Politik muss das Pflegesystem grundlegend reformieren
Antwort der Redaktion der "Münchner Runde" vom 10.7.2008:
Sehr geehrter Herr Kirschner,
vielen Dank für Ihre Email vom 9.7.08.
Sie haben Recht: Die Missstände in den Pflegeheimen sind hinlänglich bekannt. Selbst Pflegeexperte Fussek sagte in der Sendung, dass er seine eigenen Argumente schon nicht mehr hören könne.
Im Rahmen unserer Sendung haben wir versucht, die entsprechenden Appelle an die Politik weiterzutragen. Hierfür hatten wir Melanie Huml (CSU) und Miriam Gruß (FDP) eingeladen. Nur Politiker können letztlich auf eine richtige Verteilung der Gelder hinwirken, wie auch Sie es einfordern.
Wir hoffen, dass Sie unsere Sendung auch in Zukunft mit soviel Interesse verfolgen.
Mit besten Grüßen
i.A. Silvia Wickenhäuser
Bayerisches Fernsehen
Programmbereich Politik
Redaktion Gespräche
Floriansmühlstr. 60
80939 München
Nochmalige Zuschrift an die "Münchner Runde":
Sehr geehrte Frau Wickenhäuser,
es war sehr freundlich von Ihnen, mir auf meine E-Mail zu antworten. Doch der Inhalt Ihres Schreibens ist befremdlich. Ich habe mir die Sendung nochmals angeschaut, um zu prüfen, welche Appelle Sie und Ihre Gäste an die Politik "weitergetragen" haben. Das sind mir aber keine aufgefallen.
Frau Melanie Huml hat nur die bekannten Themen vorgetragen, wieAufnahme von anderen Wohnformen ins neue "Pflegequalitiätsgesetz",
Verbesserung der Information über Pflegeheime durch Veröffentlichung der Berichte der Heimaufsichten und des MdK (das ist eine große Verbesserung, meinte sie, doch wie schaut die Wirklichkeit lt. "Pflegequalitätsgesetz" aus),
Mitteilung darüber, daß das neue "Pflegequalitätsgesetz" ab 01.08.2008 gelten solle.
Frau Miriam Gruß fokusierte
die Pflege müsse kapitalorientiert finanziert werden, weil für die Zukunft wohl nach ihrer Anschauung das Geld nicht reiche.
Ansonsten nichts Neues.
Das waren die Beiträge der Politikerinnen. Die restlichen Gäste thematisierten zwar die "Angst", die wohl mehr als berechtigt ist, wenn über Pflege oder Pflegeheime in der Öffentlichkeit diskutiert wird, meinten aber auch noch zusätzlich, daß es wohl auch noch gute stationäre Einrichtungen gäbe. Aber das war’s dann auch schon.Keine Forderungen an die Politik !
Claus Fussek’s Globalaussagen als Pflegeexperte kennt wohl nach all den Jahren jeder in Deutschland. Er hat bis heute keine konkreten Lösungsvorschläge der Nation angeboten, als nur, "hinzuschauen und in die Pflegeheime zu gehen" und sich dann bei Mißständen mit den Heimleitungen zu verständigen. Bis heute hat Claus Fussek noch niemals öffentlich darüber geredet, ob er mit Angehörigen, die verzweifelt bei ihm angerufen und ihre Probleme vorgetragen haben, ob er selbst dann mit dem oder den Angehörigen in der stationären Einrichtung vorstellig geworden ist und was dann dabei herausgekommen ist. Von außen ist gut reden.
Das einzig konkrete von ihm war, die Ausrufung einer "Sommerinitiative gegen Hunger und Durst in Pflegeheimen". Ich fand das umwerfend. Was kann der Normalbürger, der Ihre Sendung gehört hat, wohl damit anfangen ? Ihn interessieren Antworten darauf, wie ihm die "Angst" genommen werden kann. Das ständige "Herunterleiern" der schon längst bekannten Argumente bringt wahrlich nichts. Die Vergangenheit hat es bewiesen.
