Keine Liberalisierung der Sterbehilfe - Juristentag !

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

Moderator: WernerSchell

Keine Liberalisierung der Sterbehilfe - Juristentag !

Beitrag von » 19.09.2006, 07:07

Appell an Juristentag: Keine Liberalisierung der Sterbehilfe
Montag, 18. September 2006

Stuttgart – Ab Dienstag beraten mehr als 3.000 Juristen in Stuttgart beim 66. Deutschen Juristentag (DJT) auch über konkrete rechtliche Regelungen zu Sterbehilfe und medizinischen Entscheidungen am Lebensende. Grundlage ist ein Gutachten des Bonner Rechtswissenschaftlers Torsten Verrel.

Im Vorfeld der Tagung erteilten die evangelische Kirche und die Deutsche Hospiz Stiftung am Montag allen Bemühungen um eine Liberalisierung des Sterbehilfeverbots in Deutschland eine Absage. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) warnte in Hannover davor, Tötung auf Verlangen sowie die organisierte Beihilfe zum Suizid zuzulassen. „Wir dürfen keine Lizenz zum Töten erteilen“, sagte der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Christoph Kähler.

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Zypries und Hoppe lehnen Strafrechtsreform zu Sterbehilfe ab

Beitrag von » 20.09.2006, 07:00

Zypries und Hoppe lehnen Strafrechtsreform zu Sterbehilfe ab
Dienstag, 19. September 2006

Jörg-Dietrich Hoppe: Nach wie vor muss im Einzelfall entschieden werden

Osnabrück - Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Ärztepräsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe lehnen eine von Experten geforderte Reform des Strafrechts für bestimmte Fälle von Sterbehilfe ab. „Ich sehe hier keinen Klarstellungsbedarf“, sagte Zypries der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Dienstag. Dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten werde im Strafrecht bereits besonders Rechung getragen. „Hat er klar zu erkennen gegeben, dass er eine Heilbehandlung nicht will, muss der Arzt sie unterlassen“, sagte die Ministerin. Andernfalls drohe dem Mediziner, sich wegen Körperverletzung strafbar zu machen.

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BÄK

Strafrecht bei Sterbehilfe nicht liberalisieren

Beitrag von BÄK » 20.09.2006, 07:03

Hoppe:
Strafrecht bei Sterbehilfe nicht liberalisieren

Gegen eine Liberalisierung des Strafrechts bei der Sterbehilfe hat sich Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe gewandt. 'Das hilft uns nicht weiter', sagte Hoppe in einem Interview mit der 'Neuen Osnabrücker Zeitung' (19.09.2006) zu einem entsprechenden Vorschlag von Juraprofessoren auf dem 66. Deutschen Juristentag in Stuttgart. 'Bestehende Rechtsunsicherheiten lassen sich durch die vorgeschlagenen Änderungen nicht beseitigen.'Nach wie vor müsse in jedem Einzelfall entschieden werden. Die beste Lösung sei dabei eine gemeinsame Beratung der Mediziner zusammen mit den Angehörigen eines Patienten, dem Pflegepersonal und möglichst einem professionellen Ethiker.

Hoppe sprach sich zudem gegen die Überlegungen aus, die Beihilfe zur Selbsttötung in Ausnahmefällen von Strafe freizustellen. Es sei kein Unterschied zwischen der Tötung auf Verlangen und dem vorgeschlagenen ärztlich assistierten Suizid zu erkennen. "Wir möchten nicht, dass Ärzte sich an der Tötung von Menschen beteiligen - auch nicht als Gehilfen", erklärte Hoppe. Statt dessen müsste die Verbreitung der schmerzlindernden Palliativmedizin und der Hospize noch stärker unterstützt werden.

Quelle: Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 19.09.2006

Ärztliche Praxis

Juristentag diskutiert Sterbegleitung

Beitrag von Ärztliche Praxis » 20.09.2006, 07:10

Juristentag diskutiert Sterbegleitung

Ärztepräsident Hoppe gegen Strafrechtsreform bei Sterbehilfe
Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe und Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) haben eine von Experten geforderte Reform des Strafrechts für Sterbehilfe-Fälle abgelehnt.


19.09.06 - „Ich sehe hier keinen Klarstellungsbedarf. Dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten wird schon heute im Strafrecht besonders Rechnung getragen“, sagte Zypries der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Habe der Patient „klar zu erkennen gegeben, dass er eine Heilbehandlung nicht will, muss der Arzt sie unterlassen“.

Anderenfalls drohe dem Mediziner, sich wegen Körperverletzung strafbar zu machen.
Zypries wandte sich damit gegen den Vorstoß von Strafrechtlern, die passive Sterbehilfe - also den Behandlungsabbruch auf Wunsch des Patienten - künftig ausdrücklich von Strafe freistellen wollen. Die Fachleute wollen beim Juristentag in Stuttgart für ihre Linie werben.

