Ärzekammer Nordrhein gibt absolute Lebensschutz-PV aus

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Ärzekammer Nordrhein gibt absolute Lebensschutz-PV aus

Beitrag von Service » 12.02.2009, 07:07

Aufgewühlte Gefühle - Aerzekammer Nordrhein gibt Lebensschutz-PV aus

Nachdenkliches von Michael Kamann in der WELT (10.2.09):
„ ... daher ist es angemessen, dass in Italien so heftig über Leben und Tod von Eluana Englaro gestritten wurde und wird. Der Umgang mit dem Tod kann Gesellschaften nicht kalt lassen. ... Wir lassen uns tief erschrecken und in heftige, nach starken Worten verlangende Erregung versetzen ... Dann aber muss im Zentrum der Debatte auch wirklich unsere Sterblichkeit stehen ...Davon ist wenig zu erkennen bei jenen, die im konkreten Fall forderten, man hätte nach 17 Jahren die Maschinen um des bloßen "Weiter so" weiterlaufen lassen sollen. Vielmehr deutet es auf Realitätsverleugnung und auf technikfixierte Hybris hin, wenn es einzig darum geht, den Tod weiter hinauszuzögern ...".
Neben der Emotionalisierung und Politisierung erscheint eine „moralische" Einflussnahme der katholischen Kirche wie in Italien hierzulande unvorstellbar. Doch auch in Deutschland gibt es entsprechende - allerdings subtile und öffentlich unbemerkte - Versuche, die vatikanische Lehrmeinung zum absoluten „Lebensschutz" von Komapatienten unters Volk zu bringen.

Ärzekammer Nordrhein gibt absolute Lebensschutz-PV aus
Von der Bundeszentralstelle Patientenverfügung ist dieser Tage auf ein als „skandalös" bezeichnetes Patientenverfügungsformular hingewiesen worden, welches Teile der Ärzteschaft Vorsorgewilligen empfehlen. Und zwar das der Ärztekammer Nordrhein (Düsseldorf). Deren Präsident Prof. Hoppe, siehe http://www.aekno.de , ist gleichzeitig Bundesärztekammerpräsident.

Die so genannte Christliche Patientenverfügung (welche die Deutsche Bischofskonferenz mit herausgibt) ist wirkungslos und vertritt dabei immerhin nicht die reine Vatikanlehre. Anders das Musterformular der ÄK Nordrhein, wo folgendes vorgegeben:
Im Sterbeprozess und bei schwerwiegender, irreparabler Schädigung geistiger Funktionen / Dauerkoma kann demnach auf Intensivtherapie verzichtet werden, wenn diese lediglich noch eine Sterbens- und Leidensverlängerung bedeuten würde. Es kann auch abgelehnt werden, „dass meine Lebensfunktionen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln aufrechterhalten werden" - aber (!): „abgesehen von ausreichender Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr". Quelle: http://www.aekno.de/downloads/aekno/pat ... ng2006.pdf

Für Patienten meist völlig undurchschaubar
Wer ein solches, auf der Internetseite der Ärztekammer Nordrhein vorformuliertes im Vertrauen auf ärztliche Autorität unterschreibt, stimmt zu, jahrelang im Koma am leben erhalten zu werden. Das ist natürlich jedem selbst vorbehalten. Das Problem, weiß eine Mitarbeiterin der Bundeszentralstelle Patientenverfügung (PV) dabei:

Den Verfügenden ist das keinesfalls klar: „Wir wurden aufmerksam, als dieses Formular uns hier zur Hinterlegung vorgelegt wurde durch die Tochter einer hoch betagten Patientin. Der alten Dame war der besagte Patientenverfügungsvordruck zur Unterschrift vom beratenden Hausarzt empfohlen worden. In den Gesprächen mit uns ergab sich jedoch sehr schnell, dass die Patientin gerade eine PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung völlig ablehnte. Die Menschen lesen nur 'keine sinnlose Verlängerung mehr' und verstehen nicht, dass so ein Formular genau das Gegenteil meinen und bewirken kann."

ÄK Nordrhein ist restriktiver Außenseiter
Die ÄK Nordrhein unter Prof. Hoppe setzt sich mit ihrer restriktiven Vorgabe von allen (!) anderen Landesärztekammern ab.

Der Vorfall war Grund genug für die Bundeszentralstelle PV, sich einmal systematisch mit den Vorgaben aller Landesärztekammert zu beschäftigen. Das Ergebnis der Internetrecherche:

Es bietet sich ein sehr buntes, uneinheitliches Bild. Nur die Ärztekammern Thüringens und Mecklenburg-Vorpommern haben keinerlei Verweise auf Patientenverfügungen. Die Kammern von Rheinland Pfalz, Niedersachsen, Sachsen bieten eigene Texte. Die ÄK von Sachsen-Anhalt bietet im Netz das Modell der Prof. Kielstein und Sass, die von Westfalen-Lippe ein Modell der Hospizbewegung Münster, die Bayerns präsentiert eine eigene Checkliste. Die Ärztekammer des Saarlands verwendet denselben Text wie den eingangs dargestellten der ÄK Nordrhein (Düsseldorf) - allerdings ohne den kritisierten Zusatz, der den Verzicht auf künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr unmöglich macht. Alle anderen Landesärztekammern verwenden auf ihren Internetseiten die Textbausteine zu Patientenverfügungen des Bundesjustizministeriums oder verweisen auf diese.

Die Bundesärztekammer hat keine Empfehlung eines Modells ins Netz gestellt).

Berufsordnungen der Landesärztekammern zur PV
Ein medizin-ethisches Universitätsinstitut hat sich jetzt übrigens angeschickt, auch alle Berufsordnungen der Landesärztekammern zum Thema Patientenverfügungen genauer unter die Lupe zu nehmen ...

Quelle: Mitteilung vom 11.02.2009
http://www.patientenverfuegung.de.

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