Strafanzeige gegen Arbeitgeber - Kündigung??

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

Dirk

Strafanzeige gegen Arbeitgeber - Kündigung??

Beitrag von Dirk » 31.03.2006, 14:39

Eine Strafanzeige gegen den eigenen Arbeitgeber kann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen

Erstattet ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber eine Strafanzeige, so kann dies einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs.1 BGB darstellen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen und der Arbeitnehmer vor Erstattung der Anzeige nicht versucht hat, innerbetrieblich für Abhilfe zu sorgen. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin in einer Streitsache.

Der Fall:
Die Klägerin war einem Pflegeheim-Träger als Altenpflegerin beschäftigt. Sie hatte in der Vergangenheit vielfach auf Missstände im Pflegebereich hingewiesen. Nachdem der Heimträger das Arbeitsverhältnis mit ihr wegen häufiger Fehlzeiten krankheitsbedingt gekündigt hatte, verteilte die Altenpflegerin (Klägerin) im Pflegeheim ein Flugblatt eines sie unterstützenden "Solidaritätskreises", das zum Teil scharfe Angriffe gegen den Träger enthielt. Außerdem erstattete die Frau gegen den Träger wegen Nötigung und Betrugs im Zusammenhang mit der Dokumentation der Pflege eine Strafanzeige. Daraufhin kündigte der Heimträger das Arbeitsverhältnis mit der Altenpflegerin fristlos. Das ArbG gab der gegen die fristlose Kündigung gerichteten Klage statt. Auf die Berufung des Trägers hob das LAG diese Entscheidung auf und wies die Klage ab.

Entscheidungsründe:
Das Verteilen des Flugblatts, mit dem sich die Klägerin dessen Inhalt zu eigen gemacht habe, sowie das Stellen der Strafanzeige rechtfertigten eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die gegen den beklagten Träger erhobenen Vorwürfe hätten sich in keiner Weise belegen lassen und stellten eine schwere Loyalitätspflichtverletzung dar.
Daneben sei es Arbeitnehmern zwar nicht generell verwehrt, gegen ihren Arbeitgeber Strafanzeige zu erstatten. Dabei müssten sie aber regelmäßig zunächst auf eine innerbetriebliche Abhilfe dringen. Die Klägerin habe nicht versucht, die Vorwürfe, die ihrer Strafanzeige zugrunde lagen, zunächst innerbetrieblich zu klären. Bei einer derartig schweren Pflichtverletzung sei es dem beklagten Heimträger nicht zuzumuten, die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin vom 28.3.2006 - 7 Sa 1884/05 -

xyz

Mobbing - Am Ende hilft nur Flucht und kündigen

Beitrag von xyz » 01.04.2006, 13:38

Hi !

Und wer versucht innerbetriebliche Einigungen zu erzielen, der wird erbarmungslos gemobbt.
Arbeitgeber lieben das Mobbing-Umfeld zwischen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, und die Arbeitgeber lieben das Pressing/Bossing/usw.
Die Arbeitgeber haben sich diese Verhaltensweisen nunmal von den Science Tologen abgeschaut !
Am Ende hilft nur Flucht und kündigen.

Und tschö
xyz

Herbert Kunst
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Registriert: 13.11.2005, 13:48

Überlastungsanzeige erwägen!

Beitrag von Herbert Kunst » 03.04.2006, 07:36

Es erscheint für zahlreiche Fallkonstellationen im Betrieb ratsam, die Abgabe einer Überlastungsanzeige zu erwägen. Dazu gibt es in diesem Forum u.a. folgende Beiträge:

Überlastungsanzeige - Sorgfaltspflicht - Gefährliche Pflege?
viewtopic.php?t=3518&highlight=%DCberlastungsanzeige
3 Mitarbeiter für 2 Etagen ? Stress ohne Ende !!
viewtopic.php?t=1543

Weitere Beitrag in dieser Homepage, Rechtsalmanach, Nr. 16:
"Die Überlastungsanzeige" und "Wer haftet im Schadensfall nach erfolgter Überlastungsanzeige? (Beitrag von U. Ammer)"
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... nzeige.htm
Die Überlastungsanzeige (Artikel von Frau Sabine Dörpinghaus)
http://www.wernerschell.de/Rechtsalmana ... zeige2.htm
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

Erika Bucher

Beschwerdemanagement einrichten!

