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Bessere Versorgung von Schmerzpatienten

Verfasst: 15.03.2012, 07:25
von Presse
Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V., Barbara Ritzert, 14.03.2012

Schmerzoffensive Deutschland: Ein Programm für die bessere Versorgung von Schmerzpatienten

Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen sind die Stiefkinder des Medizinsystems. Dies belegen Umfragen und Untersuchungen, die auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt präsentiert werden. »Die ‘Schmerzoffensive Deutschland’ soll dies ändern«, erklärt Tagungspräsident Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe. Das Programm hat ein einziges Ziel: :
Das Gesundheitssystem in Deutschland soll sich endlich an der Versorgungsnotwendigkeit von Millionen Menschen mit chronischer Schmerzkrankheit orientieren. Dies erfordert ein Bündel von Maßnahmen, unter anderem auch die Verankerung der Schmerzmedizinals eigenständiges Fachgebiet in der Medizin.

»Wir sind mit unseren Bemühungen gescheitert, die Versorgung von Schmerzpatienten in Deutschland nicht nur punktuell, sondern nachhaltig und flächendeckend sicherzustellen«, sagt Dr. Gerhard H. H. Müller- Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie und Leiter des Deutschen Schmerz- und Palliativtags in Frankfurt. »Viele Ziele, die wir uns in der Gründungsphase unserer Gesellschaft vor 28 Jahren gesteckt haben, konnten wir nicht erreichen, obwohl die Probleme der Patienten in der Öffentlichkeit zunehmend wahrgenommen werden.« Die Erkenntnisse der Schmerzforschung und Schmerzmedizin werden, so Müller- Schwefe, nicht zum Nutzen der Patienten umgesetzt, weil gesundheits- und standespolitische Rahmenbedingungen dies verhindern.

SCHMERZPATIENTEN LEIDEN.

Darum ist es nicht verwunderlich, dass Schmerzpatienten mit ihrer Behandlung vielfach unzufrieden sind: In einer Umfrage, die auf der Tagung präsentiert wird, berichten 86 Prozent der 2860 befragten Patienten, dass sie sich aufgrund eines unzureichenden Schmerzmanagements im täglichen Leben eingeschränkt fühlen. Drei Viertel haben Schlafstörungen, 80 Prozent leiden am so genannten end-of-dose-pain. Dieser tritt auf, wenn der Wirkspiegel eines Medikamentes vor der Einnahme der nächsten Dosis absinkt. In einer anderen Untersuchung geben 90 Prozent der Patienten zu Protokoll, dass ihre Schmerzintensität höher ist als dies bei einer adäquaten Therapie zu erwarten wäre.

Diese Defizite haben damit zu tun, dass die Schmerzmedizin im Medizinsystem nicht als eigenständiges Fachgebiet etabliert ist, vergleichbar etwa mit der Kardiologie. Deshalb ist sie auch nicht obligatorisch in die Aus- und Weiterbildung der Ärzte integriert. In den Leistungsverzeichnissen der Krankenkassen findet sich Schmerz überall ein bisschen aber immer nur als Symptombehandlung, nicht mit den Diagnostik- und Behandlungsoptionen, die Patienten mit einer chronischen Schmerzkrankheit benötigen. Dies wiederum beeinflusst die Vergütung schmerztherapeutischer Leistungen und sorgt für Nachwuchsmangel bei den Schmerztherapeuten. Entsprechend fehlen spezialisierte Einrichtungen, was ebenfalls mit den Ausbildungsdefiziten, aber auch mit der wirtschaftlichen Situation von Schmerzpraxen zu tun hat. Darum ist eine oft jahrelange und frustrierende Odysee durch Arztpraxen typisch für Schmerzpatienten, während der sich die Schmerzen zunehmend tiefer in das Zentralnervensystem einbrennen und daher zunehmend schwieriger zu behandeln sind.

FACHARZT FÜR SCHMERZMEDIZIN GEFORDERT.

Fortschritte für die betroffenen Patienten werde es nur dann geben, so M üller-Schwefe, wenn die Schmerzmedizin als eigenständiges und gleichwertiges Fach mit entsprechenden Lehr- und Weiterbildungsinhalten an den Universitäten auf allen Ebenen der medizinischen Lehre und Forschung etabliert ist. Ebenso ist es erforderlich, dass die Schmerzmedizin umfassend in den Leistungsverzeichnissen der Krankenkassen abgebildet ist, zu einem festen Bestandteil der Fortbildung von Haus- und Fachärzten gehört und adäquate Vergütungsregeln für die Behandlung etabliert werden.

SCHMERZTHERAPIE IN DER APPROBATIONSORDNUNG. Im vorliegenden Entwurf des Gesundheitsministeriums für die neue Approbationsordnung für Ärzte ist die Schmerzmedizin inzwischen – zusammen mit der Palliativmedizin – als Querschnittsfach vorgesehen. Dies bedeutet, dass sie als Pflichtfach gelehrt und auch geprüft wird. »Vorausgesetzt der Bundesrat beschließt dies, ist es ein erster kleiner Erfolg, für den wir lange gekämpft haben«, sagt Müller-Schwefe. »Doch es ist erst der Anfang.«

SCHMERZMEDIZIN DEMONSTRIERT IHRE LEISTUNGSFÄHIGKEIT.

