Je schlechter die Pflege, desto prächtiger verdient
Verfasst: 28.07.2008, 13:21
Aktuelle Informationen zur Pflege ------> http://www.wernerschell.de/ProPflege/index.htm
1.) Je schlechter die Pflege, desto prächtiger verdient
die gesamte (!) Gesundheitsbranche (Interview mit Claus Fussek)
2.) Reha verweigert - Widerspruch einlegen und Hilfe suchen!
(Plus-Minus im ERSTEN)
3.) Ich bin alt, müde, ich habe genug (Beitrag im STERN)
1.) Der Sozialpädagoge und Buchautor Claus Fussek im Interview mit Rainer Woratschka, Parlamentskorrespondent des Berliner TAGESSPIEGEL.
Es wurde veröffentlicht in DAS PARLAMENT - dem Sprachrohr des Deutschen Bundestags. Fussek, als Kritiker der "Pflegemafia" bekannt, fordert eine radikale Reform des Systems - hin zu bezahlbaren ambulanten Strukturen
<< ....
FRAGE: Warum werden alte Menschen in Deutschland so gepflegt?
FUSSEK:
Ich habe das Gefühl, dass man an den Folgen schlechter Pflege prächtig verdient - und zwar viele Milliarden. Sonst gäbe es in unseren Heimen längst eine Pflicht zur Sturzprophylaxe. Man hätte dort feste Ärzte. Und man würde Prävention zur Grundlage jedes Versorgungsvertrags machen.
FRAGE: Wer verdient an schlechter Pflege?
FUSSEK:
Die ganze Branche. Zuvorderst natürlich die örtlichen Krankenhäuser, die mit den krank gepflegten Alten ihr Geschäft machen. Jedes Druckgeschwür und jeder Oberschenkelhalsbruch ist für die ein Wirtschaftsfaktor. Auch die Rettungssanitäter leben vom Hin- und Hertransport zwischen Klinik und Pflegeheim - wenn es Heimärzte gäbe, hätten sie weniger zu tun. Und mit mehr Betreuung und Ergotherapie bräuchten die alten Menschen auch weniger Medikamente - was die örtlichen Apotheken und die Pharmaindustrie zu spüren bekämen. Keiner davon hat wirklich ein Interesse an Verbesserungen für die alten Menschen.
FRAGE: Die Gesundheitsindustrie profitiert von wenig Heilung und vielen chronisch Kranken. Aber muss man gleich von einer Pflegemafia sprechen, wie sie das in Ihrem jüngsten Buch tun?
FUSSEK:
Mafia heißt für mich, dass in einem System skrupellos an wehrlosen Menschen sehr viel Geld verdient wird - und dass man trotz aller Erkenntnisse daran festhält. Das ist hier der Fall. Darin bestätigen mich auch die Reaktionen auf mein Buch. Offenbar begreifen viele aus der Branche langsam, was sie ethisch verbrochen haben.
FRAGE: Gehören für Sie denn auch die Kirchen zu dieser Mafia?
FUSSEK:
Selbstverständlich. Wenn es um Gratishumanität geht, stehen sie immer ganz vorne. Aber dort, wo sie mitverdienen und verantwortlich sind, also etwa in ihren Heimen, da schweigen sie und leugnen die Probleme. Klar, wer überall seine Finger drin hat, kann keine Faust mehr ballen. Das erklärt auch, warum sie sich als größter Arbeitgeber nicht flächendeckend für eine ordentliche Bezahlung von Pflegekräften einsetzen.
FRAGE: Nun gibt es eine Pflegereform. Ist das nicht schon mal was?
FUSSEK:
Vor zehn Jahren hätte ich gesagt: Besser als gar nichts. Nach jahrelanger Diskussion aber kann ich nicht begreifen, wie man dieses Reförmchen ernst nehmen soll.
FRAGE: Was hätten Sie sich denn erwartet?
FUSSEK:
Zum Beispiel, dass man Kranken- und Pflegeversicherung zusammenlegt. Und dass man endlich ein Anreizsystem für gute Pflege installiert. Aber man hat es nicht einmal geschafft, sich von der unerträglichen Minutenpflege zu verabschieden - wo es auf der ganzen Welt keinen Menschen gibt, der so gepflegt werden und keinen Pfleger, der so pflegen möchte. ...
