Umgang mit Hilfsbedürftigen - Pflege ohne Gnade

Pflegespezifische Themen; z.B. Delegation, Pflegedokumentation, Pflegefehler und Haftung, Berufsrecht der Pflegeberufe

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Umgang mit Hilfsbedürftigen - Pflege ohne Gnade

Beitrag von WernerSchell » 30.06.2020, 06:01

Die Süddeutsche Zeitung berichtet am 29.06.2020:

Umgang mit Hilfsbedürftigen - Pflege ohne Gnade


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Gerade in der Corona-Krise seien kritische Heimmitarbeiter wichtig, sagt der Münchner Pflegeexperte Claus Fussek.


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Das "grenzt an Folter": In einem Heim im niedersächsischen Celle sollen Senioren schwer misshandelt worden sein. Fachleute sind entsetzt - und es stellt sich die Frage: Wie können solche Fälle verhindert werden?

Von Rainer Stadler

In einem Pflegeheim im niedersächsischen Celle sind offenbar mehrere Bewohner grob misshandelt worden. Das legen Aufnahmen aus dem Heim nahe, die in den vergangenen Wochen entstanden sein sollen. Ein Bild zeigt einen Mann, der mit einer Decke im Bett so festgebunden wurde, dass er sich kaum bewegen kann. Auf einem anderen Bild ist eine klaffende Wunde am Bein eines Bewohners zu sehen, dem wenige Tage zuvor der Unterschenkel amputiert wurde. In einem Chat schreibt eine im Haus beschäftigte Pflegekraft einer Kollegin, Bewohner würden mit Decken die ganze Nacht über fixiert, damit ihre Vorlagen, also ihre Inkontinenz-Windeln, nicht verrutschten. Das sei in dem Haus nicht ungewöhnlich, "das machen sie hier alle so".
... (weiter lesen unter) ... > https://www.sueddeutsche.de/politik/pfl ... -1.4950462


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Bericht Report Mainz:
In einem Pflegeheim im niedersächsischen Celle sollen Senioren schwer misshandelt worden sein, berichten unsere Kollegen von der "Süddeutschen Zeitung". Handelt es sich dort um einen Einzelfall? Der SWR-Pflegeexperte Gottlob Schober berichtet, dass ihn seit Jahren anonymisierte Selbstanzeigen von Pflegekräften erreichen, die über schreckliche Zustände schutzbedürftiger Menschen berichten.
>>> https://www.facebook.com/reportmainz/ph ... n__=EEHH-R

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Anmerkung:
Seit einigen Monaten wird über Pflegemängel in den Pflegeeinrichtungen fast überhaupt nicht berichtet. Im Fokus stehen die Besuchsverbote bzw. Besuchseinschränkungen. Tatsächlich muss aber davon ausgegangen werden, dass die seit vielen Jahren konkret angesprochenen Pflegemängel - auch in MDK-Berichten - nicht weniger geworden sind, sondern eher zugenommen haben. Die Anforderungen an den Infektionsschutz haben die Belastungen der Pflegekräfte nicht minimiert. Daher ist es geboten, erneut auf die Verbesserungserfordernisse der Arbeitsbedingungen in der Pflege aufmerksam zu machen! > https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... =3&t=23687 / > https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... el#p111948

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Nach Misshandlungsvorwürfen in Heim fordert Pflegekammer Meldestelle

Beitrag von WernerSchell » 01.07.2020, 06:44

Deutsches Ärzteblatt vom 30.06.2020:
Nach Misshandlungsvorwürfen in Heim fordert Pflegekammer Meldestelle
Celle – Nach mutmaßlichen Misshandlungen in einem Pflegeheim in Celle hat die Pflegekammer Niedersachsen Veränderungen für die Branche gefordert. „Wenn wir verhindern wollen, dass es so weitergeht, müssen wir endlich handeln“, sagte die Präsidentin... [mehr] > http://170770.eu1.cleverreach.com//c/33 ... 75-1ffmqks
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Pflegegewerkschaft "Bochumer Bund" unterstützt Beschwerdestellen in der Pflege

Beitrag von WernerSchell » 05.07.2020, 06:27

Aus Forum:
https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... 52#p114252

