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Medikation in den Heimen - Selbstbestimmungsrechte achten

Verfasst: 11.09.2010, 07:20
von WernerSchell
Medikation in den Heimen - Selbstbestimmungsrechte achten

In einer Mailingliste wurde das o.a. Thema angesprochen. Der Schriftwechsel wird nachfolgend in Teilen vorgestellt (anonymisiert):

Frau ... schrieb u.a.:
..... Hier klappt einfach die Zusammenarbeit zwischen Pflegeheim, Arzt und Betreuer nicht richtig. Ich werde doch meist überhaupt nicht gefragt. Einige Ärzte gehen im Schnelldurchgang durch das Heim, ohne manchmal den Patienten zu Gesicht zu bekommen, so dass ich einmal einen Psychiater bitten mußte, doch auch einmal ein Gespräch mit seiner Patientin zu führen. In diesem Falle wurde alles im Schwesternzimmer abgewickelt. Der Patient kann in diesem Falle überhaupt nicht noch einmal zum Arzt kommen, um ggf. ein anderes Medikament zu erhalten. .....

Antwort:

Sehr geehrte Frau ...,

die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise ist nicht akzeptabel: Therapie ohne Aufklärung und Einwilligung (des rechtlichen Vertreters) ist, von Notfällen abgesehen, rechtswidrig. Das darf man m.E. nicht durchgehen lassen. Auch die Heim-MitarbeiterInnen müssten eigentlich wissen, wie korrekt vorzugehen ist. In Lehrveranstaltungen mache ich immer auf die vertraglichen Beziehungen und deren Umsetzung aufmerksam. Dass die Medikation auch schädliche Folgen (Nebenwirkungen) haben kann, bestätigt die vor wenigen Tagen vorgelegte PRISCUS-Liste eindrucksvoll - siehe dazu viewtopic.php?t=14576 . Rechtsvertreter sind insoweit (mit) gefordert!
Aktuell gibt es wieder einmal einen Versuch, die ärztliche Versorgung in den Heimen zu optimieren. Dazu habe ich soeben an die KV Nordrhein geschrieben und füge den Brief zur Unterrichtung an. Die möglicherweise in Gang kommenden Aktivitäten sollten genutzt werden, auch die Beziehungen zwischen Patienten / Rechtsvertretern und Therapeuten der Rechtslage anzupassen. Ich halte Kooperationsvereinbarungen zwischen Heimen und Ärzten für geboten.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - http://www.wernerschell.de

+++
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk ..... http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

An die
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein

Betr.: KV Initiative Pflegeheim - Medizinische Versorgung in Pflegeheimen - Optimierung
Bezug: Pressemitteilung der KBV vom 08.09.2010 - Quelle: viewtopic.php?p=54563#54563

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der o.a. Angelegenheit gibt es im Netz umfangreiche Informationen (Quelle siehe oben). Beim Studium dieser Texte gewinnt man den Eindruck, dass die Optimierung zunächst in Bayern stattfinden soll. Ich frage daher an, welche Initiativen in Nordrhein in Gang gekommen sind bzw. was noch veranlasst werden soll.

Ich denke, dass es dringend erforderlich ist, bezüglich der medizinischen Versorgung in den Pflegeeinrichtungen schnellstmöglich Verbesserungen in Gang zu bringen sind. Es muss nämlich zunächst weiterhin davon ausgegangen werden, dass zumindest die fachärztliche Versorgung in den Heimen "mangelhaft" ist (vgl. auch die einschlägige Studie aus 2005). Veränderungen sind insoweit leider nicht erkennbar.

Es wird allzu oft vergessen, dass es neben den unzureichenden Pflege-Rahmenbedingungen (SGB XI) auch viele Unzulänglichkeiten in der medizinischen Versorgung gibt (zuviele und falsche Medikamente - siehe z.B. PRISCUS-Liste viewtopic.php?t=14576 - unnötige Krankenhauseinweisungen usw.).

Es wäre klarzustellen, wie dieser Zustand tatsächlich und nachhaltig überwunden werden kann - und dies ohne Zeitverzögerung. Sind alle Krankenkassen mit beteiligt oder sind eventuelle verbesserte Leistungsangebote nur für bestimmte Kassenpatienten abrufbar?

