Kaarst - Eine Woche lang Ärztenotstand

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Kaarst - Eine Woche lang Ärztenotstand

Beitrag von Presse » 14.03.2007, 18:11

Kaarst - Eine Woche lang Ärztenotstand

VON CHRISTOPH PÜTZ

Kaarst Wer vor hatte, sich in der Woche vom 19. bis 23. März einen Termin bei einer der 36 Kaarster Arztpraxen geben zu lassen, sollte sich schnell etwas anderes einfallen lassen. Der Grund: 22 dieser Praxen haben die ganze Woche geschlossen - um ihren Protest gegen die Gesundheitsreformgesetze zu unterstreichen.

Dr. Winfried Kluth, Vorsitzender des Ärztenetz Kaarst e.V., erläutert: „Schon jetzt finden sich für Arztpraxen in Kaarst keine Nachfolger mehr. Vor gar nicht langer Zeit hatten wir noch 42 Arztpraxen - davon haben drei Ärzte die Praxis geschlossen und keinen Nachfolger gefunden - und drei weitere Ärzte sind abgewandert.“ Das Zelt auf dem Rathausplatz solle den Bürgern vor Augen führen, was sie in Zukunft im Gesundheitswesen erwartet.

Was die Kranken in der Woche des Ärzteprotestes erwartet, sieht so aus: Auf dem Rathausplatz wird ein fünf mal sechs Meter großes Zelt aufgeschlagen. Für die Wartenden stehen Klappstühle bereit - mit Polstern versehen, um ein Minimum an Bequemlichkeit zu garantieren. Wer aber kommt, um ein Routinerezept zu erfragen oder eine Krankheit hat, die nicht unbedingt sofort behandelt werden muss, braucht gar nicht erst auf den gepolsterten Klappstühlen Platz zunehmen.

Denn in dem Zelt werden nur Notfallpatienten vsorgt - und das mit minimalistischen Mitteln: Zwei Versorgungsliegen sind aufgebaut, EKG-Geräte oder andere elektronische Diagnoseapparaturen gibt es nicht. Selbst die Patientendaten müssen per Hand übertragen werden. Drei Arzthelferinnen gehen den zwei Notdienst schiebenden Ärzten dabei zur Hand. „Aus rechtlichen Gründen hat in Kaarst während der Protestwoche eine chirurgische Praxis und ein Augenarzt geöffnet“, erläutert Dr. Kluth.

Seit rund einer Woche hängt in den Praxen ein Infoblatt aus, das die Patienten auf die Praxisschließung aufmerksam macht. „Die Kollegen haben außerdem ihren Patienten gesagt, dass wir eine Woche lang die Praxen geschlossen haben“, fügt Dr. Kluth hinzu.

Der 61-jährige Kaarster Arzt erläutert: „Wir Ärzte wissen, dass wir mit diesem Protest die gesetzlichen Vorgaben nicht mehr ändern können. Wir können aber ein Bewusstsein bei den Patienten schaffen für das, was auf sie in den kommenden Jahren im Gesundheitswesen zukommt.“ Immer weniger Praxen, die für ein immer größeres Gebiet zuständig sind - „solche Verhältnisse gibt es jetzt schon teilweise in Ostdeutschland und in Niederbayern, wo die Patienten 20 Kilometer bis zur nächsten Praxis fahren müssen.“ Dass die Kaarster Patienten sauer werden könnten, weil die Protestaktion sich über eine ganze Arbeitswoche hinzieht, glaubt Kluth nicht.

Der Termin Mitte bis Ende März ist übrigens kein Zufall: „Das Quartal geht zu Ende, und wir verdienen in diesen Wochen sowieso nichts mehr, da unsere Budgets schon ausgeschöpft sind“, sagt Dr. Winfried Kluth.

