Gesetz betr. Patientenverfügung - Unsicherheiten bleiben

Rechtsbeziehung Patient – Therapeut / Krankenhaus / Pflegeeinrichtung, Patientenselbstbestimmung, Heilkunde (z.B. Sterbehilfe usw.), Patienten-Datenschutz (Schweigepflicht), Krankendokumentation, Haftung (z.B. bei Pflichtwidrigkeiten), Betreuungs- und Unterbringungsrecht

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Handreichung zur Patientenverfügung

Beitrag von Presse » 07.09.2009, 06:39

Handreichung zur Patientenverfügung

Am 1. September ist das Gesetz zu Patientenverfügungen in Kraft getreten. In einer Situation, in der ein Mensch nicht mehr selbst entscheiden kann, wird durch dieses Gesetz dem schriftlich niedergelegten Patientenwillen über die Behandlung oder Nichtbehandlung bei einer Krankheit oder nach einem Unfall eine hohe Verbindlichkeit zugesprochen. Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband hat eine Handreichung zur Anwendung des neuen Gesetzes erarbeitet. Mehr dazu:
http://www.familienratgeber.de/div/aktu ... .php?nid=2

Quelle: Mitteilung vom 6.9.2009
Deutsche Behindertenhilfe - Aktion Mensch e. V.
Heinemannstr. 36
53175 Bonn
Tel.0228-2092-200
Internet: http://www.aktion-mensch.de
E-Mail: info@aktion-mensch.de

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Die Sachlage durch das neue ´Patientenverfügungsgesetz`

Beitrag von Presse » 13.09.2009, 06:51

Die Sachlage durch das neue „Patientenverfügungsgesetz“

Im Rahmen des dritten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes wurden in den §§ 1901a ff BGB die Kompetenzen des Betreuers bzw. Bevollmächtigten, des Arztes und die Rolle des Betreuungsgerichtes festgelegt. Insbesondere gewinnt die Stellung des legitimierten Patientenvertreters (Betreuers bzw. Bevollmächtigten) starke Bedeutung. Das Betreuungsgericht (bisher: Vormundschaftsgericht) ist nur in Konfliktfällen über die Auslegung des Patientenwillens bzw. der Patientenverfügung (PV) anzurufen. Existiert keine PV oder sind deren Festlegungen nicht der aktuellen Situation zurechenbar, erfolgt eine Entscheidung aufgrund des „mutmaßlichen Willens“ des einwilligungsunfähigen Patienten. Der mutmaßliche Willens wird möglichst unter Einbeziehung von Angehörigen und sonstigen Nahestehenden ermittelt, ggf. ist die Mitwirkung bzw. Genehmigung des Betreuungsgerichtes erforderlich.

Rechtsanwalt Dr. Meyer-Götz prophezeit „heikle Probleme“ in der Praxis
Bundeskongress Vorjurlife (27. und 28.11. in Darmstadt) will Lösungen erarbeiten
"... In Zukunft werden die Rechtsfragen der 'aufgedrängten Behandlung' mit der Verweigerung der Honorierung die Gerichte beschäftigen. ... Hier wird viel Arbeit auf Anwälte und Gerichte zukommen", so Dr. Heinrich Meyer-Götz, Vorstand der Dresdner Stiftung VorsorgeDatenbank.

Auch die Bewertung eines "formlos möglichen Widerrufes einer Patientenverfügung" wird der richterlichen Auslegung bedürfen. Das Gesetz wirft viele Fragen auf, die in der Praxis beantwortet werden müssen. Um die Chancen der neuen gesetzlichen Regelung für alle Beteiligten optimal zu nutzen, ist verstärkte Aufklärungs- und Beratungsarbeit zu leisten.

Die adäquate Umsetzung eines dokumentierten oder gar nur vermuteten Patientenwillens stellt Ärzte, Juristen, Angehörige, Institutionen etc. häufig jedoch vor heikle Probleme. Diese lösen Ängste und Unsicherheiten aus. Die fehlende Fokussierung allen Handelns im Gesundheitsbereich auf den Patientenwillen belastet das Gesundheitssystem und die öffentlichen Haushalte zudem mit vermeidbaren Kosten in Milliardenhöhe.