Für Ihre Bemühungen vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - Dozent für Pflegerecht
http://www.wernerschell.de
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Darauf gab es die Rückmeldung eines Arztes; u.a. wie folgt:

... es finden sich ja kaum noch Fachärzte die die Heimversorgung übernehmen. Auf Wirtschaftlichkeitsaspekte willl ich gar nicht eingehen. Herr Schell verlangt - rechtlich wohl zurecht - die Zustimmung der Betreuer bei jeder neuen Medikamnetenverordnung bei Einwilligungsunfähigen. Nur wie soll dies technisch gehen. ....

Antwort:

Sehr geehrter Herr ...,

Sie können unterstellen, dass mir die verschiedenen Aspekte der Medikamentenversorgung bekannt sind. Es kann in der Tat schwierig sein, alle Beteiligten zeitgerecht "unter einen Hut" zu bekommen. Gleichwohl muss die Medikation, die ja bekanntermaßen nicht problemlos ist (siehe u.a. "PRISCUS-Liste), ohne Patienten- bzw. Vertreterentscheidung nicht korrekt stattfinden. Es darf auch darüber nachgedacht werden, ob denn überhaupt alle Medikamentenverordnungen, die es heute so gibt, notwendig sind. - So ist das nun mal. Es ist im Übrigen auch zu bedenken, dass der ins Heim kommende Arzt den Pflegekräften gegenüber nicht weisungsbefugt ist. Er verordnet nur und ordnet nicht an.
Das alles gibt mir (und anderen) Veranlassung, seit Jahren zu verlangen, dass die Heimträger mit den ins Heim kommenden Ärzten möglichst Kooperationsvereinbarungen schließen und darin die Einzelheiten der Medikation (Verordnung einschließlich Erörterung der Notwendigkeit, Genehmigung, Beschaffung, Abgabe usw.) regeln.
Ich mache in diesem Zusammenhang noch einmal auf die neue Initiative der Kassenärztlichen Vereinigungen zur medizinischen Versorgung in den Heimen aufmerksam - viewtopic.php?t=14771 - Vielleicht kann dies die Basis sein dafür, die relevanten Fragen einer Klärung zuzuführen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen könnten ja auch unter Beachtung der Rechtslage geeignete Vorschläge machen.
Möglicherweise müssen die hier angesprochenen Probleme im Rahmen der überfälligen Pflegereform angesprochen und einer Lösung zugeführt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - http://www.wernerschell.de
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

Betreuer haben dem Wohl des Betreuten gerecht zu werden

Verfasst: 11.09.2010, 08:37
von thorstein
(1) Auch die Heim-MitarbeiterInnen müssten eigentlich wissen, wie korrekt vorzugehen ist.
Dazu hätte ich auch eine rechtliche Frage. Sollte es tatsächlich Aufgabe der Pflegekräfte sein, zu überprüfen, ob Ärzte ihre Therapieänderungen mit dem Betreuer abklären? Das die Pflegekräfte wissen, wie eigentlich vorzugehen wäre, heißt ja noch nicht, dass wir auch für die Kontrolle zuständig sind. Hier wäre ich für eine eindeutige Antwort dankbar.
(2) Gleichwohl muss die Medikation, die ja bekanntermaßen nicht problemlos ist (siehe u.a. "PRISCUS-Liste), ohne Patienten- bzw. Vertreterentscheidung nicht korrekt stattfinden. Es darf auch darüber nachgedacht werden, ob denn überhaupt alle Medikamentenverordnungen, die es heute so gibt, notwendig sind.
Was lässt sich daraus schliessen? Kann man nur Betreuer werden, wenn man sich mit der Medikamenten des Betreuten auch auskennt? Muss ein Betreuer das Krankheitsbild seines Betreuten kennen? Gibt es eine Nachweispflicht, dass Betreuer sich regelmässig mit den zuständigen Ärzten über den Gesundheitszustand des Betreuten austauschen?
Oder anders gefragt: wie ist es möglich, dass sich 9 von 10 Betreuern grundsätzlich nicht für die ärztliche Versorgung interessieren also auch über Medikamentenänderungen usw. gar nicht informiert werden wollen?

