Soziale Kälte in der Diakonie
Viel Seele, wenig Herz: In den Kliniken und Pflegeeinrichtungen der Diakonie wird eisern an den Personalkosten gespart -
durch Leiharbeiter und ausgelagerte Geschäftsteile. Möglich macht dies auch das Kirchenrecht.
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http://www.aerztezeitung.de/nl/?sid=817 ... aft&n=2040
Soziale Kälte in der Diakonie
Moderator: WernerSchell
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Leiharbeit in der Diakonie üblich
Die Rheinische Post (RP) beschäftigt sich heute, 12.07.2012, ebenfalls mit der Diakonie und deren personellen Sichtweisen. Dazu titelt die RP: "Studie: Leiharbeit in der Diakonie üblich". Nach dem Bericht soll die Ausgliederung von Betrieben zur Reduzierung von Lohnkosten in der evangelischen Diakonie "flächendeckend verbreitet" sein. Zu diesem Ergebnis komme, so die Zeitung weiter, eine Studie, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung vorstellte. Auch Leiharbeit sei in diakonischen Einrichtungen üblich. Allerdings habe sie in letzter Zeit an Bedeutung verloren. Die Studie basiert auf den Angaben von rund 300 Mitarbeitervertretungen. Vertreter der Diakonie wiesen die Erhebung als unseriös zurück.
Quelle: Rheinische Post vom 12.07.2012 -
http://nachrichten.rp-online.de/politik ... -1.2906838
Man darf gespannt sein, ob und inwieweit die Diakonie dazu Stellung nimmt. Soweit die Personalmaßnahmen die Pflege betreffen, halte ich das alles für inakzeptabel. Pflegekräfte müssen gute Arbeitsbedingungen und angemessene Vergütungen erhalten. Sie dürfen auf keinen Fall zum Spielball irgendwelcher Einsparaktivitäten werden.
Dieter Radke
Quelle: Rheinische Post vom 12.07.2012 -
http://nachrichten.rp-online.de/politik ... -1.2906838
Man darf gespannt sein, ob und inwieweit die Diakonie dazu Stellung nimmt. Soweit die Personalmaßnahmen die Pflege betreffen, halte ich das alles für inakzeptabel. Pflegekräfte müssen gute Arbeitsbedingungen und angemessene Vergütungen erhalten. Sie dürfen auf keinen Fall zum Spielball irgendwelcher Einsparaktivitäten werden.
Dieter Radke
Menschenwürdige Pflege ohne Ausnahme! - Dafür müssen wir alle eintreten.
Hohe Tarifbindung in der Diakonie
Hohe Tarifbindung in der Diakonie
Berlin, 12. Juli 2012 Der Einsatz der Evangelischen Kirche und ihrer Diakonie, das eigene Arbeitsrecht flächendeckend durchzusetzen, zeigt Erfolg. Bereits jetzt hat die Diakonie mit weit über 80 Prozent eine der höchsten Tarifbindungen in Deutschland.
Die EKD Synode hat sich im Jahr 2011 mit dem Problem von Ausgliederungen und Leiharbeit beschäftigt und festgestellt, dass die Tarifbindung des kirchlich diakonischen Arbeitsrechtes verstärkt werden soll. Bereits im Jahr 2006 hatte das oberste kirchliche Gericht, der Kirchengerichtshof, festgestellt, dass ersetzende Leiharbeit, die Einstellung von Leiharbeitnehmern anstelle von Stammmitarbeitern, in Kirche und Diakonie anders als in der freien Wirtschaft nicht zulässig ist. Diese kirchliche Rechtsprechung und die Synodenbeschlüsse sowie die Umsetzung der Satzungsvorschriften der Diakonischen Werke der Landeskirchen zeigen Wirkung.
Die ansonsten sehr kritische Studie der Hans Böckler Stiftung stellt fest, dass Leiharbeit kein flächendeckendes Phänomen in der Diakonie ist. Das zeigt auch eine Umfrage in der Diakonie, die im Herbst herausgegeben wird. Leiharbeit wird zur Abdeckung von Arbeitsspitzen genutzt.
