Regelleistungen nach "Hartz IV- Gesetz" ....
Moderator: WernerSchell
Regelleistungen nach "Hartz IV- Gesetz" ....
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 5/2010 vom 9. Februar 2010
Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –
http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 00109.html
Regelleistungen nach SGB II ("Hartz IV- Gesetz")
nicht verfassungsgemäß
I. Sachverhalt
1. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
24. Dezember 2003 (sog. „Hartz IV-Gesetz“) führte mit Wirkung vom 1.
Januar 2005 die bisherige Arbeitslosenhilfe und die bisherige
Sozialhilfe im neu geschaffenen Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
in Form einer einheitlichen, bedürftigkeitsabhängigen Grundsicherung für
Erwerbsfähige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden
Personen zusammen. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige
Arbeitslosengeld II und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden, nicht erwerbsfähigen Angehörigen, insbesondere Kinder vor
Vollendung des 15. Lebensjahres, Sozialgeld. Diese Leistungen setzen
sich im Wesentlichen aus der in den §§ 20 und 28 SGB II bestimmten
Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Leistungen für
Unterkunft und Heizung zusammen. Sie werden nur gewährt, wenn
ausreichende eigene Mittel, insbesondere Einkommen oder Vermögen, nicht
vorhanden sind. Die Regelleistung für Alleinstehende legte das SGB II
zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die alten Länder einschließlich
Berlin (Ost) auf 345 Euro fest. Die Regelleistung für die übrigen
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestimmt es als prozentuale Anteile
davon. Danach ergaben sich zum 1. Januar 2005 für Ehegatten,
Lebenspartner und Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft ein Betrag von
gerundet 311 Euro (90%), für Kinder bis zur Vollendung des 14.
Lebensjahres ein Betrag von 207 Euro (60%) und für Kinder ab Beginn des
15. Lebensjahres ein Betrag von 276 Euro (80%).
Im Vergleich zu den Regelungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz
(BSHG) wird die Regelleistung nach dem SGB II weitgehend pauschaliert;
eine Erhöhung für den Alltagsbedarf ist ausgeschlossen. Einmalige
Beihilfen werden nur noch in Ausnahmefällen für einen besonderen Bedarf
gewährt. Zur Deckung unregelmäßig wiederkehrenden Bedarfs ist die
Regelleistung erhöht worden, damit Leistungsempfänger entsprechende
Mittel ansparen können.
2. a) Bei der Festsetzung der Regelleistung hat sich der Gesetzgeber an
das Sozialhilferecht, das seit dem 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt wird, angelehnt. Nach dem SGB XII und
der vom zuständigen Bundesministerium erlassenen Regelsatzverordnung
erfolgt die Bemessung der sozialhilferechtlichen Regelsätze nach einem
Statistikmodell, das bereits in ähnlicher Form unter der Geltung des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entwickelt worden war. Grundlage für
die Bemessung der Regelsätze ist eine Sonderauswertung der Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe, die vom Statistischen Bundesamt alle fünf
Jahre erhoben wird. Für die Bestimmung des Eckregelsatzes, der auch für
Alleinstehende gilt, sind die in den einzelnen Abteilungen der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben der untersten
20% der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte
(unterstes Quintil) nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe
maßgeblich. Diese Ausgaben gehen allerdings nicht vollständig, sondern
als regelsatzrelevanter Verbrauch nur zu bestimmten Prozentanteilen in
die Bemessung des Eckregelsatzes ein.
Die seit dem 1. Januar 2005 geltende Regelsatzverordnung fußt auf der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 1998. Bei der
Bestimmung des regelsatzrelevanten Verbrauchs in § 2 Abs. 2
Regelsatzverordnung wurde die Abteilung 10 der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (Bildungswesen) nicht berücksichtigt. Weiterhin
erfolgten Abschläge unter anderem in der Abteilung 03 (Bekleidung und
Schuhe) zum Beispiel für Pelze und Maßkleidung, in der Abteilung 04
(Wohnung etc.) bei der Ausgabenposition „Strom“, in der Abteilung 07
(Verkehr) wegen der Kosten für Kraftfahrzeuge und in der Abteilung 09
(Freizeit, Unterhaltung und Kultur) zum Beispiel für Segelflugzeuge. Der
für das Jahr 1998 errechnete Betrag wurde nach den Regelungen, die für
die jährliche Anpassung der Regelleistung nach dem SGB II und der
Regelsätze nach dem SGB XII gelten, entsprechend der Entwicklung des
aktuellen Rentenwertes in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 68
SGB VI) auf den 1. Januar 2005 hochgerechnet.
b) Bei der Festsetzung der Regelleistung für Kinder wich der Gesetzgeber
von den Prozentsätzen, die unter dem BSHG galten, ab und bildete nunmehr
nur noch zwei Altersgruppen (0 bis 14 Jahre und 14 bis 18 Jahre). Eine
Untersuchung des Ausgabeverhaltens von Ehepaaren mit einem Kind, wie sie
unter dem BSHG erfolgt war, unterblieb zunächst.
3. Die Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem
Jahre 2003 führte zwar zum 1. Januar 2007 zu Änderungen beim
regelsatzrelevanten Verbrauch gemäß § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung,
jedoch nicht zu einer Erhöhung des Eckregelsatzes und der Regelleistung
für Alleinstehende. Eine erneute Sonderauswertung bezogen auf das
Ausgabeverhalten von Ehepaaren mit einem Kind veranlasste den
Gesetzgeber zur Einführung einer dritten Alterstufe von
haushaltsangehörigen Kindern im Alter von 6 Jahren bis zur Vollendung
des 14. Lebensjahres. Diese erhalten ab dem 1. Juli 2009 nach § 74 SGB
II 70% der Regelleistung eines Alleinstehenden. Seit dem 1. August 2009
erhalten schulpflichtige Kinder nach Maßgabe von § 24a SGB II zudem
zusätzliche Leistungen für die Schule in Höhe von 100 Euro pro
Schuljahr.
4. Über eine Vorlage des Hessischen Landessozialgerichts (1 BvL 1/09)
und über zwei Vorlagen des Bundessozialgerichts (1 BvL 3/09 und 1 BvL
4/09) zu der Frage, ob die Höhe der Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14.
Lebensjahres im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 nach §
20 Abs. 1 bis 3 und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II mit dem
Grundgesetz vereinbar ist, hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts am 20. Oktober 2009 verhandelt. Die diesen
Vorlagen zugrundeliegenden Ausgangsverfahren sind in der
Pressemitteilung zur mündlichen Verhandlung (Nr. 96/2009 vom 19. August
2009) im Einzelnen dargestellt.
II. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die
Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder
betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Die Vorschriften bleiben bis
zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu
treffen hat, weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung
auch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines
unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für
die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzusehen, der bisher nicht
von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, zur
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch zwingend
zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber wird
angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe
unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu
Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen
diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische
Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen,
kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht
aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung
mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1
Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.
Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf
aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den
Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen
Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen
auszurichten hat. Der Umfang des verfassungsrechtlichen
Leistungsanspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die
dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung
abgeleitet werden. Die Konkretisierung obliegt dem Gesetzgeber, dem
hierbei ein Gestaltungsspielraum zukommt.
Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle
existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und
sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also
realitätsgerecht, zu bemessen.
b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des
Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der
einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das
Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt,
beschränkt sich bezogen auf das Ergebnis die materielle Kontrolle
darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Innerhalb der
materiellen Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert aber eine
Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung
daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Um eine der
Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs
der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu
gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage
verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu
rechtfertigen sein.
Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel,
ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und
umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur
Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches
Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im
Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er
sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren
Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen
Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. Zur
Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den
Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im
Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte
nachvollziehbar offen zu legen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach,
steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel
nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in
Einklang.
2. Die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen von 345, 311
und 207 Euro können zur Sicherstellung eines menschenwürdigen
Existenzminimums nicht als evident unzureichend angesehen werden. Für
den Betrag der Regelleistung von 345 Euro kann eine evidente
Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil sie zur Sicherung der
physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des
Existenzminimums besonders weit ist.
Dies gilt auch für den Betrag von 311 Euro für erwachsene Partner einer
Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch
das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei
zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der
geringer als das Doppelte des Bedarfs eines Alleinlebenden ist.
Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur
Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich geltende Betrag von 207 Euro
zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich
unzureichend ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass dieser
Betrag nicht ausreicht, um das physische Existenzminimum, insbesondere
den Ernährungsbedarf von Kindern im Alter von 7 bis zur Vollendung des
14. Lebensjahres zu decken.
3. Das Statistikmodell, das für die Bemessung der sozialhilferechtlichen
Regelsätze gilt und nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Grundlage
für die Bestimmung der Regelleistung bildet, ist eine
verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur
realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende
Person. Es stützt sich auch auf geeignete empirische Daten. Die
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bildet in statistisch zuverlässiger
Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab. Die Auswahl der
untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten
Einpersonenhaushalte nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe als
Referenzgruppe für die Ermittlung der Regelleistung für einen
Alleinstehenden ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der
Gesetzgeber konnte auch vertretbar davon ausgehen, dass die bei der
Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zugrunde
gelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der
Sozialhilfeschwelle lag.
Es ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die in
den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
erfassten Ausgaben des untersten Quintils nicht vollständig, sondern als
regelleistungsrelevanter Verbrauch nur zu einem bestimmten Prozentsatz
in die Bemessung der Regelleistung einfließen. Der Gesetzgeber hat aber
die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen,
sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen
in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu
ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf
Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant
einstufen, wenn feststeht, dass sie anderweitig gedeckt werden oder zur
Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig sind. Hinsichtlich der
Höhe der Kürzungen ist auch eine Schätzung auf fundierter empirischer
Grundlage nicht ausgeschlossen; Schätzungen „ins Blaue hinein“ stellen
jedoch keine realitätsgerechte Ermittlung dar.
4. Die Regelleistung von 345 Euro ist nicht in verfassungsgemäßer Weise
ermittelt worden, weil von den Strukturprinzipien des Statistikmodells
ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen worden ist.
a) Der in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 festgesetzte regelsatz-
und damit zugleich regelleistungsrelevante Verbrauch beruht nicht auf
einer tragfähigen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
1998. Denn bei einzelnen Ausgabepositionen wurden prozentuale Abschläge
für nicht regelleistungsrelevante Güter und Dienstleistungen (zum
Beispiel Pelze, Maßkleidung und Segelflugzeuge) vorgenommen, ohne dass
feststand, ob die Vergleichsgruppe (unterstes Quintil) überhaupt solche
Ausgaben getätigt hat. Bei anderen Ausgabepositionen wurden Kürzungen
vorgenommen, die dem Grunde nach vertretbar, in der Höhe jedoch
empirisch nicht belegt waren (zum Beispiel Kürzung um 15% bei der
Position Strom). Andere Ausgabepositionen, zum Beispiel die Abteilung 10
(Bildungswesen), blieben völlig unberücksichtigt, ohne dass dies
begründet worden wäre.
b) Zudem stellt die Hochrechnung der für 1998 ermittelten Beträge auf
das Jahr 2005 anhand der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts einen
sachwidrigen Maßstabswechsel dar. Während die statistische
Ermittlungsmethode auf Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und
Lebenshaltungskosten abstellt, knüpft die Fortschreibung nach dem
aktuellen Rentenwert an die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter,
den Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung und an einen
Nachhaltigkeitsfaktor an. Diese Faktoren weisen aber keinen Bezug zum
Existenzminimum auf.
5. Die Ermittlung der Regelleistung in Höhe von 311 Euro für in
Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partner genügt nicht den
verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil sich die Mängel bei der
Ermittlung der Regelleistung für Alleinstehende hier fortsetzen, denn
sie wurde auf der Basis jener Regelleistung ermittelt. Allerdings beruht
die Annahme, dass für die Sicherung des Existenzminimums von zwei
Partnern ein Betrag in Höhe von 180 % des entsprechenden Bedarfs eines
Alleinstehenden ausreicht, auf einer ausreichenden empirischen
Grundlage.
