Demenz: Nutzen für nichtmedikamentöse Verfahren

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Ärztliche Praxis
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Demenz: Nutzen für nichtmedikamentöse Verfahren

Beitrag von Ärztliche Praxis » 08.07.2008, 12:02

Angehörigentraining und kognitive Verfahren sinnvoll
Demenz: IQWiG findet Nutzen für nichtmedikamentöse Verfahren

07.07.08 - Bei Alzheimer-Demenz nehmen neben der Arzneimitteltherapie auch nichtmedikamentöse Verfahren einen immer größeren Stellenwert ein.

Diese sind vor allem darauf ausgerichtet, Begleitsymptome wie Depressionen, Unruhe, Schlafstörungen oder aggressives Verhalten abzumildern. Andere Ansätze versuchen, die Alltagskompetenz der Patienten zu stärken und Angehörige zu unterstützen.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersuchte sowohl den Nutzen von medikamentösen als auch nichtmedikamentösen Verfahren. Eine Wirkstoffgruppe, die Cholinesterasehemmer, wurde bereits abschließend bewertet, zwei weitere (Gingko, Memantine) sind noch in Arbeit.

Zu den nichtmedikamentösen Methoden publizierte das Institut IQWiG nun vorläufige Ergebnisse. Bis zum 1. August können interessierte Personen und Institutionen schriftliche zu dem Bericht Stellung nehmen.

Nicht zu allen Behandlungsansätzen gibt es Studien
Um den langfristigen Nutzen dieser Therapien zu ermitteln, bezogen die Wissenschaftler nur Untersuchungen mit einer Laufzeit von mindestens vier Monaten in ihre Analyse ein. Insgesamt ermittelten sie 28 Studien, die sich in vier wesentliche Behandlungsansätze gruppieren ließen:

Angehörigentraining
emotionsorientierte Verfahren (Validation und Reminiszenztherapie)
kognitive Verfahren und
aktivierungsorientierte Verfahren (körperliche und psychosoziale Aktivierung).

Zwar gäbe es eine ganze Reihe weiterer Behandlungsansätze, doch es mangele an entsprechende Studien, stellten die IQWiG-Forscher fest. Zu den emotions- und aktivierungsorientiertierten Verfahren konnten jeweils nur 3 Studien mit geringer bewertet werden - zudem noch mit geringer Teilnehmerzahl.

Auch die Berichtsqualität von 24 der 28 Studien stuften die Wissenschaftler als "mangelhaft" ein. Sie seien anfällig für Verzerrungen und die Daten sind nicht zuverlässig interpretierbar. Für viele der patientenrelevanten Endpunkte seien die Ergebnisse nicht eindeutig. Insgesamt ließe sich der langfristige Nutzen der untersuchten Behandlungsansätze somit nicht belegen, schließen die Autoren.

Angehörigentraining vergleichsweise gut untersucht
Relativ gut hingegen sei die Studienlage beim Angehörigentraining. Allein 14 der 28 Untersuchungen befassten sich mit diesem Verfahren. Hier fanden die Wissenschaftler auch Hinweise auf einen Nutzen - nicht nur im Hinblick auf Begleitsymptome wie Depressionen oder agitiertem Verhalten, sondern auch hinsichtlich der Lebensqualität der betreuenden Angehörigen. Die Vorteile seine zwar statistisch signifikant, dennoch bliebe unklar, ob sie auch klinisch relevant seien, merken die Autoren an.

Durch das Angehörigentraining ließ sich zwar die Unterbringung der Demenzkranken in einem Pflegeheim deutlich hinauszögern, allerdings wurden Patienten, deren Angehörige an einem Training teilgenommen hatten, auch häufiger ins Krankenhaus eingewiesen oder in die Notfallambulanz aufgenommen. Die Konzepte für solche Trainingsmaßnahmen unterschieden sich zum Teil sehr stark voneinander, berichten die IQWiG-Forscher. Deshalb könne auch das Nutzen-Schaden-Verhältnis sehr verschieden ausfallen.