Anmerkung der Moderation:
Der vollständige Text wurde leider im Zusammenhang mit der nachfolgenden Bearbeitung verändert. Der Fragesteller wird daher gebeten, den kompletten Text, wenn möglich, hier neu einzustellen.

Betreuer haben dem Wohl des Betreuten gerecht zu werden

Verfasst: 11.09.2010, 09:59
von WernerSchell
(1) Auch die Heim-MitarbeiterInnen müssten eigentlich wissen, wie korrekt vorzugehen ist.
Dazu hätte ich auch eine rechtliche Frage. Sollte es tatsächlich Aufgabe der Pflegekräfte sein, zu überprüfen, ob Ärzte ihre Therapieänderungen mit dem Betreuer abklären? Das die Pflegekräfte wissen, wie eigentlich vorzugehen wäre, heißt ja noch nicht, dass wir auch für die Kontrolle zuständig sind. Hier wäre ich für eine eindeutige Antwort dankbar.
(2) Gleichwohl muss die Medikation, die ja bekanntermaßen nicht problemlos ist (siehe u.a. "PRISCUS-Liste), ohne Patienten- bzw. Vertreterentscheidung nicht korrekt stattfinden. Es darf auch darüber nachgedacht werden, ob denn überhaupt alle Medikamentenverordnungen, die es heute so gibt, notwendig sind.
Was lässt sich daraus schliessen? Kann man nur Betreuer werden, wenn man sich mit der Medikamenten des Betreuten auch auskennt? Muss ein Betreuer das Krankheitsbild seines Betreuten kennen? Gibt es eine Nachweispflicht, dass Betreuer sich regelmässig mit den zuständigen Ärzten über den Gesundheitszustand des Betreuten austauschen?
Oder anders gefragt: wie ist es möglich, dass sich 9 von 10 Betreuern grundsätzlich nicht für die ärztliche Versorgung interessieren also auch über Medikamentenänderungen usw. gar nicht informiert werden wollen?

Guten Morgen,

ich nehme wie folgt Stellung:

(1) Es ist so, dass Pflegekräfte Weisungen nicht auf Richtigkeit überprüfen müssen. Sie können grundsätzlich auf die Korrektheit vertrauen. Allerdings, wenn sich Zweifelsfragen oder gar mutmaßliche Unrichtigkeiten ergeben, muss nachgefragt / abgeklärt werden (Remonstrationspflicht).
Von außen kommende Ärzte sind nicht weisungsberechtigt. Sie liefern ihre Verordnungen beim Heimträger ab und gehen davon aus, dass ihren Verordnungen mit Hilfe der MitarbeiterInnen nachgekommen wird. In diesem Zusammenhang ergeben sich aber möglicherweise Fragen, die nach meinen Vorstellungen im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung abgeklärt werden sollten. Daraus ergibt sich dann Näheres, auch bezüglich der Beteiligung von Rechtsvertretern.
Wenn Pflegekräfte wissen, dass diese Beteiligung nicht gewährleistet ist, müssen sie sich nach meinen Vorstellungen zurücknehmen und eine Abklärung einfordern. Es kann nicht angehen, dass Pflegekräfte im Wissen um rechtswidrige Vorgänge Medikamente einfach an Patienten / pflegebedürftige Menschen abgeben, von Notfallsituationen einmal abgesehen.

