Ersatzpflege - Streit vor dem Sozialgericht

Arbeits- und Arbeitsschutzrecht, Allgemeine Rechtskunde (einschließlich Staatsrecht), Zivilrecht (z.B. Erbrecht)

Moderator: WernerSchell

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Lupo01
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Ersatzpflege - Streit vor dem Sozialgericht

Beitrag von Lupo01 » 21.05.2010, 03:24

Es gibt Ersatzpflege bei Krankheit und bei Urlaub. In beiden Fällen steht pflegenden Angehörigen jeweils 28 Tage oder im Wert ca. 1500 € im Jahr zu. Bedingt durch Krankheit musste ich Ersatzpflege beanspruchen und damit war die für das Jahr erschöpft. Meinen Urlaub hatte ich schon zwei Jahre nicht beansprucht wegen fehlender Ersatzkraft. Als ich dann doch eine Ersatzkraft bekam, beantragte ich vorher Urlaub. Die BEK erklärte mir Krankheit und Urlaub wären zwei verschiedene Schuhe und gewährte mir Urlaub. Ich bestellte darauf die Ersatzkraft die nach ihrer Tätigkeit die Pflegerechnung einreichte. Doch seit 32 Monaten wartet die vergeblich auf ihr Geld. Ich reichte bereits im September 2007 Klage ein für das fehlende Geld sowie Anspruch auf meinen Urlaub von zwei Jahren. Außerdem beantragte ich die Auszahlung des Fiktivlohns von 1200 €/monatlich für die Gewährung von Rentenbeiträgen. Laut Pflegetagebuch arbeitete ich mindestens 34 Stunden die Woche.
Nun erklärte die Richterin vor dem Sozialgericht, Urlaub und Ersatzpflege wegen Krankheit wären das Gleiche. Also ein Arbeiter, der krank war, dem sagt der Chef Urlaub gibt es nicht mehr. Ein Sturm der Entrüstung ginge durch die Republik. Aber pflegende Angehörige, die dürfen das. Das größte Pflegeheim ist zu Hause. Die anderen Einrichtungen dagegen wie Heime oder Ambulanz streichen Geld aus der Pflegekasse mit einer Leichtigkeit ein, das einem schlecht wird, plündern die Pflegekasse. Pflegenotstand dagegen bei den Angehörigen, ja Reduzierung der Pflegestufe 3 auf 650 € wenn kein Pflegedienst kommt.
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thorstein
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Beitrag von thorstein » 21.05.2010, 07:35

Ich bin ja grundsätzlich dafür, dass das Mantra ambulant vor stationär endlich Realität wird. Grundvoraussetzung ist dabei, das pflegende Angehörige auch entsprechend unterstützt werden. Möglicherweise wäre ja ein bedingsloses Grundgehalt eine Lösung auch für dieses Problem.

Wenn allerdings, wie hier, wieder ein Verteilungskampf ausgerufen wird, reiben sich die Sozial-und Gesundheitspolitiker die Hände. Wie bequem ist es, den Heimen wieder Raffgier zu unterstellen. Man hat einen Schuldigen und kann sich am Stammtisch auf die Schenkel klopfen. Pflege muss als gesamtgesellschaftliches Problem gesehen werden und wir müssen uns tatsächlch fragen, welche Pflege die Pflegebedürftigen in unserem Land erwarten können. Wir haben hier längst Grenzlinien überschritten: die unzulänglichen Rahmenbedingungen führen meiner Ansicht nach längst zu grundgestzwidrigen Situationen.

Verteilungskämpfe innerhalb der Systeme, ob nun zwischen ambulanter und stationärer Pflege oder zwischen Krankenschwestern und Ärzten, helfen mit absoluter Sicherheit nicht weiter.

