Patientenwille mit Gewalt durchgesetzt

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

valenta
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Für wann, wenn nicht für solche Krise wird PV gemacht?

Beitrag von valenta » 14.02.2010, 16:20

Ich verstehe nicht:
Wieso hoffnungsvolle Prognose? 3 Stunden nach dem missglückten und folgenlosen Abschaltungsversuch war die Patientin tot - die Obduktion ergab eine desaströse Vereiterung der Lungen. Für welche Situation, wenn nicht für eine solche "medizinische Krise" wird denn eine PV von einer chronisch Schwerstkranken überhaupt gemacht?
Vorher hatte sich eine Ethikkommission oder ein Ethikkommitte des Krankenhauses damit beschäftigt - warum wurde die Bevollmächtigte nicht hinzugezogen?
Schließlich: Hat der Verteidiger diese Aspekte hinreichend vorgetragen?

M.f.G. R. Valenta

Siehe:

Lob und Tadel für Kölner Urteil wegen versuchter Tötung (Sterbehilfe)

"Das Handgemenge auf der Intensivstation der Kölner Klinik war kurz und in medizinischer Hinsicht folgenlos. Zwar wurde die Versorgung der drei Tage zuvor eingelieferten, in ein künstliches Koma versetzten Zweiundachtzigjährigen mit Infusionen unterbrochen, die wenigen Sekunden reichten aber nicht aus, um ihren Tod herbeizuführen. Dass sie noch am gleichen Tag starb, lag an ihrer Lungenentzündung. Rechtlich wurde der Fall jetzt vor dem Kölner Landgericht vorerst abgeschlossen: Der Schwiegersohn der Patientin, der bis zuletzt behauptete, er habe deren Patientenverfügung umsetzen wollen, wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen versuchten Totschlags in einem minderschweren Fall verurteilt. ...

Dass die Verfügung nur für den Fall des unmittelbaren Sterbeprozesses das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen verlangte, war dem Handwerksmeister nicht bewusst. Zudem war nicht er selber in der Patientenverfügung als zuständig für die Umsetzung erwähnt, sondern seine Frau ...

Kein sofortiges Vollstreckungsinstrument

... Das Kölner Urteil ist von der Deutschen Hospizstiftung begrüßt worden, die sich gegen „Selbstjustiz“ bei der Umsetzung von Patientenverfügungen aussprach und hervorhob, dass Patientenverfügungen kein sofortiges Vollstreckungsinstrument seien. Dagegen hat der Humanistische Verband das Gericht kritisiert, insbesondere dessen Anmerkungen über den uneinsichtigen Angeklagten: „Wer sich in Sterbehilfefällen deutlich im Recht sieht (sich also ,uneinsichtig' zeigt), hat als Angeklagter von vornherein ganz schlechte Karten. Denn das mögen die Richter einfach nicht.“ Nach Auffassung des Humanistischen Verbandes hätte das Gericht zudem überprüfen müssen, ob das Vorgehen des Schwiegersohnes, wenn es auch nicht der Umsetzung der Patientenverfügung diente, die diesen Fall der Intensivbehandlung zur akuten Lebensrettung nicht regelte, nicht dem mutmaßlichen Willen der Patientin entsprach.

Ein Mindestmaß an Lebensschutz

Das triff grundsätzlich zu. Der mutmaßliche Wille hier hätte allerdings darauf gerichtet sein müssen, in einer Phase der akuten Lebensrettung bei vorhandenen Erfolgsaussichten die angebotene Behandlung abzulehnen - der Nachweis dürfte schwer zu führen sein. ... Die Kölner Entscheidung ist insofern tatsächlich zu begrüßen: Sie führt vor Augen, dass das Strafrecht weiterhin ein Mindestmaß an Lebensschutz auch für einwilligungsunfähige Patienten bereithält. ... ."

Quelle komplett: Text: F.A.Z. net vom 13.2.2010 www.faz.net

Cicero
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Achtung der Patienten-Selbstbestimmung

Beitrag von Cicero » 15.02.2010, 10:23

In diesem Forum gibt es unter
viewtopic.php?t=13611
ein gutes Statement von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk. Es handelt sich dabei um eine Stellungnahme zu einem eher misslungenen ARD-Film über "Patientenverfügung und Ärzteschaft".
In diesem Film wurde deutlich, dass die Achtung der Selbstbestimmung der Patienten nicht immer wirklich im Mittelpunkt von rechtlichen Erwägungen steht. Insoweit gibt es offensichtlich erheblichen Nachholbedarf.
Eine Patientenverfügung ist von allen zu achten, und nicht nur von Ärzten. So gesehen hat der Schwiegersohn eine Rechtsverletzung begangen. Denn sein Handeln stand nach formaler Betrachtung des Sachverhalts nicht mit dem Text der Patientenverfügung im Einklang. So gesehen ist die Verurteilung folgerichtig.
Ob sich aber alle sonstigen Beteiligten richtig verhalten, bleibt wohl offen.