(2) Jeder Patient sollte sich darum kümmern, ob die Diagnostik und Therapie seinem Wohl entspricht. Patienten, so ist meine Meinung, sollten auch Manager ihrer eigenen Krankheit sein. Das bedeutet, dass so manches hinterfragt werden sollte. Patienten sollten auch durchaus selbständig Informationen suchen, in Literatur, Netz usw. Die Ökonomisierung des Gesundheitssystem wirft manche Fragen auf. Gerade auch bezüglich der Medikament. Meine klare Meinung: Weniger ist oft mehr (siehe dazu auch die einschlägigen Texte in diesem Forum).
Diese kritische Sicht erwarte ich auch von einem Rechtsvertreter. Betreuer sind ausdrücklich angehalten, sich bei ihrer Tätigkeit am Wohl des Betreuten zu orientieren. Dazu gehört m.E. auch, im Rahmen der gebotenen Aufklärung auch Medikationsentscheidungen zu hinterfragen und öffentlich bekannt gewordene Informationen, Studien usw. in die Erörterungen einzubeziehen. Dabei kann kann es durchaus vorkommen, dass Betreuer eine Medikation ablehnen. Nach § 1901a BGB sind die Rechtsvertreter zunächst einmal allein entscheidungsberechtigt!
Angesichts der immer wieder beschriebenen Anhäufungen von Medikationen sollten die Betreuer (und entsprechend Bevollmächtigte) viel kritischer sein und ihre rechtliche Kompetenz nutzen.
Wenn sich, wie angegeben, 9 von 10 Betreuern anders verhalten, ist das m.E. nicht in Ordnung und gehört korrigiert. Rechtsvertreter, die sich nicht kümmern, handeln pflichtwidrig und gehören eigentlich abgelöst.
All das sollte im Interesse der Patienten und pflegebedürftigen Menschen deutlicher hinterfragt bzw. ausgesprochen werden.

(3) Als Vertreter von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk nehme ich immer wieder gerne Veranlassung, darauf aufmerksam zu machen, dass die vielbeklagten Mängel in Pflegeeinrichtungen oft nicht (allein) auf Fehlleistungen der Pflegekräfte zurückzuführen sind, sondern auch in anderen Bereichen ihre Ursache haben. Dies habe ich zuletzt bei den sog. Pflegemängeln in Mönchengladbach (MG) in den Vordergrund meiner Eingaben gestellt. Meine Auffassung: Nicht immer nur auf Pflegekräfte eindreschen, sondern auch andere Verantwortlichkeiten, Ärzte, Betreuer, Bevollmächtigte, Leitungskräfte usw., hinterfragen! Die Caritas in MG hat verstanden und zwei Leitungskräfte gefeuert.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell

Verfasst: 11.09.2010, 10:38
von thorstein
Vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Um eine Pflichtverletzung zu konstatieren müßte meiner Ansicht nach auch sichergestellt werden, dass von Betreuern eine Auseinandersetzung mit medizinischen Fragen verlangt werden kann. Wenn ein Betreuer eine medizinische Leistung zum Schaden des Betreuten ablehnt, worauf kann er sich dann berufen? Dass er nach bestem Wissen und Gewissen nach einer Internetrecherche gehandelt hat? Ablehnen kann er ja immer nur gegen den ärztlichen Rat. Das finde ich etwas verwirrend, und erklärt vielleicht, warum sich die meisten Betreuer ohne weitere Hinterfragung auf die Verordnungen der Ärzte verlassen.

Betreuer muss sich an Wille & Wohl des Betreuten orienti

Verfasst: 12.09.2010, 07:05
von WernerSchell
thorstein hat geschrieben: .... Um eine Pflichtverletzung zu konstatieren, müßte meiner Ansicht nach auch sichergestellt werden, dass von Betreuern eine Auseinandersetzung mit medizinischen Fragen verlangt werden kann. Wenn ein Betreuer eine medizinische Leistung zum Schaden des Betreuten ablehnt, worauf kann er sich dann berufen? Dass er nach bestem Wissen und Gewissen nach einer Internetrecherche gehandelt hat? Ablehnen kann er ja immer nur gegen den ärztlichen Rat. Das finde ich etwas verwirrend, und erklärt vielleicht, warum sich die meisten Betreuer ohne weitere Hinterfragung auf die Verordnungen der Ärzte verlassen.
Guten Morgen,