Beitrag von Erika Bucher » 04.04.2006, 08:14

Ich halte die vorgestellte Entscheidung grundsätzlich für richtig. Missstände / Mängel müssen m.E. immer zunächst innerbetrieblich diskutiert werden. Dazu eignet sich im Zweifel eine Überlastungsanzeige / Entlastungsanzeige (die Bezeichnung ist zweitrangig). Erst wenn das alles nicht hilft, um sorgfaltswidrige / rechtswidrige Zustände abzustellen, kann eine Mitteilung "nach außen" vertretbar sein.
Die beste Lösung wäre, wenn Betriebe ein Beschwerdemanagement einrichten würden. Hinweise zu Verbesserungen sollten belohnt und nicht negativ sanktioniert werden. Mobbing darf es in solchen Fällen auch nicht geben. Wenn doch, gehört das auch attackiert.
Beschäftigte müssen Mut und Geduld aufbringen, im Betrieb Fehlentwicklungen aufzuzeigen. ´Dabei müssen bestimmte Regeln Beachtung finden. Alle "Seiten" sind in der Pflicht.

Guten Morgen allerseits!
Erika Bucher

xyz

Die Vorgesetzten wollen ihre Ruhe haben ...

Beitrag von xyz » 06.04.2006, 14:04

Hi Erika !

Schön wenns so funktionieren würde.
Die Welt sieht anders aus.
Die Vorgesetzten wollen ihre Ruhe haben und sie wollen sich überhaupt nicht mit ihren eigenen Fehlleistungen und Fehlentscheidungen auseinander setzen.
Der Austausch von Vorgesetzten wäre richtig.
Aber wer setzt das durch ?

und tschö
xyz

Erika Bucher

Leitungskräfte sind gefordert - "Rückgrat" zeigen

Beitrag von Erika Bucher » 07.04.2006, 11:50

xyz hat geschrieben:... Der Austausch von Vorgesetzten wäre richtig. Aber wer setzt das durch ? ...
Es liegt m.E. meist an den Leitungskräften. Wenn diese nicht befähigt sind, stimmt der ganz "Laden" nicht. Insoweit sind die Träger gefordert.
Andererseits müssen sich die Mitarbeiter schon melden. Etwas anderes bleibt wohl nicht übrig. "Rückgrat" ist angesagt!

Gruß
Erika Bucher

Moni Sauerbier

Pflegemängel allerorten - ein Skandal!

Beitrag von Moni Sauerbier » 08.04.2006, 09:23

Pflegemängel allerorten - trotz der verfassungsrechtlichen Aussage: Die Menschenwürde ist unantastbar! Menschenrechtsverletzungen sind ein Skandal!

Ich höre immer wieder von sehr mutigen Pflegekräften, die die unzulänglichen Pflegebedingungen in Heim oder Krankenhaus nicht mehr mit tragen können. Sie versuchen meist, die Situation vor Ort zu thematisieren, werden aber einfach abgeblockt, gemobbt und schließlich entlassen.

Dann tut sich eine "Wand" auf - einen neuen Arbeitsplatz finden sie nicht mehr so schnell. Gibt es nicht zwischen den Heimen und sonstigen Einrichtungen mittlerweile eine Art "stille Post", mit der die Namen von kritischen Pflegekräften übermittelt werden? Ich denke ja, ein weiterer Skandal!!

Danke dafür, dass hier im Forum klar Position bezogen wird.

Gast

Re: Beschwerdemanagement einrichten!

Beitrag von Gast » 09.04.2006, 09:56

Erika Bucher hat geschrieben:Ich halte die vorgestellte Entscheidung grundsätzlich für richtig.
Auch wenn die Kollegin eklatante Fehler begangen hat, was hat man aber dir versprochen Erika,
dass du diese Entscheidung grundsätzlich für richtig hälst? Ist dir bewußt, was Alg II bedeutet?
Es kommt nicht darauf an wie viel man weiß, sondern vie viele es wissen!.
Gemäß dieser reaktionären Rechtssprechung dürfen nämlich Arbeitnehmer den Arbeitgeber auch bei zweifelsfrei vorliegenden Straftaten nicht anzeigen; und zwar nicht einmal dann, wenn der Arbeitnehmer riskiert, als Mittäter bestraft zu werden. Vgl. LAG Baden-Württemberg AiB 1987, 260.