Lupo01
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Aufsicht

Beitrag von Lupo01 » 21.05.2010, 09:24

Sollen wir sehenden Auges tolerieren, daß die Pflegekasse geplündert wurde von der Wohlfahrtsmafia?
Sie ist leer. Das Gezänk zwischen den Fraktionen fürwahr fruchtlos. Versagt hat die Selbstverwaltung der Kranken- und Pflegekasse.
Die Einrichtung, die von den Versicherten gewählt wurde. Sie ist ein Popanz.
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thorstein
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Beitrag von thorstein » 21.05.2010, 10:33

Hallo,

welches sehende Auge ist da gemeint. In der Regel arbeiten die kirchlichen Träger gemeinnützig. Ich bin zwar sicher, dass sie im Umgang mit Geld nicht die erste Adresse sind. Aber Plünderer? Ich habe ausreichend Vertrauen in unsere Finanzämter, dass diese Institutionen ja kontrolliert. Und das viele Einrichtungen kurz vor der Pleite stehen oder sich aus der Gemeinnützigkeit verabschieden, spricht auch nicht für Plünderungen.

Es wurde immer wieder angemahnt, dass die Träger ihre Bilanzen offen legen sollen. Dann haben es welche getan, wie z.B das Münchenstift, und dann hat es niemanden mehr interessiert. Vorurteile gibt man einfach ungern auf.

Der entscheidende Faktor für die Pflegequalität ist und bleibt die Zeit. Und da sind pflegende Angehörige immer die bessere Wahl. Um in einem Heim angemessene Pflege zu erreichen, d.h ausreichend Personal und damit ausreichen Pflegezeit zur Verfügung zu stellen,müßte ein Heimplatz ca. 4500 Euro kosten. Würden wir ein Drittel davon den Angehörigen zur Verfügung stellen, die zur Pflege bereit wären, könnten wir die Anzahl der Heime vielleicht auf dem Ist-Stand einfrieren.

was darf den eine Stunde Pflege kosten? Und wieviel Stunden sollen den Pflegebedürftigen zustehen? Pflegekräfte haben Anspruch auf Urlaub, werden krank, müssen dokumentieren und die Behandlungspflege durchführen: eine Stunde tatsächliche Pflegezeit ist unter 35 Euro nicht zu haben. Der Anteil an demenzkranken hat sich inzwischen bei 70% eingestellt. Ich gehe deshalb von einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 3h pro Tag für die pflege und Betreuung aus. wem das zu viel erscheint, soll es mir bitte begründen. Dann wären wir schon bei etwa 3000 Euro Unkosten nur für die Pflege! Tatsächlich haben wir im Durchschnitt derzeit etwa 90 Minuten für die Pflege. Anstatt aber zu rechnen, regt man sich über die angeblich viel zu teuren 3000 Euro pro Pflegeplatz auf. Für 3000 Euro ist nun mal nur eine Akkordpflege mit einkalkulierten Mängeln zu haben. Das damit auch manche Träger noch Gewinne einstreichen, ändert an dieser -nachrechenbaren- Tatsache überhaupt nichts.

Lupo01
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Daheim statt Heim

Beitrag von Lupo01 » 21.05.2010, 14:14

21.05.2010 15:10


Wenige Deutsche wollen im Alter ins Heim

Nur neun Prozent der Menschen in Deutschland können sich vorstellen, ihren Lebensabend in einem Heim zu verbringen. Eine Pflege im betreuten Wohnen oder im Servicewohnen können sich 18 Prozent der Befragten vorstellen. Bis zum Schluss in ihren eigenen vier Wänden leben möchte die überwältigende Mehrheit von 73 Prozent der Menschen. Generell fühlen sich 48 Prozent der Befragten schlecht über das Thema Pflege informiert. Das geht aus einer aktuellen Umfrage im Auftrag von Compass unter mehr als 6 200 Personen hervor. "Die Politik muss endlich akzeptieren, dass Pflegeheime keine von den Menschen in unserem Land akzeptierte Wohnform sind. Stattdessen müssen wir den ambulanten Bereich ausbauen und dafür auch Geld in die Hand nehmen", erläutert Silvia Schmidt, Mitinitiatorin der Bundesinitiative Daheim statt Heim, die Resultate der Untersuchung. Außerdem müssten die Menschen besser über die Möglichkeiten einer individuellen Versorgung informiert werden. Pflege müsse endlich den Menschen dienen und nicht umgekehrt, fordert Schmidt.
glp
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Pflegeangebote müssen vielfältig sein

