Integration von Langzeitarbeitslosen

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

Presse
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Integration von Langzeitarbeitslosen

Beitrag von Presse » 09.07.2010, 16:45

"Bürgerarbeit ist konsequentes Fördern und Fordern"
Bundesarbeitsministerin stellt Modell zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt vor - bundesweit 197 Jobcenter beteiligt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales startet am 15. Juli 2010 mit dem neuen Modellprojekt Bürgerarbeit. Mit 197 Jobcentern aus allen 16 Bundesländern wird sich fast die Hälfte aller Grundsicherungsstellen bundesweit an dem Modellprojekt für eine bessere Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt beteiligen.

An der mindestens sechsmonatigen Aktivierungsphase sollen 160.000 erwerbsfähige Hilfebedürftige teilnehmen, für die Beschäftigungsphase ab dem 15. Januar 2011 stehen 34.000 Bürgerarbeitsplätze zur Verfügung. Das Bundesprogramm Bürgerarbeit, für dessen dreijährige Laufzeit insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro aus dem Bundesetat (230 Mio. Euro pro Jahr) und Mitteln des Europäischen Sozialfonds (200 Mio. Euro pro Jahr) zur Verfügung stehen, setzt auf Erfahrungen eines Pilotprojektes in Bad Schmiedeberg auf. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen stellte das Programm deswegen gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalts Dr. Reiner Haseloff in Berlin vor.

Bundesministerin Ursula von der Leyen:

"Aktiv zu sein ist immer besser als zuhause auf ein Jobangebot zu warten. Deswegen haben wir bei der Bürgerarbeit nicht nur eine intensive Aktivierungs- und Vermittlungsphase vorgeschaltet, sondern auch zur Bedingung gemacht, dass jedem Bürgerarbeiter ständig ein persönlicher Coach zur Seite steht, der motiviert, berät und unterstützt, damit der Sprung in einen regulären Job gelingt. Denn das oberste Ziel auch der Bürgerarbeit ist, Menschen dauerhaft in reguläre Jobs zu bringen. Die teilnehmenden Jobcenter sind hochmotiviert. Das zeigt der große Einfallsreichtum und der Mut der Konzepte. Sie nehmen nicht nur gezielt schwerer vermittelbare Gruppen wie Alleinerziehende, Arbeitsuchende mit Migrationshintergrund oder Menschen mit Behinderungen in den Blick, sie setzen auch auf eine starke Verankerung des Programms vor Ort. Das ist klug, denn mit der lokalen Wirtschaft, den Vereinen und Verbänden im Boot steigen die Chancen, dass das Programm zieht und der Beschäftigungserfolg von Dauer ist.

Wie funktioniert die "Bürgerarbeit"?