Von kognitiven Verfahren könnten Patienten ebenfalls profitieren: Hier fanden sich Hinweise, dass sich die Merkfähigkeit bei Patienten in einem frühen Stadium der Erkrankung leicht verbessert.

Um zu belastbaren Aussagen zu kommen, hält das IQWiG zusätzliche randomisiert kontrollierte Studien für erforderlich. Diese sollten mehrarmig sein und die Situation der medizinische Versorgung in Deutschland einbeziehen.

Mehr zum Thema:
Der Vorbericht im Volltext
http://www.iqwig.de/index.405.html

idw / fs

Quelle: http://www.aerztlichepraxis.de/artikel_ ... 44.htm&n=1
Zeitung "Ärztliche Praxis"
http://www.aerztlichepraxis.de

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Nutzen von Memantine-Präparaten bei Alzheimer

Beitrag von Service » 15.08.2008, 06:39

Qualitätsinstitut hält Nutzen von Memantine-Präparaten bei Alzheimer für unklar
Donnerstag, 14. August 2008

Köln – Ob Patienten mit Alzheimer-Demenz von Medikamenten profitieren, die den Wirkstoff Memantin enthalten, ist nach Auffassung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ungeklärt.

Zu dieser vorläufigen Schlussfolgerung kommt ein Vorbericht des IQWiG zum Thema, der am Donnerstag erschienen ist. Er ist Teil eines umfassenden Auftrags des Gemeinsamen Bundesausschusses (G BA) an das Institut, medikamentöse und nicht medikamentöse Therapiemöglichkeiten für Alzheimer Demenz zu bewerten.
....
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=33361

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Nutzen von Memantin bei Alzheimer Demenz ist nicht belegt

Beitrag von Presse » 10.09.2009, 14:43

Nutzen von Memantin bei Alzheimer Demenz ist nicht belegt

Daten aus bisher durchgeführten Studien sind noch immer nicht vollständig verfügbar

Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, dass Patientinnen und Patienten mit einer mittelschweren oder schweren Alzheimer Demenz von Medikamenten profitieren, die den Wirkstoff Memantin enthalten. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht, den das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) am 10. September 2009 veröffentlicht hat.

Der Bericht ist Teil eines umfassenden Auftrags des Gemeinsamen Bundesausschusses (G BA), medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapiemöglichkeiten für Alzheimer Demenz zu bewerten. Neben Memantin hat das IQWiG Cholinesterasehemmer, Ginkgo biloba sowie nichtmedikamentöse Therapiealternativen geprüft. Eine zweite Pressemitteilung, die diese Ergebnisse in einen Gesamtzusammenhang stellt, finden Sie hier.

Memantin soll Glutamat-Überschuss regulieren

Zugelassen ist Memantin für mittelschwere bis schwere Alzheimer Demenz, nicht jedoch für das als "leicht" bezeichnete Stadium der Erkrankung. In Deutschland wird Memantin unter den Handelsnamen "Axura" und "Ebixa" von den Firmen Merz beziehungsweise Lundbeck vertrieben.

Memantin soll verhindern, dass ein Überschuss des Stoffes Glutamat das Gehirn schädigt. Glutamat ist ein sogenannter Neurotransmitter, also ein Stoff, der die Nervensignale überträgt. Aus Tierexperimenten schließt man, dass bei Alzheimer-Patienten ein dauernder Überschuss an Glutamat vorliegen könnte, der dazu führt, dass Nervenzellen absterben. Memantin soll dies verhindern, ohne die normale Übertragung von Nervensignalen zu stören.

Der Wirkstoff wurde bereits vor Jahrzehnten entwickelt und bei anderen Erkrankungen wie beispielsweise Parkinson verordnet. Bei Alzheimer Demenz ist Memantin seit 2002 im Einsatz.