Um hier Klarheit zu schaffen haben die Messe Frankfurt Ausstellungen GmbH, Wiesbaden, eine Tochtergesellschaft der Messe Frankfurt, gemeinsam mit der Stiftung VorsorgeDatenbank, Dresden, dem Kommunikationsdienstleister PANAMEDIA, Wiesbaden und der Deutschen Diabetes-Stiftung, München beschlossen, einen Kongress mit dem Namen VORJURLIFE (Abkürzung für Vorsorge/Juristik/Life, mehr Infos auf http://www.vorjurlife.de) zum Thema "immaterielle Lebensvorsorge" zu veranstalten. Der Kongress findet erstmals am 27. + 28. November 2009 im Wissenschafts- und Kongresszentrum Darmstadtium, Darmstadt statt.

Der Bundeskongress ist eine einmalige Gelegenheit für Juristen, fachübergreifend mit Ärzten/Kliniksmanagement, Verbänden, Versicherungen, Krankenkassen, dem DRK, Hospizstiftungen u.v.m. offen über diese Fragen nachzudenken und praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten.

Erste renommierte Referenten für "vorjurlife" stehen bereits fest:

Dr. Meo-Micaela Hahne, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof, XII, Zivilsenat, zuständig für Entscheidungen zum Familen- und Betreuungsrecht.
Dr. Michael de Ridder, Chefarzt der Rettungsstelle des Vivantes Klinikums am Urban, Berlin, der u.a. mit dem Flechtheim-Preis des Humanistischen Verbandes Deutschlands, Landesverband Berlin (HVD Berlin) und der Humanismus Stiftung ausgezeichnet wurde.
Wolfgang Putz, Rechtsanwalt in München mit ausschließlicher Tätigkeit im Medizinrecht mit den Schwerpunkten Arzthaftungs- und Patientenrecht am Ende des Lebens, Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München für Medizinrecht und Medizinethik. Berater von Krankenhäusern, Krankenversicherungen, medizinischen Fachredaktionen sowie des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz.
Prof. Dr. Giovanni Maio, seit April 2006 Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin in Freiburg. Seit 2006 Mitglied der Ethikkommission der Landesärztekammer. Seit 2007 berufenes Mitglied des Ausschusses für ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen der Bundesärztekammer.
Prof. Dr. Christian Rumpf, Rechtsanwalt in Stuttgart für türkisches Wirtschaftsrecht, Schiedsgerichtsbarkeit, deutsches und internationales öffentliches Recht (Deutsch, Englisch, Türkisch, Französisch)
Ein zusätzlicher Höhepunkt des Kongresses "vorjurlife" ist die Verleihung des MedienPREISES "Gesundheit durch Vorsorge" am 28.11., den die Deutsche Diabetes-Stiftung gemeinsam mit der ddp Nachrichtenagentur verleihen wird.“

Dauerkarte: 345 Euro, Tageskarte: 280 Euro

Mehr Infos und Kontaktdaten siehe Quelle:
http://www.vorjurlife.de

Gebühren und Leistungen
Öffentliche Debatte um Qualität von PV und Beratung
In der öffentlichen Debatte zeichnet sich ein anderer Trend ab: Nicht die juristische Auseinandersetzung im Nachhinein, sondern die Qualität der Patientenverfügungsberatung steht hier im Vordergrund – auch um die Einschaltung von Rechtsanwälten und Gerichten zu vermeiden. Doch ist das Thema Gebühren auch im nicht-juristischen Bereich auf einmal auf der Agenda – seitdem die niedergelassenen Ärzte die Summe von ca. 235 Euro für eine qualifizierte PV ins Spiel gebracht haben.

Hinzu kämen wohlmögliche Verwahrungsgebühren. Doch wer den Umgang mit PV als Praxisprozess begreift, der von Beratung über laufende Anpassung bis zur klinischen Umsetzung reicht, dürfte den Sinn einer zentralen Hinterlegungsstelle oder Vorsorge-Datenbank skeptisch sehen.

Aktuelle Medienbeiträge zu Qualität und Gebühren bei Patientenverfügungen (Beratung, Formulierungshilfe und Abfassung):

http://www.patientenverfuegung.de/view/aktuelles

Quelle: Mitteilung patientenverfuegung.de vom 12.9.2009

WernerSchell
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Keine "Handlungsfreiheit" für den Arzt ....

