Nicht ohne Kritik: Deutscher Ethikrat nimmt Arbeit auf

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Nicht ohne Kritik: Deutscher Ethikrat nimmt Arbeit auf

Beitrag von Service » 13.04.2008, 11:14

Nicht ohne Kritik: Deutscher Ethikrat nimmt Arbeit auf

Berlin (ALfA). Nach laengerer Verzoegerung ist am 11. April der Deutsche Ethikrat zu seiner konstituierenden Sitzung in Berlin zusammengekommen. Unter Leitung von Bundestagspraesident Prof. Norbert Lammert wurde der ehemalige Justizminister Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Universitaet Kiel, zum Vorsitzenden gewaehlt, hiess es in einer Pressemitteilung des Ethikrates. Dr. med. Christiane Woopen, Privatdozentin an der Universitaet Koeln, und Prof. Dr. theol. Eberhard Schockenhoff, Universitaet Freiburg, sind die kuenftigen stellvertretenden Vorsitzenden.

Der Deutsche Ethikrat besteht aus 26 Mitgliedern, die "naturwissenschaftliche, medizinische, theologische, philosophische, ethische, soziale, oekonomische und rechtliche Belange in besonderer Weise repraesentieren". Der Rat fuehrt damit die Arbeit des von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schroeder eingesetzten Nationalen Ethikrates fort, der am 11. September 2007 letztmalig getagt hat. In der aktuellen Zusammensetzung stammen 13 Mitglieder aus dem Vorgaengergremium, die anderen Mitglieder stammen teilweise aus der ehemaligen Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages. Laut Ethikrat-Gesetz vom 16. Juli 2007 soll der Deutsche Ethikrat die ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen fuer Individuum und Gesellschaft verfolgen, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen ergeben. Der Deutsche Ethikrat wird laut Mitteilung in seiner naechsten Sitzung am 24. April seine Geschaeftsordnung beschliessen und sein kuenftiges Arbeitsprogramm beraten.

Unabhaengige Initiativen und Organisationen, die seit Jahren biopolitische Vorhaben kritisch begleiten, kritisierten die Einrichtung des Gremiums. "Es ist skandaloes, dass wichtige Zukunftsfragen 21 Experten und 5 Expertinnen, den obersten Bundesethikern, ueberlassen werden. Wir befuerchten, dass das Gremium in erster Linie Interessen der Forschungslobby bedienen wird", erklaerte Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit BioSkop e.V. vom 10. April. "Der neue Ethikrat betreibt vor allem Politik. Er wird machbare und bezahlbare Loesungen formulieren, die weder wichtigen Interessengruppen noch internationaler Konkurrenzfaehigkeit im Wege stehen. Ethik, die Grenzen zieht und moralischen Ueberzeugungen folgt, ist das nicht", kommentierte Erika Feyerabend, buergerschaftlich engagiert im Bioskop-Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften. Beide lehnen den Ethikrat ab, weil er nicht mit, sondern stellvertretend fuer die Gesellschaft hochbrisante Probleme der modernen Biomedizin und des technischen Fortschritts beraten werde. Die Einrichtung von Ethikgremien sei "ein untruegliches Zeichen dafuer, dass Politik an der Zivilgesellschaft vorbei gemacht werden soll." Auch die Besetzung des Deutschen Ethikrates "mit Lobbyisten einer als Wirtschaftsfoerderung verstandenen Forschungspolitik" mache deutlich, "dass Ethikraete eingesetzt werden, um Bioethik fuer die Durchsetzung einseitiger Forschungs- und Wirtschaftsinteressen zu institutionalisieren und zu effektivieren."

Konkret kritisierten die Initiativen, dass eine breite gesellschaftliche Diskussion von so schwerwiegenden Themen wie Patientenverfuegungen, Sterbehilfe, Gendiagnostik oder Transplantationsmedizin mit dem neu geschaffenen Gremium in weite Ferne ruecke. Der Deutsche Ethikrat koenne Voten und Stellungnahmen unter Ausschluss jeglicher OEffentlichkeit beraten und erstellen. Parlamentarier seien weder in die Beratungen des Gremiums eingebunden, noch haetten sie Einfluss auf dessen Tagesordnung. Die Einrichtung des Ethikrates gebe zudem ein verheerendes Signal fuer die demokratische Kultur hierzulande, denn der neue Ethikrat sei de facto eine Regierungsorganisation. Der zusaetzlich geschaffene, kompetenzlose Parlamentarische Beirat zu Fragen der Ethik degradiere die Parlamentarier zu "blossen Uebermittlern der Beschluesse des Deutschen Ethikrates."

"Wir werden weiter fuer eine kontroverse politische Debatte eintreten und uns dafuer einsetzen, dass kritische Stimmen zur Biomedizin gehoert werden. Die Fragen, die biomedizinische Forschungen und mit ihnen verbundene Veraenderungen in Wissenschaft und Gesellschaft aufwerfen, betreffen alle. Sie sind zu wichtig, um ihre Beantwortung einem kleinen Kreis so genannter Experten zu ueberlassen", erklaerten die Organisationen abschliessend.

Weitere Informationen:

Deutscher Ethikrat - Das Gewissen des Gesetzgebers
Von Patrick Bahners
FAZ.NET 10.04.08
http://www.faz.net/s/RubAB001F8C99BB433 ... ntent.html

Die offizielle Webseite des Nationalen Ethikrates
http://www.ethikrat.org/

Gen-ethisches Netzwerk e.V. (GeN)
http://www.gen-ethisches-netzwerk.de

BioSkop e.V. - Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften
http://www.bioskop-forum.de

Quelle: ALfA-Newsletter 14/08 vom 12.04.2008

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