6. Das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres von
207 Euro genügt nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil es von
der bereits beanstandeten Regelleistung in Höhe von 345 Euro abgeleitet
ist. Darüber hinaus beruht die Festlegung auf keiner vertretbaren
Methode zur Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes im Alter bis
zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Der Gesetzgeber hat jegliche
Ermittlungen zum spezifischen Bedarf eines Kindes, der sich im
Unterschied zum Bedarf eines Erwachsenen an kindlichen
Entwicklungsphasen und einer kindgerechten Persönlichkeitsentfaltung
auszurichten hat, unterlassen. Sein vorgenommener Abschlag von 40 %
gegenüber der Regelleistung für einen Alleinstehenden beruht auf einer
freihändigen Setzung ohne empirische und methodische Fundierung.
Insbesondere blieben die notwendigen Aufwendungen für Schulbücher,
Schulhefte, Taschenrechner etc. unberücksichtigt, die zum existentiellen
Bedarf eines Kindes gehören. Denn ohne Deckung dieser Kosten droht
hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen. Auch fehlt
eine differenzierte Untersuchung des Bedarfs von kleineren und größeren
Kindern.
7. Diese Verfassungsverstöße sind weder durch die Auswertung der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 und die Neubestimmung des
regelsatzrelevanten Verbrauchs zum 1. Januar 2007 noch durch die Mitte
2009 in Kraft getretenen §§ 74 und 24a SGB II beseitigt worden.
a) Die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Änderung der
Regelsatzverordnung hat wesentliche Mängel, wie zum Beispiel die
Nichtberücksichtigung der in der Abteilung 10 (Bildungswesen) der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben oder die
Hochrechnung der für 2003 ermittelten Beträge entsprechend der
Entwicklung des aktuellen Rentenwertes, nicht beseitigt.
b) Das durch § 74 SGB II eingeführte Sozialgeld für Kinder ab Beginn des
7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 70 % der
Regelleistung für einen Alleinstehenden genügt den
verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil es sich
von dieser fehlerhaft ermittelten Regelleistung ableitet. Zwar dürfte
der Gesetzgeber mit der Einführung einer dritten Altersstufe und der §
74 SGB II zugrunde liegenden Bemessungsmethode einer realitätsgerechten
Ermittlung der notwendigen Leistungen für Kinder im schulpflichtigen
Alter näher gekommen sein. Den Anforderungen an die Ermittlung des
kinderspezifischen Bedarfs ist er dennoch nicht gerecht geworden, weil
die gesetzliche Regelung weiterhin an den Verbrauch für einen
erwachsenen Alleinstehenden anknüpft.
c) Die Regelung des § 24a SGB II, die eine einmalige Zahlung von 100
Euro vorsieht, fügt sich methodisch nicht in das Bedarfssystem des SGB
II ein. Zudem hat der Gesetzgeber den notwendigen Schulbedarf eines
Kindes bei Erlass des § 24a SGB II nicht empirisch ermittelt. Der Betrag
von 100 Euro pro Schuljahr wurde offensichtlich freihändig geschätzt.
8. Es ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zudem
unvereinbar, dass im SGB II eine Regelung fehlt, die einen Anspruch auf
Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen
Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen,
besonderen Bedarfs vorsieht. Ein solcher ist für denjenigen Bedarf
erforderlich, der deswegen nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II
abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der
die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen
Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber
hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen.
Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich
zulässig. Wenn das Statistikmodell entsprechend den
verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag
insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen
verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist, kann der Hilfebedürftige in
der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er
mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf
zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung
enthalten ist.
Da ein pauschaler Regelleistungsbetrag jedoch nach seiner Konzeption nur
den durchschnittlichen Bedarf decken kann, wird ein in Sonderfällen
auftretender Bedarf von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen.
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gebietet
allerdings, auch diesen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen,
besonderen Bedarf zu decken, wenn es im Einzelfall für ein
menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich ist. Dieser ist im SGB II
bisher nicht ausnahmslos erfasst. Der Gesetzgeber hat wegen dieser Lücke
in der Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums eine
Härtefallregelung in Form eines Anspruchs auf Hilfeleistungen zur
Deckung dieses besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II
Leistungsberechtigten vorzugeben. Dieser Anspruch entsteht allerdings
erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem
Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen
Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des
Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr
gewährleistet. Er dürfte angesichts seiner engen und strikten
Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen in Betracht kommen.
9. Die verfassungswidrigen Normen bleiben bis zu einer Neuregelung, die
der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiterhin
anwendbar. Wegen des gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt,
aufgrund eigener Einschätzungen und Wertungen gestaltend selbst einen
bestimmten Leistungsbetrag festzusetzen. Da nicht festgestellt werden
kann, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge evident
unzureichend sind, ist der Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs
wegen verpflichtet, höhere Leistungen festzusetzen. Er muss vielmehr ein
Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur
Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen
entsprechend den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben
durchführen und dessen Ergebnis im Gesetz als Leistungsanspruch
verankern.
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den
Gesetzgeber nicht dazu, die Leistungen rückwirkend neu festzusetzen.
Sollte der Gesetzgeber allerdings seiner Pflicht zur Neuregelung bis zum
31. Dezember 2010 nicht nachgekommen sein, wäre ein pflichtwidrig später
erlassenes Gesetz schon zum 1. Januar 2011 in Geltung zu setzen.
Der Gesetzgeber ist ferner verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember
2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstellt, dass ein
unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf gedeckt
wird. Die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein
derartiger Bedarf vorliegt, müssen aber auch vor der Neuregelung die
erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten. Um die Gefahr einer
Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in
der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden
Härtefallklausel zu vermeiden, muss die verfassungswidrige Lücke für die
Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung
des Bundesverfassungsgerichts geschlossen werden.
Quelle: http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 0-005.html
Pressemitteilung Nr. 5/2010 vom 9. Februar 2010
Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –
http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 00109.html
Regelleistungen nach SGB II ("Hartz IV- Gesetz")
nicht verfassungsgemäß
I. Sachverhalt
1. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
24. Dezember 2003 (sog. „Hartz IV-Gesetz“) führte mit Wirkung vom 1.
Januar 2005 die bisherige Arbeitslosenhilfe und die bisherige
Sozialhilfe im neu geschaffenen Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
in Form einer einheitlichen, bedürftigkeitsabhängigen Grundsicherung für
Erwerbsfähige und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden
Personen zusammen. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige
Arbeitslosengeld II und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden, nicht erwerbsfähigen Angehörigen, insbesondere Kinder vor
Vollendung des 15. Lebensjahres, Sozialgeld. Diese Leistungen setzen
sich im Wesentlichen aus der in den §§ 20 und 28 SGB II bestimmten
Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Leistungen für
Unterkunft und Heizung zusammen. Sie werden nur gewährt, wenn
ausreichende eigene Mittel, insbesondere Einkommen oder Vermögen, nicht
vorhanden sind. Die Regelleistung für Alleinstehende legte das SGB II
zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die alten Länder einschließlich
Berlin (Ost) auf 345 Euro fest. Die Regelleistung für die übrigen
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bestimmt es als prozentuale Anteile
davon. Danach ergaben sich zum 1. Januar 2005 für Ehegatten,
Lebenspartner und Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft ein Betrag von
gerundet 311 Euro (90%), für Kinder bis zur Vollendung des 14.
Lebensjahres ein Betrag von 207 Euro (60%) und für Kinder ab Beginn des
15. Lebensjahres ein Betrag von 276 Euro (80%).
Im Vergleich zu den Regelungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz
(BSHG) wird die Regelleistung nach dem SGB II weitgehend pauschaliert;
eine Erhöhung für den Alltagsbedarf ist ausgeschlossen. Einmalige
Beihilfen werden nur noch in Ausnahmefällen für einen besonderen Bedarf
gewährt. Zur Deckung unregelmäßig wiederkehrenden Bedarfs ist die
Regelleistung erhöht worden, damit Leistungsempfänger entsprechende
Mittel ansparen können.
2. a) Bei der Festsetzung der Regelleistung hat sich der Gesetzgeber an
das Sozialhilferecht, das seit dem 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch (SGB XII) geregelt wird, angelehnt. Nach dem SGB XII und
der vom zuständigen Bundesministerium erlassenen Regelsatzverordnung
erfolgt die Bemessung der sozialhilferechtlichen Regelsätze nach einem
Statistikmodell, das bereits in ähnlicher Form unter der Geltung des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entwickelt worden war. Grundlage für
die Bemessung der Regelsätze ist eine Sonderauswertung der Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe, die vom Statistischen Bundesamt alle fünf
Jahre erhoben wird. Für die Bestimmung des Eckregelsatzes, der auch für
Alleinstehende gilt, sind die in den einzelnen Abteilungen der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben der untersten
20% der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Einpersonenhaushalte
(unterstes Quintil) nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe
maßgeblich. Diese Ausgaben gehen allerdings nicht vollständig, sondern
als regelsatzrelevanter Verbrauch nur zu bestimmten Prozentanteilen in
die Bemessung des Eckregelsatzes ein.
Die seit dem 1. Januar 2005 geltende Regelsatzverordnung fußt auf der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 1998. Bei der
Bestimmung des regelsatzrelevanten Verbrauchs in § 2 Abs. 2
Regelsatzverordnung wurde die Abteilung 10 der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (Bildungswesen) nicht berücksichtigt. Weiterhin
erfolgten Abschläge unter anderem in der Abteilung 03 (Bekleidung und
Schuhe) zum Beispiel für Pelze und Maßkleidung, in der Abteilung 04
(Wohnung etc.) bei der Ausgabenposition „Strom“, in der Abteilung 07
(Verkehr) wegen der Kosten für Kraftfahrzeuge und in der Abteilung 09
(Freizeit, Unterhaltung und Kultur) zum Beispiel für Segelflugzeuge. Der
für das Jahr 1998 errechnete Betrag wurde nach den Regelungen, die für
die jährliche Anpassung der Regelleistung nach dem SGB II und der
Regelsätze nach dem SGB XII gelten, entsprechend der Entwicklung des
aktuellen Rentenwertes in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. § 68
SGB VI) auf den 1. Januar 2005 hochgerechnet.
b) Bei der Festsetzung der Regelleistung für Kinder wich der Gesetzgeber
von den Prozentsätzen, die unter dem BSHG galten, ab und bildete nunmehr
nur noch zwei Altersgruppen (0 bis 14 Jahre und 14 bis 18 Jahre). Eine
Untersuchung des Ausgabeverhaltens von Ehepaaren mit einem Kind, wie sie
unter dem BSHG erfolgt war, unterblieb zunächst.
3. Die Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem
Jahre 2003 führte zwar zum 1. Januar 2007 zu Änderungen beim
regelsatzrelevanten Verbrauch gemäß § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung,
jedoch nicht zu einer Erhöhung des Eckregelsatzes und der Regelleistung
für Alleinstehende. Eine erneute Sonderauswertung bezogen auf das
Ausgabeverhalten von Ehepaaren mit einem Kind veranlasste den
Gesetzgeber zur Einführung einer dritten Alterstufe von
haushaltsangehörigen Kindern im Alter von 6 Jahren bis zur Vollendung
des 14. Lebensjahres. Diese erhalten ab dem 1. Juli 2009 nach § 74 SGB
II 70% der Regelleistung eines Alleinstehenden. Seit dem 1. August 2009
erhalten schulpflichtige Kinder nach Maßgabe von § 24a SGB II zudem
zusätzliche Leistungen für die Schule in Höhe von 100 Euro pro
Schuljahr.
4. Über eine Vorlage des Hessischen Landessozialgerichts (1 BvL 1/09)
und über zwei Vorlagen des Bundessozialgerichts (1 BvL 3/09 und 1 BvL
4/09) zu der Frage, ob die Höhe der Regelleistung zur Sicherung des
Lebensunterhalts für Erwachsene und Kinder bis zur Vollendung des 14.
Lebensjahres im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 nach §
20 Abs. 1 bis 3 und nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 1 SGB II mit dem
Grundgesetz vereinbar ist, hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts am 20. Oktober 2009 verhandelt. Die diesen
Vorlagen zugrundeliegenden Ausgangsverfahren sind in der
Pressemitteilung zur mündlichen Verhandlung (Nr. 96/2009 vom 19. August
2009) im Einzelnen dargestellt.
II. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die
Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder
betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Die Vorschriften bleiben bis
zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu
treffen hat, weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung
auch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines
unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für
die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten vorzusehen, der bisher nicht
von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, zur
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums jedoch zwingend
zu decken ist. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber wird
angeordnet, dass dieser Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe
unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu
Lasten des Bundes geltend gemacht werden kann.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. a) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem
Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen
diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische
Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen,
kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht
aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung
mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1
Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung.
Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf
aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den
Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen
Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen
auszurichten hat. Der Umfang des verfassungsrechtlichen
Leistungsanspruchs kann im Hinblick auf die Arten des Bedarfs und die
dafür erforderlichen Mittel nicht unmittelbar aus der Verfassung
abgeleitet werden. Die Konkretisierung obliegt dem Gesetzgeber, dem
hierbei ein Gestaltungsspielraum zukommt.
Zur Konkretisierung des Anspruchs hat der Gesetzgeber alle
existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und
sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf, also
realitätsgerecht, zu bemessen.
b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des
Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle der
einfachgesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht. Da das
Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaubt,
beschränkt sich bezogen auf das Ergebnis die materielle Kontrolle
darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Innerhalb der
materiellen Bandbreite, welche diese Evidenzkontrolle belässt, kann das
Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
keine quantifizierbaren Vorgaben liefern. Es erfordert aber eine
Kontrolle der Grundlagen und der Methode der Leistungsbemessung
daraufhin, ob sie dem Ziel des Grundrechts gerecht werden. Um eine der
Bedeutung des Grundrechts angemessene Nachvollziehbarkeit des Umfangs
der gesetzlichen Hilfeleistungen sowie deren gerichtliche Kontrolle zu
gewährleisten, müssen die Festsetzungen der Leistungen auf der Grundlage
verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu
rechtfertigen sein.
Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel,
ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und
umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur
Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches
Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im
Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er
sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren
Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen
Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat. Zur
Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den
Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im
Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte
nachvollziehbar offen zu legen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach,
steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel
nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in
Einklang.
2. Die in den Ausgangsverfahren geltenden Regelleistungen von 345, 311
und 207 Euro können zur Sicherstellung eines menschenwürdigen
Existenzminimums nicht als evident unzureichend angesehen werden. Für
den Betrag der Regelleistung von 345 Euro kann eine evidente
Unterschreitung nicht festgestellt werden, weil sie zur Sicherung der
physischen Seite des Existenzminimums zumindest ausreicht und der
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der sozialen Seite des
Existenzminimums besonders weit ist.
Dies gilt auch für den Betrag von 311 Euro für erwachsene Partner einer
Bedarfsgemeinschaft. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch
das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen gespart werden und deshalb zwei
zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der
geringer als das Doppelte des Bedarfs eines Alleinlebenden ist.
Es kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass der für Kinder bis zur
Vollendung des 14. Lebensjahres einheitlich geltende Betrag von 207 Euro
zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums offensichtlich
unzureichend ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass dieser
Betrag nicht ausreicht, um das physische Existenzminimum, insbesondere
den Ernährungsbedarf von Kindern im Alter von 7 bis zur Vollendung des
14. Lebensjahres zu decken.
3. Das Statistikmodell, das für die Bemessung der sozialhilferechtlichen
Regelsätze gilt und nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Grundlage
für die Bestimmung der Regelleistung bildet, ist eine
verfassungsrechtlich zulässige, weil vertretbare Methode zur
realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums für eine alleinstehende
Person. Es stützt sich auch auf geeignete empirische Daten. Die
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bildet in statistisch zuverlässiger
Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung ab. Die Auswahl der
untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten
Einpersonenhaushalte nach Herausnahme der Empfänger von Sozialhilfe als
Referenzgruppe für die Ermittlung der Regelleistung für einen
Alleinstehenden ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der
Gesetzgeber konnte auch vertretbar davon ausgehen, dass die bei der
Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 zugrunde
gelegte Referenzgruppe statistisch zuverlässig über der
Sozialhilfeschwelle lag.
Es ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die in
den einzelnen Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
erfassten Ausgaben des untersten Quintils nicht vollständig, sondern als
regelleistungsrelevanter Verbrauch nur zu einem bestimmten Prozentsatz
in die Bemessung der Regelleistung einfließen. Der Gesetzgeber hat aber
die wertende Entscheidung, welche Ausgaben zum Existenzminimum zählen,
sachgerecht und vertretbar zu treffen. Kürzungen von Ausgabepositionen
in den Abteilungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe bedürfen zu
ihrer Rechtfertigung einer empirischen Grundlage. Der Gesetzgeber darf
Ausgaben, welche die Referenzgruppe tätigt, nur dann als nicht relevant
einstufen, wenn feststeht, dass sie anderweitig gedeckt werden oder zur
Sicherung des Existenzminimums nicht notwendig sind. Hinsichtlich der
Höhe der Kürzungen ist auch eine Schätzung auf fundierter empirischer
Grundlage nicht ausgeschlossen; Schätzungen „ins Blaue hinein“ stellen
jedoch keine realitätsgerechte Ermittlung dar.
4. Die Regelleistung von 345 Euro ist nicht in verfassungsgemäßer Weise
ermittelt worden, weil von den Strukturprinzipien des Statistikmodells
ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen worden ist.
a) Der in § 2 Abs. 2 Regelsatzverordnung 2005 festgesetzte regelsatz-
und damit zugleich regelleistungsrelevante Verbrauch beruht nicht auf
einer tragfähigen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
1998. Denn bei einzelnen Ausgabepositionen wurden prozentuale Abschläge
für nicht regelleistungsrelevante Güter und Dienstleistungen (zum
Beispiel Pelze, Maßkleidung und Segelflugzeuge) vorgenommen, ohne dass
feststand, ob die Vergleichsgruppe (unterstes Quintil) überhaupt solche
Ausgaben getätigt hat. Bei anderen Ausgabepositionen wurden Kürzungen
vorgenommen, die dem Grunde nach vertretbar, in der Höhe jedoch
empirisch nicht belegt waren (zum Beispiel Kürzung um 15% bei der
Position Strom). Andere Ausgabepositionen, zum Beispiel die Abteilung 10
(Bildungswesen), blieben völlig unberücksichtigt, ohne dass dies
begründet worden wäre.
b) Zudem stellt die Hochrechnung der für 1998 ermittelten Beträge auf
das Jahr 2005 anhand der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts einen
sachwidrigen Maßstabswechsel dar. Während die statistische
Ermittlungsmethode auf Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und
Lebenshaltungskosten abstellt, knüpft die Fortschreibung nach dem
aktuellen Rentenwert an die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter,
den Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung und an einen
Nachhaltigkeitsfaktor an. Diese Faktoren weisen aber keinen Bezug zum
Existenzminimum auf.
5. Die Ermittlung der Regelleistung in Höhe von 311 Euro für in
Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partner genügt nicht den
verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil sich die Mängel bei der
Ermittlung der Regelleistung für Alleinstehende hier fortsetzen, denn
sie wurde auf der Basis jener Regelleistung ermittelt. Allerdings beruht
die Annahme, dass für die Sicherung des Existenzminimums von zwei
Partnern ein Betrag in Höhe von 180 % des entsprechenden Bedarfs eines
Alleinstehenden ausreicht, auf einer ausreichenden empirischen
Grundlage.
6. Das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres von
207 Euro genügt nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil es von
der bereits beanstandeten Regelleistung in Höhe von 345 Euro abgeleitet
ist. Darüber hinaus beruht die Festlegung auf keiner vertretbaren
Methode zur Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes im Alter bis
zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Der Gesetzgeber hat jegliche
Ermittlungen zum spezifischen Bedarf eines Kindes, der sich im
Unterschied zum Bedarf eines Erwachsenen an kindlichen
Entwicklungsphasen und einer kindgerechten Persönlichkeitsentfaltung
auszurichten hat, unterlassen. Sein vorgenommener Abschlag von 40 %
gegenüber der Regelleistung für einen Alleinstehenden beruht auf einer
freihändigen Setzung ohne empirische und methodische Fundierung.
Insbesondere blieben die notwendigen Aufwendungen für Schulbücher,
Schulhefte, Taschenrechner etc. unberücksichtigt, die zum existentiellen
Bedarf eines Kindes gehören. Denn ohne Deckung dieser Kosten droht
hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen. Auch fehlt
eine differenzierte Untersuchung des Bedarfs von kleineren und größeren
Kindern.
7. Diese Verfassungsverstöße sind weder durch die Auswertung der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 und die Neubestimmung des
regelsatzrelevanten Verbrauchs zum 1. Januar 2007 noch durch die Mitte
2009 in Kraft getretenen §§ 74 und 24a SGB II beseitigt worden.
a) Die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Änderung der
Regelsatzverordnung hat wesentliche Mängel, wie zum Beispiel die
Nichtberücksichtigung der in der Abteilung 10 (Bildungswesen) der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Ausgaben oder die
Hochrechnung der für 2003 ermittelten Beträge entsprechend der
Entwicklung des aktuellen Rentenwertes, nicht beseitigt.
b) Das durch § 74 SGB II eingeführte Sozialgeld für Kinder ab Beginn des
7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 70 % der
Regelleistung für einen Alleinstehenden genügt den
verfassungsrechtlichen Anforderungen bereits deshalb nicht, weil es sich
von dieser fehlerhaft ermittelten Regelleistung ableitet. Zwar dürfte
der Gesetzgeber mit der Einführung einer dritten Altersstufe und der §
74 SGB II zugrunde liegenden Bemessungsmethode einer realitätsgerechten
Ermittlung der notwendigen Leistungen für Kinder im schulpflichtigen
Alter näher gekommen sein. Den Anforderungen an die Ermittlung des
kinderspezifischen Bedarfs ist er dennoch nicht gerecht geworden, weil
die gesetzliche Regelung weiterhin an den Verbrauch für einen
erwachsenen Alleinstehenden anknüpft.
c) Die Regelung des § 24a SGB II, die eine einmalige Zahlung von 100
Euro vorsieht, fügt sich methodisch nicht in das Bedarfssystem des SGB
II ein. Zudem hat der Gesetzgeber den notwendigen Schulbedarf eines
Kindes bei Erlass des § 24a SGB II nicht empirisch ermittelt. Der Betrag
von 100 Euro pro Schuljahr wurde offensichtlich freihändig geschätzt.
8. Es ist mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zudem
unvereinbar, dass im SGB II eine Regelung fehlt, die einen Anspruch auf
Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen
Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen,
besonderen Bedarfs vorsieht. Ein solcher ist für denjenigen Bedarf
erforderlich, der deswegen nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II
abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der
die Regelleistung beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen
Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber
hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen.
Die Gewährung einer Regelleistung als Festbetrag ist grundsätzlich
zulässig. Wenn das Statistikmodell entsprechend den
verfassungsrechtlichen Vorgaben angewandt und der Pauschalbetrag
insbesondere so bestimmt worden ist, dass ein Ausgleich zwischen
verschiedenen Bedarfspositionen möglich ist, kann der Hilfebedürftige in
der Regel sein individuelles Verbrauchsverhalten so gestalten, dass er
mit dem Festbetrag auskommt; vor allem hat er bei besonderem Bedarf
zuerst auf das Ansparpotential zurückzugreifen, das in der Regelleistung
enthalten ist.
Da ein pauschaler Regelleistungsbetrag jedoch nach seiner Konzeption nur
den durchschnittlichen Bedarf decken kann, wird ein in Sonderfällen
auftretender Bedarf von der Statistik nicht aussagekräftig ausgewiesen.
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gebietet
allerdings, auch diesen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen,
besonderen Bedarf zu decken, wenn es im Einzelfall für ein
menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich ist. Dieser ist im SGB II
bisher nicht ausnahmslos erfasst. Der Gesetzgeber hat wegen dieser Lücke
in der Deckung des lebensnotwendigen Existenzminimums eine
Härtefallregelung in Form eines Anspruchs auf Hilfeleistungen zur
Deckung dieses besonderen Bedarfs für die nach § 7 SGB II
Leistungsberechtigten vorzugeben. Dieser Anspruch entsteht allerdings
erst, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem
Hilfebedürftigen gewährten Leistungen - einschließlich der Leistungen
Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des
Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr
gewährleistet. Er dürfte angesichts seiner engen und strikten
Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen in Betracht kommen.
