Keine Haftung für Patienten ohne Lifter?

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

Moderator: WernerSchell

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Michaela1234
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Keine Haftung für Patienten ohne Lifter?

Beitrag von Michaela1234 » 28.07.2009, 19:07

Keine Haftung für Patienten ohne Lifter?

Hallo,
ich arbeite bei einem ambulanten Pflegedienst und pflege seit über einen Jahr ambulant eine Patientin (25 Jahre, 60 kg) welche im Wachkoma liegt und mir eigentlich schon ans Herz gewachsen ist. Diese Patientin wird 3x wöchentlich im Rolli von den Therapeuten mobilisiert. Ich komme dann ca 2-3 Std später um sie wieder ins Bett zu bringen. Dies haben wir bislang immer mit Hilfe der Angehörigen erfolgreich umgesetzt.
letztens hatte mich eine Kollegin vertreten und sie ist ihr beim Umsetzen etwas aus der Hand gerutscht. Leider nicht verwunderlich, da meine Kollegin schon seit 13 Stunden im Einsatz gewesen ist.
Nun gibt es Probleme da sich die Angehörigen bei unserer PDL mit der Begründung beschwerten, das es unzumutbar wäre eine Pflegerin nach 13 Std immer noch arbeiten zu lassen und sowas dabei rauskommt.
Nun hat unsere PDL von den Angehörigen einen Lifter beantragt. Leider kann in ihrem Zimmer kein Lifter eingebaut werden da es sich um eine Mietwohnung handelt und das Orthopädiegeschäft nach eingehender Prüfung auch festgestellt hat das auch ein mobiler Lifter keine Abhilfe schaffen kann da das Zimmer zu klein ist.
Unsere PDL hat die Leistungen daraufhin bei der Familie bis auf weiteres, sprich bis ein Lifter vorhanden ist, eingestellt da das die Versicherung im Schadenfall angeblich nicht übernimmt. Somit wird das Mädchen nicht mehr mobilisiert, die Grundpflege wird noch von uns übernommen.
Nun meine Frage: Wie sieht das nun rechtlich aus?? Das Mädchen hat doch einen gesetzlichen Anspruch auf Mobilisation oder nicht? Wie kann man hier Abhilfe schaffen und bis jetzt durften wir sie auch wieder ins Bett bringen ohne Lifter. Haben die Angehörigen nun ein Sonderkündigungsrecht?
Diese Sache beschäftigt mich schon sehr da mir das Mädchen mittlerweile schon sehr ans Herz gewachsen ist und ich sie eigentlich gerne pflege und mich auch mit den Angehörigen gut verstehe bzw. diese bei der Pflege, trotz ambulantem Pflegedienst, immer mitgeholfen haben.

Danke für eure Antwort

Sabrina Merck
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Pflegeberatung anfordern - Pflege muss gewährleistet bleiben

Beitrag von Sabrina Merck » 29.07.2009, 09:01

Pflegeberatung anfordern - Pflege muss gewährleistet bleiben

Hallo Michaela,
dass man sich unter den geschilderten Umständen um einen Lifter bemüht hat, war richtig. Wenn er nun nicht einsetzbar ist, müssen andere Lösungen gefunden werden. Vielleicht sollte die zuständige Pflegekasse gebeten werden, vor Ort eine Beratung durchzuführen. Aufgrund der Pflegereform 2008 hat jeder einen Rechtsanspruch auf Beratung. Im Rahmen einer solchen Beratung könnten alle Möglichkeiten der weiteren Versorgung erörtert werden.
Angesichts des Pflegeverhältnisses sehe ich allerdings keine Berechtigung, die Pflege komplett einzustellen. Der Pflegedienst muss m.E. - zumindest übergangsweise - eine Pflege sicher stellen, ggf. dadurch, dass zwei Pflegekräfte (vielleicht nicht kostendeckend) eingesetzt werden.
Vielleicht kann auch ein anderer Pflegedienst engagiert werden. Die pflegebedürftige Person bzw. deren Rechtsvertreter hat natürlich ein Recht auf sofortige Kündigung des Pflegevertrages, wenn niemand mehr kommt. Das wäre ein Ereignung, das man als wichtigen Grund im Sinne des Kündigungsrechtes ansehen kann.
Bitte weiter informieren. Fall interessiert!
Siehe auch die Streitsache unter
Pflegedienst ließ alzheimerkranken Patienten im Stich
viewtopic.php?t=12416
Patienten werden im Stich gelassen - Monethik statt Ethik
viewtopic.php?t=12390