Studien mit knapp 2000 Teilnehmern in Bewertung einbezogen

Gesucht haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Studien, die für Patienten und ihre Angehörigen maßgebliche Therapieziele untersucht haben: So genannte kognitive Fähigkeiten (z.B. Erinnerungsvermögen) und Alltagskompetenz (z. B. bei der Körperpflege) gehören ebenso dazu wie psychische Begleiterscheinungen (z. B. Depression, krankhafte Unruhe), Lebensqualität und die Vermeidung der Aufnahme in ein Pflegeheim.

In die Bewertung einbeziehen konnte das IQWiG 7 Studien, in denen insgesamt 1913 an Alzheimer Demenz Erkrankte über einen Zeitraum von 16 bis 28 Wochen mit Memantin behandelt wurden. Bei 5 dieser Studien hatten die Probandinnen und Probanden ausschließlich Memantin bekommen (Monotherapie), bei den 2 übrigen war der Wirkstoff ergänzend zu einer bestehenden Therapie mit einem Cholinesterasehemmer, als sogenanntes Add-on, verabreicht worden. Verglichen wurde jeweils mit einer Kontrollgruppe, in der die Patientinnen und Patienten ein Scheinmedikament einnahmen. Verwertbare Studien, die Memantin mit einem anderen Arzneimittel gegen Demenz oder einer nichtmedikamentösen Therapie verglichen, gibt es bislang keine.

Es gibt 2 weitere relevante Studien des Herstellers, die jedoch nicht in die Bewertung einfließen konnten, weil nicht alle dazu nötigen Daten zur Verfügung gestellt wurden.

Nur minimale Unterschiede bei Kognition und alltagspraktischen Fähigkeiten

Um alltagspraktische Fähigkeiten und kognitive Leistungsfähigkeit zu messen, wurden in den Studien Punkteskalen eingesetzt. Die Werte auf der jeweiligen Skala wurden ermittelt, indem Betroffene beispielsweise Merkfähigkeits-Tests absolvierten. Oder Patienten beziehungsweise ihre Angehörigen wurden befragt, wie sich die Krankheits-Symptomatik verändert und der Alltag bewältigt wird. Allerdings bedeutet nicht jede Veränderung auf einer solchen Skala, dass sich der Krankheitszustand der Patienten tatsächlich verbessert oder verschlechtert. Wie die Auswertung der Studienergebnisse zeigt, gibt es bei diesen beiden Zielgrößen zwar Unterschiede zwischen den Gruppen, allerdings sind diese minimal. Sie werden zudem durch die Unvollständigkeit der Daten in Frage gestellt. Es ist deshalb zweifelhaft, ob Betroffene oder Angehörige diese Unterschiede überhaupt als Vorteil wahrnehmen können.

Einen Nutzen-Nachweis hätte der Hersteller aber auch durch eine sogenannte Responder-Analyse erbringen können. Dabei wird geprüft, ob es in der Memantin-Gruppe mehr Patienten spürbar besser ging als in der Placebo-Gruppe. Eine verlässliche Responder-Analyse wurde jedoch vom Hersteller nicht vorgelegt. Insgesamt sieht das IQWiG daher bei alltagspraktischen Fähigkeiten und bei der kognitiven Leistungsfähigkeit keine Belege für einen Nutzen von Memantin.

Keine verlässlichen Daten zu Lebensqualität und Bedarf stationärer Pflege

Nicht für alle Therapieziele waren den einbezogenen Studien gesicherte Informationen zu entnehmen: Zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patienten liegen keine Daten vor, weil sie in Studien nicht erhoben wurden. Allerdings gibt es bislang auch kaum geeignete Instrumente, um Lebensqualität bei dieser Erkrankung abzubilden.