Fachleute fordern dringend gesetzliche Regelung

Beim Deutschen Juristentag beraten von heute an knapp 3 000 Teilnehmer über Fragen aus Justiz und Rechtspolitik. Bereits zum dritten Mal befasst sich der Juristentag mit der Sterbebegleitung. Unter den Fachleuten herrscht Einigkeit, dass dringend eine gesetzliche Regelung geschaffen werden muss. Der Juristentag-Gutachter Prof. Torsten Verrel mahnt, die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Ärzten klar zu stellen. Denn im deutschen Recht existiere ein Widerspruch: Während die Beihilfe zur Selbsttötung eines Kranken straflos ist, mache sich strafbar, wer die Rettung des Sterbenden unterlässt.

Hoppe sagte dem Blatt, eine Reform helfe nicht weiter. Stattdessen solle die Verbreitung der schmerzlindernden Palliativmedizin und der Hospize noch stärker unterstützt werden. Rechtsunsicherheiten für Ärzte ließen sich durch die vorgeschlagenen Änderungen nicht beseitigen. Nach wie vor müsse im Einzelfall entschieden werden.

dpa/jb

Quelle: Zeitung "Ärztliche Praxis", 19.9.2006
http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 74.htm?n=1

Die Zeit

Juristentag: Zypries setzt sich für Sterbehifle ein

Beitrag von Die Zeit » 21.09.2006, 11:05

Juristentag: Zypries setzt sich für Sterbehifle ein

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) will den Wunsch sterbender Patienten nach einem schmerzfreien und würdigen Tod rechtlich stärken. Dafür sollen Regelungen zur Patientenverfügung ins Gesetz aufgenommen werden.

Stuttgart - Damit solle "mehr Rechtsklarheit für Patienten, Angehörige und Ärzte" geschaffen werden, sagte Zypries der "Stuttgarter Zeitung" zum Auftakt des 66. Deutschen Juristentages in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. In ihrer Ansprache vor rund 2500 Juristen verteidigte Zypries in Stuttgart überdies die betriebliche Mitbestimmung und erteilte Forderungen nach einer Schwächung der Mitspracherechte von Arbeitnehmern eine Absage.

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gegen „Automatismus“ durch Patientenverfügung

Beitrag von » 21.09.2006, 11:20

Ethiker Mieth gegen „Automatismus“ durch Patientenverfügung
Mittwoch, 20. September 2006

Tübingen - Vor einem „Automatismus“ bei der Anwendung von Patientenverfügungen hat der Tübinger Moraltheologe Dietmar Mieth gewarnt. In jedem einzelnen Fall müssten die Lebensäußerungen des nicht mehr bewussten Menschen interpretiert werden, sagte Mieth am Mittwoch in Tübingen vor dem Hintergrund des bis Donnerstag in Stuttgart stattfindenden 66. Deutschen Juristentages. Der katholische Moraltheologe widersprach damit Juristen, die einen in jeder Hinsicht unbeschränkten Geltungsbereich von Patientenverfügungen fordern.

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Heftige Debatte um Patienten-Rechte

Beitrag von Service » 21.09.2006, 13:47

Juristentag in Stuttgart
Heftige Debatte um Patienten-Rechte

Ärzte und Juristen haben sich auf dem Juristentag in Stuttgart dafür ausgesprochen, die Wirksamkeit von Patientenverfügungen rechtlich verbindlich zu machen. Anders als Bundesjustizministerin Brigitte Zypries befürwortete die Mehrheit der Experten bei der Tagung auch Klarstellungen im Strafrecht. Danach sollen sich Mediziner bei einem Behandlungsabbruch auf Patientenwunsch nicht strafbar machen.

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Quelle: tagesschau-newsletter vom 21.09.2006

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Sterbehilfe - Die Furcht vor Strafbarkeit

Beitrag von Service » 22.09.2006, 10:38

Sterbehilfe - Die Furcht vor Strafbarkeit

Von Reinhard Müller, Stuttgart

20. September 2006
Im Alter von 65 Jahren erlitt die Frau einen ersten Schlaganfall. Schon sprach- und gehbehindert, nahm sie ihrer Familie das Versprechen ab, sie im Fall einer weiteren Verschlimmerung ihres Zustands, vor allem bei Bewußtlosigkeit, nicht künstlich am Leben zu erhalten. Nach einem weiteren Schlaganfall fiel die Frau ins Koma. Sechs Jahre lag sie regungslos im Bett und magerte bis auf das Skelett ab. Die Familie berichtete dem Hausarzt vom Wunsch der Mutter, in einer solchen Lage sterben zu wollen. Doch der lehnte ab: Das sei Mord.
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Kauch u.a. / FDP Bt

Mehr Selbstbestimmung für Patienten am Lebensende

Beitrag von Kauch u.a. / FDP Bt » 22.09.2006, 11:34

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER / KAUCH:
Mehr Selbstbestimmung für Patienten am Lebensende