9. Die verfassungswidrigen Normen bleiben bis zu einer Neuregelung, die
der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2010 zu treffen hat, weiterhin
anwendbar. Wegen des gesetzgeberischen
Gestaltungsspielraums ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt,
aufgrund eigener Einschätzungen und Wertungen gestaltend selbst einen
bestimmten Leistungsbetrag festzusetzen. Da nicht festgestellt werden
kann, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge evident
unzureichend sind, ist der Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs
wegen verpflichtet, höhere Leistungen festzusetzen. Er muss vielmehr ein
Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur
Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen
entsprechend den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben
durchführen und dessen Ergebnis im Gesetz als Leistungsanspruch
verankern.
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den
Gesetzgeber nicht dazu, die Leistungen rückwirkend neu festzusetzen.
Sollte der Gesetzgeber allerdings seiner Pflicht zur Neuregelung bis zum
31. Dezember 2010 nicht nachgekommen sein, wäre ein pflichtwidrig später
erlassenes Gesetz schon zum 1. Januar 2011 in Geltung zu setzen.
Der Gesetzgeber ist ferner verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember
2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstellt, dass ein
unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf gedeckt
wird. Die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein
derartiger Bedarf vorliegt, müssen aber auch vor der Neuregelung die
erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten. Um die Gefahr einer
Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in
der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden
Härtefallklausel zu vermeiden, muss die verfassungswidrige Lücke für die
Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung
des Bundesverfassungsgerichts geschlossen werden.
Quelle: http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 0-005.html
zur Neuberechnung der ALG II Regelsätze
Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit vom 9. Februar 2010
BA zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Neuberechnung der ALG II Regelsätze
Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Höhe der Regelleistungen in der Grundsicherung hat keine Auswirkungen auf die laufenden Auszahlungen des Arbeitslosengeldes II (ALG II) Die derzeitigen Regelsätze bleiben bis zum Jahresende bestehen, bis dahin muss der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen.
Es wird auch keine rückwirkende Festsetzung der Regelleistungen geben. Wenn der Gesetzgeber die Regelleistung neu festlegt, werden die Leistungen ab Januar 2011 automatisch angepasst. Eine neue Antragstellung ist nicht erforderlich.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes räumt ein, dass in besonderen Härtefällen ein laufender Bedarf geltend gemacht werden kann. Beratungsstellen haben daher bereits aufgefordert, entsprechende Anträge bei den Grundsicherungsstellen einzureichen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) weist darauf hin, dass es sich nur um seltene Einzelfälle handeln wird, die als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.
Das Bundessozialgericht sieht zum Beispiel eine außergewöhnliche Belastung, wenn einem geschiedenen Elternteil Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechtes mit seinen Kindern entstehen. Einmalige Aufwendungen (Anschaffungen, Reparaturen) sind davon nicht betroffen. Dafür gibt es bereits entsprechende Regelungen.
"Wir werden uns nun zeitnah mit dem Arbeitsministerium verständigen, in welchen Fällen wir besondere Bedarfe gewähren können. Ich möchte aber nochmals betonen, dass dies nach Meinung des obersten Gerichts nur seltene Ausnahmen und nicht die Regel sein werden. Wir werden aktiv vor Ort zu den möglichen Zusatzleistungen informieren", so Heinrich Alt, Vorstandsmitglied bei der Bundesagentur für Arbeit.
Informationen zum Hörfunkservice der Bundesagentur für Arbeit finden Sie im Internet unter http://www.ba-audio.de
BA zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Neuberechnung der ALG II Regelsätze
Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Höhe der Regelleistungen in der Grundsicherung hat keine Auswirkungen auf die laufenden Auszahlungen des Arbeitslosengeldes II (ALG II) Die derzeitigen Regelsätze bleiben bis zum Jahresende bestehen, bis dahin muss der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen.
Es wird auch keine rückwirkende Festsetzung der Regelleistungen geben. Wenn der Gesetzgeber die Regelleistung neu festlegt, werden die Leistungen ab Januar 2011 automatisch angepasst. Eine neue Antragstellung ist nicht erforderlich.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes räumt ein, dass in besonderen Härtefällen ein laufender Bedarf geltend gemacht werden kann. Beratungsstellen haben daher bereits aufgefordert, entsprechende Anträge bei den Grundsicherungsstellen einzureichen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) weist darauf hin, dass es sich nur um seltene Einzelfälle handeln wird, die als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden können.
Das Bundessozialgericht sieht zum Beispiel eine außergewöhnliche Belastung, wenn einem geschiedenen Elternteil Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechtes mit seinen Kindern entstehen. Einmalige Aufwendungen (Anschaffungen, Reparaturen) sind davon nicht betroffen. Dafür gibt es bereits entsprechende Regelungen.
"Wir werden uns nun zeitnah mit dem Arbeitsministerium verständigen, in welchen Fällen wir besondere Bedarfe gewähren können. Ich möchte aber nochmals betonen, dass dies nach Meinung des obersten Gerichts nur seltene Ausnahmen und nicht die Regel sein werden. Wir werden aktiv vor Ort zu den möglichen Zusatzleistungen informieren", so Heinrich Alt, Vorstandsmitglied bei der Bundesagentur für Arbeit.
Informationen zum Hörfunkservice der Bundesagentur für Arbeit finden Sie im Internet unter http://www.ba-audio.de
Weg endlich frei für bedarfsgerechte Regelung
Minister Karl-Josef Laumann:
„Weg endlich frei für bedarfsgerechte Regelung“
Bundesverfassungsgericht urteilt über Hartz IV-Regelsätze
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen teilt mit:
„Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist eine schallende Ohrfeige für sämtliche SPD-Arbeitsminister von Clement bis Scholz. Sie haben jahrelang alle Signale aus der Fachwelt ignoriert“, erklärte Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann zum heutigen Urteilsspruch der Karlsruher Richter zu den Hartz IV – Regelsätzen. „Schon allein zur Neugestaltung der Leistungen für Kinder haben wir in der Vergangenheit immer wieder eine neue Art der Berechnung gefordert“, sagte Laumann. „Jetzt ist das Gericht noch einen Schritt weiter gegangen und hat die Regelsätze auch für Erwachsene grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt. Das macht den Weg frei für die Entwicklung eines bedarfsgerechten Regelsatzes für die Leistungsempfänger und deren Familien auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und tragfähiger Berechnungen“, sagte Laumann.
Bereits in der Debatte um die Regelsätze für Kinder erinnerte Laumann an die erfolgreiche nordrhein-westfälische Bundesratsinitiative zur Neuge-staltung der Leistungen für Kinder aus dem Jahr 2007. Seitdem hatten die Länder den Bund mehrfach zum Handeln aufgefordert. Im Vorfeld dieser Initiative war eine von Minister Laumann einberufene Expertenkommission aus Vertretern der Sozialgerichtsbarkeit, der Wissenschaft, der Freien Wohlfahrtspflege und den Kirchen zu dem Ergebnis gekommen, dass eine prozentuale Ableitung des Regelsatzes für Kinder von dem eines allein stehenden Erwachsenen dem kindlichen Bedarf in keiner Weise gerecht werde. „Die Politik muss Chancengleichheit für alle Bevölkerungsgruppen gewährleisten. Dies muss auch in einer bedarfsabhängigen Grundsicherung gesichert sein. Es kann nicht sein, dass Kinder von Hartz IV-Empfängern nicht an der Mittagsverpflegung in Ganztagsgrundschulen teilnehmen können, weil ihren Eltern hierfür schlicht und ergreifend das Geld fehlt“, so Laumann.
Insbesondere für die Kinder müsse jetzt endlich eine Regelung gefunden werden, die ihnen auch die Teilhabe an Bildungsangeboten ermögliche, so Laumann. Die bisherige prozentuale Ableitung des Regelsatzes für Kinder sei ein Fehler gewesen. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Kinder sind im Wachstum, sie brauchen regelmäßig neue Kleidung und müssen auch Ganztagsangebote an Kindertagesstätten und Schulen wahrnehmen können“, erklärte der Minister.
„Wie dringend die betroffenen Kinder unsere Hilfe brauchen, sehen wir in Nordrhein-Westfalen jeden Tag - zum Beispiel an der großen Resonanz auf unser Landesprogramm ‘Kein Kind ohne Mahlzeit’“, erklärte Laumann. Zurzeit bekommen landesweit 82.000 Schulkinder aus ärmeren Familien damit jeden Tag ein Mittagessen im Rahmen der Ganztagsangebote einer offenen oder gebundenen Ganztagsschule des Primarbereichs oder der Sekundarstufe I. „Die Einführung dieses Landesfonds war unbedingt richtig. Allerdings dürfen solche Probleme eigentlich gar nicht erst entstehen“, sagte Laumann.
Quelle: Pressemitteilung vom 9.2.2010
http://www.mags.nrw.de/06_Service/001_P ... index.html
„Weg endlich frei für bedarfsgerechte Regelung“
Bundesverfassungsgericht urteilt über Hartz IV-Regelsätze
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen teilt mit:
„Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist eine schallende Ohrfeige für sämtliche SPD-Arbeitsminister von Clement bis Scholz. Sie haben jahrelang alle Signale aus der Fachwelt ignoriert“, erklärte Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann zum heutigen Urteilsspruch der Karlsruher Richter zu den Hartz IV – Regelsätzen. „Schon allein zur Neugestaltung der Leistungen für Kinder haben wir in der Vergangenheit immer wieder eine neue Art der Berechnung gefordert“, sagte Laumann. „Jetzt ist das Gericht noch einen Schritt weiter gegangen und hat die Regelsätze auch für Erwachsene grundsätzlich für verfassungswidrig erklärt. Das macht den Weg frei für die Entwicklung eines bedarfsgerechten Regelsatzes für die Leistungsempfänger und deren Familien auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und tragfähiger Berechnungen“, sagte Laumann.
Bereits in der Debatte um die Regelsätze für Kinder erinnerte Laumann an die erfolgreiche nordrhein-westfälische Bundesratsinitiative zur Neuge-staltung der Leistungen für Kinder aus dem Jahr 2007. Seitdem hatten die Länder den Bund mehrfach zum Handeln aufgefordert. Im Vorfeld dieser Initiative war eine von Minister Laumann einberufene Expertenkommission aus Vertretern der Sozialgerichtsbarkeit, der Wissenschaft, der Freien Wohlfahrtspflege und den Kirchen zu dem Ergebnis gekommen, dass eine prozentuale Ableitung des Regelsatzes für Kinder von dem eines allein stehenden Erwachsenen dem kindlichen Bedarf in keiner Weise gerecht werde. „Die Politik muss Chancengleichheit für alle Bevölkerungsgruppen gewährleisten. Dies muss auch in einer bedarfsabhängigen Grundsicherung gesichert sein. Es kann nicht sein, dass Kinder von Hartz IV-Empfängern nicht an der Mittagsverpflegung in Ganztagsgrundschulen teilnehmen können, weil ihren Eltern hierfür schlicht und ergreifend das Geld fehlt“, so Laumann.
Insbesondere für die Kinder müsse jetzt endlich eine Regelung gefunden werden, die ihnen auch die Teilhabe an Bildungsangeboten ermögliche, so Laumann. Die bisherige prozentuale Ableitung des Regelsatzes für Kinder sei ein Fehler gewesen. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Kinder sind im Wachstum, sie brauchen regelmäßig neue Kleidung und müssen auch Ganztagsangebote an Kindertagesstätten und Schulen wahrnehmen können“, erklärte der Minister.
„Wie dringend die betroffenen Kinder unsere Hilfe brauchen, sehen wir in Nordrhein-Westfalen jeden Tag - zum Beispiel an der großen Resonanz auf unser Landesprogramm ‘Kein Kind ohne Mahlzeit’“, erklärte Laumann. Zurzeit bekommen landesweit 82.000 Schulkinder aus ärmeren Familien damit jeden Tag ein Mittagessen im Rahmen der Ganztagsangebote einer offenen oder gebundenen Ganztagsschule des Primarbereichs oder der Sekundarstufe I. „Die Einführung dieses Landesfonds war unbedingt richtig. Allerdings dürfen solche Probleme eigentlich gar nicht erst entstehen“, sagte Laumann.