Quelle: Bericht der Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 14.3.2007
http://www.ngz-online.de/public/article ... ten/417378

Anmerkung der Moderation:
Bei solchen Ärzteprotestveranstaltungen sind die Patienten immer die Leidtragenden - helfen wird der Protest den Ärzten ohnehin in dieser Form nichts. Möglicherweise geht es auch garnicht um Verbesserungen im Gesundheitssystem, man will nur mit Rücksicht auf das erschöpfte Budget keine Leistungen erbringen (so Dr. Kluth). Das ist schlicht eine Sauerei!
Siehe auch unter
viewtopic.php?t=3728

WernerSchell
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Praxisschließungen gefährden Patienten!

Beitrag von WernerSchell » 17.03.2007, 13:43

Die NGZ berichtete am 14.3.2007 darüber (siehe oben), dass die Ärzte in Kaarst Ende März 2007 eine Woche lang ihre Praxen schließen wollen nach dem Motto, die Arbeit am Patienten bekommen wir dann sowieso nicht mehr bezahlt. Das Budget sei erschöpft.

Dazu habe ich ein Statement abgegeben, dass die zuständige Redaktion der NGZ am 15.3.2007 in einen weiteren Bericht eingefügt hat:

Praxisschließungen gefährden Patienten!

Die Aktionen der Ärzteschaft sind nicht akzeptabel; sie sind rechtswidrige und schaden den Patienten. In einer demokratischen Gesellschaft gehört das Ringen um ein besseres Gesundheitssystem ins Parlament. Das Schließen von Arztpraxen ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu vertreten. Wenn aber über einzelne Berufsgruppen im Gesundheitswesen geredet werden muss, dann gehören auf jeden Fall die Pflegekräfte, und sogar vorrangi, mit dazu. Deren Arbeitsbedingungen bzw. Bezahlung muss im Zweifel auch verbessert werden. Vor allem sind die Pflege-Stellenpläne unzureichend; in der Heimpflege kann von einer Unterbesetzung von rd. 20% ausgegangen werden.
Dass die ärztlichen Protestaktionen Patienten in Gefahr bringen oder sogar zu deren konkreter Schädigung geeignet sind, liegt auf der Hand. Dem muss entschieden entgegen getreten werden!!


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Rob Hüser
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Ärzte lassen die Patienten im Stich!

Beitrag von Rob Hüser » 18.03.2007, 08:21

Was die Kaarster Ärzte veranstalten, ist doch eigentlich unglaublich. Sie lassen ihre Patienten im Stich, nur weil ihre Honorarvorstellungen nicht realisiert worden sind. Patienten können nichts regeln, verbessern. Sie sind meist krank, hilfebedürftig und auf Leistungen aus dem Gesundheitssystem angewiesen. Wenn nun Ärzte diese Patienten vor die Türe setzen, ist das ein rechtswidriger Zustand. M.E. sind hier Kassenärztliche Vereinigung und Landesärztekammer gefordert. Oder hackt auch im Zusammenhang mit solchen Praxisschließungen die eine Krähe der anderen kein Auge aus? Ich kann mir dies gut vorstellen! - Jetzt müssten eigentlich die Patienten auf die Straße gehen oder besser noch: ihre Wehwehchen selbst auskurieren und die Arztpraxen meiden, wo es auch nur irgendwie geht. Aber leider hält sich die Solidarität der Patienten auch in engen Grenzen.

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Ärzte lassen ihre Patienten im Stich!

Beitrag von WernerSchell » 20.03.2007, 09:27

Fundstelle in diesem Forum:
viewtopic.php?t=6227

Die Rheinische Post berichtet heute, 20.3.2007, über eine Ausweiterung von Praxisschließungen der Ärzteschaft für eine Woche. Damit soll die Gesundheitsreform verhindert werden.

Dazu habe ich der Rheinischen Post heute die nachfolgende Leserzuschrift übermittelt:

Ärzte lassen ihre Patienten im Stich!