Betreuer sind verpflichtet, ihr Handeln am Wohl bzw. Willen des Betreuten auszurichten. Dazu gehört m.E. im Zweifel, dass sie sich auch mit medizinischen Fragen auseinandersetzen und wie ein "interessierter und um Abklärung bemühter Laie" Diagnostik und Therapie hinterfragen. Die Rechtsprechung hat dazu ergänzend auch die Ärzte in der Pflicht gesehen, Patienten unter Berücksichtigung der Einzelumstände gehörig umfassend aufzuklären und alle gestellten Fragen zu beantworten.
Ich erwarte nicht, dass Betreuer sich umfassend in medizinische Lehrmeinungen einarbeiten, Studien auswerten usw. Aber Betreuer müssen sich m.E. soweit informieren, in der Regel geschieht das durch Aufklärungsgespräche, dass guten Gewissens so oder so entschieden werden kann. Der Arzt ist - verbraucherrechtlich ausgedrückt - nur Anbieter medizinischer Leistungen. Der Patient bzw. sein Rechtsvertreter entscheiden über die Annahme dieser Leistungen.
Man muss u.a. auch zur Kenntnis nehmen, dass nicht wenige Ärzte gerne und schnell zum Rezeptblock greifen und Medikamente verschreiben, die ihnen vorher irgendeine Werbung oder ein Pharmareferent als bestens geeignet beschrieben hat. Ärzte können oft die pharmakologischen Wirkungen und Nebenwirkungen, vor allem bei mehreren Medikamenten, nicht mehr gehörig einschätzen. Daher gibt es zurecht, Studien und besorgte Fachbeiträge, die vor einer solchen Medizin warnen.
Wenn Betreuer anhand solcher Erwägungen entscheiden, handeln sie korrekt. Das schließt aber nicht aus, dass es immer wieder Diskussionen über Für und Wider einer Medikation gegen wird.
Dass sich Betreuer nicht selten an einer eigenen Meinungsbildung vorbeimogeln, vereinfacht zwar die Wahrnehmung ihrer Vertretungsaufgaben, ist aber dennoch nicht zu billigen.
Abschließend folgende Anmerkung: Als Vertreter von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk bekomme ich ständig Beschwerden, die sich mit der Untätigkeit (Abtauchen) oder mutmaßlich falschen Entscheidungen von Betreuern befassen. Auch Pflegekräfte monieren immer wieder, dass sie sich um Gespräche und Entscheidungen von Betreuern bemühen, aber nicht selten keine hilfreiche Resonanz erfahren. Nach all dem rate ich mehr denn je dazu, beizeiten per Vorsorge-Vollmacht eine Person des Vertrauens zum Bevollmächtigten zu bestellen. Damit kann man weitgehend den betreuungsrechtlichen Vorschriften ausweichen.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell

Re: Betreuer muss sich an Wille & Wohl des Betreuten ori

Verfasst: 12.09.2010, 07:55
von PflegeCologne
WernerSchell hat geschrieben:.... Betreuer sind verpflichtet, ihr Handeln am Wohl bzw. Willen des Betreuten auszurichten. ..... bekomme ich ständig Beschwerden, die sich mit der Untätigkeit (Abtauchen) oder mutmaßlich falschen Entscheidungen von Betreuern befassen. Auch Pflegekräfte monieren immer wieder, dass sie sich um Gespräche und Entscheidungen von Betreuern bemühen, aber nicht selten keine hilfreiche Resonanz erfahren. Nach all dem rate ich mehr denn je dazu, beizeiten per Vorsorge-Vollmacht eine Person des Vertrauens zum Bevollmächtigten zu bestellen. Damit kann man weitgehend den betreuungsrechtlichen Vorschriften ausweichen. ....
Hallo Herr Schell / Forum,
ich kann den ausgeführten Problemen im Zusammenhang mit Betreuungen uneingeschränkt zustimmen. Ich könnte viele Geschichten erzählen, wie man sich um die notwendigen Mitwirkungen aller möglichen Leute, wie Ärzte, sonstige Therapeuten, Betreuer etc., bemühen muss. Dies, obwohl die pflegerischen Aufgaben ohnehin kaum oder nur unzureichend ausgeführt werden können. Manchmal ist man der Verzweiflung nahe.
Lb. Grüße Pflege Cologne