Vermittler vor Ort sprechen einzelne oder alle Kunden an - je nach örtlichem Konzept.
Dann Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, die genau festlegt: Was unternimmt das Jobcenter, was unternimmt der Arbeitslose an Eigenbemühungen in den nächsten sechs Monaten um einen regulären Job zu finden (Aktivierungsphase)
Die Jobcenter versuchen die Beteiligten zu vermitteln. Wenn das wegen konkreter Defizite oder einer fehlenden Qualifikation scheitert, startet gezielte Förderung.
Jedes Jobcenter kann eigene Wege verfolgen (Absicht des Programms): Zum Beispiel werden einige verstärkt auf Praktika bei Unternehmen setzen, andere auf gezielte Qualifizierung, andere in ländlichen Gegenden auf die Förderung von Mobilität. Mittelpunkt ist immer die Frage: Wie kann der Arbeitslose wieder einen Job bekommen? Was genau braucht er dafür konkret an Unterstützung?
Erst, wenn nach der sechsmonatigen Aktivierungsphase die Integration auf einen regulären Arbeitsplatz (noch) nicht möglich war, beginnt die Beschäftigungsphase. Dann erhalten ausgesuchte Teilnehmer einen der 34.000 "Bürgerarbeitsplätze" (Die Tätigkeit muss gemeinnützig sein und darf keine regulären Jobs verdrängen: Zum Beispiel Begleitservice für Ältere/Behinderte etwa bei Behördengängen/Arztbesuchen; Energiesparberatung für Bedürftige; Unterstützung von Übungsleitern/Platzwarten im Breitensport; Kochen und Essensausgabe bei Mittagstischen für Bedürftige; Anlage/Pflege von Naturlehrpfaden, etc.)
Vorstellungsgespräch beim Arbeitgeber, Abschluss eines Arbeitsvertrags (in der Beschäftigungsphase werden Arbeitsplätze bis zu drei Jahre mit einem Festbetrag gefördert, der Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsaufwand des Arbeitgebers abdeckt. Wochenarbeitszeit von 30 Stunden = 1.080 Euro; Wochenarbeitszeit von 20 Stunden = 720 Euro)
Gleichzeitig mit Aufnahme der Bürgerarbeit: Beginn des begleitenden Coachings (zum Beispiel regelmäßige Treffen, Besuche am Arbeitsplatz, Problemlösungsangebote).
Wenn sich während der Bürgerarbeitsphase am örtlichen Arbeitsmarkt neue Chancen auftun oder die Teilnehmer über ihre Tätigkeit die persönlichen Voraussetzungen verbessern, initiiert der Coach erneute Vermittlungsversuche in reguläre Jobs.

Infos und Materialien zum Thema:
Liste der beteiligten Jobcenter am Modellprojekt "Bürgerarbeit"
http://www.bmas.de/portal/46772/2010__0 ... ndern.html
Übersicht von Aktivierungen und Bürgerarbeitsplätzen nach Bundesländern
http://www.bmas.de/portal/46784/2010__0 ... etzen.html
Modellprojekt "Bürgerarbeit" - Fragen und Antworten
http://www.bmas.de/portal/46778/2010__0 ... __faq.html

Quelle: Pressemitteilung vom 09.07.2010
http://www.bmas.de/portal/46740/2010__0 ... rbeit.html

ProPflege
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Modellprojekt Bürgerarbeit - Einsatz in der Pflege ?

Beitrag von ProPflege » 09.07.2010, 17:23

Bild Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk
Unabhängige und gemeinnützige Initiative - Harffer Straße 59 - 41469 Neuss

09.07.2010

Eilt!

An das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Berlin



Betr.: Modellprojekt Bürgerarbeit

Sehr geehrte Frau Ministerin von der Leyen,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben Ihre Pressemitteilung zum "Modellprojekt Bürgerarbeit" in unser Forum übernommen und damit auch der Fachöffentlichkeit näher gebracht. Den Text finden Sie unter:
viewtopic.php?p=53133#53133

Aus der Sicht der kranken und pflegebedürftigen Menschen ergeben sich einige Fragen zum Modellprojekt und bitten dazu um eine kurzfristige Rückmeldung:

Die Betreuung und Pflege erfordert meist eine hohe fachliche Kompetenz. Selbst wenn pflegefachliche Qualifikationen (z.B. einer dreijährigen Ausbildung) nicht gefordert sind, muss jeder in der Betreuung und Pflege gleichwohl mit der erforderlichen Sorgfalt tätig werden. Das heißt, er muss immer über die im Einzelfall erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Da die meisten PflegeheimbewohnerInnen krank und zum Teil hochgradig pflegebedürftig (demenzkrank) sind, müssen die jeweils zum Einsatz kommenden Dienstleister über eine ausreichende Befähigung verfügen, angemessen bis sehr gut zu handeln (durch Tun oder Unterlassen). Im Rahmen der niedrigschwellig zum Einsatz kommenden Betreuungsassistenten hat man bereits im August 2008 insoweit eine Mindestqualifizierung von 160 Stunden vorgesehen. Dies ist vielfach noch als unzulänglich bezeichnet worden.