Diakonische Einrichtungen, die wie das Haus Lilienthal in großem Umfang Leiharbeitnehmer eingesetzt haben, können nicht mehr Mitglied in der Diakonie sein.
Der Dritte Weg dient Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Vergleiche mit den anderen Wohlfahrtsverbänden und dem privaten Sektor zeigen, dass die Diakonie auf diesem Wege eine weit höhere Bindung an die kirchlich diakonischen Tarife erreicht. Auch Tarifvergleiche mit anderen Arbeitgebern im
Gesundheits- und Sozialwesen zeigen, dass auf diesem Weg gute Ergebnisse erzielt werden. Im Gegensatz zur Wirtschaft werden durch den hohen Grad an betrieblichen Interessenvertretungen, den Mitarbeitervertretungen, Arbeitnehmerinteressen flächendeckend gestärkt. Auch Tarifvergleiche mit anderen Arbeitgebern im Gesundheits- und Sozialwesen zeigen, dass auf diesem Weg gute Ergebnisse erzielt werden.
Die kirchlichen Mitarbeitervertretungen haben bei Kündigungen größere Rechte als Betriebs- und Personalräte. Eine Kündigung kann nur dann ausgesprochen werden, wenn die Mitarbeitervertretung zustimmt oder die Zustimmung durch Kirchengerichte ersetzt worden ist.
Ob durch Ausgliederungen ein Wettbewerbsvorteil gegeben ist, wie in der Studie dargestellt, hält die Diakonie für unwahrscheinlich. Sie rechnet mit einer geringen Ausgliederungsdichte in der Diakonie. Zudem werde in den überwiegenden Fällen von Ausgliederungen kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht angewendet. Dies zeigen die ersten Ergebnisse der bereits erwähnten und im Herbst erwarteten Umfrage.
Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
******************************
Quelle: Pressemitteilung vom 12.07.2012
Stephan Röger, stellv. Pressesprecher
Pressestelle, Zentrum Kommunikation
Telefon +49 30 83001-130 | Fax +49 30 83001-135
E-Mail: pressestelle@diakonie.de
Diakonisches Werk der EKD e.V.
Reichensteiner Weg 24 | 14195 Berlin | Telefon +49 30 83001-0 | Fax +49 30 83001-
222
diakonie@diakonie.de | http://www.diakonie.de
Berlin, 12. Juli 2012 Der Einsatz der Evangelischen Kirche und ihrer Diakonie, das eigene Arbeitsrecht flächendeckend durchzusetzen, zeigt Erfolg. Bereits jetzt hat die Diakonie mit weit über 80 Prozent eine der höchsten Tarifbindungen in Deutschland.
Die EKD Synode hat sich im Jahr 2011 mit dem Problem von Ausgliederungen und Leiharbeit beschäftigt und festgestellt, dass die Tarifbindung des kirchlich diakonischen Arbeitsrechtes verstärkt werden soll. Bereits im Jahr 2006 hatte das oberste kirchliche Gericht, der Kirchengerichtshof, festgestellt, dass ersetzende Leiharbeit, die Einstellung von Leiharbeitnehmern anstelle von Stammmitarbeitern, in Kirche und Diakonie anders als in der freien Wirtschaft nicht zulässig ist. Diese kirchliche Rechtsprechung und die Synodenbeschlüsse sowie die Umsetzung der Satzungsvorschriften der Diakonischen Werke der Landeskirchen zeigen Wirkung.
Die ansonsten sehr kritische Studie der Hans Böckler Stiftung stellt fest, dass Leiharbeit kein flächendeckendes Phänomen in der Diakonie ist. Das zeigt auch eine Umfrage in der Diakonie, die im Herbst herausgegeben wird. Leiharbeit wird zur Abdeckung von Arbeitsspitzen genutzt.