Beitrag von WernerSchell » 28.09.2009, 08:41

Schriftwechsel in einer Mailingliste (anonymisiert):

Hinweis:
.... Der Arzt darf (bzw. muß sogar) die Behandlung durchführen, bis der Betreuer für sein Nein eine Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB eingeholt hat. ... Andernfalls würde nie das Betreuungsgericht über die Auslegung der Patientenverfügung zu entscheiden haben, sondern ein Strafgericht. Genau das soll § 1904 Abs. 2 BGB nach Möglichkeit vermeiden.

Antwort:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein Arzt darf - auch im Konfliktfall - nur diejenige Behandlung durchführen, die indiziert ist und dem Patientenwillen (mutmaßlich) entspricht. Bis zu einer beantragten Entscheidung durch das Betreuungsgericht sehe ich keine "Handlungsfreiheit" für den Arzt. Wenn er sich hieran nicht ausrichtet, ist u.U. Rechtswidrigkeit anzunehmen (auch mit strafrechtlicher Relevanz).
Im Übrigen kann ein Betreuer / Bevollmächtigter mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge usw. auch den Arztvertrag lösen und einen Therapeuten einbinden.
Die seit Monaten laufenden Diskussionen um die Anwendung der neuen Vorschriften zeigen auch, dass nicht wirklich alles klarer geworden ist. Aus meiner Sicht bestätigt sich, dass es richtiger gewesen wäre, ein Patientenrechtegesetz zu schaffen und darin die Vorschriften über die Patientenautonomie am Lebensende einzubinden. Weil es jetzt nur eine halbherzige Lösung gab, war ich auch von Anfang an gegen den Einschub einiger angeblicher klarstellender Vorschriften in das BGB.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Patientenverfügungsgesetz: Umsetzung in der Praxis

Beitrag von Presse » 03.10.2009, 07:35

Borasio, Gian Domenico; Heßler, Hans-Joachim; Wiesing, Urban
Patientenverfügungsgesetz: Umsetzung in der klinischen Praxis

Am 1. September ist das „3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts“ in Kraft getreten, das „Patientenverfügungsgesetz“. Die neue Rechtslage und Vorschläge zur praktischen Umsetzung
..... (mehr)
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/art ... p?id=66178
....

zum Thema
Patientenverfügungsgesetz
http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/down. ... DF&id=4428

Alle Links dieser Ausgabe
http://www.aerzteblatt.de/v4/plus/zusat ... eftid=3113

Literatur im Internet:
http://www.aerzteblatt.de/lit4009
Das Patientenverfügungsgesetz im Internet: http://www.aerzteblatt.de/091952

Siehe auch in diesem Forum unter
Patientenrechtegesetz - Eckpunkte der Patientenrechte
viewtopic.php?t=12264
Rechtssicherheit beim Umgang mit Patientenverfügungen
viewtopic.php?t=12186

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Die Unsicherheit bleibt

Beitrag von Presse » 29.12.2009, 12:58

Die Unsicherheit bleibt

Berlin. Seit einem halben Jahr ist die Patientenverfügung gesetzlich geregelt. Die Schwierigkeiten, die die Neuregelung beseitigen wollte, sind jedoch geblieben. Dann sind weiterhin die Gerichte gefragt.

Ein halbes Jahr nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Patientenverfügung ist die Unsicherheit bei Ärzten und Angehörigen von Schwerstkranken weiter hoch. "Unglücklicherweise lässt das Gesetz in mehreren Punkten Fragen offen, .... (mehr)
http://www.swp.de/ehingen/nachrichten/p ... 306,308084

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Christliche Patientenverfügung wird überarbeitet

Beitrag von Presse » 29.12.2009, 12:59

Christliche Patientenverfügung wird überarbeitet
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Hannover (epd). Im Internet kursieren zahlreiche Formulare als Hilfe zur Abfassung einer Patientenverfügung. Nach Inkrafttreten des neuen Patientenverfügungsgesetzes Anfang September haben die Kirchen begonnen, ihre gemeinsame "Christliche Patientenverfügung" zu überarbeiten. Im März soll das Formular voraussichtlich fertig sein, heißt es aus dem Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover.
.... (mehr)
http://www.evlka.de/content.php?content ... 4&id=12038

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Patientenverfügung: ´Im Zweifel das Gericht anrufen`

Beitrag von Presse » 04.01.2010, 11:40

Patientenverfügung: "Im Zweifel das Gericht anrufen"