Dass Ärzte für ihre Berufsbelange eintreten, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Streik und Schließen von Praxen sind aber weder zulässige Streitmittel noch Maßnahmen, die mit den Patienteninteressen in Einklang gebracht werden können. Durch Praxisschließungen wird die ärztliche Versorgung der Patienten sogar nachhaltig gefährdet, auch wenn behauptet wird, eine Notversorgung sei gewährleistet. Die Ärzteschaft hat die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung vertraglich übernommen und ist damit in der Pflicht zur uneingeschränkten Versorgung der Patienten. Wenn aber die Ärzteschaft meint, über die Praxisschließungen wirksam beschlossene (schlechte) Gesetze verhindern zu können, ist sie auf dem Holzweg. Der Bundespräsident soll offensichtlich veranlasst werden, das Gesetzespakekt zur Gesetzesreform nicht auszufertigen und zu verkünden. Es liegt nahe, diese Bestrebungen der Ärzteschaft als eine Art Nötigung unseres Staatsoberhauptes einzustufen.

Die Aktionen der Ärzteschaft sind daher nicht akzeptabel; sie sind rechtswidrig und schaden den Patienten. In einer demokratischen Gesellschaft gehört das Ringen um ein besseres Gesundheitssystem ins Parlament. Das Schließen von Arztpraxen ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu vertreten. Wenn aber über einzelne Berufsgruppen im Gesundheitswesen geredet werden muss, dann gehören auf jeden Fall die Pflegekräfte, und sogar vorrangig, mit dazu. Deren Arbeitsbedingungen bzw. Bezahlung muss im Zweifel auch verbessert werden. Dass die ärztlichen Protestaktionen Patienten in Gefahr bringen oder sogar zu deren konkreter Schädigung geeignet sind, liegt auf der Hand. Dem muss entschieden entgegen getreten werden!

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Ärzte lassen ihre Patienten im Stich!

Beitrag von WernerSchell » 21.03.2007, 18:19

Der an die Rheinische Post gerichtete Leserbrief wurde bis heute nicht abgedruckt. Allerdings berichtete die NGZ erneut im Lokalteil Kaarst über das sog. Behelfszelt der Ärzteschaft, das man angesichts der Praxisschließungen "werbewirksam" errichtet hat. - Dazu habe ich an die Lokalredaktion folgende Zuschrift gerichtet:

Ärzte lassen ihre Patienten im Stich!

Dass Ärzte für ihre Berufsbelange eintreten, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Schließen von Praxen sind aber weder zulässige Streitmittel noch Maßnahmen, die mit den Patienteninteressen in Einklang gebracht werden können. Durch Praxisschließungen wird die ärztliche Versorgung der Patienten sogar nachhaltig gefährdet, auch wenn behauptet wird, eine Notversorgung sei gewährleistet. Die Ärzteschaft hat die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung vertraglich übernommen und ist damit in der Pflicht zur uneingeschränkten Versorgung der Patienten. Wenn aber die Ärzteschaft meint, über die Praxisschließungen wirksam beschlossene (schlechte) Gesetze verhindern zu können, ist sie auf dem Holzweg. Der Bundespräsident soll offensichtlich veranlasst werden, das Gesetzespakekt zur Gesetzesreform nicht auszufertigen und zu verkünden. Es liegt nahe, diese Bestrebungen der Ärzteschaft als eine Art Nötigung unseres Staatsoberhauptes einzustufen. Die Aktionen der Ärzteschaft sind daher nicht akzeptabel; sie sind rechtswidrig und schaden den Patienten.

Mich verwundert, dass die Medien den Ärzten erneut eine große Plattform bieten, ihre rechtswidrigen Protestmaßnahmen der Öffentlichkeit vorzustellen. Hinweise, in konktruktiver Weise auch auf drängendere Pflegethemen einzugehen, wird leider nur nunvollkommen entsprochen. Wenn überhaupt eine Berufgruppe im Gesundheitssystem notleidend ist, dann sind es es die Pflegekräfte.


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