Warum konfrontieren Sie nicht die Politikerinnen und Politiker mit nur einigen wenigen, Fragen, wie z.B:
Warum schreibt der Gesetzgeber ins neue "Pflegequalitätsgesetz", daß aus qualitätssichernder Deregulierung die Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wegfallen soll ?
Warum schreibt der Gesetzgeber nicht in das neue "Pflegequalitätsgesetz", die Träger und stationären Einrichtungen sollen ihre Bilanzen offenlegen ?
Weshalb nennt der Gesetzgeber im neuen "Pflegequalitätsgesetz" keinen Anwesenheitsschlüssel bzw. keine Fachkraftquote ?
Weshalb schreibt der Gesetzgeber im neuen "Pflegequalitätsgesetz" nicht vor, daß Abrechnungen nach dem § 105 SGB XI - dieser ist seit 01.01.1996 - gesetzlich verankert - den Bewohnerinnen und Bewohnern ausgestellt werden ?
Mit welcher Berechtigung begründet der Gesetzgeber sein Recht im neuen "Pflegequalitätsgesetz" das Heimvertragsrecht zu regeln ?
Wo bleiben den die Gelder, die aus der Investitionszulage monatlich eingefordert werden, wenn sie nicht während eines Geschäftsjahres verbraucht werden ?
Wo stehen die Gewinne in den Bilanzen der Träger und stationären Einrichtungen, wenn sie nicht zur Deckung von Verlusten aufgezehrt wurden ?
Ich bin der Meinung, diese Fragen zu beantworten, davor haben die Politikerinnen und Politiker "Angst" oder sieht das öffentlich-rechtliche Fernsehen keine Notwendigkeit, die Bürger über diese brennenden Fragen aufzuklären ?
Der Fragenkatalog könnte noch um ein Vielfaches fortgesetzt werden. Dazu soll sich der Gesetzgeber klar positionieren und die Staatsregierung sollte nicht mit ihrer derzeitigen Mehrheit ein "Spargesetz" "durchpeitschen", um dann alles in das "Kleingedruckte" zu verschieben und sich dann noch per Gesetz ermächtigen lassen, Verordnungen zu erlassen. Das ist keine "Transparenz" für den Bürger. Soll sich der Bürger neben den Gesetzestext noch die Gebrauchsanweisung zurechtlegen, um zu verstehen, was das Gesetz denn jetzt eigentlich meint.
Der Bürger will endlich wissen, wie mit den Pflegegeldern in den stationären Einrichtungen umgegangen wird.
Er will nicht ständig von der Politik und den Heimträger und Anderen hören, "die Pflege sei nicht bezahlbar". Er will dezidiert durch Kassensturz zuerst über die Mittelverwendung bei den Träger und stationären Einrichtungen aufgeklärt werden, bevor ständig von steigenden Kosten geredet wird.
Das macht und schürt die "Angst".
Er will wissen, ob in den stationären Einrichtungen genügend Personal eingesetzt wird, um die Pflege zu organisieren und/oder ob nicht der Mißstand beim Personal deswegen vorhanden ist, weil deren Entlohnung schlecht ist oder weil Heimleitungen an qualifiziertem und ausgebildetem Fachpersonal sparen.
Darüber sollte die öffentliche Diskussion geführt werden.
Und um mit den Worten des Pflegeexperten Claus Fussek zu schließen "ich kann meine eigenen Worte nicht mehr hören", sollten wir wirklich mit dem Reden aufhören und darangehen, von der Politik Lösungen einfordern.
Ich möchte nicht nur von Kosten reden, sondern habe als Bürger auch kritisch "hingeschaut".
Zu Ihrer Information eine Kostenverteilung eines Pflegesatzes II der Münchenstift GmbH, die diese im Münchner Merkur und der TZ vor wenigen Wochen veröffentlicht hat. Bei diesen Ausgaben sollte der Gesetzgeber auffordern, sich mit Belegen und Liquiditätsfluß deren Berechtigung im einzelnen nachweisen zu lassen, aber ohne Rücksicht auf den Träger.
Bei dieser Kostenverteilung eines Pflegesatzes habe ich wirklich "Angst" bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Kirschner
Mitglied "Forum Pflege aktuell"
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