Heime kritisieren Pflege-TÜV
Verfasst: 21.05.2010, 12:24
Neuss
Heime kritisieren Pflege-TÜV
VON CHRISTOPH KLEINAU
Neuss (NGZ) Können Schulnoten die Qualität der Pflege und den Grad menschlicher Zuwendung in Altenheimen ausdrücken? Die Träger vieler Einrichtungen und die Pflegekonferenz des Kreises stellen das infrage.
Widersprüche, Nachprüfungen, einstweilige Anordnungen, sogar Klagen: Kaum ein Träger nimmt die Bewertungen seiner Altenheime durch den "Pflege-TÜV" unkommentiert hin. Auch die Stadt hat die Überprüfung ihres Herz-Jesu-Heimes durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) beanstandet und die Veröffentlichung des Ergebnisses im Internet so aufschieben können. Sie kritisiert das Bewertungssystem, das, so Sozialamtsleiter Hans-Peter Oebel, mit standardisierten Verfahren in Zahlen zu pressen sucht, was kaum zu messen ist. Zuwendung und Nähe zum Beispiel.
Die Pflegekonferenz des Rhein-Kreises hat in der Vorwoche die Unzufriedenheit mit dieser Prüfung, die durch eine Veröffentlichungspflicht eigentlich Transparenz für Bewohner und Angehörige schaffen soll, diskutiert. Dass das Schulnotensystem geeignet ist, Laien einen klaren Durchblick zu verschaffen, wurde dabei zumindest infrage gestellt, erklärt Marcus Mertens von der Heimaufsicht des Kreises. Er hält aber fest: Bislang hat kein Träger wegen der künftig jährlich erfolgenden, grundsätzlich unangemeldeten Prüfungen oder ihrem Ergebnis die Gerichte bemüht.
Seit Jahresanfang prüft der MDK mit seinem neuen Verfahren, die Veröffentlichung der Noten ist verpflichtend. Seitdem wird auch geklagt. Eine abschließende Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht gibt es noch nicht, sagt der Rechtsanwalt Cornel Hüsch, der Träger von Alteneinrichtungen bei diesem Thema begleitet. Bislang gebe es zum Teil gegensätzliche Einzelentscheidungen. Das letzte Urteil erging diese Woche am Landessozialgericht NRW. Das stellt fest: Die Transparenzberichte sind nicht verfassungswidrig.
Ursache für schlechte Bewertungen ist oft, dass die Tätigkeiten in der Pflege nicht ausreichend dokumentiert sind. Wenn nur die Papierform zähle, führt das zu Verzerrungen, hält Thilo Spychalski, Geschäftsführer der Neusser St.-Augustinus-Kliniken, dagegen. "Wenn eine Ordensfrau Sterbebegleitung macht, das aber nicht dokumentiert, folgert der MDK: Seelsorge findet nicht statt", nennt er ein Beispiel aus dem St.-Augustushaus in Dormagen.
Dem Haus, das bei der Prüfung ein Mangelhaft bekam. Der Träger reagierte nicht mit Klage, sondern will den (Un)-Sinn dieses Prüfungsmodus, der nur ein Misstrauenssystem aufbaue, anders entlarven. Vier Monate wurde an der Dokumentation gearbeitet, Dienstag war Nachprüfung. Die, so Spychalski, sei richtig gut gelaufen.
Info
Das sagt Pro-Pflege
Werner Schell vom Selbsthilfenetzwerk Pro Pflege aus Erfttal kritisiert, dass Heimplatzsuchende mit Schulnoten für Heime wenig anfangen können. Der Pflege-TÜV "erhöht nur den Druck auf die ohnehin gebeutelten Pflegekräfte." Er fordert eine Reform der Pflege.
Quelle: Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 21.05.2010
http://www.ngz-online.de/neuss/nachrich ... 59974.html
Siehe auch unter:
viewtopic.php?t=13551
Heime kritisieren Pflege-TÜV
VON CHRISTOPH KLEINAU
Neuss (NGZ) Können Schulnoten die Qualität der Pflege und den Grad menschlicher Zuwendung in Altenheimen ausdrücken? Die Träger vieler Einrichtungen und die Pflegekonferenz des Kreises stellen das infrage.
Widersprüche, Nachprüfungen, einstweilige Anordnungen, sogar Klagen: Kaum ein Träger nimmt die Bewertungen seiner Altenheime durch den "Pflege-TÜV" unkommentiert hin. Auch die Stadt hat die Überprüfung ihres Herz-Jesu-Heimes durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) beanstandet und die Veröffentlichung des Ergebnisses im Internet so aufschieben können. Sie kritisiert das Bewertungssystem, das, so Sozialamtsleiter Hans-Peter Oebel, mit standardisierten Verfahren in Zahlen zu pressen sucht, was kaum zu messen ist. Zuwendung und Nähe zum Beispiel.
Die Pflegekonferenz des Rhein-Kreises hat in der Vorwoche die Unzufriedenheit mit dieser Prüfung, die durch eine Veröffentlichungspflicht eigentlich Transparenz für Bewohner und Angehörige schaffen soll, diskutiert. Dass das Schulnotensystem geeignet ist, Laien einen klaren Durchblick zu verschaffen, wurde dabei zumindest infrage gestellt, erklärt Marcus Mertens von der Heimaufsicht des Kreises. Er hält aber fest: Bislang hat kein Träger wegen der künftig jährlich erfolgenden, grundsätzlich unangemeldeten Prüfungen oder ihrem Ergebnis die Gerichte bemüht.
Seit Jahresanfang prüft der MDK mit seinem neuen Verfahren, die Veröffentlichung der Noten ist verpflichtend. Seitdem wird auch geklagt. Eine abschließende Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht gibt es noch nicht, sagt der Rechtsanwalt Cornel Hüsch, der Träger von Alteneinrichtungen bei diesem Thema begleitet. Bislang gebe es zum Teil gegensätzliche Einzelentscheidungen. Das letzte Urteil erging diese Woche am Landessozialgericht NRW. Das stellt fest: Die Transparenzberichte sind nicht verfassungswidrig.
Ursache für schlechte Bewertungen ist oft, dass die Tätigkeiten in der Pflege nicht ausreichend dokumentiert sind. Wenn nur die Papierform zähle, führt das zu Verzerrungen, hält Thilo Spychalski, Geschäftsführer der Neusser St.-Augustinus-Kliniken, dagegen. "Wenn eine Ordensfrau Sterbebegleitung macht, das aber nicht dokumentiert, folgert der MDK: Seelsorge findet nicht statt", nennt er ein Beispiel aus dem St.-Augustushaus in Dormagen.
Dem Haus, das bei der Prüfung ein Mangelhaft bekam. Der Träger reagierte nicht mit Klage, sondern will den (Un)-Sinn dieses Prüfungsmodus, der nur ein Misstrauenssystem aufbaue, anders entlarven. Vier Monate wurde an der Dokumentation gearbeitet, Dienstag war Nachprüfung. Die, so Spychalski, sei richtig gut gelaufen.
Info
Das sagt Pro-Pflege
Werner Schell vom Selbsthilfenetzwerk Pro Pflege aus Erfttal kritisiert, dass Heimplatzsuchende mit Schulnoten für Heime wenig anfangen können. Der Pflege-TÜV "erhöht nur den Druck auf die ohnehin gebeutelten Pflegekräfte." Er fordert eine Reform der Pflege.
Quelle: Neuss-Grevenbroicher Zeitung vom 21.05.2010
http://www.ngz-online.de/neuss/nachrich ... 59974.html
Siehe auch unter:
viewtopic.php?t=13551