BERLIN. Zu den Empfehlungen des 66. Deutschen Juristentages zu Sterbehilfe und Patientenverfügungen erklärten die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER und der Sprecher für Palliativmedizin Michael KAUCH:

Die FDP begrüßt, dass der Deutsche Juristentag eine gesetzliche Regelung von Patientenverfügungen empfiehlt. Das muss begleitet werden von besseren Rahmenbedingungen für die palliativmedizinische Versorgung von Sterbenden. Die Liberalen werden im Oktober in Gespräche mit Abgeordneten anderer Fraktionen eintreten, um einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Regelung von Patientenverfügungen als Gruppenantrag zu formulieren.
Für erwägenswert halten wir die Forderung des Juristentages nach Klarstellung im Strafgesetzbuch, um den assistierten Suizid straf- und standesrechtlich explizit zu ermöglichen. Hierzu ist eine offene Debatte im Parlament erforderlich. Es ist bedauerlich, dass Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) dies bereits gestern vorschnell abgelehnt haben.
Die FDP hat bereits als einzige Fraktion einen Antrag eingebracht, Patientenrechte zu stärken. Patientenverfügungen sollen danach in jeder Krankheitsphase Geltung haben. Reichweitenbeschränkungen etwa für Wachkoma-Patienten halten wir nicht für akzeptabel. Außerdem soll das Vormundschaftsgericht dann nicht mehr eingeschaltet werden müssen, wenn Konsens zwischen Arzt und Betreuer Konsens über die Auslegung der Patientenverfügung besteht. Einen Beratungszwang für Patientenverfügungen lehnen wir wie der Juristentag ab.

Quelle: Pressemitteilung vom 21.9.2006
Dr. Christoph Steegmans
Pressesprecher und
Leiter der Pressestelle
der FDP-Bundestagsfraktion
Tel. 030/227 52388
Fax. 030/227 56778
steegmans@fdp-bundestag.de

Ärztliche Hilfe beim Suizid muss verboten bleiben

Beitrag von » 23.09.2006, 07:16

Katholiken: Ärztliche Hilfe beim Suizid muss verboten bleiben
Freitag, 22. September 2006

Bonn - Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) kritisiert den Deutschen Juristentag (DJT) für sein Votum, das strikte Verbot ärztlicher Hilfe beim Suizid aufzuheben. Eine solche Änderung des Standesrechts würde gegen das auf Heilung ausgerichtete Ethos des Arztberufes verstoßen und das Verhältnis zwischen Arzt und Patient nachhaltig belasten, erklärte das Laienkomitee am Freitag in Bonn.

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http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=25759

Juristentag will Patientenverfügungen verbindlich machen
Donnerstag, 21. September 2006
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=25744

Pat.Verf. Newsletter

Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung

Beitrag von Pat.Verf. Newsletter » 23.09.2006, 07:21

<< Kongress. Auf dem Deutschen Juristentag wird die unsichere Rechtslage kritisiert.

Ganz konkrete Signale an den Bundestag hat der 66. Deutsche Juristentag gestern mit seinen Beschlüssen zur Sterbehilfe ausgesandt. In diesem Bereich soll es laut Juristen und Medizinern endlich gesetzliche Grundlagen geben. Im Forum Strafrecht haben sie zwei Tage über „Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung“ diskutiert.

Es gehe vor allem darum, „im schwierigen Bereich zwischen Leben und Tod Entscheidungsspielräume ohne Furcht vor strafrechtlichen Konsequenzen zu schaffen“, sagte der Bonner Rechtsprofessor Torsten Verrel. Er beklagte die zunehmende Unsicherheit bei Ärzten und Betreuern, bei einem Todkranken die medizinischen Apparate abzuschalten. Kritikern hielt Verrel entgegen, dass es nicht um eine Erweiterung der Möglichkeiten der Sterbehilfe, sondern um Rechtssicherheit gehe. Für ihn gibt es zu wenige Möglichkeiten, das Sterben lassen zuzulassen.

Bedrohung durch die Justiz

Die ungewisse Rechtslage bezeichnete der frühere Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Klaus Kutzer, als „bedrückend“. Ärzte würden mit existenzvernichtenden Mitteln von der Justiz bedroht, kritisierte er. Die Folge sei, dass sie noch vorsichtiger bei der Verschreibung von Opiaten zur Schmerzlinderung seien.

Für den Münchner Anwalt Wolfgang Putz blockiert die unklare Strafrechtslage alles. „Wer Sterben lässt, könnte sich eines Tötungsdelikts schuldig machen“, kritisierte er. Für ihn ein „unerträglicher Zustand“.