Eine bessere schmerzmedizinische Ausbildung der Ärzte ist eine Voraussetzung für bessere Versorgungsmodelle. Auch hier ist die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie ein Vorreiter. Sie initiierte ein Konzept zur integrierten Versorgung von Rückenschmerzpatienten, das sich als Erfolgsmodell entpuppt hat. »Dieses Projekt zeigt«, so Müller-Schwefe, »wohin die Reise grundsätzlich in der Schmerztherapie gehen muss: Hin zu einer rechtzeitigen und intensiven Versorgung, bevor es zu tiefgreifenden Chronifizierungsprozessen gekommen ist, deren Behandlung dann sehr viel höhere Kosten verursacht.« Das Projekt, gemanagt von der IMC GmbH, wurde zusammen mit der Techniker Krankenkasse sowie der Hanseatischen Krankenkasse inzwischen an bundesweit 36 Zentren etabliert. Alle Behandlungsergebnisse werden in einer umfangreichen Datenbank gesammelt.
Dies wird möglich durch ein vollelektronisches Dokumentationssystem.
Etabliert sind zur Qualitätssicherung ein automatisches Benchmarkinsystem sowie routinemäßige Patientenbefragungen vor und nach der Behandlung durch ein unabhängiges Forschungsinstitut.

VIERWÖCHIGE KOMPLEXTHERAPIE.

Das Prinzip des erfolgreichen Projektes: Die Krankenkasse spricht gezielt Versicherte an, die sich bereits seit längerer Zeit wegen ihrer Rückenschmerzen in ärztlicher Behandlung befinden, mindestens vier Wochen arbeitsunfähig und weitere Arbeitsunfähigkeit droht. Denn dies sind Betroffene, die möglicherweise ein hohes Chronifizierungsrisiko haben. Die Patienten werden von Experten zunächst untersucht. Bei dem vier-, maximal achtwöchigen kompakten Intensiv-Programm arbeiten Ärzte, Psychologen und Physiotherapeuten Hand in Hand. Die Patienten werden von verschiedenen Experten gleichzeitig und nicht nacheinander behandelt (multimodale Therapie).

WENIGER SCHMERZ, MEHR LEBENSQUALITÄT.

Bislang wurden von den 5294 zugewiesenen Patientinnen und Patienten 3997 in das Programm aufgenommen, 1297 wurden andere Therapien empfohlen (Stand Anfang 2012). Auswertungen zeigen, dass nach vier Wochen 52,7 Prozent der Patienten und nach insgesamt acht Wochen 87,2 Prozent wieder arbeitsfähig sind. Mit 84,4 Prozent Langzeitrespondern ändern sich diese Zahlen auch nicht wesentlich bei Nachuntersuchungen nach sechs Monaten. Normalerweise kehren nur 35 Prozent der Rückenschmerzpatienten nach einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Monaten innerhalb von zwei Jahren an ihren Arbeitsplatz zurück. »Es ist unser erklärtes Ziel, diese Versorgungsform für alle Schmerzformen gleichermaßen und flächendeckend zu etablieren«, betont Müller-Schwefe.

PRAXIS-LEITLINIEN ALS WEITERER BAUSTEIN DER SCHMERZOFFENSIVE DEUTSCHLAND.

Die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie mit der Entwicklung von Praxisleitlinien und Praxis-Fragebögen begonnen. Begonnen hat die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie mit der Entwicklung von Praxisleitlinien und Praxis-Fragebögen, die ebenfalls die Versorgung der Patienten verbessern soll. Diese geben Hilfestellungen für die tägliche schmerzmedizinische Arbeit.

Schmerzmedizin wird endlich Pflichtfach im Medizinstudium

Verfasst: 16.05.2012, 06:55
von Presse
Schmerzmedizin wird endlich Pflichtfach im Medizinstudium

»Für Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen ist es ein Meilenstein, dass die Schmerzmedizin endlich zum Pflichtfach im Medizinstudium wird«, kommentiert Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. die Zustimmung des Bundesrates zu einer Änderung der Approbationsordnung für Ärzte. Diesem ersten Schritt müsse jedoch ein zweiter folgen. »Wir brauchen nicht nur eine bessere Ausbildung aller Ärzte in Schmerzmedizin, sondern den Facharzt für Schmerzmedizin, der für die Behandlung der komplexen Probleme von Menschen mit chronischer Schmerzkrankheit qualifiziert ist.«

Am 11. Mai 2012 stimmte der Bundesrat der Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte zu. Diese Änderung führt dazu, dass angehende Ärzte bereits im Studium Diagnostik, Therapie und Prävention chronischer Schmerzen lernen. »Die Schmerzmedizin ist nunmehr Querschnittsfach im Medizinstudium, gehört also damit zu den Pflichtfächern, die im Staatsexamen geprüft werden«, erklärt Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.