FRAGE: Sollte man Pflegeheime generell abschaffen, wie es einige Kritiker fordern?
FUSSEK:
Das ist unrealistisch. Ich würde sagen: Baut keine neuen mehr. Errichtet stattdessen flächendeckend bezahlbare ambulante Strukturen. Auch flexible Nacht- und Wochenendpflege ist nötig. Und wir brauchen mehr Nachbarschaftshilfe, wir müssen das bürgerschaftliche Engagement verbessern. Ich kenne eine 85-jährige blinde Frau, die versucht, möglichst selbstständig zu sein. Geld bekäme sie nur, wenn sie sich einen doppelten Oberschenkelhalsbruch zuzöge, einige Wochen im Krankenhaus läge und dann bettlägerig würde. Ein solches System ist nicht nur teuer, es ist pervers. ...
FRAGE: Heime sollen nun öfter und unangemeldet geprüft, die Ergebnisse veröffentlicht werden. Das hört sich doch gut an.
FUSSEK:
Natürlich sind das Fortschritte. Nur: Für gute Heimträger sind es Selbstverständlichkeiten. Dass man überhaupt darüber diskutieren muss, ist absurd. Die verordnete Transparenz light für 2011 zeigt nur, wie wenig erreicht wurde. ... Wir wissen doch, dass es anders geht. Es gibt Heime, wo man alte Menschen würdevoll behandelt, wo Einzelzimmer und unangemeldete Kontrollen selbstverständlich sind, wo es einen Angehörigenbeirat gibt und man offen mit Beschwerden umgeht. Die beste Heimaufsicht bleiben engagierte Angehörige - und eine Gemeinde, die sich um ihre alten Menschen kümmert. >>
Vollständig: http://www.bundestag.de/dasparlament/20 ... 91377.html
REHA für ältere wird häufig gestrichen: Widerspruch einlegen und Hilfe suchen!
Beitrag mit hilfreichen Links: http://www.daserste.de/plusminus/beitra ... 7s7~cm.asp
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"Ich bin alt, müde, ich habe genug"
Der STERN (von voriger Woche) über das Ausmaß von Alterssuizid und Verzweiflung
http://www.stern.de/wissenschaft/mensch ... 31165.html
Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 28.7.2008
http://www.patientenverfuegung.de
1.) Je schlechter die Pflege, desto prächtiger verdient
die gesamte (!) Gesundheitsbranche (Interview mit Claus Fussek)
2.) Reha verweigert - Widerspruch einlegen und Hilfe suchen!
(Plus-Minus im ERSTEN)
3.) Ich bin alt, müde, ich habe genug (Beitrag im STERN)
1.) Der Sozialpädagoge und Buchautor Claus Fussek im Interview mit Rainer Woratschka, Parlamentskorrespondent des Berliner TAGESSPIEGEL.
Es wurde veröffentlicht in DAS PARLAMENT - dem Sprachrohr des Deutschen Bundestags. Fussek, als Kritiker der "Pflegemafia" bekannt, fordert eine radikale Reform des Systems - hin zu bezahlbaren ambulanten Strukturen
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FRAGE: Warum werden alte Menschen in Deutschland so gepflegt?
FUSSEK:
Ich habe das Gefühl, dass man an den Folgen schlechter Pflege prächtig verdient - und zwar viele Milliarden. Sonst gäbe es in unseren Heimen längst eine Pflicht zur Sturzprophylaxe. Man hätte dort feste Ärzte. Und man würde Prävention zur Grundlage jedes Versorgungsvertrags machen.
FRAGE: Wer verdient an schlechter Pflege?
FUSSEK:
Die ganze Branche. Zuvorderst natürlich die örtlichen Krankenhäuser, die mit den krank gepflegten Alten ihr Geschäft machen. Jedes Druckgeschwür und jeder Oberschenkelhalsbruch ist für die ein Wirtschaftsfaktor. Auch die Rettungssanitäter leben vom Hin- und Hertransport zwischen Klinik und Pflegeheim - wenn es Heimärzte gäbe, hätten sie weniger zu tun. Und mit mehr Betreuung und Ergotherapie bräuchten die alten Menschen auch weniger Medikamente - was die örtlichen Apotheken und die Pharmaindustrie zu spüren bekämen. Keiner davon hat wirklich ein Interesse an Verbesserungen für die alten Menschen.