Für Putz ist es ethisch unvertretbar, dass ein todkranker Patient mehrere Jahre im Bett liegen müsse und nicht sterben dürfe, bis der Bundesgerichtshof eine Entscheidung treffe. Jede ungewollte Lebensverlängerung verletze die Menschenwürde, sagt er. Er verwies darauf, dass in deutschen Heimen rund eine halbe Million Menschen künstlich ernährt werden und damit ein erheblicher Teil von ihnen am Sterben gehindert werde.

Der Münchner Arzt Gian Domenico Borasio mahnte die Juristen zur Vorsicht bei ihren Formulierungen. Wenn das Abschalten von Geräten als Tötung bezeichnet werde, auch wenn diese legal sei, betrachtet er diese Formulierung für Ärzte als Katastrophe. Seiner Ansicht nach sollte die Formulierung lauten, dass ein Arzt „aufhört, das Leben künstlich zu verlängern“. ... >>

Quelle: Süddeutsche Zeitung online vom 22.9.:

Zum Weiterlesen:
http://www.sz-online.de/nachrichten/art ... id=1274888
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<< Deutscher Juristentag ruft geteiltes Echo hervor
STUTTGART (dpa) Der 66. Deutsche Juristentag hat eine Klarstellung der gesetzlichen Regelungen für die Sterbehilfe gefordert. So sollen etwa Ärzte unter bestimmten Bedingungen straffrei bleiben, wenn sie bei Schwerstkranken lebenserhaltende Maßnahmen unterlassen, begrenzen oder beenden. Zu den Voraussetzungen für die so genannte passive Sterbehilfe zählen nach dem Beschluss von gestern in Stuttgart unter anderem der ausdrückliche Wille des Betroffenen oder eine entsprechende Patientenverfügung, für die ebenfalls rechtliche Regelungen erforderlich seien. Der Vorschlag der Juristen rief ein unterschiedliches Echo hervor. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nannte ein Gesetz für Patientenverfügungen sinnvoll. Die Patientenverfügung sei eine wichtige Orientierung für die Ärzte. "Für mich gilt der Patientenwille. Wenn ein Arzt entsprechend dem Willen eines Patienten künstliche Beatmung und Ernährung unterlässt, so lässt er dem natürlichen Sterben seinen Lauf." Dies sei keine akt
ive Sterbehilfe. Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) begrüßte den Beschluss des Juristentags. "Die Rechtsverbindlichkeit von Patientenverfügungen ist der Schlüssel zum Selbstbestimmungsrecht", teilte die Organisation mit. Kritik kam dagegen von der Deutschen Hospiz Stiftung. Strafrechtliche Änderungen würden den Betroffenen nicht weiterhelfen. >>

Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz vom 22.9. (und andere gleichlautend)

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 22.9.2006

ALfA-Newsletter

Streit um Sterbehilfe - Was darf der Mensch?

Beitrag von ALfA-Newsletter » 24.09.2006, 06:45

Kontroverse Diskussion: 66. Deutscher Juristentag fuer Gesetzgebungs-Reform bei Sterbebegleitung und Sterbehilfe

Stuttgart (ALfA). Mehr als 3.000 Juristen trafen sich vom 19. bis 21. September 2006 beim 66. Deutschen Juristentag (DJT) in Stuttgart. Dabei wurde auch ueber konkrete rechtliche Regelungen zu Sterbehilfe und medizinischen Entscheidungen am Lebensende debattiert. Im Ergebnis sehen die Mitglieder des Deutschen Juristentages (DJT) in Deutschland hierbei erheblichen Reformbedarf. Dies berichtete unter anderem das Deutsche Aerzteblatt in der Online-Ausgabe vom 21. September 2006.

Konkret sprach sich demnach der Deutsche Juristentag abschliessend am 21. September mit grosser Mehrheit fuer ein Gesetz aus, das Patientenverfuegungen fuer verbindlich erklaert. Dies bedeute, dass Behandlungsabbrueche und das Unterlassen lebenserhaltender Massnahmen auch schon vor der Sterbephase rechtlich erlaubt sein sollen. Dabei solle im Strafgesetzbuch ausdruecklich klar gestellt werden, dass sich Aerzte in solchen Faellen nicht strafbar machen. Eine Mehrheit habe zudem befuerwortet, Menschen nicht mehr zu bestrafen, wenn sie es unterlassen, einen anderen nach einem freiverantwortlichen Selbsttoetungsversuch zu retten. Auch sollen Aerzte beim Suizid eines Schwerstkranken helfen duerfen, wenn dessen Leiden nicht ausreichend gelindert werden kann und er sich freiverantwortlich dafuer entscheidet. Bislang verbiete das Standesrecht der Mediziner ausnahmslos aerztliche Beihilfe, Mediziner seien nach dem Berufsrecht auch beim Freitod zur Lebensrettung verpflichtet.

