Versorgung Demenzkranker im Krankenhaus

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

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Versorgung Demenzkranker im Krankenhaus

Beitrag von Presse » 18.07.2007, 07:26

Verbesserung der Versorgung Demenzkranker im Krankenhaus

Schon seit vielen Jahren wächst der Anteil älterer und hochaltriger Patienten im Krankenhaus stetig. Mit dieser Entwicklung geht auch eine Zunahme der Zahl demenziell erkrankter Patienten einher, die zumeist nicht aufgrund ihrer Demenz, sondern wegen anderer Erkrankungen stationär behandelt werden. Umgebungsbedingungen und Abläufe im Krankenhaus sind jedoch auf ihre Problemlagen und Bedürfnisse kaum eingestellt. Mit dem Übergang zur DRG-basierten Krankenhausfinanzierung, die zum Teil eine erhebliche Straffung und Rationalisierung im Bereich der Ablauforganisation nach sich zieht, könnte sich diese Problematik noch weiter verschärfen.

Zur Verbesserung der Versorgungssituation führt die Gemeinnützige Gesellschaft für soziale Projekte mbH (GSP, angesiedelt beim DPWV Landesverband NRW) derzeit ein Modellprojekt in Kooperation mit vier Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen durch. Das IPW hat die wissenschaftliche Begleitung übernommen (seit Oktober 2005).

Das IPW führte von Oktober 2005 bis April 2006 eine Bestandsaufnahme der Versorgungssituation demenzkranker älterer Menschen in den beteiligten Häusern durch. Den Kern der Erhebung bildeten leitfadengestützte Befragungen von Vertretern des Pflegepersonals, der Ärzte und der Sozialarbeit/Pflegeüberleitung. Ergänzend wurden in den Krankenhäusern verfügbare Patientendaten analysiert.

Die Ergebnisse dokumentieren, dass die Krankenhäuser in vieler Hinsicht unzureichend auf die Versorgung demenzkranker Patienten vorbereitet sind. Informationslücken, die Konzentration auf somatische Gesundheitsprobleme sowie Qualifikationsdefizite tragen dazu bei, dass demenzbedingte Problem- und Bedarfslagen oftmals nicht erkannt oder falsch eingeschätzt werden. Folgen können darin bestehen, dass kognitive und funktionale Einschränkungen der Betroffenen im Verlauf des Krankenhausaufenthaltes zunehmen und sich Demenzsymptome verstärken.
Zum Abschluss des Modellvorhabens wird das IPW eine zusammenfassende Dokumentation und Einschätzung der Konzeptumsetzung vornehmen.

Laufzeit: 2005 bis 2008
Finanzierung: Siftung Wohlfahrtspflege NRW
Projektleitung: Dr. Klaus Wingenfeld
Durchführung: Thomas Kleina

Publikationen: Kleina/Wingenfeld: Die Versorgung demenzkranker älterer Menschen im Krankenhaus P07-135
http://www.ipw-bielefeld.de/fileadmin/P ... pw_135.pdf


Quelle: Mitteilung des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielfeld
http://www.ipw-bielefeld.de/index.php?id=66