(Eine Verkäuferin hatte damals ihren Chef angezeigt, weil er das Verfallsdatum auf Fleischwaren (Gammelfleisch) durch einen neueren Datums ersetzen lies.)

Selbst Betriebsräte (BR) können gefeuert werden, wenn sie eine strafbare Handlung des Arbeitgebers beim Gewerbeaufsichtsamt anzeigen § 119 BetrVG. Zeigt der Betriebsrat andere strafbare Handlungen des Arbeitgebers an, die mit der Betriebsverfassung nichts zu tun haben, so ist u.U. eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt (vgl. BAG 5.2.59 AP Nr. 2 zu 70 HGB).

Eine seltsame Rechtssprechung!
Gib also acht Erika, denn Morgen könnte es auch dich treffen!

Gast

Mobbing kann zu Schadenersatz führen

Beitrag von Gast » 09.04.2006, 10:19

xyz hat geschrieben:Hi !
Und wer versucht innerbetriebliche Einigungen zu erzielen, der wird erbarmungslos gemobbt. xyz
Es gibt aber Hoffnung xyz, "Mobbing kann zu Schadenersatz führen"
Sächsischen Landesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Februar 2005 - 2 Sa 751/03
http://mobbing-zentrale.com/discus/mess ... 1117619093

Hochatmungsvoll
Stefano

xyz

Hände weg von Strafanzeigen gegen Arbeitgeber

Beitrag von xyz » 09.04.2006, 11:23

Hi !

Ich halte Strafanzeigen gegen Arbeitgeber grundsätzlich deswegen für problematisch, weil die Strafgerichte davon ausgehen, dass eine Tat verwerflich und von öffentlichem Interesse ist.
Das bedeutet, dass eine Verurteilung wegen einer Straftat tatsächlich möglich ist.
Die üblichen Anzeigen wegen einer Straftat erfüllen aber oft nicht den strafrechtlichen Anspruch der Verwerflichkeit und des öffentlichen Interesses nicht, da es sich um die sogenannten "Einzelfälle" handelt.
Selbst bei einer Anzeige wegen "Gammel- und Ekelfleisch" fehlt es oft an der Verwerflichkeit der Tat, da in aller Regel die Schädigung eines Konsumenten strafrechtlich nicht nachweisbar ist.
Deswegen Hände weg von Strafanzeigen gegen Arbeitgeber.
Nachdem man selbst gekündigt hat, und einen neuen Job hat, dann kann man ja immer noch den Arbeitgeber anzeigen.
Und wer nachweisliche Straftaten in einem Betrieb ausführen soll, weil der Arbeitgeber es so befohlen hatte, so kann sich der Arbeitnehmer weigern diese Tätigkeit auszuführen. Wichtig ist allerdings hierbei alle möglichen Beweise zu sammeln !
Da wollen wir dann mal sehen wie die Kündigungsschutzklage verläuft.

und tschö
xyz

H.P.

"Pflegeheim gnadenlos - Wie Missstände vertuscht werden

Beitrag von H.P. » 05.07.2006, 07:54

Siehe auch in diesem Forum unter

"Pflegeheim gnadenlos - Wie Missstände vertuscht werden"

viewtopic.php?t=4294

Personalverlag.de

Anzeige des Mitarbeiters - Kündigung möglich

Beitrag von Personalverlag.de » 15.07.2006, 07:25

Zeigt Ihr Mitarbeiter Sie an, können Sie fristlos kündigen
Dies gilt zumindest dann, wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen.


Der Fall: Die Arbeitnehmerin war zunächst als Altenpflegerin beschäftigt gewesen. Nachdem ihr gekündigt worden war, verteilte sie ein Flugblatt, das zum Teil scharfe Angriffe gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber enthielt.

Außerdem erstattete sie wegen Nötigung und Betrugs im Zusammenhang mit der Dokumentation der Pflege Strafanzeige. Daraufhin wurde ihr zusätzlich noch fristlos gekündigt. Gegen diese Kündigung klagte sie nun.