Quelle: Pressemitteilung vom 9.2.2010
http://www.mags.nrw.de/06_Service/001_P ... index.html
Gesundheitliche Chancengleichheit beginnt in der Kindheit
Gesundheitliche Chancengleichheit beginnt in der Kindheit
DBfK begrüßt Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Neuordnung der Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder. Diese sind nach Auffassung des Gerichtes verfassungswidrig berechnet und müssen neu kalkuliert werden. „Die Kinder leiden unter der willkürlichen Verfahrenspraxis“ stellt Andrea Weskamm, Leiterin des Kompetenzzentrums Familiengesundheitspflege des DBfK fest. „Es gibt einen blinden Fleck in der Diskussion: Der Zusammenhang zwischen der sozialen Lage in der Kindheit und der Chance auf ein gesundes Erwachsen- und Älter werden wird schlichtweg ignoriert“. Laut Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) 2009 sind 15-20% der Kinder und Jugendlichen von relativer Armut mit allen daraus folgenden Schwierigkeiten und Defiziten der Teilhabe betroffen. Gerade in dieser Lebensphase jedoch werden die zentralen Weichen für die Entwicklung der physischen und psychischen Gesundheit gestellt. Dabei sind falsche Essgewohnheiten, Drogenmissbrauch und mangelnde Bewegung nur einige Faktoren, die Auswirkungen auf die Gesundheit haben und z.B. zu Herz-Kreislauferkrankungen und Stoffwechselstörungen führen können. „Die derzeit geltende Berechnungspraxis der Hartz-IV-Sätze begünstigt Kinderarmut; diese wiederum verursacht erhebliche Entwicklungsdefizite und Gesundheitsstörungen für Kinder und Jugendliche“ so Weskamm. Laut SVR 2009 wird so die Wahrscheinlichkeit für chronische Krankheit, Behinderung und vorzeitigen Tod erhöht.
Neben der Sicherung der wirtschaftlichen Basis von Familien mit Kindern gilt es präventive und zugehende Unterstützungsangebote zu entwickeln um so die gesundheitliche Chancengleichheit zu erhöhen. Hier setzt sich der DBfK für die Verankerung des Konzeptes der Familiengesundheitspflege ein: Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Ansatz zur Stärkung der Gesundheit der Bevölkerung sieht die Etablierung familien- und gesundheitsorientierter gemeindenaher Dienstleistungsangebote vor. Durch Hausbesuche soll vor allem sozial und wirtschaftlich benachteiligten Familien der Zugang zu Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens erleichtert werden.
Dazu werden Pflegefachkräfte und Hebammen zu Familiengesundheitspflegerinnen und –hebammen qualifiziert. Die Fallbeispiele der praktisch Tätigen belegen, dass die gezielte Förderung von Familien in prekärer Situation eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität aller Familienmitglieder bewirkt.
Informationen beim Kompetenzzentrum Familiengesundheitspflege des DBfK unter http://www.familiengesundheitspflege.de
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.V.
Salzufer 6, 10587 Berlin
Tel.: 030-2191570
Fax: 030-21915777
dbfk@dbfk.de
http://www.dbfk.de
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist die berufliche Interessenvertretung der Gesundheits- und Krankenpflege, der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Der DBfK ist deutsches Mitglied im International Council of Nurses (ICN) und Gründungsmitglied des Deutschen Pflegerates (DPR). Mehr Informationen über den Verband und seine internationalen und nationalen Netzwerke können Sie auf der Homepage http://www.dbfk.de nachlesen. Falls Sie Interviewwünsche haben oder noch mehr Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte per E-Mail an presse@dbfk.de oder rufen Sie uns unter 030-219157-0 an.
Quelle: Pressemitteilung vom 17.02.2010
Susanne Adjei | Sozialmanagerin | Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe - Bundesverband e.V.
adjei@dbfk.de | http://www.dbfk.de | Salzufer 6 | 10587 Berlin | Fon 030-219157-0 | Fax 030-219157-77
DBfK begrüßt Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Neuordnung der Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder. Diese sind nach Auffassung des Gerichtes verfassungswidrig berechnet und müssen neu kalkuliert werden. „Die Kinder leiden unter der willkürlichen Verfahrenspraxis“ stellt Andrea Weskamm, Leiterin des Kompetenzzentrums Familiengesundheitspflege des DBfK fest. „Es gibt einen blinden Fleck in der Diskussion: Der Zusammenhang zwischen der sozialen Lage in der Kindheit und der Chance auf ein gesundes Erwachsen- und Älter werden wird schlichtweg ignoriert“. Laut Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) 2009 sind 15-20% der Kinder und Jugendlichen von relativer Armut mit allen daraus folgenden Schwierigkeiten und Defiziten der Teilhabe betroffen. Gerade in dieser Lebensphase jedoch werden die zentralen Weichen für die Entwicklung der physischen und psychischen Gesundheit gestellt. Dabei sind falsche Essgewohnheiten, Drogenmissbrauch und mangelnde Bewegung nur einige Faktoren, die Auswirkungen auf die Gesundheit haben und z.B. zu Herz-Kreislauferkrankungen und Stoffwechselstörungen führen können. „Die derzeit geltende Berechnungspraxis der Hartz-IV-Sätze begünstigt Kinderarmut; diese wiederum verursacht erhebliche Entwicklungsdefizite und Gesundheitsstörungen für Kinder und Jugendliche“ so Weskamm. Laut SVR 2009 wird so die Wahrscheinlichkeit für chronische Krankheit, Behinderung und vorzeitigen Tod erhöht.
Neben der Sicherung der wirtschaftlichen Basis von Familien mit Kindern gilt es präventive und zugehende Unterstützungsangebote zu entwickeln um so die gesundheitliche Chancengleichheit zu erhöhen. Hier setzt sich der DBfK für die Verankerung des Konzeptes der Familiengesundheitspflege ein: Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Ansatz zur Stärkung der Gesundheit der Bevölkerung sieht die Etablierung familien- und gesundheitsorientierter gemeindenaher Dienstleistungsangebote vor. Durch Hausbesuche soll vor allem sozial und wirtschaftlich benachteiligten Familien der Zugang zu Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens erleichtert werden.
Dazu werden Pflegefachkräfte und Hebammen zu Familiengesundheitspflegerinnen und –hebammen qualifiziert. Die Fallbeispiele der praktisch Tätigen belegen, dass die gezielte Förderung von Familien in prekärer Situation eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität aller Familienmitglieder bewirkt.
Informationen beim Kompetenzzentrum Familiengesundheitspflege des DBfK unter http://www.familiengesundheitspflege.de
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.V.
Salzufer 6, 10587 Berlin
Tel.: 030-2191570
Fax: 030-21915777
dbfk@dbfk.de
http://www.dbfk.de
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist die berufliche Interessenvertretung der Gesundheits- und Krankenpflege, der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Der DBfK ist deutsches Mitglied im International Council of Nurses (ICN) und Gründungsmitglied des Deutschen Pflegerates (DPR). Mehr Informationen über den Verband und seine internationalen und nationalen Netzwerke können Sie auf der Homepage http://www.dbfk.de nachlesen. Falls Sie Interviewwünsche haben oder noch mehr Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte per E-Mail an presse@dbfk.de oder rufen Sie uns unter 030-219157-0 an.
Quelle: Pressemitteilung vom 17.02.2010
Susanne Adjei | Sozialmanagerin | Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe - Bundesverband e.V.
adjei@dbfk.de | http://www.dbfk.de | Salzufer 6 | 10587 Berlin | Fon 030-219157-0 | Fax 030-219157-77
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Hartz IV - Kamingespräch mit H. Geißler -TV 21.02.2010 -
Geißler: Fundament der Zivilisation durch Hartz IV zerstört
Jörg Schönenborn am 21.02.2010 im Gespräch mit Heiner Geißler - 13.00 - 14.00 Uhr
Bonn/Berlin, 16. Februar 2010 - Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sieht das Fundament der Zivilisation durch die Hartz IV-Gesetze zerstört. Im PHOENIX KAMINGESPRÄCH (Ausstrahlung: Sonntag, 21. Februar 2010, 13.00 Uhr) sagte er: "Die Hartz IV-Gesetzgebung hat die Schleusen nach unten geöffnet. Die Arbeitsmarktpolitik verlangt heute von den Leuten, dass sie im Grunde genommen jeden Job annehmen, der ihnen angeboten wird - nach einem Satz, wenn man über den länger nachdenkt, dann erkennt man sofort, dass der nicht richtig sein kann: 'Jeder Job ist besser als keiner.' Das ist ein Nonsens-Satz. Sklavenarbeit ist auch Job, oder Arbeit, und die Nazis haben die Leute auch arbeiten lassen. Und die Amerikaner haben mit Sklavenarbeit sogar Erfahrung, wir auch. Es muss eine menschenwürdige Arbeit sein, und die Menschen müssen davon leben können. Und dieses Fundament der Zivilisation, wenn man eine Gesellschaft richtig ordnet, ist eben durch Hartz IV vollkommen zerstört worden."
In derselben Sendung übte der CDU-Politiker scharfe Kritik am Personal und an der politischen Ausrichtung der FDP: "Mit Verlaub gesagt: Es waren früher ganz einfach andere Leute da ... Was ich den heutigen Liberalen vorwerfe ist, dass sie sich reduziert haben auf den Wirtschaftsliberalismus ... Die Bürgerrechtsliberalen, die waren damals auch da."
Quelle: Pressemitteilung vom 16.02.2010
Pressekontakt: PHOENIX
PHOENIX-Kommunikation
Telefon: 0228 / 9584 193
Fax: 0228 / 9584 198
pressestelle@phoenix.de
Siehe auch unter
http://www.phoenix.de/content/phoenix/d ... 2010-02-21
viewtopic.php?t=13671
Jörg Schönenborn am 21.02.2010 im Gespräch mit Heiner Geißler - 13.00 - 14.00 Uhr
Bonn/Berlin, 16. Februar 2010 - Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sieht das Fundament der Zivilisation durch die Hartz IV-Gesetze zerstört. Im PHOENIX KAMINGESPRÄCH (Ausstrahlung: Sonntag, 21. Februar 2010, 13.00 Uhr) sagte er: "Die Hartz IV-Gesetzgebung hat die Schleusen nach unten geöffnet. Die Arbeitsmarktpolitik verlangt heute von den Leuten, dass sie im Grunde genommen jeden Job annehmen, der ihnen angeboten wird - nach einem Satz, wenn man über den länger nachdenkt, dann erkennt man sofort, dass der nicht richtig sein kann: 'Jeder Job ist besser als keiner.' Das ist ein Nonsens-Satz. Sklavenarbeit ist auch Job, oder Arbeit, und die Nazis haben die Leute auch arbeiten lassen. Und die Amerikaner haben mit Sklavenarbeit sogar Erfahrung, wir auch. Es muss eine menschenwürdige Arbeit sein, und die Menschen müssen davon leben können. Und dieses Fundament der Zivilisation, wenn man eine Gesellschaft richtig ordnet, ist eben durch Hartz IV vollkommen zerstört worden."
In derselben Sendung übte der CDU-Politiker scharfe Kritik am Personal und an der politischen Ausrichtung der FDP: "Mit Verlaub gesagt: Es waren früher ganz einfach andere Leute da ... Was ich den heutigen Liberalen vorwerfe ist, dass sie sich reduziert haben auf den Wirtschaftsliberalismus ... Die Bürgerrechtsliberalen, die waren damals auch da."
Quelle: Pressemitteilung vom 16.02.2010
Pressekontakt: PHOENIX
PHOENIX-Kommunikation
Telefon: 0228 / 9584 193
Fax: 0228 / 9584 198
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Atypische Bedarfe & Härtefälle
BSG erkennt atypische Bedarfe rückwirkend an
======================================
Das BSG hat in einer Entscheidung vom 18.02.2010 klargestellt, dass sog. „atypische Bedarfe“, entsprechend der Anordnung des BVerfG, auch rückwirkend zu gewähren sind. Einzige Einschränkung ist, dass es sich um offene Verfahren handeln muss. Ebenfalls klargestellt wurde, dass Listen nur Listen seien und durchaus neben der BA/BMAS-Härtefallliste weitere Bedarfe geltendmachbar sind.
Das hat für den Alltag folgende Konsequenzen:
1. liegen Bedarfe vor, die atypisch sein könnten, sollten die Überprüfungsanträge keinesfalls zurückgezogen werden. Hier wird von Tacheles in der nächsten Zeit eine fundierte Liste erarbeitet werden, in der konkretisiert wird, was atypische Bedarfe sein können. Wenn solche Bedarfe bestanden haben, müsste der Überprüfungsantrag dahingehend konkretisiert und dann das Rechtsmittelverfahren weiter betrieben werden.