Pflegegewerkschaft BochumerBund
unterstützt Beschwerdestellen in der Pflege


BOCHUM. Die Pflegegewerkschaft BochumerBund unterstützt die Einrichtung von Beschwerdestellen für die Pflege. "Die mutmaßlichen Missbrauchsfälle in einem Celler Pflegeheim haben auf bestürzende Weise die Dringlichkeit verdeutlicht", so Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender des BochumerBunds. Er regt an, die Beschwerdestellen bei den Pflegekammern anzusiedeln. "Dort sitzt die Expertise, die in solchen Fällen erforderlich ist", meint Jäger. In Bundesländern ohne Pflegekammern müssten Pflegende auf jeden Fall in die Arbeit einer solchen Stelle eingebunden werden.

Wichtig sei eine enge Zusammenarbeit mit bereits existierenden Institutionen wie Heimaufsicht oder MDK. Darüber hinaus gebe es deutschlandweit diverse Krisen-Notrufe und Beschwerdestellen. "Ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedenster Stellen muss auf jeden Fall vermieden werden", warnt Jäger. Daher sei so schnell wie möglich ein zentrales, bundesweites Meldesystem anzustreben.

Bei einer jetzt in Niedersachsen infolge der Verdachtsfälle in Celle erneut ins Spiel gebrachten Beschwerdestelle könnten sich Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegende im Falle von Missständen auch anonym melden. Besonders wichtig ist nach Ansicht des BochumerBunds, dass im Rahmen eines solchen Meldesystems niemand Angst haben müsse, beispielsweise als Pflegebedürftiger vor - weiteren - Misshandlungen oder als Pflegekraft vor dem Verlust des Arbeitsplatzes.

"Die mutigen Kolleginnen und Kollegen, die Missstände anzeigen, dürfen nicht als ,Verräter' oder ,Nestbeschmutzer' dastehen. Vielmehr tun sie genau das, was auch wir als Gewerkschaft von unserer Berufsgruppe erwarten: Verantwortung zeigen und das Wohl der uns anvertrauten Menschen in den Mittelpunkt stellen", unterstreicht der Vorstandsvorsitzende der Pflegegewerkschaft. Daher appelliert der BochumerBund an alle Pflegekräfte, genau hinzuschauen und sich bei vermuteten oder offensichtlichen Missständen sofort einzumischen.

Weitere Informationen zur Pflegegewerkschaft sind nachzulesen unter www.bochumerbund.de.

Quelle: Pressemitteilung vom 05.07.2020
Pressekontakt BochumerBund
Pflegegewerkschaft BochumerBund
c/o
Sönke Petersen
Voltmerstraße 13
30165 Hannover
Telefon: 0511 3509180
E-Mail-Adresse: presse@bochumerbund.de

Kontaktdaten BochumerBund
Pflegegewerkschaft BochumerBund
Vorstandsvorsitzender: Benjamin Jäger
E-Mail-Adresse: info@bochumerbund.de
www.bochumerbund.de
Twitter: @BochumerBund
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Wie verhindern wir Gewalttaten in der Pflege? 7 Vorschläge

Beitrag von WernerSchell » 15.07.2020, 06:18

Wie verhindern wir Gewalttaten in der Pflege? 7 Vorschläge

Nach dem Skandal in einem Celler Pflegeheim hat pflegen-online Experten nach Prävention befragt: Psychiater Beine, Pflegewissenschaftler Osterbrink, Palliativexpertin Hametner, Buchautorin und Altenpflegerin Ohlerth, Seelsorger Seidl, Unternehmensberaterin König und Pflegekritiker Fussek

Umfrage zu Gewalt in der Pflege > https://rdir.inxmail.com/schluetersche/ ... b_20_07_15
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
https://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de/
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Das Los pflegebedürftiger Menschen - Klagen einer Angehörigen ...

Beitrag von WernerSchell » 09.08.2020, 07:27

Der Pflegeexperte Claus Fussek macht seit vielen Jahren auf die Mängel im Pflegesystem aufmerksam und erhält insoweit von Angehörigen und Pflegekräften entsprechende Informationen übermittelt. Die gesammelten Zuschriften füllen mittlerweile zahlreiche Ordner.