Das Urteil: Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses war nach Ansicht der Richter gerechtfertigt. Die erhobenen Vorwürfe hätten sich in keiner Weise belegen lassen und stellten eine schwere Loyalitätspflichtverletzung dar. Die Arbeitnehmerin hätte erst versuchen müssen, die Vorwürfe innerbetrieblich zu klären (LAG Berlin, 28.3.2006, 7 Sa 1884/05).

Fazit: Ein Arbeitnehmer darf bei gebotenem Anlass zwar grundsätzlich Strafanzeige gegen Sie erstatten. Zunächst muss er aber versuchen, eine innerbetriebliche Lösung zu suchen – etwa durch ein Gespräch mit Ihnen. Unterlässt er dies und erweisen sich die Vorwürfe dann noch als haltlos – kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.

Quelle: Mitteilung vom 14.7.2006
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Claridge
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Beitrag von Claridge » 15.07.2006, 14:10

Ist schon klar.
Gebraucht werden Pflegekräfte die immer schön den Mund halten nach dem Motto: Nicht sehen, nicht hören, nicht sprechen!
Es ist doch so das sich kaum noch eine/r traut den Mund aufzumachen.
Jetzt werden die restlichen die noch Traute haben ebenfalls mundtot gemacht.
DAS IST DEUTSCHE REALITÄT!!!

Pflegeselbsthilfe
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Pflegekräfte klagen an - Podiumsdiskussion am 6.10.06

Beitrag von Pflegeselbsthilfe » 16.07.2006, 10:23

Claridge hat geschrieben: ... Gebraucht werden Pflegekräfte die immer schön den Mund halten nach dem Motto: Nicht sehen, nicht hören, nicht sprechen! Es ist doch so das sich kaum noch eine/r traut den Mund aufzumachen. Jetzt werden die restlichen die noch Traute haben ebenfalls mundtot gemacht. ....
Siehe dazu:

06.Oktober 2006: - Pflege-Podium-Berlin - Pflegekräfte klagen an

Rechtsverletzungen im Umgang mit Pflegebedürftigen und Mitarbeitern sind an der Tagesordnung, weil diejenigen die den Mut aufbringen Missstände anzuklagen oftmals den Kürzeren ziehen. So auch im Falle von Frau Heinisch, die gegen ihren früheren Arbeitgeber geklagt und vor Gericht verloren hat. Ihre Geschichte ging durch die Medien, auch wegen der großen Solidarität die dieser engagierten Altenpflegerin entgegengebracht wurde.

In Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. wollen wir zeigen, wie das Rechtssystem funktioniert, weshalb oder woran die Klagenden häufig scheitern und wie Betroffene, Angehörige oder Pflegekräfte vorgehen müssten, damit ihre Klage Aussicht auf Erfolg hat.

Auf dem Podium sitzen: Brigitte Heinisch (Altenpflegerin Berlin), Dieter Lang (Jurist und Pflegereferent bei der Verbraucherzentrale Bundesverband ), Werner Schell (Pflegerechtsexperte ), .... (Krankenschwester, Rechtsanwältin) Moderation: Adelheid von Stösser.
Werner Schell ist seit 1.8.2008 Leiter / Ansprechparter bei:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk vor
http://www.pro-pflege-selbsthilfnetzwerk.de

coci

Pflegemängel allerorten - ein Skandal!

Beitrag von coci » 27.12.2006, 08:00

Moni Sauerbier hat geschrieben: .... Pflegemängel allerorten - trotz der verfassungsrechtlichen Aussage: Die Menschenwürde ist unantastbar! Menschenrechtsverletzungen sind ein Skandal! ...
Pflegekräfte sollten mehr Mut aufbringen, offen auf Missstände im Pflegebetrieb hinzuweisen. Solche Hinweise sollten auch vom Arbeitgeber gerne entgegen genommen werden; handellt es sich doch eigentlich um kostenlose Verbesserungsvorschläge.
Dass Pflegekräfte Sanktionen erleiden müssen, nur weil sie sich korrekt verhalten, ist ebenfalls ein Skandal. Was macht die Politik dagegen? Nichts! Sie meint auch insoweit: nur Einzelfälle, also kein Handlungsbedarf!
Wer kümmert sich endlich?

coci

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