Diakonische Einrichtungen, die wie das Haus Lilienthal in großem Umfang Leiharbeitnehmer eingesetzt haben, können nicht mehr Mitglied in der Diakonie sein.
Der Dritte Weg dient Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Vergleiche mit den anderen Wohlfahrtsverbänden und dem privaten Sektor zeigen, dass die Diakonie auf diesem Wege eine weit höhere Bindung an die kirchlich diakonischen Tarife erreicht. Auch Tarifvergleiche mit anderen Arbeitgebern im
Gesundheits- und Sozialwesen zeigen, dass auf diesem Weg gute Ergebnisse erzielt werden. Im Gegensatz zur Wirtschaft werden durch den hohen Grad an betrieblichen Interessenvertretungen, den Mitarbeitervertretungen, Arbeitnehmerinteressen flächendeckend gestärkt. Auch Tarifvergleiche mit anderen Arbeitgebern im Gesundheits- und Sozialwesen zeigen, dass auf diesem Weg gute Ergebnisse erzielt werden.
Die kirchlichen Mitarbeitervertretungen haben bei Kündigungen größere Rechte als Betriebs- und Personalräte. Eine Kündigung kann nur dann ausgesprochen werden, wenn die Mitarbeitervertretung zustimmt oder die Zustimmung durch Kirchengerichte ersetzt worden ist.
Ob durch Ausgliederungen ein Wettbewerbsvorteil gegeben ist, wie in der Studie dargestellt, hält die Diakonie für unwahrscheinlich. Sie rechnet mit einer geringen Ausgliederungsdichte in der Diakonie. Zudem werde in den überwiegenden Fällen von Ausgliederungen kirchlich-diakonisches Arbeitsrecht angewendet. Dies zeigen die ersten Ergebnisse der bereits erwähnten und im Herbst erwarteten Umfrage.
Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
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Quelle: Pressemitteilung vom 12.07.2012
Stephan Röger, stellv. Pressesprecher
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Diakonisches Werk der EKD e.V.
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Arbeitsbedingungen durch Ausgliederungen, Leiharbeit ...
Diakonie: Arbeitsbedingungen durch Ausgliederungen, Leiharbeit und zersplitterte Tariflandschaft unter Druck
(Quelle: Hans-Böckler-Stiftung) Sozialunternehmen der Diakonie haben in den vergangenen Jahren auf den gestiegenen Kosten- und Wettbewerbsdruck im Sozialbereich ähnlich reagiert wie ihre Wettbewerber. Um Lohnkosten zu reduzieren, sind bei Sozialeinrichtungen der evangelischen Kirche Ausgliederungen von Betrieben und Betriebsteilen "flächendeckend verbreitet". Zu dieser Einschätzung kommt eine Forschergruppe in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten qualitativen, explorativen Studie. Auch Leiharbeit ist nach Ansicht der Forscher in diakonischen Einrichtungen eine "übliche Praxis", die allerdings in letzter Zeit an Bedeutung verloren habe.
Zudem setzten viele diakonische Sozialunternehmen ihre aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen abgeleitete arbeitsrechtliche Sonderstellung offensiv ein, konstatieren Prof. Dr. Heinz-Jürgen Dahme (Fachhochschule Magdeburg), Prof. Dr. Norbert Wohlfahrt (Evangelische Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe), Dr. Gertrud Kühnlein und Dr. Anna Stefaniak (Sozialforschungsstelle der TU Dortmund). Der von den Kirchen praktizierte so genannte "Dritte Weg" werde "aktiv als Geschäfts- und Wettbewerbsstrategie genutzt..., um sich gegenüber sozialwirtschaftlichen Konkurrenten durchzusetzen", schreiben die Forscher.