Betreuer & Engagement

Verfasst: 12.09.2010, 08:16
von Rauel Kombüchen
Hallo Forum,
eine gewisse "Unlust" der Betreuer, sich in medizinische Versorgungssituationen einzubringen, hat wohl auch damit zu tun, dass so manche Betreuer zuviele Fälle übertragen bekommen haben. Hinzu kommt vielleicht auch, dass die Vergütungen umfassendes Engagement nicht vernünftig abgelten.
Daher auch mein Rat, beizeiten Vorsorgevollmacht erstellen und Person des Vertrauens (aus Familie und Bekanntenkreis) zum Rechtsvertreter bestellen. Insoweit ist Engagement eher zu erwarten.
MfG Rauel

Medikation in den Heimen - Selbstbestimmungsrechte achten

Verfasst: 13.09.2010, 06:47
von WernerSchell
WernerSchell hat geschrieben:Medikation in den Heimen - Selbstbestimmungsrechte achten
In einer Mailingliste wurde das o.a. Thema angesprochen. Der Schriftwechsel wird nachfolgend in Teilen vorgestellt (anonymisiert):
Frau ... schrieb u.a.:
..... Hier klappt einfach die Zusammenarbeit zwischen Pflegeheim, Arzt und Betreuer nicht richtig. Ich werde doch meist überhaupt nicht gefragt. Einige Ärzte gehen im Schnelldurchgang durch das Heim, ohne manchmal den Patienten zu Gesicht zu bekommen, ....
Antwort:
Sehr geehrte Frau ...,
die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise ist nicht akzeptabel: Therapie ohne Aufklärung und Einwilligung (des rechtlichen Vertreters) ist, von Notfällen abgesehen, rechtswidrig. Das darf man m.E. nicht durchgehen lassen. .....
In der angesprochenen Mailingliste wurde das Thema weiter behandelt. Auf die hiesige Stellungnahme gab es u.a. folgende Rückmeldung einer Betreuerin (anonymisiert):

..... ich kann mich hier Herrn Schell nur anschließen.
Gelöst werden kann der derzeitige unzureichende Zustand doch wohl zum größten Teil dadurch, dass man einfach mehr miteinander kommuniziert. Wenn der Arzt den Betreuer nicht telefonisch errreichen sollte, gibt es immer noch die Möglichkeit des Faxes oder der Email.
Betreuer, die in Urlaub gehen, bemühen sich normalerweise um eine Vertretung bzw. sind notfalls auch im Urlaub erreichbar bzw. hören den AB ab oder lesen ihre Mails, so dass man dennoch zeitnah reagieren kann. Eine Mail ist meist schneller geschrieben, als ein Telefonat geführt.
Bei manchen Betreuten, besonders bei den privat Versicherten, habe ich auch den Eindruck, dass hier oftmals eine Überversorgung vorliegt. Das zeigt sich auch im Umfang meiner Beihilfeanträge. Wem nützt es denn, wenn beispielsweise zwar Physiotherapie verordnet wird, aber die Betreute dann anstelle der körperlichen Therapie zur Kräftigung der Muskulatur lieber ein Gespräch mit der Therapeutin führt? Für wöchentlich zwei Gespräche a 20 Minuten werden dann monatlich 684,00 EURO abgerechnet. Noch zahlen die privaten Versicherungen. Richtig finde ich es dennoch nicht. Es zeigt aber, woran das gesamte Gesundheitssystem krankt. Verordnet wird schnell, auf die individuellen Bedürfnisse des Menschen eingehen, strengt offensichtlich mehr an. Meine Erfahrung ist die, dass ein Gespräch und etwas Zuwendung oftmals mehr bewirkt als diverse Medikamente.
Was nützt der 80jährigen Patientin denn eine von einem Pflegeheim organisierte gynäkologische Vorsorgeuntersuchung, wenn sie beschwerdefrei ist? Die Aufregungen, die mit dem Arztbesuch verbunden sind, stehen doch wohl mit dem Ergebnis in keinem Verhältnis und wären auch nicht nötig.
Weiterhin gibt es das Problem der Zahnprothesen bei dementen sehr hoch betagten Patienten. Wenn die durch die Pflegekräfte nicht ordentlich fixiert werden, finde ich es einfach nur peinlich und entwürdigend, wenn das Gebiß im Mund beim Sprechen herunterklappt. Essen kann man damit ohnehin hicht.
Viele demente Patienten sehen doch das Gebiß als Fremdkörper an und wollen es entfernt haben. Weshalb dann bei einer hoch betagten dementen Dame noch einmal ein völlig neues Gebiß fertigen lassen, das dann hauptsächlich im Bett herum liegt und dann irgendwann "verschwindet"? Ähnliches habe ich mit Hörgeräten erlebt. Diese Maßnahmen- so gut gemeint sie sind - müssen doch auch angenommen und von den Beteiligten umgesetzt werden können.
Die Krönung war eine 104jährige Patientin, deren Vorsorgebevollmächtigter sie gegen ihren Willen aus ihrem Häuschen in ein Pflegeheim verbracht hat, obwohl ambulante Pflege gut möglich war. Weil sie aus Protest darüber, dass man sie nicht zu Hause belassen hat, die Nahrungsaufnahme verweigert und bekundet hat, dass sie erst wieder essen wird, wenn sie zu Hause in ihrem Bett schlafen kann, wollte man ihr eine Sonde legen. Einen Tag vor der geplanten OP ist sie sehr geschwächt verstorben.
Sicher könnten wir alle noch viel mehr Beispiele aufzählen. Herr Schell hat Recht. Hier müssen vernünftige Pflegereformen unter Einbeziehung aller Beteiligten her, insbesondere auch derer, die an der Basis praktisch mit der Pflege befaßt sind.
...