2. Ebenso rate ich, wenn gegenwärtig solche Bedarfe bestehen, diese zu beantragen und sie im Eilverfahren geltend zu machen.
Meine Einschätzung dazu ist, dass das was wir in den nächsten Monaten durchklagen können, zumindest zum Teil in zukünftige Regelsätze einfließen muss. Daher sollte an dem Projekt „Konkretisierung und Durchklage atypischer Bedarfe“ in der nächste Zeit gearbeitet werde.
Hier eine erste Veröffentlichung auf der Tachelesseite dazu, hier wurde eine erste Typisierung der möglichen atypischen Bedarfe vorgenommen: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktu ... raege.aspx
Hier die BA/BMAS – Härtefallliste: http://www.arbeitsagentur.de/nn_166486/ ... 02-17.html
Einschätzung von Rainer Roth zur BVerfG- Entscheidung
============================================
Rainer Roth hat eine fundierte und sehr klare Einschätzung zur BVerfG – Entscheidung geschrieben, diese möchte ich der Leserschaft nicht vorenthalten. Sie ist hier zu finden: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktu ... _Roth.aspx
Quelle: Pressemitteilung vom 21.02.2010 (Auszug)
Harald Thomé - Fachreferent für Arbeitslosen- und Sozialrecht
Rudolfstr. 125, 42285 Wuppertal
http://www.harald-thome.de
info@harald-thome.de
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Das BSG hat in einer Entscheidung vom 18.02.2010 klargestellt, dass sog. „atypische Bedarfe“, entsprechend der Anordnung des BVerfG, auch rückwirkend zu gewähren sind. Einzige Einschränkung ist, dass es sich um offene Verfahren handeln muss. Ebenfalls klargestellt wurde, dass Listen nur Listen seien und durchaus neben der BA/BMAS-Härtefallliste weitere Bedarfe geltendmachbar sind.
Das hat für den Alltag folgende Konsequenzen:
1. liegen Bedarfe vor, die atypisch sein könnten, sollten die Überprüfungsanträge keinesfalls zurückgezogen werden. Hier wird von Tacheles in der nächsten Zeit eine fundierte Liste erarbeitet werden, in der konkretisiert wird, was atypische Bedarfe sein können. Wenn solche Bedarfe bestanden haben, müsste der Überprüfungsantrag dahingehend konkretisiert und dann das Rechtsmittelverfahren weiter betrieben werden.
2. Ebenso rate ich, wenn gegenwärtig solche Bedarfe bestehen, diese zu beantragen und sie im Eilverfahren geltend zu machen.
Meine Einschätzung dazu ist, dass das was wir in den nächsten Monaten durchklagen können, zumindest zum Teil in zukünftige Regelsätze einfließen muss. Daher sollte an dem Projekt „Konkretisierung und Durchklage atypischer Bedarfe“ in der nächste Zeit gearbeitet werde.
Hier eine erste Veröffentlichung auf der Tachelesseite dazu, hier wurde eine erste Typisierung der möglichen atypischen Bedarfe vorgenommen: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktu ... raege.aspx
Hier die BA/BMAS – Härtefallliste: http://www.arbeitsagentur.de/nn_166486/ ... 02-17.html
Einschätzung von Rainer Roth zur BVerfG- Entscheidung
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Rainer Roth hat eine fundierte und sehr klare Einschätzung zur BVerfG – Entscheidung geschrieben, diese möchte ich der Leserschaft nicht vorenthalten. Sie ist hier zu finden: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktu ... _Roth.aspx
Quelle: Pressemitteilung vom 21.02.2010 (Auszug)
Harald Thomé - Fachreferent für Arbeitslosen- und Sozialrecht
Rudolfstr. 125, 42285 Wuppertal
http://www.harald-thome.de
info@harald-thome.de
Härtefallregelung für Hartz-IV-Empfänger
Streit über Gesetzgebungsverfahren bei Härtefallregelung für Hartz-IV-Empfänger
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Berlin: (hib/ELA/LEU) Die Arbeitsmarktexperten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke kritisieren massiv die Vorgehensweise der Bundesregierung und der Regierungsfraktionen, die die gesetzlichen Regelungen zu Härtefällen bei Hartz IV schon in der nächsten Woche im Bundestag zur Abstimmung stellen wollen. Wie die Bundesregierung am Mittwochvormittag im Ausschuss für Arbeit und Soziales erläuterte, sollen die Regelungen gesetzestechnisch gesehen an das Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz (17/507 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/005/1700507.pdf ) angehängt werden, das zur zweiten und dritten Lesung für den 5. März vorgesehen ist. ”Das Verfahren, wie es jetzt geht, ist so nicht in Ordnung“, hieß es aus den Reihen der SPD-Fraktion, die die Rechte des Arbeits- und Sozialausschusses ”in eklatanter Weise verletzt“ sieht. Zum einen kritisierten die Sozialdemokraten, dass durch die Vorgehensweise der Haushaltsausschuss federführend zuständig sei und zum anderen nicht genügend Zeit zur Beratung der von der Bundesregierung definierten Härtefälle bleibe. Grüne und Linksfraktion schlossen sich diese Kritik an und forderten, den Rat von Experten einzuholen.
Hintergrund der Debatte ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen vom 9. Februar, in dem die Richter entschieden hatten, dass Hilfebedürftige ab sofort in sogenannten Härtefällen besondere laufende Bedarfe geltend machen dürften. Wie der Vertreter der Bundesregierung im Ausschuss erläuterte, habe das Bundesarbeitsministerium in Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Geschäftsanweisung formuliert, in der vier Härtefälle definiert seien. Dabei gehe es um Kosten, die im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht entstehen, Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Kosten für Haushaltshilfen von Rollstuhlfahrern und Nachhilfeunterricht. Darüber hinaus gebe es gewisse Handlungsspielräume für die BA-Mitarbeiter vor Ort, teilte die Regierung mit.
”Uns erscheint die Liste als zu restriktiv gefasst“ kritisierte die Linksfraktion, die vor einer Klageflut vor den Sozialgerichten warnte. Die SPD bezweifelte, ”dass die vom Gericht geforderte Individualisierung mit diesen Punkten ausreichend berücksichtigt wurde“. Viele Wechselfälle des Lebens seien nicht erfasst, etwa wenn ein Hartz-IV-Empfänger, der auf eine Gehhilfe angewiesen sei, seinen Haushalt nicht mehr selbst in Ordnung halten könne. Bündnis 90/Die Grünen forderten eine ”Gesetzesänderung mit einer allgemeinen Öffnungsklausel“ für Härtefälle, die durch Durchführungshinweise und Geschäftsanweisungen ergänzt werden könne. Die Fraktion sah ”Probleme bei dem, was ausgeschlossen ist“ und verwies auf den Sonderfall, dass jemand Übergrößen bei Kleidung benötige. Die Bundesregierung rechtfertigte das zügige Verfahren damit, dass das Bundesverfassungsgericht die ”Anordnung“ erlassen habe, die Härtefälle ”sofort“ zu regeln und die BA-Beschäftigten und die Betroffenen vor Ort dringend Klarheit bräuchten. Da die Regelung nur mit einem zustimmungspflichtigen Gesetz realisiert werden könne, ginge das nur im Rahmen des Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes, ”ein anderes haben wir nicht laufen derzeit“. Es wäre schon ”ein interessanter Fall“, wenn das Parlament sich dem entgegenstellen würde, sagte der Regierungsvertreter. Die Unionsfraktion betonte, dass jetzt ”eine schnelle Lösung“ gebraucht werde vor allem auch ”in Verantwortung für alle BA-Beschäftigten und Betroffene“ und hält die Vorgehensweise für richtig. Die FDP sah dies genau so. Ein von Bündnis 90/Die Grünen gestellter Antrag, der Ausschuss solle sich kommende Woche in einer Selbstbefassung gesondert mit dem Änderungsantrag zum Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz befassen und Experten hinzuziehen, wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt, Grüne, SPD und Linke stimmten zu.
Quelle: Pressemitteilung vom 24.02.2010
Deutscher Bundestag
Parlamentskorrespondenz, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Tel.: +49 30 227-35642, Fax +49 30 227-36191
www.bundestag.de e-mail: vorzimmer.puk2@bundestag.de
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Berlin: (hib/ELA/LEU) Die Arbeitsmarktexperten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke kritisieren massiv die Vorgehensweise der Bundesregierung und der Regierungsfraktionen, die die gesetzlichen Regelungen zu Härtefällen bei Hartz IV schon in der nächsten Woche im Bundestag zur Abstimmung stellen wollen. Wie die Bundesregierung am Mittwochvormittag im Ausschuss für Arbeit und Soziales erläuterte, sollen die Regelungen gesetzestechnisch gesehen an das Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz (17/507 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/005/1700507.pdf ) angehängt werden, das zur zweiten und dritten Lesung für den 5. März vorgesehen ist. ”Das Verfahren, wie es jetzt geht, ist so nicht in Ordnung“, hieß es aus den Reihen der SPD-Fraktion, die die Rechte des Arbeits- und Sozialausschusses ”in eklatanter Weise verletzt“ sieht. Zum einen kritisierten die Sozialdemokraten, dass durch die Vorgehensweise der Haushaltsausschuss federführend zuständig sei und zum anderen nicht genügend Zeit zur Beratung der von der Bundesregierung definierten Härtefälle bleibe. Grüne und Linksfraktion schlossen sich diese Kritik an und forderten, den Rat von Experten einzuholen.
Hintergrund der Debatte ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen vom 9. Februar, in dem die Richter entschieden hatten, dass Hilfebedürftige ab sofort in sogenannten Härtefällen besondere laufende Bedarfe geltend machen dürften. Wie der Vertreter der Bundesregierung im Ausschuss erläuterte, habe das Bundesarbeitsministerium in Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Geschäftsanweisung formuliert, in der vier Härtefälle definiert seien. Dabei gehe es um Kosten, die im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht entstehen, Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente, Kosten für Haushaltshilfen von Rollstuhlfahrern und Nachhilfeunterricht. Darüber hinaus gebe es gewisse Handlungsspielräume für die BA-Mitarbeiter vor Ort, teilte die Regierung mit.
”Uns erscheint die Liste als zu restriktiv gefasst“ kritisierte die Linksfraktion, die vor einer Klageflut vor den Sozialgerichten warnte. Die SPD bezweifelte, ”dass die vom Gericht geforderte Individualisierung mit diesen Punkten ausreichend berücksichtigt wurde“. Viele Wechselfälle des Lebens seien nicht erfasst, etwa wenn ein Hartz-IV-Empfänger, der auf eine Gehhilfe angewiesen sei, seinen Haushalt nicht mehr selbst in Ordnung halten könne. Bündnis 90/Die Grünen forderten eine ”Gesetzesänderung mit einer allgemeinen Öffnungsklausel“ für Härtefälle, die durch Durchführungshinweise und Geschäftsanweisungen ergänzt werden könne. Die Fraktion sah ”Probleme bei dem, was ausgeschlossen ist“ und verwies auf den Sonderfall, dass jemand Übergrößen bei Kleidung benötige. Die Bundesregierung rechtfertigte das zügige Verfahren damit, dass das Bundesverfassungsgericht die ”Anordnung“ erlassen habe, die Härtefälle ”sofort“ zu regeln und die BA-Beschäftigten und die Betroffenen vor Ort dringend Klarheit bräuchten. Da die Regelung nur mit einem zustimmungspflichtigen Gesetz realisiert werden könne, ginge das nur im Rahmen des Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes, ”ein anderes haben wir nicht laufen derzeit“. Es wäre schon ”ein interessanter Fall“, wenn das Parlament sich dem entgegenstellen würde, sagte der Regierungsvertreter. Die Unionsfraktion betonte, dass jetzt ”eine schnelle Lösung“ gebraucht werde vor allem auch ”in Verantwortung für alle BA-Beschäftigten und Betroffene“ und hält die Vorgehensweise für richtig. Die FDP sah dies genau so. Ein von Bündnis 90/Die Grünen gestellter Antrag, der Ausschuss solle sich kommende Woche in einer Selbstbefassung gesondert mit dem Änderungsantrag zum Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz befassen und Experten hinzuziehen, wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt, Grüne, SPD und Linke stimmten zu.