Weiters soll nach den Vorstellungen der Delegierten die Gueltigkeit einer Patientenverfuegung an bestimmte Bedingungen geknuepft werden. Sie muesse entweder schriftlich abgefasst oder etwa durch Videoaufnahme zuverlaessig dokumentiert sein und es duerften keine Anzeichen fuer aeusseren Zwang, Taeuschung oder Irrtum vorliegen. Fuer den Fall, dass keine schriftliche Verfuegung vorliege und der Patient nicht mehr aeusserungsfaehig sei, muesse sein mutmasslicher Wille gegebenenfalls durch Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ermittelt werden. Nach Ansicht der Juristen soll eine aerztliche Beratung jedoch nicht Voraussetzung fuer die Verbindlichkeit einer Patientenverfuegung sein. Die Empfehlungen des Juristentages sind nicht verbindlich, haben aber Einfluss auf die rechtspolitische Diskussion, erlaeuterte das Deutsche Aerzteblatt. Bei Redaktionsschluss waren die Beschluesse des Juristentages online leider noch nicht verfuegbar.

Grundlage fuer die Diskussion war ein Gutachten von Professor Dr. Torsten Verrel, der sich darin mit Nachdruck fuer eine umfassende Klarstellung der Faelle zulaessiger Sterbebegleitung im Strafgesetzbuch und eine Aufgabe der bisherigen Terminologie im Zusammenhang mit Sterbehilfe aussprach.

Kritik an den Beschluessen des 66. Deutschen Juristentages

Bereits im Vorfeld des Juristentages hatten sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, SPD, und BundesAerztekammerpraesident Prof. Dr. Joerg-Dietrich Hoppe gegen neue Festlegungen im Strafrecht ausgesprochen. "Ich sehe hier keinen Klarstellungsbedarf", sagte Zypries der "Neuen Osnabruecker Zeitung". Dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten werde im Strafrecht bereits besonders Rechnung getragen. Allerdings moechte sie die Verbindlichkeit von Patientenverfuegungen im Zivilrecht verankern. Eine Beschraenkung von Patientenverfuegungen auf unheilbare Krankheiten im Endstadium lehnte Zypries laut Aerzte Zeitung vom 20. September ab. Nach Meinung von Prof. Dr. Hoppe helfe eine Reform nicht weiter. Stattdessen sollte die Verbreitung der schmerzlindernden Palliativmedizin und der Hospize noch staerker unterstuetzt werden. Er plaedierte zudem fuer einen Entscheidung im Einzelfall wie bisher. Rechtsunsicherheiten fuer Aerzte liessen sich durch die vorgeschlagenen Aenderungen nicht beseitigen, so Hoppe.

Auch die Deutsche Hospiz Stiftung hat die Beschluesse des Deutschen Juristentages kritisiert. In einer Pressemitteilung vom 21. September mahnte sie, der Gesetzgeber solle sich die gefassten Beschluesse des 66. Deutschen Juristentages zur Aenderung des Strafrechts nicht zu Eigen machen. Nach Auffassung der Deutschen Hospiz Stiftung genuegen diese in weiten Teilen nicht den Anforderungen an professionelle Begleitung und gingen so an den Beduerfnissen schwerstkranker Menschen, darunter eine wachsende Zahl dementiell erkrankter Patienten, vorbei. Das verfassungsrechtlich gebotene Gleichgewicht zwischen Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Fuersorge werde aus ihrer Sicht nicht beachtet. „Wir erleben taeglich, dass alten, kranken und sterbenden Menschen eine bedarfsgerechte Versorgung vorenthalten wird“, verdeutlichte der Geschaeftsfuehrer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch. Dagegen unterstelle die Diskussion auf dem Juristentag, dass in Krankenhaeusern und Pflegeheimen nur noch „mumifizierte“ Patienten verwahrt wuerden, die von Aerzten aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung erbarmungslos uebertherapiert wuerden.

„Die Empfehlungen des Juristentages zur Strafrechtsaenderung helfen dem Gesetzgeber nicht weiter, weil sie die Wirklichkeit verzerrt widerspiegeln“, so Brysch. Zurueck bleibe der Eindruck, dass die auf dem Podium vertretenen Juristen die Autonomie der Patienten in einem starren Behandlungsverzicht erfuellt sehen. Autonomie sei aber nur dann moeglich, wenn sowohl die pflegerische als auch die medizinische Versorgung hochprofessionelle Angebote umfasst.

