Medizin und Ökonomie
„Erst der Patient, dann der Profit“
Hamburg (jz). Nach dem Willen der verfassten Ärzteschaft sollen Krankenhausträger bei ihren Vertragsverhandlungen mit leitenden Klinikärzten den Anfang des Jahres in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen in § 135c des Sozialgesetzbuches V ohne Umgehungsstrategien „uneingeschränkt Rechnung“ tragen. Eine entsprechende Entschließung verabschiedete der 119. Deutsche Ärztetag in Hamburg.
Nach dem Willen der verfassten Ärzteschaft sollen Krankenhausträger bei ihren Vertragsverhandlungen mit leitenden Klinikärzten den Anfang des Jahres in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen in §135c des Sozialgesetzbuches V ohne Umgehungsstrategien „uneingeschränkt Rechnung“ tragen. Eine entsprechende Entschließung verabschiedete der 119. Deutsche Ärztetag in Hamburg.
Besagter § 135c wurde im Zuge des Krankenhausstrukturgesetzes neu formuliert. Danach muss die Deutsche Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer Empfehlungen abgeben, um sicherzustellen, dass im Arbeitsalltag konkrete Zielvereinbarungen mit finanziellen Anreizen etwa für einzelne Leistungen und Leistungsmengen ausgeschlossen sind – der Marburger Bund als einzige Ärztegewerkschaft wird daran nicht beteiligt.
Ärztetags-Präsident Prof. Frank Ulrich Montgomery hatte bereits in seiner Eröffnungsrede ((lesen Sie dazu auch „Sachliche Diskussion um ein immer noch heißes Thema“ >
https://www.marburger-bund.de/node/14123/edit ) verdeutlicht: „Die Prioritäten müssen klar sein: erst der Patient, dann der Profit.“ Prof. Hans-Fred Weiser, Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK), sagte in seinem Gastvortrag über die Grenzen des ökonomisch Zumutbaren: „Wir sind alle einer Meinung: Ethisch verantwortliche Medizin kennt nicht den Verkauf von Kniegelenken, Herzkatheter-Operationen oder Organtransplantationen gegen Bonus.“
Weisers Ansicht nach sind die Probleme der Ökonomisierung im Gesundheitswesen von der Politik hausgemacht – durch die Einführung des DRG-Systems. „Wer uns Ärzte als Leistungserbringer dazu verpflichten will, Leistungen zu verkaufen, der darf sich nicht wundern, wenn sich dieses System dann nach betriebswirtschaftlichen Kriterien organisiert“, sagte er. Dabei schlössen sich wirtschaftliches Denken und Qualität keinesfalls aus. Es müsse aber eben ein dem Gesundheitswesen und der Patientenversorgung angemessenes wirtschaftliches Denken sein.
Einer aktuellen Untersuchung der Unternehmensberatung Kienbaum zufolge hätten 97 Prozent der leitenden Krankenhausärzte im Jahr 2015 Verträge mit monetären Anreizen gehabt. Noch vor 20 Jahren seien es nur fünf Prozent gewesen. Und die Ökonomisierung habe längst auf alle Klinikärzte durchgegriffen. Gemäß einer Kienbaum-Analyse von 2011 hätten bereits 19 Prozent der Oberärzte, 15 Prozent der Fachärzte und sogar sechs Prozent der Ärzte in der Weiterbildung Verträge mit mengenassoziierten Bonusregelungen abgeschlossen. Dass gerade junge Ärzte am Anfang ihres Berufslebens damit konfrontiert werden, hält Weiser für äußerst bedenklich. Sie befänden sich in „extremer Gefahr, in ein Berufsbild Arzt gepresst zu werden“, das dem eigentlichen Berufsbild nicht gerecht werde.
Viele Delegierte forderten daher, das Thema Ethik stärker in der Weiterbildung zu verankern und im klinischen Alltag einzubringen. Sie sehen dabei jeden einzelnen Arzt in der Pflicht. Gelten müsse der Grundsatz „Ethik vor Monetik“, hieß es mehrfach. VLK-Präsident Weiser wünscht sich den Mut von Chefärzten, „auch mal kritische Verträge abzulehnen“, selbst wenn Arbeitslosigkeit drohe. „Die Ärzteschaft ist in der glücklichen Lage, dass der Markt für Ärzte gut ist.“
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Quelle: MBZ - Marburger Bund Zeitung, Juni 2016
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