: BÄK nimmt „aktiv“ am Meinungskampf teil!

Es ist ein Novum: Die BÄK hat auf ihren Webseiten eine „Mitteilung“ unter dem Titel

SWR-Tamtam um das Thema Sterbehilfe
FAZ-Blog "Biopolitik" kritisiert "Report Mainz"-Beitrag


Quelle: BÄK v. 08.06.11 >>> http://www.bundesaerztekammer.de/page.a ... .9327.9433 <<< (html)

eingestellt und damit ohne weitere Erläuterung auf den BLOG v. O. Tolmein verwiesen. Soweit ich es überblicken vermag, ist dies das erste Mal, dass die BÄK jedenfalls in einem brisanten Ethikdiskurs auf eine „andere Stimme“ verweist.

Ohne Frage, als ein liberal denkender Mensch weiß ich selbstverständlich um den hohen Wert unserer Kommunikationsgrundrechte, die schlechthin für unser Gemeinwesen und für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess konstituierend sind.

Der „geistige Meinungskampf“ scheint also gewünscht zu sein und da wird denn auch ungeniert angefragt, ob die BÄK sich auch künftig dazu bereit erklärt, ggf. in einem Pressespiegel das Meinungsbild entsprechend widerzuspiegeln? Dies beinhaltet freilich auch die Bereitschaft, ein objektives Bild von der „Nachrichtenlage“ zu skizzieren oder soll es zunächst darauf ankommen, die verfasste Ärzteschaft einseitig zu informieren?

Auch die „einseitige Information“ freilich ist verfassungsrechtlich zulässig, wenngleich vor dieser insoweit nachhaltig „zu warnen“ ist, weil damit nicht selten der Eindruck entstehen könnte, als stehe die eigene Mission im Vordergrund, mal abgesehen davon, dass es einem Diskurs unwürdig ist, ggf. über die einseitige Berichterstattung denselben zu „verkürzen“ und im Zweifel „Meinungsmache“ zu betreiben und „Stimmung“ zu erzeugen.

Wir werden künftig die Berichterstattung der BÄK verfolgen und zwar auch unter dem Aspekt, ob die BÄK willens ist, den von ihr repräsentierten Berufsstand umfassend zu informieren, zumal wenn es sich um Stimmen aus der eigenen Profession handelt!

Die Befürworter einer Legalisierung der ärztlichen Suizidassistenz werden allerdings wohl nicht in den "Genuß" kommen, dass auf ihre Position auf den Seiten der BÄK verwiesen zu wird.

Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Anja Jansen
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Ärzte sollen den Patienten beistehen

Beitrag von Anja Jansen » 19.06.2011, 06:26

Guten Morgen Herr Barth,

Ihr Engegament kann ich nur unterstützen und finde es durchaus richtig, mit kritischen Argumenten der Ärztemeinung entgegen zu treten.

Viele Grüße
Anja
Es ist mehr Aufmerksamkeit für dementiell erkrankte Menschen nötig. Unser Pflegesystem braucht deshalb eine grundlegende Reform!

Lutz Barth
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Danke...

Beitrag von Lutz Barth » 19.06.2011, 11:30

für Ihre Einschätzung.

Nun - jetzt müssen wir alle (!) Farbe bekennen, da sich insoweit die "Spreu vom Weizen" zu trennen beginnt. Zwischenzeitlich gewinne ich dem "Verbot" der ärztlichen Suizidassistenz in der MBO-Ä sogar etwas "Positives" ab: Alle bisherigen Diskutanten werden nun "Butter bei die Fische zu bringen haben", um mit ihren Argumenten in einer spannenden verfassungsrechtswissenschaftlichen Debatte überzeugen zu können. "Glaubensbotschaften" oder Bekenntnisse sind da weniger gefragt. Es geht um dogmatischen Grundsatzfragen, die sich in erster Linie durch ihre Komplexität auszeichnen und bei weitem derzeit noch nicht entschieden sind.