FRAGE: Die Gesundheitsindustrie profitiert von wenig Heilung und vielen chronisch Kranken. Aber muss man gleich von einer Pflegemafia sprechen, wie sie das in Ihrem jüngsten Buch tun?
FUSSEK:
Mafia heißt für mich, dass in einem System skrupellos an wehrlosen Menschen sehr viel Geld verdient wird - und dass man trotz aller Erkenntnisse daran festhält. Das ist hier der Fall. Darin bestätigen mich auch die Reaktionen auf mein Buch. Offenbar begreifen viele aus der Branche langsam, was sie ethisch verbrochen haben.
FRAGE: Gehören für Sie denn auch die Kirchen zu dieser Mafia?
FUSSEK:
Selbstverständlich. Wenn es um Gratishumanität geht, stehen sie immer ganz vorne. Aber dort, wo sie mitverdienen und verantwortlich sind, also etwa in ihren Heimen, da schweigen sie und leugnen die Probleme. Klar, wer überall seine Finger drin hat, kann keine Faust mehr ballen. Das erklärt auch, warum sie sich als größter Arbeitgeber nicht flächendeckend für eine ordentliche Bezahlung von Pflegekräften einsetzen.
FRAGE: Nun gibt es eine Pflegereform. Ist das nicht schon mal was?
FUSSEK:
Vor zehn Jahren hätte ich gesagt: Besser als gar nichts. Nach jahrelanger Diskussion aber kann ich nicht begreifen, wie man dieses Reförmchen ernst nehmen soll.
FRAGE: Was hätten Sie sich denn erwartet?
FUSSEK:
Zum Beispiel, dass man Kranken- und Pflegeversicherung zusammenlegt. Und dass man endlich ein Anreizsystem für gute Pflege installiert. Aber man hat es nicht einmal geschafft, sich von der unerträglichen Minutenpflege zu verabschieden - wo es auf der ganzen Welt keinen Menschen gibt, der so gepflegt werden und keinen Pfleger, der so pflegen möchte. ...
FRAGE: Sollte man Pflegeheime generell abschaffen, wie es einige Kritiker fordern?
FUSSEK:
Das ist unrealistisch. Ich würde sagen: Baut keine neuen mehr. Errichtet stattdessen flächendeckend bezahlbare ambulante Strukturen. Auch flexible Nacht- und Wochenendpflege ist nötig. Und wir brauchen mehr Nachbarschaftshilfe, wir müssen das bürgerschaftliche Engagement verbessern. Ich kenne eine 85-jährige blinde Frau, die versucht, möglichst selbstständig zu sein. Geld bekäme sie nur, wenn sie sich einen doppelten Oberschenkelhalsbruch zuzöge, einige Wochen im Krankenhaus läge und dann bettlägerig würde. Ein solches System ist nicht nur teuer, es ist pervers. ...
FRAGE: Heime sollen nun öfter und unangemeldet geprüft, die Ergebnisse veröffentlicht werden. Das hört sich doch gut an.
FUSSEK:
Natürlich sind das Fortschritte. Nur: Für gute Heimträger sind es Selbstverständlichkeiten. Dass man überhaupt darüber diskutieren muss, ist absurd. Die verordnete Transparenz light für 2011 zeigt nur, wie wenig erreicht wurde. ... Wir wissen doch, dass es anders geht. Es gibt Heime, wo man alte Menschen würdevoll behandelt, wo Einzelzimmer und unangemeldete Kontrollen selbstverständlich sind, wo es einen Angehörigenbeirat gibt und man offen mit Beschwerden umgeht. Die beste Heimaufsicht bleiben engagierte Angehörige - und eine Gemeinde, die sich um ihre alten Menschen kümmert. >>
Vollständig: http://www.bundestag.de/dasparlament/20 ... 91377.html
REHA für ältere wird häufig gestrichen: Widerspruch einlegen und Hilfe suchen!
Beitrag mit hilfreichen Links: http://www.daserste.de/plusminus/beitra ... 7s7~cm.asp
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"Ich bin alt, müde, ich habe genug"
Der STERN (von voriger Woche) über das Ausmaß von Alterssuizid und Verzweiflung
http://www.stern.de/wissenschaft/mensch ... 31165.html
Quelle: PATIENTENVERFUEGUNG NEWSLETTER vom 28.7.2008
http://www.patientenverfuegung.de