Wann gilt eine Patientenverfügungen nun wirklich? Seit wenigen Monaten gibt es dazu eine neue Gesetzeslage - und niedergelassene Ärzte haben viele Fragen dazu. Das wurde bei einer Informationsveranstaltung des Gesundheitsnetzes Nordhessen (GNN) in Kassel deutlich. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nel/?sid=58 ... eitung&c=1

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Patientenverfügungsgesetz bringt kaum Plus an Sicherheit

Beitrag von Presse » 11.01.2010, 10:28

"Kann ich das so schreiben?"
Neues Patientenverfügungsgesetz bringt kaum Plus an Sicherheit


(epd). Vielleicht liegt es am Aussehen von René Röspel. Der SPD-Bundestagsabgeordnete mit dem Vollbart und der runden Brille erinnert eher an den lockeren Biologielehrer von einst als an einen staatstragenden Politiker. Die Hürde, ihn anzusprechen, ist niedrig. Und wenn der 45-jährige Westfale seinen Vortrag über Patientenverfügungen beendet hat, steht wieder einmal eine ältere Frau vor ihm, in der Hand ihre Verfügung: "Herr Röspel, kann ich das so schreiben?"
.... (weiter lesen unter)
http://www.epd.de/sozial/sozial_index_70931.html

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Patientenverfügung - Verunsicherungen

Beitrag von Presse » 19.03.2010, 08:01

Patientenverfügung - Verunsicherungen

Kompetente Richtigstellung im juristischen Streit um Wirksamkeit von PV
Seit Monaten befeuern Notare und Justitiare weitere Verunsicherung zur Geltung von Patientenverfügungen. Es geht um willkürliche Behauptungen, wie das neue „Patientenverfügungsgesetz“ vom 1.9.2009 auszulegen sei. Es wird, was Formalien und Ausführungsbestimmungen betrifft, alles Mögliche problematisiert und durchaus Widersprüchliches in die Welt gesetzt.

1. Beispiel:

In der „Neuen Juristischen Wochenzeitschrift“ (NJW) vom 4. Februar 2010 ( http://dialnet.unirioja.es/servlet/arti ... go=3135834 ) lassen sich die Notarassessoren Diehn und Rebhahn in einem Beitrag zu „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“ (S. 326 ff) folgendermaßen aus:

Wenn ein Patient nicht mehr einwilligungsfähig sei, dürfe ohne Einwilligung eines Vertreters des Patienten (Bevollmächtigter oder Betreuer) der Arzt keine Maßnahme unterlassen - auch wenn dies in einer Patientenverfügung konkret zum Ausdruck gebracht worden ist. Ein Arzt, der ohne Zustimmung eines Vertreters in einen Behandlungsabbruch einen solchen „nur“ aufgrund einer Patientenverfügung vornähme, handele rechtswidrig. Er würde damit unzulässigerweise die Interpretationshoheit über die Patientenverfügung beanspruchen. Der Gesetzgeber habe aber die rechtfertigende Kraft einer Patientenverfügung dazu ausdrücklich abgelehnt. Dies diene dem Schutz des Lebens und des Selbstbestimmungsrechtes.

In der Praxis würde diese Rechtsauffassung der Notarassessoren Diehn und Rebhahn bedeuten: Das 3. Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts schwächte die Patientenverfügung entgegen der bisherigen Regelung, nach der eine hinreichend konkrete Patientenverfügung ja immer schon für Ärzte verbindlich war. Das wäre natürlich widersinnig, soll die Patientenverfügung durch die gesetzliche Verankerung doch umgekehrt gestärkt werden.

2. Beispiel

In der FAZ vom 11. Februar 2010 beschwert sich der Notar Scheuvens aus Scheiden-Gemünd in einem abgedruckten Brief an den Herausgeber über folgendes: In der FAZ sei am 6. 2. unter der Überschrift „Der Patientenwille gilt auch ohne Betreuer“ die – nach Scheuvens Meinung falsche - Auffassung des Juristen Dr. Rolf Coeppicus abgedruckt worden. Er, Scheuvens, teile jedoch den entgegengesetzten Standpunkt: Wie er selbst sähe dies auch die „überwiegende Meinung in der Literatur (Albrecht MittBayNotK 2009, 426, 433, Ihrig, Notar 2009, 380, 383, 385, Diehn/Rebhan, NJW 2010, 326 ff)“.