Ob Patienten in vollstationäre Pflege aufgenommen werden mussten, wurde in Studien zwar erfasst, die Ergebnisse sind aber nicht verlässlich. Somit bleibt unklar, ob Memantin einen Einfluss darauf hat, wie lange Menschen mit Demenz noch zu Hause gepflegt werden können.

Daten zu Begleitsymptomen nicht verfügbar

Erhoben und berichtet wurden Angaben zu den begleitenden psychopathologischen Symptomen wie Depressionen, Schlafstörungen oder starke Unruhe. Allerdings dokumentieren die Studien keinen Unterschied zwischen den mit Memantin und den mit einem Scheinmedikament behandelten Patientinnen und Patienten.

Ebenfalls keinen Unterschied fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Hinblick auf die Sterblichkeit. Hier gibt es allerdings auch nur wenige Informationen, da die Studien nicht auf diese Fragestellung ausgerichtet waren.

Memantin birgt keine auffälligen Arzneimittel-Risiken

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Memantin-Gruppe brachen die Studien nicht häufiger aufgrund von unerwünschten Wirkungen ab als in der Placebo-Gruppe. Auch bei der Zahl der Patienten mit (schweren) unerwünschten Wirkungen zeigte sich kein Unterschied. Somit ergaben sich für Memantin keine auffälligen Arzneimittel-Risiken. Allerdings lief die längste Studie nur über 28 Wochen, weshalb über langfristige Auswirkungen keine Aussagen möglich sind. Zudem war die Zahl der Probandinnen und Probanden insgesamt zu niedrig, um mögliche seltene Nebenwirkungen erfassen zu können.

Auch Angehörige scheinen nicht zu profitieren

Das IQWiG hat nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch ihre Angehörigen in den Blick genommen. Allerdings lieferten die Studienergebnisse keine Belege, dass Memantin sie entlastet, etwa indem die medikamentöse Therapie den Pflegebedarf oder die emotionale Belastung verringert. Die Lebensqualität der betreuenden Angehörigen hat keine der eingeschlossenen Studien als Zielgröße definiert. Der Betreuungsaufwand wurde zwar in den meisten Studien erhoben, die Daten wurden jedoch größtenteils von den Herstellern nicht zur Verfügung gestellt. Die vorliegenden Ergebnisse sind deshalb nicht verlässlich interpretierbar.

Abschlussbericht berücksichtigt zusätzliche, bislang unveröffentlichte Daten

Für den Abschlussbericht standen dem IQWiG und seinen externen Sachverständigen deutlich mehr Daten zur Verfügung als noch beim Vorbericht, in den lediglich 4 Studien mit insgesamt 1263 Patienten hatten einfließen können. Denn im Zuge des Stellungnahmeverfahrens hatten die Hersteller bislang unveröffentlichte Studienauswertungen nachgereicht: Weil in den Studien Memantin zum Teil - aus heutiger Sicht - nicht zulassungskonform auch bei Patienten mit geringem Schwergrad eingesetzt worden war, hat die Firma Merz Subgruppenanalysen zu Teilnehmern mit mittelschwerer und schwerer Alzheimer Demenz für den Abschlussbericht zur Verfügung gestellt.

Dennoch bleibt auch die Datenbasis des Abschlussberichts unvollständig. Noch immer fehlen maßgebliche Informationen zu zwei weiteren klinischen Vergleichen mit insgesamt 580 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Im Unterschied zum Vorbericht stellt das IQWiG den Abschlussbericht dennoch nicht unter einen Vorbehalt. Denn die wenigen, u. a. bei Kongressen veröffentlichten Informationen über diese beiden Studien lassen vermuten, dass die minimalen Effekte bei der Kognition und den alltagspraktischen Fähigkeiten unter Einbezug der fehlenden Daten noch geringer ausfallen würden. Am Gesamtergebnis, dem Fehlen eines Nutzen-Belegs, würde sich nichts ändern.