Die Wissenschaftler stützen ihre Analyse der Arbeitsbeziehungen in der Diakonie auf eine schriftliche Befragung von knapp 300 Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen und -verbänden sowie auf 40 Intensivinterviews mit Arbeitnehmervertretern und Diakonie-Experten. Ergänzend zogen die Forscher ältere Umfragen sowie die Selbstdarstellungen diakonischer Unternehmen heran, und sie analysierten die kontroverse innerkirchliche Diskussion zum Thema, beispielsweise auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom November 2011. Angesichts der sehr vielfältigen und dezentralen Strukturen - rund 27.000 selbständige diakonische Einrichtungen in Deutschland beschäftigen etwa 435.000 Menschen - kann die Untersuchung keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben. Sie gibt aber einen vertieften Einblick in einen Bereich, für den bisher nur wenige empirische Daten vorliegen.
Die Wissenschaftler leuchten auch den Hintergrund der Veränderungen in der Diakonie aus: Bis in die 1990er Jahre hinein galt im Gesundheits- und Sozialbereich das Prinzip der "Selbstkostendeckung". Danach wurden bei der Abrechnung einer Krankenhaus-, Pflege- oder Betreuungsleistung den jeweiligen Kostenträgern pauschalierte Selbstkosten der genutzten Gesundheits- oder Sozialeinrichtung in Rechnung gestellt. In mehreren Gesundheits- und Sozialreformen schaffte die Bundesregierung dieses Prinzip zugunsten einer stärker auf Effizienz und Wettbewerb ausgerichteten Ordnung ab. So entstand ein "Sozialmarkt", auf dem Sozialunternehmen verstärkt um Aufträge der öffentlichen Hand oder der Sozialversicherung konkurrieren. Die Träger setzte das unter einen erheblichen Kostendruck.
In der Diakonie führte das zu entscheidenden Veränderungen bei der Bezahlung, so die Forschungsgruppe. Zuvor hätten sich Kirche und Diakonie in ihren AVR bundesweit weitgehend am Bundesangestelltentarif des Öffentlichen Dienstes orientiert. Diese recht einheitliche Struktur wurde in der Folge immer weiter aufgesplittert. Heute zählen die Forscher in den 22 evangelischen Landeskirchen und ihren diakonischen Werken allein 16 "Arbeitsrechtliche Kommissionen" und "knapp zwei Dutzend" AVR. Viele davon lägen teils deutlich unter dem heutigen Niveau des öffentlichen Dienstes, konstatieren die Forscher.
Die Nutzung von Leiharbeit in diakonischen Einrichtungen bezeichnen die Wissenschaftler als "übliche Praxis". Einige diakonische Sozialunternehmen unterhalten eigene Leiharbeitsunternehmen, so die Forscher. Die dort Beschäftigten erhielten niedrigere Löhne, die diakonischen Entleihbetriebe sparten durch diese Konstruktion zudem noch Mehrwertsteuer. Aus den Aussagen der Mitarbeitervertreter schließen die Wissenschaftler, dass Leiharbeit "in vielen Fällen nicht nur zur Abfederung vorübergehender Personalengpässe" diene, "sondern vielmehr dem dauerhaften Ersetzen 'teurerer' AVR-Mitarbeiter".
Anders als Ausgliederungen und AVR-Abweichungen sei "ersetzende" Leiharbeit in der Diakonie aber "kein flächendeckendes" Phänomen. Zudem habe ihre Bedeutung abgenommen, berichten die Wissenschaftler. Das führen sie vor allem auf zwei Gründe zurück: Zum einen habe der Kirchengerichtshof der EKD im Oktober 2006 eine "auf Dauer angelegte Beschäftigung" von Leiharbeitnehmern für unvereinbar mit dem "kirchlichen Grundsatz des Leitbildes von der Dienstgemeinschaft" erklärt. Zum anderen mache die in letzter Zeit etwas verbesserte staatliche Regulierung der Leiharbeit dieses Instrument weniger attraktiv. Nach Einschätzung der befragten Mitarbeitervertreter wichen manche diakonische Einrichtungen in dieser Situation verstärkt auf schlecht bezahlte Werkverträge aus. Andere übertrugen die von Leiharbeitnehmern oder Externen erledigten Arbeiten wieder auf eigene Beschäftigte.