Weitere Informationen:

http://www.djt.de/
Deutscher Juristentag (DJT)
Dort gibt es die Thesen und weitere Infomaterial im PDF-Format

Todesnaehe im Sinne des Gesetzes
Oliver Tolmein
Anhaltspunkte: Wie wird der Deutsche Juristentag zur Sterbehilfe entscheiden?
Der 66. Deutsche Juristentag hat zum dritten Mal das Thema "Sterbehilfe" auf die Tagesordnung gesetzt. Statt um einen Rechtsanspruch auf palliativmedizinische Versorgung, geht es aber um den Rueckzug des Strafrechts.
F.A.Z., 19.09.2006, Nr. 219 / Seite 37
http://www.tolmein.de/bioethik,recht,20 ... entag.html

Streit um Sterbehilfe - Was darf der Mensch?
Kann ein Patient ueber seinen Tod verfuegen? Das hat der Deutsche Juristentag in dieser Woche diskutiert. Dabei stand die Patientenverfuegung im Mittelpunkt. Hier debattieren Justizministerin Brigitte Zypries und Paul Kirchhof ueber die Kernfragen der Ethik.
Rheinischer Merkur Nr. 38, 21.09.2006
http://www.merkur.de/2006_38_Was_darf_d ... no_cache=1

Sterbehilfe - Einschuechterung am Lebensende
In dieser Woche befasst sich der Deutsche Juristentag in Stuttgart mit Fragen der Sterbehilfe und Sterbebegleitung und beraet damit zum dritten Mal innerhalb von 20 Jahren darueber, ob auf diesem Gebiet gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.
Von Torsten Verrel
DIE WELT 21.09.06
http://www.welt.de/data/2006/09/21/1043937.html

Kaehler: Die "Sterbenden mit wirklicher Hilfe begleiten"
"Keine Lizenz zum Toeten"

Vor einer Zulassung der Toetung auf Verlangen und der organisierten Beihilfe zur Selbsttoetung hat der stellvertretende Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Christoph Kaehler, gewarnt.
PRESSEMITTEILUNG EKD 18.18.09.06
http://www.ekd.de/presse/pm182_2006_kae ... hilfe.html

Quelle: ALfA-Newsletter 35/06 vom 22.09.2006

FR

Patientenverfügungen sollen bindend werden

Beitrag von FR » 24.09.2006, 06:51

Juristentag
Patientenverfügungen sollen bindend werden

Der Deutsche Juristentag hat sich mit großer Mehrheit für ein Gesetz ausgesprochen, das Patientenverfügungen für verbindlich erklärt. Nach den am Donnerstag verabschiedeten Empfehlungen sollen Patienten verfügen können, lebensverlängernde Schritte einzustellen.
….
Weiter unter
http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland ... cnt=974365

Kommentar zur Patientenverfügung: Rückenwind
http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland ... cnt=974312

Pat.Verf. Newsletter

DIE FURCHT, SICH STRAFBAR ZU MACHEN

Beitrag von Pat.Verf. Newsletter » 25.09.2006, 07:46

Rufschädigungen, Existenzgefährdungen, Mordvorwürfe – wie wollen wir damit umgehen?

Stuttgart (ots) - Die Stuttgarter Sozialbürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch (FDP) ist massiv angegriffen worden von einem der renommiertesten Hospizvertreter, dem Palliativmediziner Prof. Christoph Student. Der Leiter des Stuttgarter Hospiz wirft ihr die „aktive Tötung eines behinderten Menschen“ vor und bezieht sich dabei auf die Wachkomapatientin Ingeborg Klein, die Ende Juni 2006 gestorben ist. Bei dieser wurde nach dreieinhalb Jahren die künstliche Ernährung in einem städtischen Altenheim eingestellt - mit Billigung von Müller-Trimbusch als Dienstvorgesetzter.

In einem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung" (Freitagausgabe) wiederholt Hospizleiter Student seine Vorwürfe. Obwohl sein Vorgesetzter, Dekan Hans-Peter Ehrlich, auf deutliche Distanz ging und durch Student einen „konstruktiven Dialog“ mit der Sozialbürgermeisterin als erheblich gestört ansieht. Obwohl darüber hinaus der Trägerverein des Stuttgarter Hospizes, die Evangelische Gesellschaft, seinem medizinischen Leiter untersagt hatte, die "nicht tragbaren" Vorwürfe und seine "absolut unpassenden" Vergleichen mit der Euthanasie der Nazis weiter öffentlich zu wiederholen.

Dem Lebensschützer aus Überzeugung droht außerdem noch eine Klage der Stuttgarter Anwältin Petra Vetter. Die Spezialistin für Patientenrecht, die den Sohn von Ingeborg Klein vertreten hat, sieht sich durch Student verleumdet und in ihrem Ruf geschädigt.

Siehe: http://www.presseportal.de/story.htx?nr ... 47327/128/

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DIE FURCHT, SICH STRAFBAR ZU MACHEN - WOVOR UNS DER JURISTENTAG 2006 BEWAHREN WILL

(Kommentar von Gita Neumann, Humanistischer Verband Deutschlands)

Müssen wir uns daran gewöhnen, dass ein gewünschtes (oder bereits erfolgtes), rechtlich und ethisch zulässiges Sterben-Lassen mit dem Vorwurf „Mord“ konfrontiert wird? Müssen wir uns mit solchen Einschüchterungsversuchen bei jedem Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen - auch wenn der Sterbeprozess noch nicht unmittelbar bevorsteht - abfinden?