Weitere Forschung nötig

Nach Auffassung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist die Studienlage bei Memantin insgesamt noch unzureichend. Was fehlt, sind Studien mit längerer Laufzeit, die es ermöglichen, die langfristigen Auswirkungen einer Memantin-Therapie einzuschätzen. Forschungs-Defizite gibt es auch in Hinblick auf Patienten, die in Pflegeeinrichtungen leben und unter den für die Altersgruppe typischen Begleiterkrankungen leiden. Nicht auszuschließen ist, dass Memantin bei einigen Patientengruppen besser wirkt.

"Solange nicht wissenschaftlich erwiesen ist, dass Therapien Patienten oder Betreuern einen spürbaren Vorteil bringen, ist es kaum zu rechtfertigen, sie weiterhin auf Kosten der Solidargemeinschaft zu verordnen", kommentiert IQWiG-Leiter Peter Sawicki. "Es gibt immer mehr alte Menschen und damit wächst auch das medizinische und soziale Problem, das mit der Alzheimer-Erkrankung einher geht. Ich glaube nicht, dass es dafür in absehbarer Zeit eine einfache Lösung geben wird. Deshalb kommt es jetzt darauf an, die Patientinnen und Patienten sozial und pflegerisch besser zu betreuen und Angehörige zu entlasten. Und hier ist das Geld sicherlich besser 'investiert' als in Medikamenten, von denen wir nicht wissen, ob sie tatsächlich etwas nutzen."

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG im August 2008 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im Juli 2009 an den Auftraggeber versandt. Eine Dokumentation der schriftlichen Stellungnahmen sowie ein Protokoll der mündlichen Erörterung werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.

Weitere Informationen:
http://www.iqwig.de

Quelle: Presssemitteilung vom 10.09.2009
Dr. Anna-Sabine Ernst, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

URL dieser Pressemitteilung: http://idw-online.de/pages/de/news333103

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Alzheimer Demenz - nur wenige Therapien helfen

Beitrag von Presse » 10.09.2009, 15:08

Alzheimer Demenz: Nur von wenigen Therapien können Patienten nachweislich profitieren

Cholinesterasehemmer und Ginkgo können einige Symptome lindern / Nichtmedikamentöse Ansätze sind zuwenig untersucht / Forschungsförderung deutlich verstärkt

Noch immer gibt es keine Therapie, die Alzheimer Demenz entscheidend beeinflussen und damit dem schleichenden Vergessen langfristig Einhalt gebieten könnte. Durch Studien belegt ist lediglich, dass einige Medikamente kurzfristig bestimmte Symptome etwas lindern oder ihr Auftreten hinauszögern können. Für die Wirksamkeit der vielfältigen nichtmedikamentösen Verfahren fehlen entsprechende wissenschaftliche Nachweise. In den vergangenen Jahren wurde die Forschungsförderung für Alzheimer Demenz jedoch deutlich verstärkt. Trägt sie Früchte, könnten sich auf längere Sicht auch die Möglichkeiten der Therapie verbessern. Für eine wirklich erfolgreiche Demenzbehandlung werden aber wahrscheinlich ganz neue Ansätze notwenig sein.

Dieses Resümee zieht das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Abschluss eines umfassenden Auftragspakets zum Thema Alzheimer Demenz. Auf Wunsch des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hatte das Institut untersucht, welchen Nutzen - und welchen Schaden - verschiedene Therapieangebote für Patientinnen und Patienten haben können. Auf den Prüfstand kamen dabei sowohl die Arzneistoffe Cholesterinesterasehemmer, Memantin und Ginkgo biloba als auch eine Vielzahl von nichtmedikamentösen Therapien, wie etwa das Angehörigentraining und kognitive Verfahren.

Nutzen ist nur für einzelne Aspekte belegt

Wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG in Zusammenarbeit mit externen Sachverständigen feststellten, haben Arzneistoffe aus der Gruppe der Cholinesterasehemmer positive Effekte auf die sogenannte Kognition. Patientinnen und Patienten in einem leichten oder mittelschweren Stadium der Erkrankung, die in Studien einen Cholinesterasehemmer über mindestens vier Monaten einnahmen, konnten sich beispielsweise Dinge besser merken als die Erkrankten, die ein Scheinmedikament einnahmen.