Cicero
Politisch interessierter Pflegefan!
Im Gleichklang: Frieden - Ausgleich - Demokratie - und: "Die Menschenwürde ist unantastbar"!

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Sterbehilfe - Selbstjustiz ist keine Lösung

Beitrag von Presse » 20.02.2010, 07:45

Blogs
Kölner „Sterbehilfe“-Urteil : „Selbstjustiz ist keine Lösung“

Dass in Sterbehilfeprozessen auch eine vorliegende Patientenverfügung nicht automatisch vor Strafverfolgung schützt, zeigt jetzt ein Urteil, dass Anfang Februar in Köln gesprochen wurde. Denn auch wenn eine Patientenverfügung existiert, muss sie den Angehörigen selbstverständlich bekannt sein. Sie muss außerdem auf die aktuelle Lebens-und Behandlungssituation zutreffen. Beides war aber bei dem in Köln verhandelten Fall offenbar nicht gegeben. ..... [mehr]
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/lette ... m&id=34525

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Behandlungsabbruch - Patientenwille entscheidend

Beitrag von WernerSchell » 16.12.2010, 08:41

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10.11.2010 - 2 StR 320/10 - entschieden und das landgerichtliche Urteil vom 09.02.2010 bestätigt. Das Gericht hat dabei auf das Urteil vom 25.06.2010 - 2 StR 454/00 - Freispruch RA Putz - Bezug genommen.
Siehe die Leitsatzentscheidung unter
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... os=0&anz=1
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Rauel Kombüchen
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Behandlungsabbruch - Patientenwille entscheidend

Beitrag von Rauel Kombüchen » 16.12.2010, 09:27

WernerSchell hat geschrieben:Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10.11.2010 - 2 StR 320/10 - entschieden und das landgerichtliche Urteil vom 09.02.2010 bestätigt. Das Gericht hat dabei auf das Urteil vom 25.06.2010 - 2 StR 454/00 - Freispruch RA Putz - Bezug genommen.
Siehe die Leitsatzentscheidung unter
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-b ... os=0&anz=1
Hallo,
danke für den Hinweis. Die Entscheidung des BGH passt zum Putzurteil vom 25.06.2010:
viewtopic.php?t=14370&highlight=putz
und bestätigt, dass der Gesetzgeber mit seinen neuen Vorschriften zur Patientenautonomie im BGB den richtigen Weg aufgezeigt hat.
Der "Schwiegersohn" als Täter hatte keinerlei Legitimation, in das Behandlungsgeschehen einzugreifen und musste folgerichtig bestraft werden.
MfG Rauel
Pflegeversicherung - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung nachhaltig sichern! BürgerInnen müssen mehr Informationen erhalten - z.B. wg. Individualvorsorge!

Gerhard Schenker
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Behandlungsabbruch - Patientenwille entscheidend

Beitrag von Gerhard Schenker » 17.12.2010, 08:47

Rauel Kombüchen hat geschrieben: .... Die Entscheidung des BGH passt zum Putzurteil vom 25.06.2010:
viewtopic.php?t=14370&highlight=putz
und bestätigt, dass der Gesetzgeber mit seinen neuen Vorschriften zur Patientenautonomie im BGB den richtigen Weg aufgezeigt hat.
Der "Schwiegersohn" als Täter hatte keinerlei Legitimation, in das Behandlungsgeschehen einzugreifen und musste folgerichtig bestraft werden. ...
So sehe ich das auch. Es kann daher - entgegen mancher Kritik - nicht gesehen werden, dass die neuen Vorschriften im BGB und die BGH-Rechtsprechung "Wild-West" Vorschub leisten.
G.Sch.
Das Pflegesystem bedarf einer umfassenden Reform - Pflegebegriff erneuern und Finanzierung zukunftsfest machen!

Aramis
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Formular Patientenverfügung

Beitrag von Aramis » 10.08.2011, 17:25

Es ist ein schwieriges Thema. Die Ärzte sollen schon auf Patientenverfügung. Wichtig ist auch, dass man als Kranker ein Formular Patientenverfügung vorbereitet hat und das man sich der Etscheidung bewußt ist.

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