Sowohl den Gegnern als auch den Befürwortern der ärztlichen Suizidbeihilfe obliegt nun die hohe Last der Argumentation und da bin ich denn mehr als gespannt, wer sich getraut, seine verfassungsrechtlichen Botschaften als erstes zu "verkünden". Mit knackigen Kurzkommentaren insbesondere aus dem Blickwinkel der Medizinethik ist es nicht mehr getan. Sie dienen gerade auch mit Blick auf meine eigenen Kommentare lediglich dazu, das Thema am "köcheln" zu halten, bevor eine erste verfassungsrechtliche Problemanalyse der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann.

Das Ergebnis hier vorwegnehmend: Ich halte das Verbot für verfassungsrechtlich bedenklich, weil nicht zwingend gefordert, mal abgesehen von der Frage, ob der Gesetzgeber nicht selbst die wesentlichen Fragen zu lösen hat (Stichwort: Grenzen der Normsetzungskompetenz der LÄK).

Jedenfalls halte ich einige Stellungnahmen für absolut verfrüht, zumal diese mit einer gewissen Leichtigkeit über die zentrale Bedeutung von fundamentalen Grundrechten hinwegfegen und andererseits Befürworter der ärztlichen Suizidbeihilfe mit einer "Argumentation" aufwarten (zuletzt etwa Minelli), die bei weitem nicht den Kern der Problematik erfasst.

In diesem Sinne werde auch ich mich mit weiteren Stellungnahmen bescheiden müssen, da ich zur Zeit an meiner Abhandlung "sitze", in der das Problem grundlegend angegangen wird.

Tendenziell neige ich allerdings dazu, dass jedenfalls unter rein ethischen Aspekten betrachtet die Diskussion ihr Ende finden sollte, da nichts substantiell Neues in der Debatte zu erwarten ansteht.

Vielleicht kann allenfalls darauf gehofft werden, dass der eine oder andere Medizinethiker endlich sich den Mühen unterzieht, sich mit den Argumenten aus der eigenen Profession (!) stammend auseinander zu setzen. Ich halte es für einen unglaublichen "Skandal", dass derzeit einige Apologeten aus der Zunft der Medizinethik sich getrauen, schlicht kritische Stimmen aus dem eigenen Kollegenkreis vollständig bei ihren Publikationen auszublenden. Dagegen nimmt sich der eine oder andere Plagiatsvorwurf m.E. "bescheiden" aus, waren die Autoren zumindest auch bemüht, den Meinungsstand in der eigenen Profession widerzuspiegeln, wenngleich bereits das Ansinnen, sich mit "fremden Federn zu schmücken", mehr als deppert ist.

Sei es drum. Die Diskussion um das Verbot der ärztlichen Suizidassistenz ist keineswegs beendet und da ist es offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens, wenn einige Ärztefunktionäre meinen, aufgrund der Klarheit der Verbotsnorm seien nunmehr alle Unklarkeiten beseitigt worden. Dem ist mitnichen so und es wird beizeiten daran zu erinnern sein, wer wann zu welchem Zeitpunkt etwas "gesagt" oder alternativ "geschwiegen" hat.

Herzliche Grüße und Ihnen weiterschön einen geruhsamen Sonntag gewünscht, der hier vor Ort mehr als regnerisch ist und dazu "einlädt", sich dem Studium mannigfalter Literaturquellen hinzugeben :wink:
Lutz Barth
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

Bajuware
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Ärzte sollten den Patienten beistehen

Beitrag von Bajuware » 03.07.2011, 09:48

Hallo Herr Barth,
fand eben erst Ihren Beitrag. Stimme voll zu.
Gruß
Bajuware
Die Rahmenbedingungen des Pflegesystems stimmen nicht (mehr)! Dies gilt es zu beklagen. Pflegebedürftige und Pflegepersonal leiden unter dem System. - Verantwortungsträger sind gefordert!

Rita Reinartz
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Beistand für Patienten

Beitrag von Rita Reinartz » 07.07.2011, 09:59

Ich stimme ebenfalls zu!
Rita Reinartz
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

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