Am Forschungszentrum SOCIUM der Universität Bremen wird die wichtigste pflegepolitische Frage der aktuellen Legislaturperiode bearbeitet
Sie haben die europaweite Ausschreibung für eine wichtige Expertise gewonnen und damit 3,7 Millionen Euro Drittmittel eingeworben: 14 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungszentrums Ungleichheit und Sozialpolitik (SOCIUM) der Universität Bremen sollen jetzt unter der Leitung von Professor Heinz Rothgang ein fundiertes Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personals in Pflegeeinrichtungen entwickeln und erproben.

Auszubildende in Pflegeberufen leiden unter Zeitdruck - dpa Bildfunk
Die Personalausstattung von Pflegeheimen – schon immer ein Thema
Die Personalausstattung von Pflegeheimen ist unzureichend: So lautet eine Klage, die schon so alt ist wie die Pflegeversicherung selbst, also mehr als 20 Jahre. Die Personalausstattung fällt zudem im Bundesgebiet äußerst unterschiedlich aus. Ein Beispiel: In stationären Einrichtungen in Bayern wird pro Pflegebedürftigem 20 Prozent mehr Personal eingesetzt als in Sachsen-Anhalt. Bislang sind schon mehrere Versuche gescheitert, ein bundeseinheitliches Personalbemessungsverfahren einzuführen.
Im Zweiten Pflegestärkungsgesetz hat der Gesetzgeber daher die Vertragsparteien der Pflege-Selbstverwaltung verpflichtet, bis zum 30. Juni 2020 ein fundiertes Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personals in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben wissenschaftlich entwickeln und erproben zu lassen. Dazu müssen die Vertragsparteien fachlich unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen beauftragen.
Neues Pflegeverständnis in der Praxis nötig
Die Frage nach einer angemessenen Personalausstattung hat zuletzt weiter an Bedeutung gewonnen – angestoßen durch die große Pflegereform in der vergangenen Legislaturperiode. Der im Rahmen dieser Reform eingeführte „neue Pflegebedürftigkeitsbegriff“ zielt darauf ab, die Selbständigkeit der Pflegebedürftigen zu erhalten und zu fördern. Bei der Umsetzung wird es in den kommenden Jahren wichtig sein, auch ein verändertes Pflegeverständnis in der Praxis zu schaffen. Es soll sich vom bisherigen „Verrichtungsbezug“ entfernen. Mit „Verrichtungen“ sind unerlässliche Tätigkeiten des Alltags gemeint, also Essen, Trinken, Einkaufen, Kochen, Putzen usw.
Zentraler Faktor: Menge und Ausbildungsgrad des Pflegepersonals
Der zentrale Faktor für ein verändertes Pflegeverständnis ist das Pflegepersonal. Dessen Zahl und der Ausbildungsgrad der Pflegenden werden künftig im Mittelpunkt der politischen Bemühungen zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung stehen. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff muss somit zum Anlass genommen werden, die Personalausstattung zu überprüfen und an den sich verändernden Bedarf anzupassen. Dies wird das Team von Professor Rothgang in den kommenden Jahren tun.
Fragen beantworten:
Prof. Dr. Heinz Rothgang
Tel.: 0421/218-58557
E-Mail: rothgang@uni-bremen.de
Mathias Fünfstück
Tel.: 0421/218-58637
E-Mail: m.fuenfstueck@uni-bremen.de
Thomas Kalwitzki
Tel.: 0421/218-58544
E-Mail: thomas.kalwitzki@uni-bremen.de
Über das Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik (SOCIUM): Das SOCIUM ist bundesweit das einzige sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut, das Fragen von Ungleichheit, Sozialpolitik sowie deren gesellschaftliche und politische Wechselwirkungen empirisch wie theoretisch untersucht. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der fächerübergreifenden Forschung zu den sozialen, ökonomischen, politischen, kulturellen, organisatorischen, rechtlichen, historischen und sozial-medizinischen Bedingungen und Folgen sozialer Ungleichheit, staatlicher Sozialpolitik sowie deren Wechselwirkungen. Disziplinär getragen wird diese Forschung vor allem von Soziologie, Politik-, Gesundheits-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften.
Quelle: Pressemitteilung vom 18.12.2017
Kai Uwe Bohn Pressestelle
Universität Bremen
https://idw-online.de/de/news686649
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Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk setzt sich seit vielen Jahren für mehr Pflegepersonal ein und hat deshalb immer wieder auf die Notwendigkeit zur Einführung eines bundesweit geltenden Personalbemessungssystems aufmerksam gemacht. Der Pflegenotstand, der zum Handeln zwingt, wurde in einem umfangreichen Statement näher beschrieben und Hermann Gröhe, Bundesgesundheitsminister, beim Neusser Pflegetreff am 13.5.2014 übergeben > http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... se2014.pdf Die Vorschläge konnten daran anschließend am 08.7.2014 in einem ausführlichen Gespräch im Bundesgesundheitsministerium näher erläutert werden. Die dann folgenden Pflege-Reformgesetze nahmen die Vorschläge zur Gestaltung eines Personalbemessungssystems im § 113c SGB XI auf (Pflegestärkungsgesetz - PSG - II). Das Thema wurde dann erneut in Anwesenheit von Hermann Gröhe vom Pflegetreff am 21.10.2015 erörtert. Die bei dieser Veranstaltung von Werner Schell abgegebenen Statements sind in einem gesonderten Filmbeitrag (7.30 Minuten) anschaubar unter:
> https://youtu.be/qbyHRxX9ikk
Die wesentlichen Aussagen:
- Mehr Pflegepersonal - jetzt und nicht später!
- Mehr Zeit für Zuwendung und Pflege ermöglichen.
- Der im PSG II vorgesehene § 113c SGB XI, der ein Personalbemessungssystem anspricht, reicht nicht!
- Mängel müssen abgestellt werden, auch im Hinblick auf den Einsatz der Betreuungskräfte nach § 87b SGB XI
Das Thema wurde nach dem Pflegetreff am 21.10.2015 wiederholt kritisch hinterfragt und mehrfach mit Hermann Gröhe besprochen. Es wurde bei diesen Erörterungen deutlich, dass bis zur Wirksamkeit eines bundesweit geltenden Personalbemessungssystems die Ländergremien im Rahmen der insoweit fortgeltenden Regelungen (§ 75 SGB XI) für Verbesserungen der Stellenschlüssel zuständig sind. Dies schließt aber nicht aus, dass seitens des Bundes im Rahmen einer Sonderförderung zusätzlich Finanzmittel für mehr Pflegepersonal in den Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt wird. Insoweit wird die neu zu bildende Bundesregierung Initiativen ergreifen müssen. .
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Info - den sozialen Netzwerken übermittelt am 19.12.2017:
"Wieviel Personal ist für eine gute Pflege erforderlich? Am Forschungszentrum SOCIUM der Universität Bremen wird die wichtigste pflegepolitische Frage der aktuellen Legislaturperiode bearbeitet". - Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk hat sich seit vielen Jahren für ein bundesweit geltendes Personalbemessungssystem eingesetzt und begrüßt die jetzt in Gang gekommene Begutachtung der relevanten Fragen zur Personalausstattung von Pflegeeinrichtungen. Es erscheint aber dringend geboten, bis zur Gestaltung eines Personalbemessungssystem vorab Finanzmittel zur schnellen Auflösung des Pflegenotstandes zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen sind die Ländergremien für eine Verbesserung der Stellenschlüssel zuständig. Umfangreiche Informationen (mit Filmdokumentation) im Forum von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk.
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