Claus Fussek hat am 07.08.2020 den anonymisierten Erfahrungsbericht einer Angehörigen übermittelt mit dem Tenor: "Ich möchte, dass das Leiden meiner Mutter nicht umsonst war!" Dieser Bericht wird wie folgt vorgestellt:

Das Los pflegebedürftiger Menschen - Klagen einer Angehörigen ...

In den Jahren ihrer schweren Erkrankung durfte meine Mutter viele Pflegekräfte kennenlernen, die ihr einfühlsam und kompetent geholfen haben und mit deren Hilfe sie selbstbestimmt leben konnte. Dafür war sie unendlich dankbar und wir Angehörigen waren glücklich, diese professionelle Unterstützung zu bekommen. Zahlreiche Personen müsste ich erwähnen, denen ich dankerfüllt verbunden bin. Paula, Thomas und Dorothea sind nur wenige Namen von vielen Pflegekräften, die korrekt und liebevoll sowie mit aller Kraft ihren Beruf ausübten und unermüdlich versuchten, die Situation der Pflegebedürftigen zu verbessern.

Doch es gab auch andere Pflegekräfte und die Mängel ihrer Arbeit wären mit wenigen Handgriffen vermeidbar gewesen. Dabei stellen wir Angehörigen nicht in Abrede, dass für die Pflegenden z.B. durch Personalmangel eine Überlastung bestand.

Es ist ein dunkler Punkt in der Pflege, dass ein alter Mensch zur Ware wird um Gewinnmaximierung zu erreichen. Gleichwohl ist es nicht hinnehmbar, dass aus betriebswirtschaftlichen Gründen (u.a. Einsparung an Personal), aus mangelnder Qualifikation oder sogar aus Respektlosigkeit die Pflegebedürftigen leiden müssen, so dass sie nur noch dahinsiechen und auf den Tod warten.

Wenn beispielsweise die Pflegedienstleitung einem hilflosen Menschen das Anreichen eines Getränkes als „Sonderwunsch“ ablehnt, dann ist das unmenschlich.

Inhumane Pflege ist nicht zu tolerieren, denn sie ist gewissenlos.
Hilfe beim Trinken
Gegen 9.30 Uhr bin ich im Pflegeheim bei meiner an Exsikkose leidenden Mutter. Auf dem Flur höre ich sie bereits husten. Sie liegt im Bett und flüstert: „Durst“. Alleine kann sie – weil blind, dehydriert und bettlägerig – keines der überall im Zimmer verteilten Trinkgefäße ergreifen. Aus dem angereichten Becher trinkt sie mit großer Mühe und unter starken Schluckbeschwerden zwei Schlucke. Später sehe ich, dass meine Mutter seit dem Nachmittag des vorhergehenden Tages über 15 Stunden nichts zu trinken bekommen hatte. Und das, nachdem sie unmittelbar zuvor 9 Tage wegen einer Exsikkose im Krankenhaus behandelt worden war.

Vernachlässigende Pflege ist dilettantisch und skrupellos.
Hilfe beim Essen
Während ich nur wenige Minuten im Dienstzimmer war, hat eine Pflegefachkraft meine blinde, tief schlafende Mutter aus dem Schlaf gerissen und noch im Liegen zum Essen und Trinken gezwungen. Innerhalb kurzer Zeit wurden ihr Teile des matschigen Toastbrotes vom Frühstück und ca. 40 ml undefinierbare Flüssigkeit aus einem Becher mit sehr großer Tülle eingetrichtert. Meine Mutter verschluckte sich heftig. Bereits von weitem hörte ich sie röcheln. Laut rufend schritt ich ein, fuhr das Kopfteil des Bettes hoch und fragte: „Was ist denn hier los?“ Pflegekraft: „Irgendwie muss ich das ja anreichen. Ihre Mutter wird heute locker 2 Liter schaffen.“ Da meine Mutter blind war und dazu noch aus tiefem Schlaf gerissen wurde, konnte sie nicht sehen wer oder was auf sie zukam und was geschah. Seit diesem Vorfall war sie zunehmend verängstigt.