Siehe auch unter
Veröffentlichungen
Projektmaterialien

Blickwechsel: Nebendiagnose Demenz im Krankenhaus - Broschüre zum Projekt
Heft 1: De Huiskamer - Wohnzimmer für ältere Menschen im Krankenhaus
Ein Modell aus den Niederlanden (PDF-Datei, Oktober 2006)
Heft 2: Versorgung demenzkranker Menschen im Krankenhaus - Stand der Forschung und Versorgungsansätze
Auszug aus dem Bericht des Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Bielefeld (PDF-Datei, März 2007)
Heft 3: Aufnahmesituation und Informationslage
Auszug aus dem Bericht des Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Bielefeld (PDF-Datei, Juni 2007)
Aufsätze
"Achtung! Patient mit Demenz, Teil 1", in: Die Schwester der Pfleger, 46. Jg. Heft 1/2007, S. 1-3 (Elke Harms und Silvia Bigalke, Allgemeines Krankenhaus Viersen).
"Achtung! Patient mit Demenz, Teil 2", in: Die Schwester der Pfleger, 46. Jg. Heft 4/2007, S. 1-3 (Elke Harms und Silvia Bigalke, Allgemeines Krankenhaus Viersen).
"Problematisch. Versorgung demenzkranker Patienten im Akutkrankenhaus", in: GeriatrieJournal, Heft 1/2007, S. 3333-3335 (Thomas Kleina, IPW und Susanne Angerhausen, GSP).
"Patienten mit Demenz - von neuen Konzepten, aktuellen Modellen und vielen Erfahrungen, in: Pro Alter Heft 1/2007, S. 7-15 (Harald Raabe, KDA, Übersichtsaufsatz, in dem über das Projekt berichtet wird).
"Nach dem Frühstück wird vorgelesen. Tagesbetreuung für Demenzkranke im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke", in Pflege Demenz, Heft 3/2007, S. 24-26 (Enno Detert, Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke).
Weitere Veröffentlichungen
Die Versorgung demenzkranker älterer Menschen im Krankenhaus - Problemanalyse des Institut für Pflegewissenschaften an der Universität Bielefeld (Thomas Kleina, Klaus Wingenfeld, PDF-Datei, Mai 2007)
Quelle: http://www.sozialeprojekte.de/content/e ... x_ger.html

WernerSchell
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Patientensicherheit in den Krankenhäusern in Gefahr?

Beitrag von WernerSchell » 20.07.2007, 06:31

Ist die Patientensicherheit in den Krankenhäusern nicht mehr gewährleistet?

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Neuss-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) berichtete am 18.7.2007 über den "Personalmix bei Pflegern". Es ging dabei um die Vorstellung einer niedrigschwelligen Ausbildung von PflegehelferInnen. Begründet wurden die Qualifizierungsangebote mit der u.a. für das Jahr 2050 zu erwartenden Zahl von pflegebedürftigen Menschen. Zu diesem Bericht habe ich der NGZ die nachfolgende Leserzuschrift übersandt. Diese Zuschrift, die eine aktuelle Studie zum Thema aufgreift, dient nicht nur zur Klärung der Situation, sondern soll auch die Pflegenden unterstützen.
Ergänzend wird auch in den Medien die Versorgung von Demenzkranker in Krankenhäusern kritisiert (siehe u.a. den Bericht der Rheinischen Post vom 18.7.2007 mit dem Titel „Experten kritisieren Versorgung Demenzkranker“). Insoweit liegt auch eine wissenschaftliche Untersuchung vor, die die Mängel auflistet.
Ergänzende Informationen zum Thema finden Interessierte in meinem Forum unter
-- Pflegenotstand in deutschen Kliniken - Studie: Patientensicherheit in Gefahr
viewtopic.php?t=6888
-- Versorgung Demenzkranker im Krankenhaus
viewtopic.php?p=27847#27847

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell


Der Pflegenotstand ist da!

Wenn sich die Neusser Malteser und andere Institutionen um die Qualifizierung von Pflegekräften kümmern, ist das sehr zu begrüßen. Allerdings muss man zur Begründung für solche Qualifizierungsmaßnahmen nicht die demografische Entwicklung und die voraussichtliche Situation im Jahr 2050 bemühen. Der Pflegenotstand ist nämlich längst da und zeigt Wirkung! Es ist nach den (vorsichtigen) Einschätzungen des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V. und anderer Institutionen so, dass von einem Fehlbestand bei den Pflegekräften in Heimen und Krankenhäusern von etwa 20% ausgegangen werden muss. Experten von Wohlfahrtsverbänden sehen zum Teilen einen noch größeren Fehlbestand.