Es stellt sich nun die Frage, ob die Langzeitarbeitslosen, die im Rahmen des o.a. Modells bei kranken und pflegebedürftigen Menschen zum Einsatz gelangen sollen, ebenfalls vorher verbindlich eine Ausbildung zu durchlaufen haben. Ohne eine solche Qualifizierung bestünden allergrößte Bedenken, den Gesundheits- und Pflegebereich für einen Einsatz zu öffnen. Dies auch dann, wenn es nur um einfache Dienstleistungen geht.

Dürfen wir Sie bitten, uns kurzfristig diesbezüglich einige Erläuterungen zu übermitteln? Vielen Dank im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schell - Dozent für Pflegerecht
http://www.wernerschell.de - Pflegerecht und Gesundheitswesen -
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G. Fröhlich- Rockmann
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Pflegende Angehörige - Pflegebedingungen verbessern

Beitrag von G. Fröhlich- Rockmann » 09.07.2010, 21:19

Es scheint aufs Sommerloch zuzugehen, deshalb folgende Anmerkungen:

Weshalb werden jetzt mit einem riesen finanziellen und verwaltungstechnischen Aufwand wieder die Stellen geschaffen, die es schon gab aber weg fielen, weil die Finanzierung durch Städte Gemeinden weggefallen sind?

Was ist bitte neu an diesem Konzept und weshalb macht man denn eine solche Welle, wenn denn die Arbeitsagenturen endlich mal beginnen sollten das zu tun, was eigentllich laut Gesetz schon von Anfang an ihre Aufgabe ist?

Weshalb schafft man nicht schlagartig mindestens 670.000 Arbeitsplätze in Deutschland in dem man die Rahmenbedingungen die dort genmannt werden auf pflegende Angehörige anwendet und deren Arbeit endlich als solche auch legalisiert???

Aus Sicht der Betroffenen sage ich hier wieder einmal ganz klar und deutlich, dass von 1,2 Millionen Menschen die in Deutschland an Demenz leiden sich 3/4 ambulant zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung durch Angehörige in einer 1:1 Betreuung oder auch Beziehungspflege auf qualitativ höchstem Niveau pflegen lassen.

Ich bin gegen eine Verwissenschaftlichung der häuslichen Pflege und verwahre mich auf das entscheidenste dagegen, auch nur den Anschein erwecken zu lassen, dass Pflege durch Angehörige minderwertig sei.

Die jahrzehntelange tatsächlich gelebte Pflegepraxis in Deutschland zeigt tatgtäglich das schwerstpflegebedürftige Menschen wunderbar außerhalb von Heimen gepflegt werden können.

Mich verwundert es deshalb das kaum die Forderung nach sozialer Absicherung hier zu finden ist und es wundert mich, dass niemand auf den Dreh kommt, dass durch diese "Superaktion" bestehende Pflegearrangemants in Gefahr geraten, weil pflegende Angehörige die Leistungsbezieher sind in solche Maßnahmen unter Androhung von Leistungskürzungen gezwungen werden.

Der Herr Wirtschaftsminister und seine Landesrergierung in Sachsen- Anhalt täten gut daran im Land das Gesetz zur Umsetzung der Unterstützung von Pflege in Sachsen- Anhalt seit der letzten Pflegereform mal auf den Weg zu bringen anstatt in Berlin irgendwelchen Schwachsinn zu verkünden!

Auch Herr Wirtschaftsminister kann gern hier ein Praktikum absolvieren um den Bezug zu seinen Wählern wieder zu finden! E- Mail an mich reicht und ist sowohl in seiner Arbeitsagenturt als auch in der Sozialagentur des Landes bekannt.