Zwang in der Pflege ist brutal und zügellos.
Grundversorgende Maßnahmen:
Meine Mutter musste zur Toilette. Die Enkelin, die gerade zu Besuch war, klingelte. Nach ca. 20 Minuten kam jemand und sagte „Ich komme gleich“. Nach weiteren 10 Minuten und wiederholtem Klingeln ging meine Tochter und suchte eine Pflegekraft. Zwei Pflegekräfte halfen meiner Mutter auf den Toilettenstuhl im Zimmer während meine Tochter auf dem Flur wartete. Dann holte man sie herein, damit sie auf ihre Großmutter (sitzend auf dem mit Stuhlgang gefüllten Toilettenstuhl) achtete. „Passen Sie auf, dass Ihre Oma nicht von dem Stuhl kippt. Vielleicht kommt ja noch was.“
Meine Mutter, die immer eine kultivierte Frau war, hat sich sehr geschämt, war aber zu kraftlos, um sich zu wehren. Und meine Tochter? Sie hatte Angst, dass ihre Großmutter stürzen und sich verletzen würde. Scham und Hilflosigkeit waren auf beiden Seiten.

Pflege ohne Feingefühl ist beschämend und taktlos.
Körperpflege und -hygiene
Dehydriert und blind war meine Mutter auf Hilfe angewiesen. Sie morgens nicht zu versorgen sondern im Bett liegen zu lassen, ungewaschen, ungekämmt, mit während der Nacht zugeklebten Augen, ohne Zahnreinigung (eigene Zähne waren noch vollständig vorhanden), ohne Wechseln der Wäsche und Kleidung, ohne Getränk, ohne Frühstück, nur mit einer Schutzhose und einem T-Shirt bekleidet, das ist erniedrigend. Stündlich zu rauchen anstatt zu pflegen ist gleichgültig und hemmungslos.

Medikamentenversorgung
Die kleinen Tablettenbecher wurden häufig auf den Tisch gestellt – immer wieder an anderer Stelle. Meine blinde Mutter sollte ihre lebenswichtigen Medikamente eigenhändig einnehmen. Fragwürdige Äußerung der Pflegefachkraft dazu: „Das ist Training.“ Dank der Hilfe und Umsicht des befreundeten Herrn S., ebenfalls Bewohner des Seniorenheimes, gelang die Medikamenteneinnahme reibungslos. An einigen Tagen erreichte mich sein Anruf, warum ich ihm die Änderung der Tablettengaben nicht mitgeteilt hätte? Es hatte jedoch keine Änderung gegeben. Bei meiner umgehenden Inaugenscheinnahme der Medikamente stellte ich mehrere Male fest, dass die Tabletten mit denen anderer Bewohner vertauscht oder nicht der Tagesdosierung entsprechend ausgeteilt waren.

Nachlässigkeit in der Pflege ist körperverletzend und verantwortungslos.
„Eigen-Diagnosen“ der Pflegekräfte
Die im Krankenhaus gestellte und nachgewiesene Diagnose „Exsikkose“ wurde immer wieder von den Pflegekräften und der Pflegedienstleitung angezweifelt anstatt umgehend eine Flüssigkeitsversorgung zu sichern. Stereotyp, desinteressiert und ohne angepasste Pflege wurde behauptet: „Ihre Mutter trinkt genug!“ Erfahrungen mit einer Exsikkose, ihren Symptomen und ihrer Behandlung, vor allem den sehr guten Behandlungserfolgen bei Flüssigkeitsgaben wurden unter Berufung auf falsche EigenDiagnosen ignoriert: „... ist alt, Parkinson, ihre Mutter baut ab, neurologisches Problem, Geschehen im Kopf ...“ hieß es immer wieder und verhinderte dadurch eine adäquate Behandlung.

Ignoranz in der Pflege ist anmaßend und kompetenzlos.
Das sind Beispiele für eine würdelose sowie nachlässige und körperverletzende Pflege.
Je entkräfteter meine Mutter war, umso mehr fiel auf, dass es in diesem Seniorenheim an durchdachter Pflege und unterstützender Hilfe mangelte. Es war erschreckend, wie zahlreich auch ärztliche Verordnungen missachtet wurden. Hätte es nicht jeden Tag regelmäßig Hilfe durch Angehörige und Freunde gegeben, wäre alles noch schlimmer gewesen (was kaum vorstellbar ist).


Quelle: >>> https://www.wernerschell.de/forum/neu/v ... 68#p114668
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk (Neuss)
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