Laut Beschlüssen des Deutschen Juristentags, der am vorigen Donnerstag zuende ging: nein. Laut Bundesjustiziministerin Brigitte Zypries, die keinen Klärungsbedarf sehen will: ja. Dabei ist der Mord- und Euthanasievorwurfs („Wollen Sie, dass Ihre Mutter verhungern soll?“) durchaus eine sehr häufig angewandte Waffe, die ihre Wirksamkeit meist nicht verfehlt.

Über seine praktischen Erfahrungen mit Patienten am Lebensende berichtete auf dem Juristentag in Stuttgart der Münchner Rechtsanwalt Wolfgang Putz wie folgt:
<< Im Alter von 65 Jahren erlitt die Frau einen ersten Schlaganfall. Schon sprach- und gehbehindert, nahm sie ihrer Familie das Versprechen ab, sie im Fall einer weiteren Verschlimmerung ihres Zustands, vor allem bei Bewusstlosigkeit, nicht künstlich am Leben zu erhalten. Nach einem weiteren Schlaganfall fiel die Frau ins Koma. Sechs Jahre lag sie regungslos im Bett und magerte bis auf das Skelett ab. Die Familie berichtete dem Hausarzt vom Wunsch der Mutter, in einer solchen Lage sterben zu wollen. Doch der lehnte ab: Das sei Mord.>> (Laut faz.net vom 23. 9.).

Dabei hat der Bundesgerichtshof schon vor 15 Jahren entschieden, dass der Abbruch etwa der künstlichen Ernährung straflos ist, wenn sie dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht und dadurch dem Sterben sein natürlicher, der Würde des Menschen gemäßer Lauf gelassen werde. Der frühere Richter am Bundesgerichtshof Klaus Kutzer wies darauf hin, dass nichtsdestotrotz ein beträchtlicher Teil der Ärzte und auch der Vormundschaftsrichter die Beendigung einer lebenserhaltenden Maßnahme als eine strafbare aktive Sterbehilfe, als Tötung auf Verlangen, ansehen. Fast scheint es, als habe sich an der Verunsicherung in der Praxis nichts geändert, obwohl oder gerade weil zahlreiche Ethik-Kommissionen, Entwürfe und Gutachten sich seitdem mit Interpretationen und Vorschlägen beschäftigt haben.

Dabei haben wir es durch den rasanten Fortschritt der modernen Medizin immer stärker mit Zwischenformen, chronifizierten schweren Dauerschädigungen und Behandlungsabwägungen zwischen Nutzen und Linderung einerseits und Risiko und Belastung andererseits zu tun. Diese lassen sich weniger denn je mit herkömmlichen Bewertungskriterien bewältigen. Weder mit den Tötungsdelikten des Strafgesetzbuches, noch mit der strikten ethischen Unterscheidung zwischen (erlaubter) passiver und (unzulässiger) aktive Sterbehilfe, mit der z. B. die Hospizbewegung meint, weiter über die Runden zu kommen.

Die Furcht davor, sich strafbar zu machen und womöglich die eigene berufliche Existenz zu gefährden, beeinflußt das Verhalten der Beteiligten. Es ist dem Bundesrichter a. D. Klaus Kutzer zu danken, als Referent auf dem Juristentag darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass darunter die ärztliche Schmerztherapie flächendeckend leidet. Ärzte würden mit existenzvernichtenden Mitteln von der Justiz bedroht, kritisierte er. Die Folge sei, dass sie „noch vorsichtiger“ bei der Verschreibung von Opiaten zur Schmerzlinderung seien.

Gibt es denn wirklich im Rahmen der Wertepluralität keine gemeinsame Grundlage mehr, außer der einhelligen Ansicht, dass die Palliativmedizin zu fördern ist und dass an der Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen nicht zu rütteln? Offenbar nein. Selbst die Anerkenntnis des Juristentages, dass es Extremfälle unerträglichen Leidens geben kann, in denen eine aus Notstandsgründen erfolgte aktive Tötung u. U. straflos bleiben könnte, stößt bei der Hospizbewegung auf massive Gegenwehr. Eine zunehmende Verhärtung macht schmerzlich bewusst, dass mit einem ethischen Grundkonsens in der Sterbehilfedebatte immer weniger zu rechnen ist. Auch eine – an sich begrüßenswerte - Ethik des Dialogs stößt hier an ihre Grenzen, wenn sie etwa von „Berufsethiker/innen“ unterschiedlichster Couleur instrumentalisiert wird, die eh nicht zu einem Konsens gelangen können.