Mit freundlichen Grüßen auch und insbesondere an "meine" Landesväter
Gerd Fröhlich- Rockmann
Es ist der Mensch und nicht die Krankheit

Sabrina Merck
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Pflegereform aus einem Guss

Beitrag von Sabrina Merck » 11.07.2010, 07:24

Meine Meinung:

Es mag sinnvoll erscheinen, ein Modellprojekt Bürgerarbeit anzuschieben. Wenn es damit gelingen sollte, möglichst viele Langzeitarbeitslose beruflich unterzubringen, war die Mühe nicht umsonst. Wenn aber tatsächlich beabsichtigt sein sollte, diese schwer vermittelbaren Personen auch in die stationäre Pflege (mit einer Art Zwangsverpflichtung) einzubinden, sehe ich ein großes Problem.
Stationär versorgt werden nicht selten schwerst pflegebedürftige Menschen mit verschiedenen Krankheiten und unterschiedlichen Ausprägungen von Pflegebedürftigkeit. Wer solche Personen (mit) betreuen soll, bedarf einiger theoretischer Kenntnisse und praktischer Fähigkeiten. Daher bin ich auch der Meinung, dass diejenigen Personen, die in der stationären Pflege beruflich untergebracht werden sollen, zunächst einmal eine ausreichende Qualifizierung erfahren müssen. Eine grundsätzliche Eignung für eine solche Tätigkeit ist selbstverständlich. Alles andere wäre nicht vertretbar und grobe Missachtung der Bedürfnisse unserer pflegebedürftigen Mitmenschen.

Es fragt sich aber in der Tat, ob hier nicht ein Sommerloch bedient wird. Denn wir brauchen doch nicht von jedem Ministerium extra irgendeinen Vorschlag zur Verbesserung der Pflegesituationen. Wir brauchen eine Pflegereform aus einem Guss. Und dabei muss es um viele verschiedene Fragen gehen.
Z.B.: Wollen wir nicht endlich das Prinzip "ambulant vor stationär" wirklich umsetzen. Es werden zwar schon 2/3 der Menschen ambulant betreut, gepflegt, aber zum Teil unter nicht akezptablen Rahmenbedingungen. Die Absicherung und finanzielle Dotierung ist unzureichend und bedard dringend einer Veränderung. Wer in der ambulanten Pflege z.B. als Angehöriger ganztätig, d.h. vollzeitig, pflegt, muss auch entsprechend finanziell abgesichert werden, muss von der Pflege leben können.
Solche und ähnliche Forderungen müssen deutlicher erhoben und in die Reformdiskussionen eingeführt werden. Immer wieder!

Es grüßt
Sabrina
Dem Pflegesystem und den pflegebedürftigen Menschen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden! Daher:
Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk!
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

thorstein
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Beitrag von thorstein » 14.07.2010, 14:20

Warum kann man die Bürgerarbeit nicht mit dem Prinzip ambulant vor stationär verbinden? Was hier fehlt ist eine Tagesbetreuung zur Entlastung der Angehörigen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass jede Gemeinde eine solche Betreuung mit einem Mix aus Angehörigen, Ehrenamt und Bürgerarbeit auf die Beine stellen könnte.

Im Grunde genommen eine Übertragung der Demenzbegeleiter im stationären Bereich auf den ambulanten Bereich.

Das ist natürlich noch kein fertiges Konzept. Im Prinzip geht es doch aber darum, das man bezahlbare Leistungen anbietet, die bislang offenbar nicht finanzierbar waren.

Bernd Masmeier
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Was ist der Unterschied?

Beitrag von Bernd Masmeier » 14.07.2010, 15:30

Langsam begreife ich die Welt nicht mehr (oder doch nur Deutschland?): Vor wenigen Monaten wurde Frau Kraft für die gleiche Idee, die nun Frau von der Leyen auf den Tisch legt, ohne Ende gescholten, auch und gerade von der CDU! Halten es denn heute wirklich fast alle Politiker mit dem Adenauerschen Motto: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!"? Wenn weiterhin so Politik gemacht wird, wird die Politikverdrossenheit bald ins Unendliche steigen. Dann könnte eines Tages die Story eines vor einigen Jahren ausgestrahlten fiktiven Fernsehspiels Wirklichkeit werden, dass nach einer Bundestagswahl eine Wahlbeteiligung von 3 % festgestellt wird - und alle Parteien ratlos sind, ob denn dieses Wahlergebnis überhaupt gültig sei!