Angesichts ihrer Untersuchungsergebnisse kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, "dass der Dritte Weg als gelebte Dienstgemeinschaft in der Praxis faktisch nicht existiert. Er folgt in der sozialunternehmerischen Wirklichkeit den Gesetzmäßigkeiten der gesamten Sozialbranche, und die ist von den herrschenden Refinanzierungsbedingungen bestimmt und nicht von Glaubens- bzw. Wertebesonderheiten. Große Teile der Mitarbeitervertretungen der Diakonie fordern deshalb den Übergang in den zweiten Weg und einen Tarifvertrag Soziales als Bremse der herrschenden Konkurrenzbedingungen."
Download der Studie : http://www.boeckler.de/pdf/pm_fof_2012_07_11.pdf
Quelle: Mitteilung vom 15.07.2012
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de
(Quelle: Hans-Böckler-Stiftung) Sozialunternehmen der Diakonie haben in den vergangenen Jahren auf den gestiegenen Kosten- und Wettbewerbsdruck im Sozialbereich ähnlich reagiert wie ihre Wettbewerber. Um Lohnkosten zu reduzieren, sind bei Sozialeinrichtungen der evangelischen Kirche Ausgliederungen von Betrieben und Betriebsteilen "flächendeckend verbreitet". Zu dieser Einschätzung kommt eine Forschergruppe in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten qualitativen, explorativen Studie. Auch Leiharbeit ist nach Ansicht der Forscher in diakonischen Einrichtungen eine "übliche Praxis", die allerdings in letzter Zeit an Bedeutung verloren habe.
Zudem setzten viele diakonische Sozialunternehmen ihre aus dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen abgeleitete arbeitsrechtliche Sonderstellung offensiv ein, konstatieren Prof. Dr. Heinz-Jürgen Dahme (Fachhochschule Magdeburg), Prof. Dr. Norbert Wohlfahrt (Evangelische Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe), Dr. Gertrud Kühnlein und Dr. Anna Stefaniak (Sozialforschungsstelle der TU Dortmund). Der von den Kirchen praktizierte so genannte "Dritte Weg" werde "aktiv als Geschäfts- und Wettbewerbsstrategie genutzt..., um sich gegenüber sozialwirtschaftlichen Konkurrenten durchzusetzen", schreiben die Forscher.
Die Wissenschaftler stützen ihre Analyse der Arbeitsbeziehungen in der Diakonie auf eine schriftliche Befragung von knapp 300 Mitarbeitervertretungen in diakonischen Einrichtungen und -verbänden sowie auf 40 Intensivinterviews mit Arbeitnehmervertretern und Diakonie-Experten. Ergänzend zogen die Forscher ältere Umfragen sowie die Selbstdarstellungen diakonischer Unternehmen heran, und sie analysierten die kontroverse innerkirchliche Diskussion zum Thema, beispielsweise auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom November 2011. Angesichts der sehr vielfältigen und dezentralen Strukturen - rund 27.000 selbständige diakonische Einrichtungen in Deutschland beschäftigen etwa 435.000 Menschen - kann die Untersuchung keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben. Sie gibt aber einen vertieften Einblick in einen Bereich, für den bisher nur wenige empirische Daten vorliegen.
Die Wissenschaftler leuchten auch den Hintergrund der Veränderungen in der Diakonie aus: Bis in die 1990er Jahre hinein galt im Gesundheits- und Sozialbereich das Prinzip der "Selbstkostendeckung". Danach wurden bei der Abrechnung einer Krankenhaus-, Pflege- oder Betreuungsleistung den jeweiligen Kostenträgern pauschalierte Selbstkosten der genutzten Gesundheits- oder Sozialeinrichtung in Rechnung gestellt. In mehreren Gesundheits- und Sozialreformen schaffte die Bundesregierung dieses Prinzip zugunsten einer stärker auf Effizienz und Wettbewerb ausgerichteten Ordnung ab. So entstand ein "Sozialmarkt", auf dem Sozialunternehmen verstärkt um Aufträge der öffentlichen Hand oder der Sozialversicherung konkurrieren. Die Träger setzte das unter einen erheblichen Kostendruck.