Letztendlich bleibt in dieser Situation gar keine andere Wahl, als das verfassungsmäßig garantierte Grundrecht der Patientenautonomie zu bemühen. Das heißt, dass wir als Grundrechtsträger in diesem höchstsensiblen Bereich selbst Entscheidungen über unser individuelles Schicksal treffen müssen und dies nicht den „Experten“ überlassen können. Ob dies denjenigen klar ist, die gern „Mord“, "Tötung" und "aktive Sterbehilfe" als Waffen in einer ethischen Wertedebatte benutzen? Wie die eindeutige Distanzierung des evangelischen Trägervereins und des vorgesetzten Dekans von Prof. Student zeigt, ist hier der Schuss nach hinten losgegangen. (Der Hauptgrund ist wohl der, dass man es sich nicht mit einer wichtigen städtischen Repräsentantin verderben wollte). Seine Mordvorwürfe haben in diesem Fall dem bisher bundesweit sehr guten Ruf von Prof. Student selbst nachhaltig geschadet.

Wenn - im Namen des Lebensschutzes – Hospiz- und Medizinvertreter derart verbal aggressiv gegen andere vorgehen, verabschieden sie sich aus einer vernunftgeprägten und dialogfähigen Diskursgemeinschaft.
Das ist um so bedauerlicher, als dort die Stimmen einer Fürsorgeethik dringend benötigt werden - auch als Korrektiv einer vielleicht manchmal überzogenen Rechtsvorstellung von Autonomie am Lebensende.

Der Bundesjustizministerin sollte deutlich werden, dass bei einer gesetzlichen Nicht-Regelung den unteren Instanzgerichten vermehrt die kaum lösbare Aufgabe zukäme, ständig über Leben und Tod entscheiden zu müssen. Dies würde zu unerträglichen Verhältnissen führen. Um so mehr als – wie eine Studie belegt – bei den Vormundschaftsrichtern erhebliche Wissensdefizite im Hinblick auf die Zulässigkeit der Sterbehilfe zu beklagen sind (nicht wenige auch die sogenannte „aktive“ Sterbehilfe befürworten, andere wiederum jede Form von Sterbenlassen bei - noch nicht - tödlichem Verlauf für verwerflich oder strafbar halten). Aufgrund des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts zur Gesetzgebung ist hier eine unbedingte Aufforderung zum Handeln gegeben.

Straflos soll laut den Empfehlungen des Juristentages 2006 auch die Linderung von Leiden sein bei möglicherweise bestehender Gefahr, dass der Sterbeprozess des Patienten etwas verkürzt wird. Auch für die Selbsttötung müssen nach Ansicht der Juristen gesetzliche Regelungen geschaffen werden: So soll es bei ernsthaftem und freiwillensfähigem Suizidbegehren straflos sein, diesen nicht zu verhindern bzw. eine nachträgliche (medizinische) Rettung zu unterlassen. Entfallen soll insbesondere die „ausnahmslose standesrechtliche Missbilligung“ der ärztlichen Mitwirkung am Suizid eines unheilbar Kranken.
Hiergegen hat sich Bundesärztekammerpräsident Hoppe erwartungsgemäß mit aller Entschiedenheit ausgesprochen. In der Osnabrücker Zeitung vom 19.9. gab er erneut seine ethisch und rechtlich unsägliche Meinung zum Besten: Es sei kein Unterschied zwischen der Tötung auf Verlangen und dem vorgeschlagenen ärztlich assistierten Suizid zu erkennen. Man fragt sich, was daran eigentlich schlimmer ist: dass das Delikt der aktiven, direkten Tötung verharmlost oder dass die Beihilfe (für einen Arzt existenzgefährdend !) ohne strafrechtliche Grundlage verpönt wird.

Als einzige Partei hat sich die FDP positiv zu den Empfehlungen geäußert: „Für erwägenswert halten wir die Forderung des Juristentages nach Klarstellung im Strafgesetzbuch, um den assistierten Suizid straf- und standesrechtlich explizit zu ermöglichen. Hierzu ist eine offene Debatte im Parlament erforderlich. Es ist bedauerlich, dass Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) dies bereits gestern vorschnell abgelehnt haben.“ Dies erklärten die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Sprecher für Palliativmedizin Michael Kauch in einer gemeinsamen Presseerklärung. Die Debatte müsse begleitet werden „von besseren Rahmenbedingungen für die palliativmedizinische Versorgung von Sterbenden“, heißt es dort. Und dass die Liberalen einen medizinischen Beratungszwang für Patientenverfügungen, den z. B. die Deutsche Hospiz Stiftung dem Juristentag nahe bringen wollte, wie dieser selbst abl
ehnen.

Die FDP hat gleichzeitig bekannt gegeben, im Oktober in Gespräche mit Abgeordneten anderer Fraktionen eintreten zu wollen, „um einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Regelung von Patientenverfügungen als Gruppenantrag zu formulieren“. Immerhin. Vielleicht würde mit einem solchen Gesetz der Mordvorwurf bei jedem (!) Sterbenlassen im irreversiblen Wachkoma zu dem gemacht, was er heute schon ist: eine zu vernachlässigende extreme Minderheitenmeinung.

Ihre Gita Neumann

Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER, 24.9.2006

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