Claridge
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Re: Integration von Langzeitarbeitslosen

Beitrag von Claridge » 14.07.2010, 16:25

Presse hat geschrieben:
"..........Deswegen haben wir bei der Bürgerarbeit nicht nur eine intensive Aktivierungs- und Vermittlungsphase vorgeschaltet, sondern auch zur Bedingung gemacht, dass jedem Bürgerarbeiter ständig ein persönlicher Coach zur Seite steht, der motiviert, berät und unterstützt, damit der Sprung in einen regulären Job gelingt.
Ich möchte es hier einmal ganz deutlich auf den Punkt bringen: Wie blöde muß jemand sein um glauben zu können ein ganzes Volk für dumm verkaufen zu können?
Die ARGEn sind von Anfang an chronisch unterbesetzt. Da soll plötzlich für jeden "Bürgerarbeiter" ständig ein persönlicher Coach zur Seite stehen?????
......damit der Sprung in einen regulären Job gelingt. In welchen Job???
Solange sich um jede freie Stelle sich ca. 9 Arbeitslose streiten wird das wohl nichts!
Und wieder zig Millionen Euro für nichts sinnlos verplempert!
Soviel heiße Luft. Und das ausgerechnet jetzt in der Hitzezeit.
Frau von der Leyen. Jetzt wissen wir warum das mit dem Präsidentenamt nichts wurde.

Rita Reinartz
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Bürgerarbeit in der ambulanten und stationären Pflege

Beitrag von Rita Reinartz » 14.07.2010, 17:52

ProPflege hat geschrieben: Es stellt sich nun die Frage, ob die Langzeitarbeitslosen, die im Rahmen des o.a. Modells bei kranken und pflegebedürftigen Menschen zum Einsatz gelangen sollen, ebenfalls vorher verbindlich eine Ausbildung zu durchlaufen haben. Ohne eine solche Qualifizierung bestünden allergrößte Bedenken, den Gesundheits- und Pflegebereich für einen Einsatz zu öffnen. Dies auch dann, wenn es nur um einfache Dienstleistungen geht. ...
Hallo,
ich bin auch der Meinung, dass Langzeitarbeitslose durchaus in der Pflege - ambulant und stationär - eingesetzt werden können. Nur, es muss eine auf die konkrete Tätigkeit abgestellte Qualifizierung erfolgen, Eignung sowieso vorausgesetzt.
Insoweit sollte in der Tat das Ministerium einmal nähere Erläuterungen vorstellen. Dann werden sich möglicherweise alle Aufgeregtheiten von selbst erledigen. Von daher war die Anfrage von Pro Pflege gut und richtig.
Die Vorschläge von Frau Kraft zielten in der Tat in eine ähnliche Richtung und waren daher grundsätzlich nicht verwerflich. Aber auch damals stand die Frage der Qualifizierung und Eignung an. Bis heute wohl eher nicht beantwortet.
MfG Rita
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

ThomasH
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Menschen brauchen Menschen