Auf die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, scheinen sich dagegen Ginkgo biloba enthaltende Präparate günstig auszuwirken, sofern sie hoch genug dosiert werden (240 mg täglich). Auch hier fand das IQWiG Belege in Studien mit leicht oder mittelschwer Erkrankten. Allerdings bleibt die Größe des Effekts unklar, weil die Ergebnisse in den einzelnen Studien sehr unterschiedlich ausfielen.

Dass Patientinnen und Patienten profitieren können, ist aber jeweils nur für solch begrenzte Therapieziele nachgewiesen. Für andere Behandlungsaspekte, wie etwa Begleitsymptome (z.B. Unruhe, Depression), Lebensqualität oder Pflegebedürftigkeit, liefern die Studien entweder keine entsprechenden Belege oder die Daten sind nicht hinreichend sicher interpretierbar - in einigen Fällen wurden sie auch gar nicht erhoben.

Kein Nutzen-Nachweis für Memantin

Bei der dritte Gruppe von Alzheimer-Medikamenten, beim Wirkstoff Memantin, ist für keinen Aspekt der Erkrankung der Nachweis erbracht, dass Patienten von diesem Wirkstoff mehr profitieren als von einem Scheinmedikament - auch nicht für die Gedächtnisleistung oder die Alltags-Kompetenz.

Memantin ist zur Behandlung der mittelschweren und schweren Alzheimer Demenz zugelassen. Zwar kann auch Ginkgo bei diesen Patienten verordnet werden. Ob und wie gut Ginkgo bei den schwerer Erkrankten wirken, lässt sich auf Basis der verfügbaren Studiendaten aber nicht eindeutig sagen. Denn speziell auf diese Patientengruppe ausgerichtete Studien fehlen.

Langzeiteffekte der Medikamente bleiben unklar

Obwohl die drei genannten Medikamente vergleichsweise untersucht sind, gibt es deutliche Forschungslücken: Der überwiegende Teil der Studien hatte eine Laufzeit von maximal einem halben Jahr, sodass unklar bleibt, welche Effekte die Präparate bei einer längeren Anwendung haben. Das gilt auch und gerade für unerwünschte Nebenwirkungen, die insbesondere bei den Cholinesterasehemmern erheblich sein können (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall).

Zudem fehlen aussagekräftige Studien, die die Arzneistoffe untereinander oder mit nichtmedikamentösen Therapien vergleichen.

Großer Nachholbedarf bei guten Studien zu nichtmedikamentösen Verfahren

Noch gravierender sind Forschungsdefizite allerdings bei den nichtmedikamentösen Therapien: Zu geringe Forschungsmittel und eine unterentwickelte Studienmethodik führen dazu, dass auch für Verfahren, die Potenzial haben, keine zuverlässigen Aussagen getroffen und damit auch keine Belege für einen Nutzen erbracht werden können.

Die Vielfalt der Ansätze ist groß und einige erscheinen auch vielversprechend: Gedächtnisübungen oder Alltagsaktivitäten in der Gruppe gehören ebenso dazu wie Schulung von Angehörigen. Zwar fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine ganze Reihe von Studien. Schwächen bei der Planung oder Durchführung führten jedoch dazu, dass die Ergebnisse nicht zuverlässig interpretierbar waren. Einen Beleg für den Nutzen eines der Verfahren konnte das IQWiG deshalb nicht feststellen.