Quelle: Pressemitteilung vom 24.02.2010
Deutscher Bundestag
Parlamentskorrespondenz, PuK 2
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Gesundheitliche Chancengleichheit beginnt in der Kindheit
Gesundheitliche Chancengleichheit beginnt in der Kindheit
DBfK begrüßt Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) begrüßt das Urteil des Bundes-verfassungsgerichtes zur Neuordnung der Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kin-der. Diese sind nach Auffassung des Gerichtes verfassungswidrig berechnet und müssen neu kalkuliert werden. „Die Kinder leiden unter der willkürlichen Verfahrenspraxis“ stellt Andrea Weskamm, Leiterin des Kompetenzzentrums Familiengesundheitspflege des DBfK fest. „Es gibt einen blinden Fleck in der Diskussion: Der Zusammenhang zwischen der sozialen Lage in der Kindheit und der Chance auf ein gesundes Erwachsen- und Älter werden wird schlichtweg ignoriert“. Laut Gutachten des Sachverständigenrates zur Be-gutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) 2009 sind 15-20% der Kinder und Jugendlichen von relativer Armut mit allen daraus folgenden Schwierigkeiten und Defiziten der Teilhabe betroffen. Gerade in dieser Lebensphase jedoch werden die zentra-len Weichen für die Entwicklung der physischen und psychischen Gesundheit gestellt. Dabei sind falsche Essgewohnheiten, Drogenmissbrauch und mangelnde Bewegung nur einige Faktoren, die Auswirkungen auf die Gesundheit haben und z.B. zu Herz-Kreislauferkrankungen und Stoffwechselstörungen führen können. „Die derzeit geltende Berechnungspraxis der Hartz-IV-Sätze begünstigt Kinderarmut; diese wiederum verur-sacht erhebliche Entwicklungsdefizite und Gesundheitsstörungen für Kinder und Jugendli-che“ so Weskamm. Laut SVR 2009 wird so die Wahrscheinlichkeit für chronische Krank-heit, Behinderung und vorzeitigen Tod erhöht.
Neben der Sicherung der wirtschaftlichen Basis von Familien mit Kindern gilt es präventi-ve und zugehende Unterstützungsangebote zu entwickeln um so die gesundheitliche Chancengleichheit zu erhöhen. Hier setzt sich der DBfK für die Verankerung des Konzep-tes der Familiengesundheitspflege ein: Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Ansatz zur Stärkung der Gesundheit der Bevölkerung sieht die Etablierung familien- und gesundheitsorientierter gemeindenaher Dienstleistungsangebote vor. Durch Hausbesuche soll vor allem sozial und wirtschaftlich benachteiligten Familien der Zugang zu Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens erleichtert werden.
Dazu werden Pflegefachkräfte und Hebammen zu Familiengesundheitspflegerinnen und –hebammen qualifiziert. Die Fallbeispiele der praktisch Tätigen belegen, dass die gezielte Förderung von Familien in prekärer Situation eine deutliche Verbesserung der Lebens-qualität aller Familienmitglieder bewirkt.
Informationen beim Kompetenzzentrum Familiengesundheitspflege des DBfK unter http://www.familiengesundheitspflege.de
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.V.
Salzufer 6, 10587 Berlin
Tel.: 030-2191570
Fax: 030-21915777
dbfk@dbfk.de
http://www.dbfk.de
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist die berufliche Interessenvertretung der Gesundheits- und Krankenpflege, der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Der DBfK ist deutsches Mitglied im International Council of Nurses (ICN) und Gründungs-mitglied des Deutschen Pflegerates (DPR). Mehr Informationen über den Verband und seine internationalen und nationalen Netzwerke können Sie auf der Homepage www.dbfk.de nachlesen. Falls Sie Interviewwünsche haben oder noch mehr Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte per E-Mail an presse@dbfk.de oder rufen Sie uns unter 030-219157-0 an.
Quelle: Pressemitteilung vom 3.3.2010
DBfK begrüßt Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) begrüßt das Urteil des Bundes-verfassungsgerichtes zur Neuordnung der Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kin-der. Diese sind nach Auffassung des Gerichtes verfassungswidrig berechnet und müssen neu kalkuliert werden. „Die Kinder leiden unter der willkürlichen Verfahrenspraxis“ stellt Andrea Weskamm, Leiterin des Kompetenzzentrums Familiengesundheitspflege des DBfK fest. „Es gibt einen blinden Fleck in der Diskussion: Der Zusammenhang zwischen der sozialen Lage in der Kindheit und der Chance auf ein gesundes Erwachsen- und Älter werden wird schlichtweg ignoriert“. Laut Gutachten des Sachverständigenrates zur Be-gutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) 2009 sind 15-20% der Kinder und Jugendlichen von relativer Armut mit allen daraus folgenden Schwierigkeiten und Defiziten der Teilhabe betroffen. Gerade in dieser Lebensphase jedoch werden die zentra-len Weichen für die Entwicklung der physischen und psychischen Gesundheit gestellt. Dabei sind falsche Essgewohnheiten, Drogenmissbrauch und mangelnde Bewegung nur einige Faktoren, die Auswirkungen auf die Gesundheit haben und z.B. zu Herz-Kreislauferkrankungen und Stoffwechselstörungen führen können. „Die derzeit geltende Berechnungspraxis der Hartz-IV-Sätze begünstigt Kinderarmut; diese wiederum verur-sacht erhebliche Entwicklungsdefizite und Gesundheitsstörungen für Kinder und Jugendli-che“ so Weskamm. Laut SVR 2009 wird so die Wahrscheinlichkeit für chronische Krank-heit, Behinderung und vorzeitigen Tod erhöht.
Neben der Sicherung der wirtschaftlichen Basis von Familien mit Kindern gilt es präventi-ve und zugehende Unterstützungsangebote zu entwickeln um so die gesundheitliche Chancengleichheit zu erhöhen. Hier setzt sich der DBfK für die Verankerung des Konzep-tes der Familiengesundheitspflege ein: Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Ansatz zur Stärkung der Gesundheit der Bevölkerung sieht die Etablierung familien- und gesundheitsorientierter gemeindenaher Dienstleistungsangebote vor. Durch Hausbesuche soll vor allem sozial und wirtschaftlich benachteiligten Familien der Zugang zu Leistungen des Gesundheits- und Sozialwesens erleichtert werden.
Dazu werden Pflegefachkräfte und Hebammen zu Familiengesundheitspflegerinnen und –hebammen qualifiziert. Die Fallbeispiele der praktisch Tätigen belegen, dass die gezielte Förderung von Familien in prekärer Situation eine deutliche Verbesserung der Lebens-qualität aller Familienmitglieder bewirkt.
Informationen beim Kompetenzzentrum Familiengesundheitspflege des DBfK unter http://www.familiengesundheitspflege.de
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e.V.
Salzufer 6, 10587 Berlin
Tel.: 030-2191570
Fax: 030-21915777
dbfk@dbfk.de
http://www.dbfk.de
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist die berufliche Interessenvertretung der Gesundheits- und Krankenpflege, der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Der DBfK ist deutsches Mitglied im International Council of Nurses (ICN) und Gründungs-mitglied des Deutschen Pflegerates (DPR). Mehr Informationen über den Verband und seine internationalen und nationalen Netzwerke können Sie auf der Homepage www.dbfk.de nachlesen. Falls Sie Interviewwünsche haben oder noch mehr Informationen benötigen, wenden Sie sich bitte per E-Mail an presse@dbfk.de oder rufen Sie uns unter 030-219157-0 an.
Quelle: Pressemitteilung vom 3.3.2010
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Hartz IV statt Geld vom Vater
Die Rheinische Post berichtete am 15.03.2010 zum Thema und griff einen interessanten Aspekt auf:
Es wurde u.a. ausgeführt, dass es nicht sein kann, dass im Zuge der Liberalisierung einer Gesellschaft die Familien zerfallen und immer mehr Väter von der Bildfläche verschwinden. Das ist eine soziale Krankheit und das müssen wir auf die Tagesordnung setzen.
Ich denke, dass auch diese Wertedebatte geführt werden muss.
G.M.
Es wurde u.a. ausgeführt, dass es nicht sein kann, dass im Zuge der Liberalisierung einer Gesellschaft die Familien zerfallen und immer mehr Väter von der Bildfläche verschwinden. Das ist eine soziale Krankheit und das müssen wir auf die Tagesordnung setzen.
Ich denke, dass auch diese Wertedebatte geführt werden muss.
G.M.
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!
Härteklausel wirkt nicht für Zeiträume vor dem 09.02.2010
BVerfG: Härteklausel wirkt nicht für Zeiträume vor dem 09.02.2010
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Das BVerfG hat in einer Entscheidung vom 24.März 2010 klargestellt, dass die Härtefallregelung nicht für Zeiten vor der Entscheidung der 1. Kammer am 09.02.2010 gelte. Dies wurde damit begründet, dass es an einer einfach gesetzlichen Grundlage mangele, dass diese erst ab dem 9.2 geschaffen wurde und das BVerfG explizit eine rückwirkende Anwendung ausgeschlossen habe. Somit hat das BVerfG eine dahingehende Entscheidung des BSG vom 18.02.2010 indirekt korrigiert. Hier nun zur BVerfG – Entscheidung: http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 39509.html
Rechtliche (Kurz-) Bewertung: Mit dieser Entscheidung ist nun endgültig klar, dass auch über Überprüfungsanträge rückwirkend nichts mehr zu erhalten ist. Jetzt können endgültig alle Überprüfungsanträge als erledigt erklärt werden, denn das BVerfG hat damit wiederholt gesagt: rückwirkend gibt es nichts.
Eine minimale Lücke hat es aber gelassen. So hat das BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung klargestellt, "Ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger nach § 73 SGB XII war offensichtlich nicht Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens, da eine Beiladung des Sozialhilfeträgers unterblieben ist, das Bundessozialgericht dies nicht als Verfahrensfehler beanstandet hat und die Beschwerdeführer insoweit keinen Verfassungsverstoß geltend machen." (Rz 7)
Damit stellt das BVerfG klar, dass für Härtefälle für Zeiten vor der BVerfG-Entscheidung vom 07.02.2010 weiterhin das Sozialamt über § 73 SGB XII zuständig ist. Insofern die Kenntnis der Notlage (im Sinne von § 18 Abs. 1 SGB XII) bei einem Leistungsträger (§ 16 Abs. 2 SGB I) vorlag, dies kann auch eine ARGE sein, kann bis zu vier Jahre rückwirkend (§ 45 Abs. 1 SGB I) nun ein Anspruch beim jetzt zuständigen Sozialamt geltend gemacht werden. Hatte kein Leistungsträger zumindest anfängliche Kenntnis, ist ein rückwirkender Anspruch nun endgültig gelaufen.
Quelle: Pressemitteilung vom 04.04.2010
Harald Thomé
Fachreferent für Arbeitslosen- und Sozialrecht
Rudolfstr. 125
42285 Wuppertal
http://www.harald-thome.de
info@harald-thome.de
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Das BVerfG hat in einer Entscheidung vom 24.März 2010 klargestellt, dass die Härtefallregelung nicht für Zeiten vor der Entscheidung der 1. Kammer am 09.02.2010 gelte. Dies wurde damit begründet, dass es an einer einfach gesetzlichen Grundlage mangele, dass diese erst ab dem 9.2 geschaffen wurde und das BVerfG explizit eine rückwirkende Anwendung ausgeschlossen habe. Somit hat das BVerfG eine dahingehende Entscheidung des BSG vom 18.02.2010 indirekt korrigiert. Hier nun zur BVerfG – Entscheidung: http://www.bundesverfassungsgericht.de/ ... 39509.html
Rechtliche (Kurz-) Bewertung: Mit dieser Entscheidung ist nun endgültig klar, dass auch über Überprüfungsanträge rückwirkend nichts mehr zu erhalten ist. Jetzt können endgültig alle Überprüfungsanträge als erledigt erklärt werden, denn das BVerfG hat damit wiederholt gesagt: rückwirkend gibt es nichts.