Beitrag von PflegeCologne » 21.05.2010, 14:29

Hallo,

natürlich will eigentlich kaum jemand in einem Heim seinen Lebensabend verbringen. Das ist nachvollziehbar.
Aber die Lebensumstände und die Schwere einer Pflegebedürftigkeit lassen oft keine andere Wahl, in ein Heim einzuziehen. So ist das Leben. Früher wurden die Menschen nicht in großer Zahl so alt wie heute, die Familien funktionierten noch einigermaßen.
Daher macht es keinen Sinn, die Heime grundsätzlich zu verurteilen. Wir brauchen sie, und zwar in Zukunft deutlich mehr.
Dennoch sollte alles daran gesetzt werden, dass die Menschen solange wie gewünscht und möglich, Zuhause bleiben.
Wir müssen dafür sorgen, dass alle dem Einzelfall gerecht werdenden Pflegeangebote verfügbar sind. Entweder oder (Daheim statt Heim) sind der falsche Weg!
Wir müssen die Pflege-Rahmenbedingungen insgesamt menschenwürdiger gestalten. Dazu brauchen wir mehr Pflegepersonal!

MfG Pflege Cologne
Alzheimer - eine Krankheit, die mehr Aufmerksamkeit erfordert! - Pflegesystem muss dem angepasst werden, auch, wenn es teurer wird! - Ich bin dabei:
http://www.pro-pflege-selbsthilfenetzwerk.de

thorstein
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Beitrag von thorstein » 21.05.2010, 16:08

Ich gehe davon aus, dass 100% aller Menschen in den eigenen vier Wänden bleiben würden, wenn sie die Wahl haben. Einen Zusammenhang mit dem Plünderer-Argument kann ich nicht erkennen, ist wohl auch nicht beabsichtigt.

Pflege ist auch in den Privathaushalten zu über 80% Frauenarbeit. Heute haben diese Frauen aber selbst einen Job. Familien sind meist auf beide Einkommen angewiesen. Wo soll hier eine vielleicht vorhandene Motivation zur Pflege von Angehörigen herkommen. Wenn hier nicht bessere Angebote gemacht werden, bleibt nur die teurere Alternative Heim. Dann wird sich in den nächsten 10 jahren die Zahl der Heime verdoppeln müssen. Eine Verbesserung der Rahmenbedingungen ist dabei nicht in Aussicht. Es wird wohl nicht einmal gelingen, den Mehrbedarf an Fachpersonal für diese neuen Einrichtungen zu gewinnen.

Wollten wir tatsächlich jetzt die Rahmenbedingungen verbessern, woher sollte das Personal kommen? Also selbst wenn ein politischer Wille erkennbar wäre, die Rahmenbedingungen zu verbessern, würde das derzeit wohl am Mangel an Pflegekräften scheitern. Es gibt daher viele gute Gründe, den weiteren Ausbau der Heime jetzt zu stoppen und Alternativen zu suchen.

Rob Hüser
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Heime und Zuhause im vernünftigen Miteinander

Beitrag von Rob Hüser » 21.05.2010, 16:19

thorstein hat geschrieben: .... Wollten wir tatsächlich jetzt die Rahmenbedingungen verbessern, woher sollte das Personal kommen? Also selbst wenn ein politischer Wille erkennbar wäre, die Rahmenbedingungen zu verbessern, würde das derzeit wohl am Mangel an Pflegekräften scheitern. Es gibt daher viele gute Gründe, den weiteren Ausbau der Heime jetzt zu stoppen und Alternativen zu suchen. ...
Hallo thorstein,
klingt alles gut und nachvollziehbar. Aber, ich stimme Pflege Cologne zu. Der Trend wird zunehmend in Richtung Heime gehen (müssen). Daher müssen wir uns schnellstens darauf einrichten. Die anstehende Pflegereform muss das aufgreifen. Die Personalgewinnung - Ausbildung und Einstellungsoffensive - muss im Zentrum stehen.
Genau so intensiv müssen wir natürlich für Alternativen eintreten. Aber insoweit sehe ich auch deutliche Grenzen.
Es grüßt und wünscht erholsame Pfingstfeiertag
Rob H.
Das Pflegesystem muss dringend zukunftsfest reformiert werden!

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