Beitrag von ThomasH » 14.07.2010, 18:42

Seit 9 Jahren begutachte, berate ich in privaten Häuslichkeiten zur Pflege.
Meine Erfahrungen durch die Bank:
Die gröbsten Pflegefehler passieren in stationären Einrichtungen, welche mit Pflege etwas zu tun haben; also dort, wo Wir professionellen Pflegen und die Verantwortung dafür tragen.
Das Dienstleistungsverhalten von ambulanten Pflegediensten deckt - wenn überhaupt - nur wenige Stunden am Tag eines hilfebedürftigen Menschen ab.
Die Leistungen der Angehörigen (= Laienkräfte) stehen für mich außerhalb jeder Kritik. Die Angehörigen kennen den Pflegebedürftigen, dessen Bedarfe und Bedürfnisse und haben etablierte organisatorische Settings (Bekannte, Hausarzt, Therapeuten, ambulanter Pflegedienst, sonstige, Pflegestützpunkte) um Fragen beantwortet zu bekommen.
Was die Angehörigen nicht haben sind Menschen die ihnen freie Zeit geben und sie von ihrer Aufgabe der Pflege und Betreuung zu entlasten.
Also hängt die Frage der Qualifikation nicht zu hoch, sondern schafft einfache und effiziente Hilfsangebote. Aber, bitte ohne Rücksicht auf bestehende Organisation, wie z. B. die Wohlfahrtsverbände, oder Dienstleister; zwingt diese endlich mal zum kundenorientierten Verhalten.
Schafft ein Angebot von Menschen für Menschen die Menschen brauchen.
War da noch, am Bau gilt ein Mindestlohn von 9,50 € (oder so).
Eine Pflegestufe = ein Pflegegeld, für alle: von Privat, über Pflegedienst bis Pflegeheim.
Der Fokus muss auf den Pflegebedürftigen liegen und nicht auf der Arbeitsmarktpolitik oder den Wirtschaftsinteressen der Wohlfahrtsverbände oder sonstiger börsennotierter Pflegeanbieter.
Wendet die bestehenden Gesetze an ("...die Würde des Menschen...) und wir brauchen keine Qualitätsoffensive oder sonstiger Dokumentationswahn in der Pflege. Der gesunde Menschenverstand wird es richten.
Ganz Recht, die Wissenschaft (auch die der Pflege) soll dem Menschen dienen und nicht der Mensch der Wissenschaft; bzw. zwanghaft wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterlaufen wollen.
Vergesst nicht die Individualität des Einzelnen und seiner Bedarfe und Bedürfnisse.
Von daher: Pflegende Angehörige sollen beim Arbeitsamt einen Pflegeassistenten beantragen können um dann, ggf. mit Unterstützung, die geeignete Person auswählen zu können.
Etwaiige Schulungsbedarfe können dann immer noch erfolgen.
Aber wie eine Mutter ihrem Kind die Windel wechselt, kann es sicherlich auch so mancher Arbeitsloser bei der Oma, ohne 160 Stunden Schulung, oder so.

Thomas Hahn

Herbert Kunst
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Lanzeitarbeitslose müssen qualifiziert werden

Beitrag von Herbert Kunst » 15.07.2010, 08:44

Hallo,

wir müssen immer unterscheiden zwischen ambulanter Pflege - weitgehend durch Angehörige - und stationäre Pflege - durch professionelle Pflege.
Bei der stationären Pflege sind dienstvertragliche Regelungen die Basis, die zwangsläufig die Pflicht auslösen, mit der "erforderlichen Sorgfalt" (§§ 287, 278 BGB) zu arbeiten. Daraus ergeben sich zwangsläufig Qualifizierungserfordernisse, ggf. auch nur in bescheidener Ausprägung (siehe z.B. Betreuungsassistenten).
Bei der jetzigen Initiaitve, Langzeitarbeitslose u.a. als Dienstkräfte in die Heime zu vermitteln, sind diese Grundsätze zu beachten. D.h., dass an einer (Mini)qualifizierung kein Weg vorbei geht.
Dies deutlich zu machen, halte ich für richtig.

Gruß
Herbert Kunst
Für menschenwürdige Pflege sind wir alle verantwortlich! - Dazu finde ich immer wieder gute Informationen unter http://www.wernerschell.de

ThomasH
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"erforderlichen Sorgfalt"

Beitrag von ThomasH » 15.07.2010, 21:46

Aber wie sieht die "erforderlichen Sorgfalt" durch die dienstvertraglich geregelte Pflege den tatsächlich aus?
Kommen die Angehörigen / die Assistenten nicht mit in die stat. Einrichtungen passieren doch gerade die Pflegefehler:
Dekubitus
soziale Deprivation
unzureichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr (ok, abseits der iv-Applikation)
Mobilitätsverlußt
Kontrakturen
Thrombosen (ok, abseits der sc. Injektion)
Nicht mehr passende Zahnprothesen, weil diese nicht angezogen werden (oder verschwinden)
Intertrigo
etc. etc. etc.
Kurz um, das ganze Programm der pflegerischen Prophylaxen.
Oder will jemand die Gegenrede aufstellen?