Vollmachterteilung - Person des Vertrauens auswählen

Verfasst: 13.09.2010, 09:47
von Cicero
Ich kann aus meiner Erfahrung auch bestätigen, dass die Vertretung von rechtlichen Betreuern (Berufsbetreuern) nicht immer optimal verläuft. Einmal gibt es wohl engagierte Vertreter, dann sind aber auch Personen beauftragt, die sich arg zurücknehmen und für die anstehenden Entscheidung (wie hier diskutiert) kaum verfügbar sind.
Das alles muss man wissen und dann sollte man auch den Ratschlag zur Einsetzung einens Bevollmächtigten rechtzeitig bedenken.

Cicero

Medikation in den Heimen - Selbstbestimmungsrechte achten

Verfasst: 19.09.2010, 07:23
von Rauel Kombüchen
WernerSchell hat geschrieben: .... Gelöst werden kann der derzeitige unzureichende Zustand doch wohl zum größten Teil dadurch, dass man einfach mehr miteinander kommuniziert. .... Herr Schell hat Recht. Hier müssen vernünftige Pflegereformen unter Einbeziehung aller Beteiligten her, insbesondere auch derer, die an der Basis praktisch mit der Pflege befaßt sind. ... ...
Guten Morgen,
stimme den Statements Pro Patientenselbstimmung - mehr Kommunikation - aus eigener Erfahrung zu. Rechtliche Vertreter sind offensichtlich deutlicher gefordert.
MfG Rauel

ÄRZTE müssen in der Kommunikationskette mitspielen wollen...

Verfasst: 21.09.2010, 16:07
von Justitia
...sonst wird die Wahrung des Selbstbestimmungsrechtes eines nicht einsichtsfähigen Altenheimbewohners nicht funktionieren können - egal wie sehr man sich als Betreuer oder Bevollmächtigter abstrampeln mag.

Als engagierte Bevollmächtigte kann ich leider ein trauriges Lied davon singen, wie schwierig es ist, z.B. bei Untersuchungen, bei anstehenden Medikationsänderungen, neu beginnenden Behandlungen etc. wirklich einbezogen zu werden.

So kämpfe ich hier an 2 Fronten:

Erstens: beim Pflegepersonal muss ich immer wieder betteln, dass ich bei Arzt-Visiten [die die Ärzte ja höchst selten präzise und zuverlässig terminlich vorankündigen, da man ihnen ja die Füße küssen muss, dass sie überhaupt im Heim aufkreuzen....] sofort telefonisch hinzugezogen werde, um die Diagnose/Ei[nschätzung des Arztes anhören zu können, seine Aufklärung über den Behandlungsvorschlag entgegenzunehmen, meine Fragen und Einwände mit dem Arzt diskutieren zu können und schließlich meine Einwilligung oder Nicht-Einwilligung kundtun zu können.