MfG Sabrina
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk!
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johannes
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Beitrag von johannes » 29.07.2009, 09:25

Zunächst ist wohl beachtlich, daß ein Pflegedienst seine Mitarbeiter 13 Stunden arbeiten läßt, wo doch das Arbeitszeitgesetz nur ein Maximum von 10 Stunden zuläßt. Geklärt werden müßte natürlich, ob diese 13 Stunden reine Arbeitszeit waren, oder ob darin 3 Stunden Pause enthalten sind. Wäre letzteres der Fall, gibt es von dieser Seite her wohl keine Beanstandung.

Die Örtlichkeit ist hier sicher unbekannt. Aber m. W. sollte auch in einer Mietswohnung die Anbringung eines Deckenlifters möglich sein. Es gibt doch wohl nur die Auflage, daß bei Auszug die Mietsache im ursprünglichen Zustand hinterlassen werden muß. Über die anfallenden Kosten sollten sich die Angehörigen mit der Pflegekasse ins Benehmen setzen und den Auftrag zur Installation erst dann erteilen, wenn die Kostenzusage der Pflegekasse vorliegt.

Was gesetzliche Ansprüche generell angeht, würde ich meinen, daß Ansprüche nur dann einen Wert bekommen, wenn sie auch umgesetzt werden können. Schließlich besteht ja auch die Möglichkeit, daß sich diese Familie eine andere Wohnung nimmt, in der die gesetzlichen Ansprüche umsetzbar sind. Müssen nicht auch andere Personengruppen oftmals ihre gewohnte Umgebung verlassen, wenn sich die Rahmenbedingungen geändert haben?
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Michaela1234
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Beitrag von Michaela1234 » 29.07.2009, 09:36

Hallo Sabrina,

danke für den Hinweis.

Der Ärger kam ja so richtig erst auf als die Physio sie mobilisierte und unsere PDL mir einen Brief für die Angehörigen zusteckte indem stand das sie den Rolli/Bett Transfer mit sofortiger Wirkung einstellt. Nun war das Mädchen eben schon im Rolli und es kam niemand von uns um sie wieder ins Bett zu bringen. Sprich die Angehörigen mussten sich selbst um den Transfer kümmern bzw. jemanden geeignetes dafür finden.

Die morgentliche Grundpflege wird noch von uns übernommen, somit ist die Pflege nicht komplett eingestellt. Aber auch hier stellt sich mir die Frage warum die Angehörigen hier mithelfen dürfen!?! Wenn man das genau nimmt, ist das ja auch eine Haftungssache falls was passiert oder? Ich spare dadurch schon enorm viel Zeit, was unserem Pflegedienst ja auch wieder zugute kommt.

Die Angehörigen waren bereits bei der Pflegekasse und haben sich erkundigt. Hier teilte man denen mit das dies ein Problem zwischen den Angehörigen und dem Pflegedienst sei. So lange unser Pflegedienst nichts abrechnet was nicht wirklich geleistet wurde sehen die keinen Grund hier tätig zu werden. Den Angehörigen wurde angeboten den Transfer mit 2 Personen gesondert zu bezahlen oder den Pflegedienst zu wechseln. Leider sind die Angehörigen Rentner, das Mädchen hat zwar die Pflegestufe III aber das Geld ist eben knapp.
Ich bin nur eine Angestellte, ich liebe meinen Beruf und bin auch auf den Job angewiesen. Würde den Angehörigen aber gerne mit Rat zur Seite stehen da ich es nicht fair finde die Dienste von heute auf morgen einzustellen. Selbst wenn wir den Lifter bekommen hätten wäre dieser auch nicht in 24 Stunden da (muss ja auch erst beantragt und geliefert werden) was auch seine Zeit bedarf. Haben die Angehörigen trotzdem ein Sonderkündigungsrecht zumal beim Erstgespräch eine Begutachtung des Patienten durch unsere PDL stattgefunden hat und unter anderem dem Transfer zugestimmt wurde?!?
mfg
Michaela

Sabrina Merck
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Pflegerische Versorgung muss schnellstens geregelt werden