Eine minimale Lücke hat es aber gelassen. So hat das BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung klargestellt, "Ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger nach § 73 SGB XII war offensichtlich nicht Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens, da eine Beiladung des Sozialhilfeträgers unterblieben ist, das Bundessozialgericht dies nicht als Verfahrensfehler beanstandet hat und die Beschwerdeführer insoweit keinen Verfassungsverstoß geltend machen." (Rz 7)
Damit stellt das BVerfG klar, dass für Härtefälle für Zeiten vor der BVerfG-Entscheidung vom 07.02.2010 weiterhin das Sozialamt über § 73 SGB XII zuständig ist. Insofern die Kenntnis der Notlage (im Sinne von § 18 Abs. 1 SGB XII) bei einem Leistungsträger (§ 16 Abs. 2 SGB I) vorlag, dies kann auch eine ARGE sein, kann bis zu vier Jahre rückwirkend (§ 45 Abs. 1 SGB I) nun ein Anspruch beim jetzt zuständigen Sozialamt geltend gemacht werden. Hatte kein Leistungsträger zumindest anfängliche Kenntnis, ist ein rückwirkender Anspruch nun endgültig gelaufen.
Quelle: Pressemitteilung vom 04.04.2010
Harald Thomé
Fachreferent für Arbeitslosen- und Sozialrecht
Rudolfstr. 125
42285 Wuppertal
http://www.harald-thome.de
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Hartz IV-Härtefallregelung wird unterschiedlich bewertet
Hartz IV-Härtefallregelung wird unterschiedlich bewertet
Haushaltsausschuss/Anhörung
Berlin: (hib/HLE/JOH) Die von den Koalitionsfraktionen Union und FDP geplanten Konsequenzen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Härtefallregelungen für Hartz IV-Empfänger werden von Sachverständigen höchst unterschiedlich bewertet. In einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses am Montag zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates (17/983 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/009/1700983.pdf ) ging es vor allem um die von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsanträge zu dem Gesetzentwurf, mit denen auch das Sozialgesetzbuch und das Zukunftsinvestitionsgesetz geändert werden sollen.
Zum Urteil des Verfassungsgerichts zu Hartz IV heißt es in dem Änderungsantrag, man wolle mit der Härtefallklausel sicherstellen, dass auch in ”atypischen Bedarfslagen“ Leistungen erbracht würden. Damit solle ein zusätzlicher Anspruch auf Leistungen ”bei einem unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums“ eingeführt werden. Anwendungsfälle der Härtefallklausel könnten zum Beispiel dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen oder Putz- und Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer sein. Kein Mehrbedarf bestehe bei Praxisgebühren, Schulmaterialien und Schulverpflegung, Bekleidung und Schuhen in Übergrößen sowie Brillen, Zahnersatz oder orthopädischen Schuhen.
In seiner vor Beginn der Anhörung schriftlich verteilten Stellungnahme schreibt Klaus Lauterbach, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, der Vorschlag der Koalitionsfraktionen sei ”grundsätzlich geeignet, den Neuregelungsauftrag verfassungskonform umzusetzen“. Der Ausnahmecharakter der Regelung könne aber deutlicher formuliert werden. Die Bundesagentur für Arbeit begrüßt die wörtliche Übernahme der Tatbestandsvoraussetzungen aus dem Urteil. Dadurch werde sichergestellt, ”dass ein gesetzlicher Anspruch auf zusätzliche Leistungen erst dann entsteht, wenn ein laufender unabweisbarer atypischer Bedarf besteht, der so erheblich ist, dass er nicht aus Einsparungen oder Leistungen Dritter gedeckt ist“. Dies entspreche dem Subsidiaritätsprinzip und dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Sicherstellung des menschenwürdigen Existenzminimums.
Kritisch zu dem Vorhaben äußert sich Professor Stefan Homburg vom Institut für Öffentliche Finanzen der Universität Hannover, der auf eine Erhöhung der Regelsätze um 23 Prozent (West) und 27 Prozent (Ost) innerhalb von 5 Jahren verweist und anmerkt: ”Eine mögliche Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestände folglich darin, die gewünschten Mehrbedarfe zu berücksichtigen und gleichzeitig die Regelsätze erheblich zu senken. Ein bloßes Aufsatteln würde dem Lohnabstandsgebot zuwiderlaufen.“
Die Verwendung von Negativbeispielen wie Schulbedarf in der Gesetzesbegründung kritisiert der Direktor des Sozialgerichts Potsdam, Johannes Graf von Pfeil. Gerade bei Schulbedarf handele es sich im Sinne der Härtefalldefinition um unabweisbare und auch wiederkehrende Bedarfe, die im Regelsatz für Kinder nicht berücksichtigt seien. Von Pfeil kritisiert das Verfahren, über ein sachfremdes Gesetz das Sozialgesetzbuch zu ändern, ohne die zuständigen Ausschüsse zu beteiligen. Auch der Paritätische Gesamtverband erklärt, es dürften keine Aufwendungen von vornherein ausgeschlossen werden.
Bei den Änderungen am Zukunftsinvestitionsgesetz geht es darum, die Voraussetzungen für Finanzhilfen an die Kommunen zu ändern. Bisher müssen die Vorhaben zusätzlich sein, das heißt, ihre Finanzierung darf nicht bereits im Etat gesichert sein und die Maßnahme wäre ohne Förderung nicht durchgeführt worden. Außerdem muss die Investition zu höheren Investitionsausgaben einer Kommune insgesamt führen. Dieses zweite Kriterium soll gestrichen werden. Der Finanzwissenschaftler Jan Schnellenbach (Universität Heidelberg) bezeichnet die Änderung als ”höchst problematisch“, da die Bedingung der vorhabenbezogenen Förderung leicht umgangen werden könne. Nur ein zweites Kriterium könne solche Manöver verhindern. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, warnt, das alleine verbleibende Kriterium der vorhabenbezogenen Zusätzlichkeit könne nicht mehr sicherstellen, ”dass die Gebietskörperschaften mit ihren Investitionsausgaben eine anlässlich der Wirtschaftskrise notwendige gesamtstaatliche expansive Finanzpolitik stützen“. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sieht den ”beschäftigungspolitischen Erfolg“ des Zukunftsinvestitionsgesetzes gefährdet. Homburg kritisiert, das Kriterium der Zusätzlichkeit erzwinge einen Rückgriff auf nachrangige Maßnahmen: ”Jeder Rektor, dessen Schule mehrfach gestrichen wurde, während die Toilettenanalgen weiterhin unsaniert bleiben, kann diese Ineffizienzen aus eigener Anschauung bestätigen.“
Zum ursprünglichen Anliegen des Gesetzentwurfs, der Abschaffung des Finanzplanungsrates, meint Homburg, er würde noch einen Schritt weiter gehen und den Konjunkturrat auch abschaffen, der seit Ende der 1960er Jahre kaum noch Bedeutung habe.
Quelle: Pressemitteilung vom 19.04.2010
Deutscher Bundestag
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Haushaltsausschuss/Anhörung
Berlin: (hib/HLE/JOH) Die von den Koalitionsfraktionen Union und FDP geplanten Konsequenzen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Härtefallregelungen für Hartz IV-Empfänger werden von Sachverständigen höchst unterschiedlich bewertet. In einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses am Montag zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates (17/983 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/009/1700983.pdf ) ging es vor allem um die von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Änderungsanträge zu dem Gesetzentwurf, mit denen auch das Sozialgesetzbuch und das Zukunftsinvestitionsgesetz geändert werden sollen.
Zum Urteil des Verfassungsgerichts zu Hartz IV heißt es in dem Änderungsantrag, man wolle mit der Härtefallklausel sicherstellen, dass auch in ”atypischen Bedarfslagen“ Leistungen erbracht würden. Damit solle ein zusätzlicher Anspruch auf Leistungen ”bei einem unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen und besonderen Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums“ eingeführt werden. Anwendungsfälle der Härtefallklausel könnten zum Beispiel dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen oder Putz- und Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer sein. Kein Mehrbedarf bestehe bei Praxisgebühren, Schulmaterialien und Schulverpflegung, Bekleidung und Schuhen in Übergrößen sowie Brillen, Zahnersatz oder orthopädischen Schuhen.
In seiner vor Beginn der Anhörung schriftlich verteilten Stellungnahme schreibt Klaus Lauterbach, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, der Vorschlag der Koalitionsfraktionen sei ”grundsätzlich geeignet, den Neuregelungsauftrag verfassungskonform umzusetzen“. Der Ausnahmecharakter der Regelung könne aber deutlicher formuliert werden. Die Bundesagentur für Arbeit begrüßt die wörtliche Übernahme der Tatbestandsvoraussetzungen aus dem Urteil. Dadurch werde sichergestellt, ”dass ein gesetzlicher Anspruch auf zusätzliche Leistungen erst dann entsteht, wenn ein laufender unabweisbarer atypischer Bedarf besteht, der so erheblich ist, dass er nicht aus Einsparungen oder Leistungen Dritter gedeckt ist“. Dies entspreche dem Subsidiaritätsprinzip und dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf die Sicherstellung des menschenwürdigen Existenzminimums.
Kritisch zu dem Vorhaben äußert sich Professor Stefan Homburg vom Institut für Öffentliche Finanzen der Universität Hannover, der auf eine Erhöhung der Regelsätze um 23 Prozent (West) und 27 Prozent (Ost) innerhalb von 5 Jahren verweist und anmerkt: ”Eine mögliche Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestände folglich darin, die gewünschten Mehrbedarfe zu berücksichtigen und gleichzeitig die Regelsätze erheblich zu senken. Ein bloßes Aufsatteln würde dem Lohnabstandsgebot zuwiderlaufen.“
Die Verwendung von Negativbeispielen wie Schulbedarf in der Gesetzesbegründung kritisiert der Direktor des Sozialgerichts Potsdam, Johannes Graf von Pfeil. Gerade bei Schulbedarf handele es sich im Sinne der Härtefalldefinition um unabweisbare und auch wiederkehrende Bedarfe, die im Regelsatz für Kinder nicht berücksichtigt seien. Von Pfeil kritisiert das Verfahren, über ein sachfremdes Gesetz das Sozialgesetzbuch zu ändern, ohne die zuständigen Ausschüsse zu beteiligen. Auch der Paritätische Gesamtverband erklärt, es dürften keine Aufwendungen von vornherein ausgeschlossen werden.
Bei den Änderungen am Zukunftsinvestitionsgesetz geht es darum, die Voraussetzungen für Finanzhilfen an die Kommunen zu ändern. Bisher müssen die Vorhaben zusätzlich sein, das heißt, ihre Finanzierung darf nicht bereits im Etat gesichert sein und die Maßnahme wäre ohne Förderung nicht durchgeführt worden. Außerdem muss die Investition zu höheren Investitionsausgaben einer Kommune insgesamt führen. Dieses zweite Kriterium soll gestrichen werden. Der Finanzwissenschaftler Jan Schnellenbach (Universität Heidelberg) bezeichnet die Änderung als ”höchst problematisch“, da die Bedingung der vorhabenbezogenen Förderung leicht umgangen werden könne. Nur ein zweites Kriterium könne solche Manöver verhindern. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, warnt, das alleine verbleibende Kriterium der vorhabenbezogenen Zusätzlichkeit könne nicht mehr sicherstellen, ”dass die Gebietskörperschaften mit ihren Investitionsausgaben eine anlässlich der Wirtschaftskrise notwendige gesamtstaatliche expansive Finanzpolitik stützen“. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sieht den ”beschäftigungspolitischen Erfolg“ des Zukunftsinvestitionsgesetzes gefährdet. Homburg kritisiert, das Kriterium der Zusätzlichkeit erzwinge einen Rückgriff auf nachrangige Maßnahmen: ”Jeder Rektor, dessen Schule mehrfach gestrichen wurde, während die Toilettenanalgen weiterhin unsaniert bleiben, kann diese Ineffizienzen aus eigener Anschauung bestätigen.“
Zum ursprünglichen Anliegen des Gesetzentwurfs, der Abschaffung des Finanzplanungsrates, meint Homburg, er würde noch einen Schritt weiter gehen und den Konjunkturrat auch abschaffen, der seit Ende der 1960er Jahre kaum noch Bedeutung habe.
Quelle: Pressemitteilung vom 19.04.2010
Deutscher Bundestag
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