Da ist es mir zu einfach mit der "erforderlichen Sorgfalt" zur argumentieren, wenn Art. 1 GG auf der Strecke bleibt.

Früher hatten wir bei uns im Krankenhaus die "grünen Damen" = ehrenamtlich, ohne missbräuchliche Vergütungsregelung.
Diese Damen haben viele der o. g. bzw. abzuleitenden Hilfen erbracht.

Stellt doch die Frage nach den Bedarfen (zwingend erforderlich) und nach den Bedürfnissen (individuelle Erfordernisse) der Menschen die Hilfe brauchen.
Dreht Euch nicht wieder im Kreis nach der Frage der Grundausbildung um einem Menschen etwas zum Trinken anzureichen; etc. etc. etc.
Oder verdient am Ende jemand wiedermal an der Grundausbildung der Arbeitslosen zu Hilfspflegeexperten? (Nachtigall ich hör dir ...)

Nach dem Modell der Ausbildung, z. B. über 14 Tage, haben sich schon zig Tausend wundgelegen oder sind gar verdurstet.

Es ist Zeit zu helfen und nicht zu diskutieren oder zu organisieren.

Oder warum fragen mittlerweile die stationären Einrichtungen bereits nach den Angehörigen, damit diese dann originäre Aufgaben der Pflege für die Patienten übernehmen?
Ist das etwa die "erforderliche Sorgfalt" der stat. Einrichtungen?

Ich bitte einen Jeden, meine Ausführungen nicht als persönlichen Angriff zu verstehen; wenn es dennoch so verstanden werden sollte, möchte ich mich vielmals dafür entschuldigen.

Thomas Hahn

Rita Reinartz
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Personalnot beseitigen

Beitrag von Rita Reinartz » 16.07.2010, 08:59

Hallo Thomas,
tatsächlich sind die rechtlichen Vorgaben so, dass immer mit der erforderlichen Sorgfalt gearbeitet werden muss. Die tatsächlichen Personalausstattungen bzw. die Arbeitsverdichtungen sind aber so, dass das erlernte Wissen und das praktische Können nur noch unvollkommen umgesetzt werden kann. Standards, eigentlich willkommene Handlungsanleitungen, können nicht eingehalten werden. Das alles ist Fakt und macht die Arbeit in der Pflege schwer, manchmal unerträglich.
Deshalb ist es erforderlich, auf diese Situation aufmerksam zu machen und von den politisch Verantwortlichen die Beseitigung dieses Personalnotstandes einzufordern - immer wieder. Ja, man muss den Verantwortlichen aufzeigen, dass es hier um Verrichtungen geht, die unmittelbar mit der Menschenwürde zu tun haben.
MfG Rita
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

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Pflegenotstand beheben = menschenwürdige Pflege

Beitrag von KPHNeuss » 16.07.2010, 09:24

Pflege nach Kassenlage
viewtopic.php?t=14194
ist doch Fakt. Es packen doch schon alle an und sind am Rande der Möglichkeiten.
Würdevolle Pflege braucht Menschen, und zwar in ausreichender Zahl. Sonst bleibt immer wieder einiges auf der Strecke, was es dann zu beklagen gilt - leider immer zu Lasten der Pflegekräfte.
Klagen wir doch mal über unsere Politiker, die sich lediglich von einem Wahltermin zum anderen hangeln!

KPH Neuss
Für eine uneingeschränkt gute Pflege müssen wir alle eintreten - die Verfassung enthält die entscheidenden Wertegrundsätze: Die Menschenwürde ist unantastbar!