Zweitens: Bei den Ärzten selbst um die Bereitschaft, sich mit mir als Vertreterin des Patienten ernsthaft auseinanderzusetzen wie man es mit einsichtsfähigen "normalen" Patienten tun müsste - meist mit dem Argument: viel zu viel Aufwand, wie soll das gehen im Pflegeheim bei den "Sammel-Schnell-Visiten" im Durchmarsch-Verfahren?, keine Zeit, keine Zeit und nochmals keine Zeit.

Eine Fachärztin hat sogar einmal die Behandlung des von mir vertretenen Patienten abgelehnt, als ich sie im Nachgang zu einer (Erst-!)Visite auf das Versäumnis der Patienten-Aufklärung etc. hinwies, mit der Begründung, sie habe nun wahrlich keine Zeit, ihre (von ihr wohl als sakrosankt betrachteten) Anordnungen auch noch mit anderen als mit dem Pflegepersonal zu besprechen)........ - so viel zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts bei Medikations- und Behandlungsfragen!

Re: ÄRZTE müssen in der Kommunikationskette mitspielen wolle

Verfasst: 02.10.2010, 07:23
von Sabrina Merck
Justitia hat geschrieben:...So kämpfe ich hier an 2 Fronten:
Erstens: beim Pflegepersonal muss ich immer wieder betteln, dass ich bei Arzt-Visiten [die die Ärzte ja höchst selten präzise und zuverlässig terminlich vorankündigen, da man ihnen ja die Füße küssen muss, dass sie überhaupt im Heim aufkreuzen....] sofort telefonisch hinzugezogen werde, um die Diagnose/Ei[nschätzung des Arztes anhören zu können, seine Aufklärung über den Behandlungsvorschlag entgegenzunehmen, meine Fragen und Einwände mit dem Arzt diskutieren zu können und schließlich meine Einwilligung oder Nicht-Einwilligung kundtun zu können.
Zweitens: Bei den Ärzten selbst um die Bereitschaft, sich mit mir als Vertreterin des Patienten ernsthaft auseinanderzusetzen wie man es mit einsichtsfähigen "normalen" Patienten tun müsste - meist mit dem Argument: viel zu viel Aufwand, wie soll das gehen im Pflegeheim bei den "Sammel-Schnell-Visiten" im Durchmarsch-Verfahren?, keine Zeit, keine Zeit und nochmals keine Zeit. ...
Guten Morgen,
ich kenne die Probleme mit der ärztlichen Versorgung. Es kann oder muss aber Aufgabe eines Vertreters bleiben, Selbstbestimmungsrechte zur Geltung zu bringen. Man muss den Pflegekräften und Ärzten klar machen, dass ohne Einbeziehung des Vertreters alle Maßnahmen rechtswidrig sind (Notfälle ausgeklammert).
(1) Wenn das Pflegepersonal nur zögerlich informiert, muss man die Leitungskräfte einschalten und auf die vertraglichen Grundlagen aufmerksam machen. Ggf. sollte man darauf drängen, dass der Träger eine Dienstanweisung verfasst, in der die Aufgaben des Personals bei der ärztlichen Versorgung näher ausgeführt sind.
(2) Wenn Ärzte sich durch die Beteiligung des Rechtsvertreters "belästigt" fühlen, sollten sie als Vertragspartner ausgetauscht werden (= freie Arztwahl). Vielleicht kann man auch den Ärzten einmal klar machen, dass allein der Rechtsvertreter darüber zu befinden hat, wer die ärztliche Versorgung wahrnimmt. Arztwechsel sind jederzeit möglich. Natürlich kann man auch die Kassenärztliche Vereinigung einschalten und dadurch erreichen, dass Ärzte zur Wahrnehmung ihrer Pflichten angehalten werden. Allerdings ist bei einer KV-Einschaltung das Vertrauensverhältnis möglicherweise gestört, so dass ein Arztwechsel unausweichlich ist. Übrigens fürchten in manchen Einrichtungen Ärzte Dispute mit Pflegekräften und Rechtsvertretern (Patienten), weil sie dann schnell "weg vom Fenster sind".
Es grüßt Sabrina Merck