Beitrag von Sabrina Merck » 29.07.2009, 11:51

Hallo Michaela,

durch die teilweise unterbleibende pflegerische Versorgung ist eine neue Situation gegeben und ich bleibe bei meiner Anregung: Aus aktuellem Anlass Pflegeberatung der Pflegekasse aufgrund der neuen Situation ins Haus bitten und verlangen, dass man rät, wie hier jetzt vernünftiger Weise verfahren werden kann. Welche technischen Möglichkeiten werden gesehen usw. ?
Wenn der Pflegedienst die grundsätzlich abgesprochenen Leistungen nur noch unvollkommen durchführt, sehe ich ein Recht auf fristlose Kündigung. Der Pflegedienst begeht eine Vertragsverletzung. Wenn der Pflegedienst sich teilweise ausklinkt, kann dies als grobe Vertragsverletzung angesehen werden. Der Pflegedienst, das habe ich schon gesagt, könnte, zumindest für eine Übergangszeit, zumindest zwei Personen zur "schwierig" gewordenen Pflege schicken. Insoweit sehe ich also nicht eine Unmöglichkeit, den Pflegevertrag uneingeschränkt zu erfüllen.

MfG Sabrina
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Gaby Modig
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Pflegekassen müssen pflegerische Versorgung sichern helfen

Beitrag von Gaby Modig » 30.07.2009, 13:39

Hallo Forum
nach meiner Meinung sind die Pflegekassen, ähnlich wie die Krankenkassen nach dem SGB V, zur Sicherstellung der Pflege verpflichtet (hier SGB XI). Daher sollte auf jeden Fall die Pflegekasse "mit ins Boot geholt" werden. Sie muss sich mit darum kümmern, dass die notwendige Pflege gewährleistet werden kann. Zumindest muss sie insoweit geeignete Vorschläge machen. Daher unbedingt Pflegeberatung vor Ort einfordern! Dies wurde ja schon ausgeführt.
MfG Gaby
Pflegesystem verbessern - weg von der Minutenpflege. Mehr Pflegepersonal ist vonnöten!

moviliti-care
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Beitrag von moviliti-care » 01.08.2009, 09:56

Hallo Michaela,
wenn der Pflegedienst einen Kunden annimmt, muss er in der Lage sein, die auftretenden Pflegehandlungen adäuat zu bewältigen.
Wenn von der Übernahme an bekannt ist, das keine Transferhilfsmittel vorhanden sind, hat die Leitung darauf zu reagieren.
Hinzu kommt, das bei der Leistungsübernahme die personelle Grundlagen geschaffen sein müssen.
Das bedeutet:
- Die Mitarbeiter vor Ort müssen auf die auftretenden Situationen geschult sein - in diesem Fall Transfertechniken.
- Es muss sichergestellt sein, dass dies bei jedem Besuch passiert! Also auch wenn "Springer" da sind.
..... Ist es nicht gegeben, muss eine entsprechende Qualifizierung / Fortbildung geschehen!
Das was passiert ist, scheint vorhersehbar gewesen zu sein - da hätte die PDL früher agieren müssen.
Der Transfer mit 2 Pflegekräften wäre indiziert - würde bei entsprechender Dokumentation und Beantragung auch von der Kasse übernommen worden, um mögliche Schäden zu verhindern.
Ich weiß nun nicht, ob der Pflegedienst sich auf diese Klientel spezialisiert hat. Wenn ja: da hat das Management enorme fachliche Fehler gemacht.
Wenn nein: Werden aus monetären Gründen Pflegekräfte verheizt.
Dann wäre es besonders schlimm, da die Pflegekraft vor Ort für die Fehler der Führung haftet, wenn es zu einem Schaden kommt (Durchführungsverantwortung).
Zu der Kündigungsmöglichkeit der Angehörigen: Das ist hier gegeben, da die fachliche Leistung bedenklich bis zweifelhaft ist. Vorallem weil die Angehörigen mit der Situation, das die Kundin im Stuhl saß, "alleine" gelassen worden sind, obwohl in der Annahme des Vertrages die Leistung des Transfers angenommen wurde.
Alles Gute und nicht aufgeben :wink:
Herzlichst
Lars Dohrmann
Schlechter Pflege die Rote Karte zeigen und CHANCEN GEBEN - Infos unter www.moviliti-care.de

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