Breiter Einsatz ohne Nutzenbeleg ist nicht zu rechtfertigen

Was die Studienmethodik betrifft, hinken die nichtmedikamentösen Verfahren allerdings generell den Arzneimitteln hinterher. Ein wichtiger Grund für den Rückstand ist, dass es hier kein Zulassungsverfahren und damit auch keine Behörde gibt, die Studien mit einem methodischen Mindeststandard einfordert. Anders als in der Pharmabranche fehlen in der Regel auch finanzstarke Großunternehmen, die Studien finanzieren.

Jedoch deshalb bei bestimmten Therapien eine Ausnahme zu machen und sie ohne Nutzenbelege breit einzusetzen, ist aus Sicht des IQWiG nicht zu rechtfertigen. Denn ungenügend evaluierte Therapien können Patienten psychisch und körperlich schädigen und die Solidargemeinschaft unnötig finanziell belasten.

Forschungsförderung könnte Entwicklung neuer Therapien vorantreiben

"Was uns in Deutschland fehlt, ist eine öffentliche, von der Industrie unabhängige Forschungsfinanzierung für Fragestellungen, die für die Behandlung der Patienten wichtig sind. Das macht sich bei bestimmten Therapieansätzen zur Alzheimer Demenz besonders schmerzlich bemerkbar", sagt IQWiG-Leiter Prof. Dr. med. Peter Sawicki. "Wir müssen endlich öffentliche Geldquellen für kontrollierte klinische Studien erschließen."

Zumindest im Fall der Alzheimer Demenz wurden in den vergangenen Jahren die Weichen neu gestellt: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat Ende 2007 ein eigenes Forschungsförderungsprogramm aufgelegt. Das "Leuchtturmprojekt Demenzen" vergibt im Themenfeld "Sicherung einer evidenzbasierten Versorgung" auch Gelder für die "systematische Auswertung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse". Ende Juni 2009 nahm in Bonn das ebenfalls mit staatlichen Mitteln finanzierte Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) seine Arbeit auf. Der Etat von 60 Millionen € pro Jahr wird vor allem in die Erforschung von Demenz fließen.

Seit 2008 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) darüber hinaus das Kompetenznetz Degenerative Demenzen (KNDD). Derzeit drei Forschungsverbünde widmen sich vor allem der Entstehung und dem Verlauf der Alzheimerschen Krankheit. Über einen Zeitraum von 12 Jahren stehen ihnen dafür insgesamt 50 Millionen € zur Verfügung.

Institutsleiter Peter Sawicki sieht darin einen Schritt in die richtige Richtung: "In einigen Jahren werden wir vermutlich einige Forschungslücken geschlossen haben." Zugleich warnte er aber auch vor überzogenen Hoffnungen: "Vielleicht werden wir irgendwann Demenzpatienten heilen können. Bis dahin kommt es aber darauf an, die Patienten sozial und pflegerisch besser zu betreuen und Angehörige zu entlasten. Wir brauchen gesichertes Wissen darüber, mit welchen der vorhandenen Möglichkeiten wir ihnen am besten helfen können. Dafür ist es wichtig, versorgungsrelevante Therapie- und Betreuungsansätze besser in Studien zu untersuchen."

Weitere Informationen:
http://www.iqwig.de

Quelle: Pressemitteilung vom 10.09.2009
Dr. Anna-Sabine Ernst, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

URL dieser Pressemitteilung: http://idw-online.de/pages/de/news333105

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Memantine in Behandlungsleitlinien empfohlen

Beitrag von Presse » 19.09.2009, 07:08

Deutsche Alzheimer Gesellschaft zum „Abschlussbericht zu Memantine bei Alzheimer Demenz“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Berlin, 17.09.2009. Das IQWiG veröffentlichte am 10.9.09 seinen Abschlussbericht zum Wirkstoff Memantine, der seit 2002 für die Behandlung der Alzheimer-Krankheit im mittleren und späten Stadium zugelassen ist. Der Bericht des IQWiG kommt nach Auswertung von sieben Studien mit knapp 2.000 Teilnehmern zu dem Ergebnis, dass der Nutzen von Memantine wissenschaftlich nicht belegt ist.