In der Diakonie führte das zu entscheidenden Veränderungen bei der Bezahlung, so die Forschungsgruppe. Zuvor hätten sich Kirche und Diakonie in ihren AVR bundesweit weitgehend am Bundesangestelltentarif des Öffentlichen Dienstes orientiert. Diese recht einheitliche Struktur wurde in der Folge immer weiter aufgesplittert. Heute zählen die Forscher in den 22 evangelischen Landeskirchen und ihren diakonischen Werken allein 16 "Arbeitsrechtliche Kommissionen" und "knapp zwei Dutzend" AVR. Viele davon lägen teils deutlich unter dem heutigen Niveau des öffentlichen Dienstes, konstatieren die Forscher.
Die Nutzung von Leiharbeit in diakonischen Einrichtungen bezeichnen die Wissenschaftler als "übliche Praxis". Einige diakonische Sozialunternehmen unterhalten eigene Leiharbeitsunternehmen, so die Forscher. Die dort Beschäftigten erhielten niedrigere Löhne, die diakonischen Entleihbetriebe sparten durch diese Konstruktion zudem noch Mehrwertsteuer. Aus den Aussagen der Mitarbeitervertreter schließen die Wissenschaftler, dass Leiharbeit "in vielen Fällen nicht nur zur Abfederung vorübergehender Personalengpässe" diene, "sondern vielmehr dem dauerhaften Ersetzen 'teurerer' AVR-Mitarbeiter".
Anders als Ausgliederungen und AVR-Abweichungen sei "ersetzende" Leiharbeit in der Diakonie aber "kein flächendeckendes" Phänomen. Zudem habe ihre Bedeutung abgenommen, berichten die Wissenschaftler. Das führen sie vor allem auf zwei Gründe zurück: Zum einen habe der Kirchengerichtshof der EKD im Oktober 2006 eine "auf Dauer angelegte Beschäftigung" von Leiharbeitnehmern für unvereinbar mit dem "kirchlichen Grundsatz des Leitbildes von der Dienstgemeinschaft" erklärt. Zum anderen mache die in letzter Zeit etwas verbesserte staatliche Regulierung der Leiharbeit dieses Instrument weniger attraktiv. Nach Einschätzung der befragten Mitarbeitervertreter wichen manche diakonische Einrichtungen in dieser Situation verstärkt auf schlecht bezahlte Werkverträge aus. Andere übertrugen die von Leiharbeitnehmern oder Externen erledigten Arbeiten wieder auf eigene Beschäftigte.
Angesichts ihrer Untersuchungsergebnisse kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, "dass der Dritte Weg als gelebte Dienstgemeinschaft in der Praxis faktisch nicht existiert. Er folgt in der sozialunternehmerischen Wirklichkeit den Gesetzmäßigkeiten der gesamten Sozialbranche, und die ist von den herrschenden Refinanzierungsbedingungen bestimmt und nicht von Glaubens- bzw. Wertebesonderheiten. Große Teile der Mitarbeitervertretungen der Diakonie fordern deshalb den Übergang in den zweiten Weg und einen Tarifvertrag Soziales als Bremse der herrschenden Konkurrenzbedingungen."
Download der Studie : http://www.boeckler.de/pdf/pm_fof_2012_07_11.pdf
Quelle: Mitteilung vom 15.07.2012
Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rheinland-Westfalen-Lippe
Weißenburger Straße 12
44135 Dortmund
Tel.: 0231/ 579743
Fax: 0231/ 579754
E-Mail: info@vkm-rwl.de
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Diakonie kürzt Löhne für Pflegehelfer
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