Diese Auffassung sei allein deshalb berechtigt, „weil die Entscheidung über Leben und Tod nicht allein vom Arzt allein getroffen werden sollte.“ Allerdings habe er entgegen dieser verbreiteten Meinung feststellen müssen, so Scheuvens, dass „ausgerechnet der Palandt (Diederichsen), das Standardwerk zum Bürgerlichen Gesetzbuch, das in keiner Anwaltskanzlei fehlt und auch von den Richtern gern benutzt wird, in seiner neuesten Auflage (69. Aufl. 2010 unter Rdn. 24 zu Paragraph 1901 a) doch die Auffassung von Coeppicus stützt“.

Richtigstellungen von kompetenter Seite
Das Standardwerk Palandt zum BGB gibt nun also glücklicherweise - entgegen allen Unkenrufe und Störmanövern - die herrschende und verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsauffassung wider.

Für den Normalbürger erledigt dies die Neuauflage der Broschüre „Patientenverfügung“ (Januar/ Februar 2010) des Bundesministeriums der Justiz - in einem Halbsatz. Die Broschüre, nunmehr herausgegeben von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, enthält ansonsten so gut wie keine Änderungen zur vorigen Fassung und besteht weiterhin aus den Standard-Bausteinen und Begleittexten, die eine interdisziplinäre AG unter Leitung von Bundesrichter a. D. Klaus Kutzer entwickelt hatte.

Neu eingefügt wurde hier (S. 12) die 2. Hälfte des Satzes (fett):

„Die Ärztin oder der Arzt muss eine derart verbindliche Patientenverfügung beachten, auch wenn keine Vertreterin oder kein Vertreter bestellt ist.“

PV von medizinisch unkundigen Notaren müssen überprüft werden
Die Bundeszentralstelle Patientenverfügung erhielt zahllose Anfragen verunsicherter Bürger/innen aufgrund von Artikeln aus Postillen und Zeitschriften. Bei den meisten fehlerhaften oder verzerrten Darstellungen durch Notare entsteht – wohl beabsichtigt und durchaus interessegeleitet- der folgende Eindruck:

Nicht die medizinisch fachkundige Beratung – wie von allen Experten im Umfeld des Gesetzgebungsverfahrens gefordert – schaffe Sicherheit, sondern nur juristische Hilfe für das rechtsratsuchende Publikum. Sich mit eigenen Wertvorstellungen oder medizinischen Behandlungsmöglichkeiten befassen? Warum denn, wenn es doch angeblich nur um Vorschriften geht, die "Paragraphenfuchser" beherrschen?

3. Beispiel

Eine junge Dame fragt bei der Bundeszentralstelle Patientenverfügung des Humanistischen Verbandes an, wo sie denn nun an eine neue Gesundheitsvollmacht kommen könne, wie sie ja nun nach dem neuen PV Gesetz gefordert wäre. Auf Nachfragen der Beraterin faxt die aufgeschreckte Ratsuchende einen Fachartikel aus einem Verbrauchermagazin für Wohneigentum zu, Autor ist ein Fachanwalt für Familienrecht, der Notar Hans-Michael Schiller.

Dort findet sich folgender „Wichtiger Hinweis“ zu Patientenverfügungen, die „bereits vor dem 1. September 2009“ abgefasst worden sind. Zu prüfen sei eine solche, so Notar Schiller, „ob diese ausdrücklich auch die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen umfasst. Denn das Konkretisierungserfordernis ... wurde auf die Fälle des Verzichts auf lebenserhaltende oder lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen ausgedehnt.“ Der Beitrag suggeriert, dass bisherige Patientenverfügungen, die keinen Hinweis auf den neuen „§ 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB“ enthalten, ein Sicherheitsrisiko darstellen würden. Empfohlen wird dagegen: „Notarielle Beurkundungen oder Beglaubigungen (sorgen) für zusätzliche Sicherheit“.

Beides ist natürlich Unsinn! Die Ratsuchende braucht mitnichten neue Formulare und schon gar keinen Notar aufsuchen!