Dies ist erstaunlich, da Memantine in den Behandlungsleitlinien deutscher wie internationaler Fachgesellschaften empfohlen wird. „Für die Erkrankten und ihre Angehörigen ist es völlig unverständlich, wie das IQWiG zu einer Bewertung kommt, die so weit von der der medizinischen Fachgesellschaften abweicht“, sagt dazu Heike von Lützau-Hohlbein, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. „Dieser Bericht wird unter den Betroffenen und bei den behandelnden Ärzten zu großer Unsicherheit führen.“

Für die Behandlung der schweren Demenz ist Memantine der einzige zugelassene Wirkstoff. „Die Rückmeldungen über den Nutzen des Medikaments, die die Deutsche Alzheimer Gesellschaft von Angehörigen erhält, sind natürlich nicht repräsentativ. Wir können allerdings davon ausgehen, dass ein Teil der Kranken von der Behandlung profitiert, ein anderer Teil nicht. Wir hoffen, dass Ärzten diese Therapieoption im Sinne derjenigen, die davon profitieren können, erhalten bleibt.“

In seiner Verlautbarung fordert das IQWiG weitere Studien, z. B. mit längerer Studiendauer. „Diese Forderung - auch nach unabhängigen Studien - können wir nur voll unterstützen. Dies gilt genauso für den Bereich der nicht-medikamentösen Therapien, die das IQWiG ebenfalls kürzlich untersucht hat“, so Heike von Lützau-Hohlbein.

Hintergrund:
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz ist der Bundesverband von 116 örtlichen Alzheimer Gesellschaften und Landesverbänden und vertritt die Interessen der Betroffenen.

Kontakt:
Sabine Jansen
Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Tel. 030 / 259 37 95 – 0, Fax: 030 / 259 37 95-29
E-Mail: sabine.jansen@deutsche-alzheimer.de,
Internet: http://www.deutsche-alzheimer.de

Quelle: Pressemitteilung vom 18.9.2009

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Bei Demenz kommt es auch auf die Alltagskompetenz an

Beitrag von Presse » 27.11.2009, 08:45

Bei Demenz kommt es auch auf die Alltagskompetenz an
Memantine kann nach Daten mehrerer Studien helfen, die Alltagskompetenz von Alzheimer-Kranken möglichst lange zu erhalten - das gilt sowohl für Kognition, Kommunikation, Verhalten als auch für Alltagsaktivitäten. mehr »
http://www.aerztezeitung.de/nel/?sid=57 ... demenz&c=1

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Alzheimer: Vitamin E verzögert Pflegebedarf gegenüber Memant

Beitrag von Presse » 03.01.2014, 08:16

Morbus Alzheimer: Vitamin E verzögert Pflegebedarf gegenüber Memantin
Die Behandlung mit Vitamin E in einer hohen Dosierung hat in einer randomisierten klinischen Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt
JAMA (2014; 311: 33-44) das Fortschreiten der Pflegebedürftigkeit im Vergleich zu Placebo leicht ... »
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/5 ... r-Memantin

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Demenz: Vitamin E hochdosiert gegen Alzheimer?

Beitrag von Presse » 14.01.2014, 07:24

Demenz: Vitamin E hochdosiert gegen Alzheimer?
Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz könnte womöglich Vitamin E helfen - glauben US-Forscher.
Zwar gibt es Zweifel am Nutzen, doch vor allem die Betreuer der Patienten könnten profitieren.
mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=852 ... enz&n=3221

Kommentar zu Vitamin E: Hoffnung bei Demenz
Derzeit hat die Medizin der Alzheimer-Demenz wenig entgegenzusetzen. Die Suche nach wirksameren Antidementiva
ist bisher weitgehend erfolglos verlaufen. Insofern ist es verständlich, wenn sich jetzt Hoffnungen auf Vitamin E richten.
mehr » http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=852 ... enz&n=3221

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