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Personalnot beseitigen

Beitrag von ThomasH » 16.07.2010, 13:53

Alles soweit schlüssig.
Aber:
Wir alle sitzen in einem Boot. Somit müssen Systeme und Problemlösungsstrategien angewendet werden welche sich am Kernproblem orientieren und nicht an wirtschaftlichen oder arbeitsmarktpolitischen Problemstellungen.
Wir leben nicht mehr in einem Industriezeitalter der Vor- und Nachkriegszeit.
Wie befinden uns im Kommunikationszeitalter.
Diese Feststellung muss sich etablieren und Handlungsabfolgen, bzw. Änderungen gegenüber einem Industriezeitalter nach sich ziehen.
Unsere Gesellschaft, federführend die politische Riege, halten - wie ich finde - weiterhin an ihren Machtstrukturen und Machtausdehnung fest.

Zurück zum Thema: In der Pflege bedeutet das für mich = Ich brauche keine Pflegepersonalfachquote, da nicht und nie bezahlbar und ehedem auch nicht notwendig.
Die Pflege von Menschen ist nicht dazu da um die Arbeitsplätze der examinierten Pflegekräfte zu sichern.

Nenn mir doch bitte mal jemand die Statistik welche darüber Auskunft gibt, wie hoch die Pflegefehlerquote bei durch Laienpflege erbrachter Pflege ist.
Bis lang erlebe und höre ich nur von Pflegefehlern nur aus dem Verantwortungsbereich der professionellen Pflege.

Zum Schluss: Vieleicht erfordert die o. g. Kommunikationsgesellschaft auch einen anderen politischen Schwerpunkt, bzw. Ausrichtung, als die seit Adenauers Zeiten (= Industriezeitalter) segenshafte Ausrichtung auf Wirtschaftswachstum für Sicherheit und Wohlstand.
Ich lebe seit 46 Jahren in Sicherheit und Wohlstand.
Erlebe jedoch heute, dass die vermeintliche Sicherheit in höchster Gefahr ist. Nein nicht durch Pershing-Raketen oder sonstigen Rüstungswahn, sondern durch den Klimawandel, als Folge einer verpassten Wahrnehmung, oder Gier und Macht.
Marx lässt grüßen? Zumindest sollte darüber nachgedacht werden, als Alternative zum Liberalismus.

Meine Kompetenzen liegen im Bereich der Pflege:
Bringt endlich Menschen zu Menschen.

Warum ich ab und zu so viel schreibe?
Na weil mein Pflegebett mir näher ist als mein Kinderbett (= demographischer Wandel). Also reiner Eigennutzen; oder?

Thomas Hahn

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Pflegenotstand lässt menschenwürdige Pflege nicht zu

Beitrag von Rita Reinartz » 17.07.2010, 06:43

ThomasH hat geschrieben: ..... Meine Kompetenzen liegen im Bereich der Pflege:
Bringt endlich Menschen zu Menschen. ...
Hallo,
diesen Satz kann ich ja komplett akzeptieren. Menschliche Zuwendung erfordert aber eine gewisse Anzahl von Personen, die sich kümmern können. Natürlich müssen das nicht alles Fachpflegekräfte sein, manchmal reicht die Motivation, "ein gutes Herz".
Mehr Personal kann auch finanziert werden. Vielleicht müssen wir auch den BürgerInnen einmal sagen, dass die allseits gewünschte gute Pflege, frei von einem unsäglichen Minutenzwang, etwas mehr kostet. Oder wir erschließen Reserven, die im System enthalten sind?
Ich bin seit längerer Zeit der Meinung, natürlich mit anderen, dass wir eine umfassende Reform der Pflegesysteme brauchen, Krankenhäuser eingeschlossen. Im Zentrum dieser Reform müsste die menschenwürdige Gestaltung, Ausführung, der Pflege stehen. Wir mich bedeutet das klar: Beseitigung des Pflegenotstandes.
MfG Rita
Menschenwürdegarantie bedarf bei der Umsetzung entsprechender Rahmenbedingungen. Insoweit gibt es aber Optimierungsbedarf!

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