4. Beispiel

Im Fach-Forum gesetzeskunde.de (unter: Arzt- und Patientenrecht) ist - mit besonders „Wichtig“ versehen und unwidersprochen geblieben – eine Empfehlung mit Link zu einem Anwaltstext aufgeführt, der lautet:

„... nach wie vor werden in einem äußerst komplexen und schwierigen Rechtsbereich Dinge angesprochen und geregelt. Dies sollte ausschließlich mit sachkundiger, juristischer Fachkompetenz und Unterstützung erfolgen. Ironisch sei hierzu die Anmerkung erlaubt, dass wohl kaum jemand auf die Idee käme, an sich selbst eine Blinddarmoperation mit dem ERSTE-HILFE-KOFFER auszuführen!“ Quelle: http://www.anwalt.de/rechtstipps/vorsor ... 05916.html (ziiert sind die letzten beiden Sätze des Artikels)

Die unfreiwillige Ironie besteht hier tatsächlich darin, dass umgekehrt ein Jurist auf die Idee kommt, schwierige medizinische Angelegenheiten und Behandlungsentscheidungen mit juristischen Instrumenten auszuführen.

Nach Erkenntnis der Bundeszentralstelle Patientenverfügung gehören insbesondere notariell im Rahmen einer Generalvollmacht mit aufgenommene Patientenverfügungstexte dringend auf den Prüfstand.

Quelle: Mitteilung vom 18.03.2010
http://www.patientenverfuegung.de

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Patientenverfügungsgesetz nachbessern

Beitrag von Presse » 23.08.2010, 18:25

Moraltheologe Reiter:
Patientenverfügungsgesetz nachbessern
Mainz – Ein Jahr nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Patientenverfügung hat der Mainzer katholische Moraltheologe Johannes Reiter eine kritische Bilanz der Regelung gezogen. Einerseits habe das Gesetz Rechtssicherheit geschaffen; andererseits bedürfe es aber an wichtigen Stellen der Nachbesserung, sagte Reiter am Montag in Mainz.
.... (mehr)
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/4 ... essern.htm

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Patientenverfügungsgesetz nachbessern

Beitrag von Cicero » 23.08.2010, 19:05

Presse hat geschrieben:Moraltheologe Reiter:
Patientenverfügungsgesetz nachbessern ....
Die moraltheologischen Erwägungen weisen zurecht darauf hin, dass man im Zusammenhang mit der Patientenverfügung eine Vorsorge-Vollmacht erstellen sollte. Alle anderen Hinweise zur zwingend notwendigen Beratung liegen daneben. Beratung mag sinnvoll sein, aber der einzelne Patient muss diesbezüglich frei entscheiden können. Er trägt damit auch das Risiko wg. einer klar verständlichen Willensbestimmung.
Vernünftig wäre, und diese Vorschläge gibt es ja seit Anfang 2009, die Regelungen zur Patientenverfügung in ein Patientenrechtegesetz einzubinden und dann auch aufgrund der zwischenzeitlich gesammelten Erfahrungen ggf. zu präzisieren.
Alle anderen Versuche, die Patientenverfügung "klein zu reden" oder gar mittels Reichweitenbestimmung einzuschränken, taugen nichts.

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Selbstbestimmungsrecht der Patienten in den Mittelpunkt

Beitrag von Karl Büser » 24.08.2010, 12:59

Ich neige der Auffassung zu, dass die Regelungen zur Patientenverfügung in ein Patientenrechtegesetz gehören und dort umfassend die Patientenautonomie festzuschreiben ist.

Siehe auch die Statements vom 26.01.2010 / 23.05.2009 / 11.05.2010 unter
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... eilung.php
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... eilung.php
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwe ... gesetz.php
Die Würde des Menschen ist unantastbar - immer und ausnahmslos! Ich unterstütze daher Aktivitäten, die uns diesem Ziel näher bringen! Danke für Infos unter http://www.wernerschell.de

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Patientenverfügung - Ärzte ohne Deutungshoheit

Beitrag von Cicero » 27.08.2010, 16:58

Soeben berichtet das Deutsche Ärzteblatt erneut zum Thema Patientenverfügung:

Mediziner: Gesetz zu Patientenverfügungen schafft kaum Klarheit
Bonn – Eine gemischte Bilanz des seit einem Jahr gültigen Gesetzes zu Patientenverfügungen hat der Bonner Professor für Palliativmedizin, Lukas Radbruch, gezogen. Als positiv wertete er, dass die intensiven Debatten über das Gesetz die Aufmerksamkeit der Bundesbürger für das Thema enorm erhöht hätten. ..... Der Text geht weiter im Blatt unter
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/4 ... arheit.htm

Wie mir scheint, sind es im Wesentlichen die Ärzte, die mit dem Gesetz nicht zufrieden sind. Anscheinend sind sie nicht damit einverstanden, dass sie nicht mehr verantwortlich entscheiden können. Dieses Recht steht ja bekanntlich allein dem rechtlichen Vertreter zu. Ärzte sind nur noch "mit beteiligt". Das passt dieser Berufsgruppe offensichtlich nicht und daher kommen wohl überwiegend die kritischen Stimmen.