Wer all das bisher nicht wahrhaben wollte, musste sich am 18.7.2007 durch eine vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) - der Katholischen Fachhochschule Köln angegliedert - vorgelegte Studie eines Besseren belehren lassen. Im Zentrum dieser Studie, dem sog. Pflege-Thermometer 2007, stehen nämlich der Abbau des Pflegepersonals und die möglichen Folgen für die Patientenversorgung:

Seit 1995 wurden demnach rund 50.000 Pflegestellen in bundesdeutschen Krankenhäusern abgebaut. Im gleichen Zeitraum wurden rund 20 Prozent mehr Klinikärzte beschäftigt. Heute müssen in den Kliniken jährlich rund eine Million Patienten mehr als 1995 medizinisch versorgt und pflegerisch betreut werden. Die Patienten-Pflegekraft-Quote hat sich damit um 23 Prozent erhöht. Zugleich nimmt die Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit der Patienten zu. Die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals steigt demzufolge flächendeckend an. Im Jahre 2006 sind so viele Überstunden geleistet worden, dass dafür rund 5.000 Pflegekräfte mehr hätten eingestellt werden müssen. Nach Einschätzung der befragten Pflegedirektionen wirkt sich die angespannte Personalsituation in der Krankenhauspflege bereits auf die Patientenversorgung und -sicherheit aus. So können Umlagerungen, Mobilisationen, Schmerzmittelverabreichungen und Überwachungen von operierten Patienten nicht mehr in jedem Krankenhaus optimal gewährleistet werden. Die Anzahl der Beschwerden von Patienten und Angehörigen über die Versorgung nimmt in jedem fünften Krankenhaus zu. 40 Prozent der Befragten rechnen zukünftig nicht mit einer Verbesserung der pflegerischen Qualität der Patientenversorgung. Zudem wird ein weiterer Stellenabbau in der Pflege aufgrund des Kostendrucks im Krankenhauswesen erwartet.

Angesichts dieser Situation besteht dringender Handlungsbedarf. Unter solchen Umständen kann man auch kein Verständnis dafür aufbringen, dass der Rhein-Kreis Neuss völlig undifferenziert der Versorgung pflegebedürftiger Menschen in den Heimen eine gute Note erteilt. Mängel soll es angeblich keine geben. Angesichts der erwähnten strukturellen Situation muss es zwangsläufig zu unangemessenen Pflegesituationen kommen. Das Pflegepersonal ist nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in den sonstigen Pflegeinrichtungen (v.a. Heimen) total überfordert und anhand statistischer Angaben keine 10 Jahre im Beruf. Selbst bei großem Engagement sind dann viele am Ende (ausgebrannt = Burn-out-Syndrom). - Und so darf es nicht weiter gehen! Pflegekräfte brauchen nicht nur Schulterklopfen und verbale Anerkennung, sie müssen unter pflegewissenschaftlich guten Rahmenbedingungen arbeiten können. Dazu bedarf es einer deutlich verbesserten Stellenausstattung!

Werner Schell, Dozent für Pflegerecht und 2. Vorsitzender des Pflege-Selbsthilfeverbandes e.V., Harffer Str. 59, 41469 Neuss
http://www.wernerschell.de - http://www.pflege-shv.de
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Dieter Radke
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Versorgung Demenzkranker im Krankenhaus

Beitrag von Dieter Radke » 30.11.2007, 08:14

Presse hat geschrieben: ... Schon seit vielen Jahren wächst der Anteil älterer und hochaltriger Patienten im Krankenhaus stetig. Mit dieser Entwicklung geht auch eine Zunahme der Zahl demenziell erkrankter Patienten einher, die zumeist nicht aufgrund ihrer Demenz, sondern wegen anderer Erkrankungen stationär behandelt werden. ..... Die Ergebnisse dokumentieren, dass die Krankenhäuser in vieler Hinsicht unzureichend auf die Versorgung demenzkranker Patienten vorbereitet sind. .... Auf die Versorgung von dementiell erkrankten Menschen sind wir in der BRD ...
Auf die Versorgung von dementiell erkrankten Menschen sind wir in der BRD nicht vorbereitet. Obwohl die demografische Entwicklung und die Zunahme von Demenzkranken seit längerer Zeit bekannt ist, wurde nichts Entscheidendes unternommen, um z.B. Ärzte und Pflegekräfte für die Betreuung dieses Personenkreises ausreichend zu qualifzieren. In zahlreichen Studien und Statements wurde mittlerweile darauf aufmerksam gemacht. Geschehen ist aber kaum etwas.
Es ist daher gut, dass das Thema erneut aufgegriffen wird und in das Bewusstsein aller Verantwortlichen "eingehämmert" wird.

Dieter
Menschenwürdige Pflege ohne Ausnahme! - Dafür müssen wir alle eintreten.

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