
Unabhängige und gemeinnützige Interessenvertretung
für hilfe- und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Harffer Straße 59 - 41469 Neuss
Pressemitteilung vom 07.12.2018
Bei der Pflege hat die Bundesrepublik Deutschland die "rote Laterne" ...
Bei Facebook hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zur aktuellen Pflegepolitik ausgeführt: "Versprochen - Wort gehalten! Wir verbessern die Arbeitsbedingungen für Altenpflegerinnen und Altenpfleger. Neu ab 01.01.2019! 13.000 neue Pflegekräfte in stationären Einrichtungen."
Dazu ergibt sich folgende Stellungnahme:
Auch wenn 13.000 neue Stellen - als "Reparaturmaßnahme" zu Lasten der Krankenversicherung - verfügbar sein sollten: Seit der letzten Bundestagswahl sind möglicherweise in gleich hoher Zahl Pflegekräfte aus dem Pflegesystem "geflüchtet". Es wird also keine merkbaren Verbesserungen in den Heimen geben! - Was erforderlich ist: Andere Arbeitsbedingungen mit deutlich verbesserten Stellenschlüsseln und höheren Vergütungen. Seit vielen Jahren wird auf solche Erfordernisse aufmerksam gemacht. Der nächste (30.) Neusser Pflegetreff am 17.04.2019 soll die gesamte Problematik nochmals aufzeigen! > viewtopic.php?f=7&t=22968
Die vom BMG angepriesenen Verbesserungen für das Pflegesystem sind im Übrigen nicht gründlich bedacht worden. Es ging offensichtlich darum, im Schnellschussverfahren zu zeigen, dass da oben jemand aktiv wird nach dem Motto: "Wir haben verstanden und lösen die Probleme" statt alle Aspekte der wiederholt aufgezeigten Handlungsanforderungen mit größter Sorgfalt zu berücksichtigen. Was dabei herausgekommen ist, muss als unvollkommen und als wenig hilfreich eingestuft werden. Daher hat es auch massive Kritik am PpSG gegeben. Es wäre besser gewesen, mit etwas mehr Ruhe und Beteiligung von unabhängigen Experten ein umfängliches Maßnahmebündel in den Blick zu nehmen, das mit Rücksicht auf alle Schwachstellen im Pflegesystem tatsächlich alsbaldige Verbesserungen in Gang bringen könnte. Dazu hat es u.a. von hier zuletzt am 06.07.2018 eine entsprechende Stellungnahme mit geeigneten Vorschlägen gegeben. Leider blieben diese Hinweise (>http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... 072018.pdf ) unberücksichtigt. Man hätte zum Beispiel mit etwas mehr Sorgfalt einen lösungsorientierten "Masterplan Pflege" präsentieren können. Jetzt kommt es zu kleinschrittigen Veränderungen, die auf absehbare Zeit wohl eher nichts verbessern können. Die Mängel und der Frust bleiben uns folglich erhalten!
In der Pflegezeitschrift "Die Schwester / Der Pfleger", Ausgabe 12/2018 (Seite 27), hat Prof. Dr. Michael Bossle ebenfalls Klartext zum Pflegenotstand geredet und u.a. ausgeführt: "… seit jeher wurde immer wieder mit dem gleichen Reflex reagiert: dem ´zu Wenig` mit Versuchen nach dem quantitativen ´Mehr` zu begegnen. Aber was ist eigentlich die Ursache für den Pflegefachkräftemangel? Neben dem demografischen Wandel sind es vor allem die seit Jahrzehnten politisch immer wieder nur halbherzig angegangenen Mängel an Attraktivität und Wertschätzung des Berufes. Im internationalen Vergleich tun die meisten Länder mehr für die Pflege. Warum hängt man sich in einem der angeblich besten Gesundheitssysteme der Welt hier die rote Laterne um?" … Bei den von Prof. Dr. Bossle gemachten Gestaltungsvorschlägen wird u.a. angemerkt: "Kommunale Versorgungsettings deutlich stärken. Es braucht mehr Alternativen zur stationären Versorgung in Seniorenheimen. Hierzu braucht es passende Rahmenbedingungen und mehr finanzielle Mittel". Genau das wurde auch von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk mit Hinweis auf die Gestaltung von kommunalen Quartiershilfen gefordert. Und dann führt Prof. Dr. Bossle (sehr zutreffend) noch aus: "Ausbildungsoffensiven in Drittländern lenken von der eigentlichen Malaise ab" (> http://michaelbossle.com/data/documents ... _26-27.pdf ).
Im Übrigen ist der Pflegebeitrag nach Auffassung der Bundesregierung langfristig kaum kalkulierbar (so heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Bundestages vom 06.12.2018 > viewtopic.php?f=4&t=22683 ). Dies lässt befürchten, dass in der Pflegepolitik der Überblick verloren gegangen ist. Es muss doch eigentlich längst deutlich geworden sein, dass aufgrund der demografischen Entwicklung mit den anwachsenden Hilfeerfordernissen Haushaltsmittel von Bund, Ländern und Kommunen eingesetzt werden müssen. Dies v.a. auch, weil dringlich die Gestaltung von kommunalen Quartiershilfen zur Gewährleistung des Grundsatzes "ambulant vor stationär" geboten ist.
Werner Schell