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Im Zweifel pro Leben!

Beitrag von Dieter Radke » 28.08.2010, 14:15

Allmacht der Ärzte und anderer erheblich eingeschränkt!

Ich war eigentlich immer schon gegen eine auf die Patientenverfügung allein abzielende Regelung im BGB. Nach meiner Auffassung gehören solche Ausführungen in ein alle Aspekte der Patienten-Arzt-Beziehungen regelndes Gesetz = Patientenrechtegesetz (so auch Werner Schell, 2009).
Allerdings bin ich auch der Meinung, dass die jetzt getroffenen Regelungen im BGB als Übergangslösung - bis zu einem Patientenrechtegesetz - ausreichend sind.
Die vielfach geäußerte Kritik - vornehmlich von Ärzten und (vorwiegend kirchennahen) Ethikern - ist meiner Einschätzung nach unbegründet. Es wird nie Vorschriften für die hier maßgeblichen Lebenssituationen geben, die für jeden Einzelfall immer eine klare Lösung aufzeigen. Das man über die Anwendung von Recht streiten muss, wird auch in anderen Rechtssituationen nie ganz auszuschließen sein.
Ich sehe daher auch nicht, dass sich Ärzte und andere wirklich Sorgen machen um die Bedürfnisse der Patienten. Ich sehe eher, dass sie mit den Regelungen allein deshalb hadern, weil ihre Kompentenzen, ihre "Allmacht" doch erheblich eingeschränkt worden ist. Ärzte u.a. kommen offensichtlich nicht damit klar, dass jetzt der Patient bzw. sein Rechtsvertreter entscheidet.
Wenn etwas offen bleibt, gilt das Prinzip: Im Zweifel pro Leben! Damit müsste der eigentlich alles klar sein.

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Patientenverfügung - Wille muss deutlich sein

Beitrag von Lutz Barth » 29.08.2010, 07:26

"Es wird nie Vorschriften für die hier maßgeblichen Lebenssituationen geben, die für jeden Einzelfall immer eine klare Lösung aufzeigen. Das man über die Anwendung von Recht streiten muss, wird auch in anderen Rechtssituationen nie ganz auszuschließen sein.", so D. Radke.

Dies ist ein wichtiger Hinweis, da es im Übrigen dem Recht gerade nicht darauf ankommt, "nur" jeden erdenklichen Einzelfall zu lösen. Das Recht kennt mehrere Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe etc., die der Ausfüllung bedürfen.

Bei der Patientenverfügung hingegen kommt es entscheidend darauf an, dass der Verfügende seinen Willen substantiiert niederlegt - also hinreichend konkret, um die damit gewünschten Rechtswirkungen auslösen zu können. Aber auch dies ist im "Recht" nicht ungewöhnlich, denn ganz allgemein kommt es darauf an, hinreichend konkret zu formulieren und zwar in allen Bereichen des Lebens.

Bsp. Wir gehen zum Bäcker und formulieren: Guten Morgen, ich möchte Brötchen kaufen.

Dieser geäußerte Wille ist zunächst für einen Kaufvertrag rechtlich zu unbestimmt, da er die Anzahl offen lässt; nehmen wir dann die Gegenfrage der Verkäuferin zur Kenntnis: "Einfache oder?", dann werden wir mit unserer Antwort "nein, bitte Mohnbrötchen" den Gegenstand des Kaufvertrages näher präzisieren.


Zentral ist also der gesetzgeberische Wille, dass der Wille des (!) Patienten maßgeblich ist und dort, wo ggf. es auf den mutmaßlichen Willen ankommt, er sich gleichsam für eine prozederuale Vorgehensweise entschieden hat. In diesem Sinne gehen Unklarkeiten "zu Lasten" derjenigen, die nicht ihren Willen entsprechend konkretisiert haben (allerdings folgt dann hieraus eine Indizwirkung für den mutmaßlichen Willen).

Die derzeitige Debatte nimmt allerdings die bereits vorgetragenen Bedenken vor Erlass des Patientenverfügungsgesetz auf, so dass nichts substantielles Neues vorgetragen wird.
Wir vertreten nicht immer die herrschende Lehre!

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