Seit ihrer Gründung im Jahr 1984 hat sich die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie für eine bessere Ausbildung der Ärzte auf dem Gebiet der Schmerzmedizin eingesetzt. »Bei allen Bundes-Gesundheitsministern seit 1984 und deren jeweiligen Staatssekretären sowie bei den Mitgliedern der Gesundheitsausschüsse sind wir immer wieder vorstellig geworden, um die Bedeutung der Schmerzmedizin für betroffene Menschen sowie unser Gesundheits- und Sozialsystem zu erläutern«, sagt Dr. Müller-Schwefe. »So belasten alleine Rückenschmerzen die Sozialsysteme jährlich mit 48,5 Milliarden Euro.«

Zwar seien die Forderungen der Schmerzmediziner zumeist auf Verständnis gestoßen, berichtet der DGS-Präsident rückblickend, doch politisch blieben die Einsichten bislang folgenlos. »Die modernen Konzepte der Schmerzmedizin waren zwar vorhanden«, so Müller-Schwefe, »aber dies änderte nichts daran, dass betroffene Patienten zumeist Ärzten gegenüber standen, die nie gelernt hatten, chronische Schmerzen zu diagnostizieren und zu behandeln, geschweige denn, der verhängnisvollen Chronifizierung von Schmerzen vorzubeugen.«

Die neue Approbationsordnung, die unter Gesundheitsminister Christian Bahr auf den Weg gebracht wurde, wird dies nun hoffentlich ändern: Angehende Ärztinnen und Ärzte, die sich am Ende ihres Studiums zum zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung anmelden, müssen ab Oktober 2016 mit einem Leistungsnachweis belegen, dass sie Vorlesungen und Kurse in Schmerzmedizin besucht haben. Für Dr. Müller-Schwefe ist dies ein erster wichtiger Schritt, dem allerdings ein weiterer schnellstmöglich folgen muß. »Es gilt nun, die Schmerzmedizin in das Gesundheitssystem sowie in die Versorgungsstrukturen und in die Bedarfsplanung zu integrieren. Nur so können wir eine adäquate Versorgung der schätzungsweise 15 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen gewährleisten, von denen fünf bis sechs Millionen besonders schwer betroffen sind, weil sich ihr Schmerz verselbstständigt hat und zur chronischen Schmerzkrankheit geworden ist.« Dazu sei es zwingend erforderlich, die Schmerzmedizin als eigenständiges und gleichwertiges Fach mit entsprechenden Lehr- und Weiterbildungsinhalten an den Universitäten auf allen Ebenen der medizinischen Lehre und Forschung zu etablieren. »Es darf nicht sein«, so Müller-Schwefe, »dass die Schmerzmedizin in den verschiedenen medizinischen Fächern überall ein bisschen aber nirgends richtig repräsentiert ist.« Erforderlich sei darum der Facharzt für Schmerzmedizin, »der die komplexen Probleme der Menschen mit chronischer Schmerzkrankheit verstehen und adäquat behandeln kann«, betont der DGS-Präsident.

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Die Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS) ist mit über 4000 Mitgliedern die größte europäische Schmerzgesellschaft. Sie ist bundesweit in mehr als 120 regionalen Schmerzzentren organisiert, in denen interdisziplinäre Schmerzkonferenzen veranstaltet werden. Die DGS ist Herausgeberin des Schmerztherapieführers, in dem alle Mitglieder aufgelistet sind. Gemeinsam mit der Deutschen Schmerzliga e.V. organisiert die DGS den jährlich stattfindenden Deutschen Schmerztag in Frankfurt, an dem im Schnitt rund 2000 Wissenschaftler, Ärzte, Psychologen und Angehörige der Pflegeberufe teilnehmen.

Oberstes Ziel der DGS ist die Verbesserung der Versorgung von Menschen mit chronischen Schmerzen. Dies wird nur durch die Etablierung der Algesiologie in der Medizin erreichbar. Dazu gehört die Qualitätssicherung in der Schmerztherapie durch die Erstellung von Therapiestandards, sowie die Verbesserung der Aus-, Fort- und Weiterbildung auf den Gebieten der Schmerzdiagnostik und Schmerztherapie für Ärzte aller Fachrichtungen.

Quelle: Pressemitteilung vom 15.05.2012
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Barbara Ritzert
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Schmerz gilt heute nicht mehr als Schicksal

Verfasst: 27.10.2012, 07:06
von Presse
Deutsches Ärzteblatt, 26.10.2012
„Schmerz gilt heute nicht mehr als Schicksal“
Berlin – Patienten mit chronischen Schmerzen warten im Durchschnitt bis zu vier Jahre, bis sie eine qualifizierte schmerztherapeutische Behandlung erhalten.
Experten diagnostizieren in Deutschland eine klare Unterversorgung von Schmerzpatienten. Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt erläutert der neue
Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft (früher DGSS), Thomas Isenberg, wie man die Versorgung der Schmerzpatienten verbessern und welche
Rolle die Deutsche Schmerzgesellschaft dabei spielen könnte.
... weiter lesen unter ... http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/52179